„Ruine“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
K Änderungen von 93.226.77.167 (Diskussion) auf die letzte Version von Girus zurückgesetzt
KKeine Bearbeitungszusammenfassung
 
(25 dazwischenliegende Versionen von 17 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
[[Datei:Sg fexx 05.JPG|miniatur|hochkant=1.5|Ruine der [[Burg Drachenfels (Siebengebirge)|Burg Drachenfels]] im Siebengebirge am Rhein]]
[[Datei:Sg fexx 05.JPG|mini|Ruine der [[Burg Drachenfels (Siebengebirge)]]]]
'''Ruine''' (von [[Latein|lateinisch]] ''ruere'' für „stürzen“, Plural ''Ruinen'') bezeichnet ein zerfallenes [[Bauwerk]]. Für den stehengebliebenen Überrest eines Gebäudes nach einem [[Brand]] oder einer [[Feuersbrunst]] gab es im [[Frühneuhochdeutsch]]en den heute nicht mehr geläufigen Begriff ''[[Brandstütze]]''.<ref>{{Literatur |Autor=R. Anderson |Titel=Frühneuhochdeutsches Wörterbuch |Hrsg= |Sammelwerk= |Band=4 |Nummer= |Auflage= |Verlag= |Ort= |Datum=2000 |Seiten=932 |ISBN=}}[https://books.google.de/books?id=dv3OSafncgMC&pg=PA62&lpg=PA62&dq=Brandst%C3%BCtze+Feuer&source=bl&ots=MrGRiJoDVq&sig=Eybml-nFvP1YhLylY1PK9hhh3YY&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjB96fKmc3XAhUMthoKHY_6B_4Q6AEINjAC#v=onepage&q=Brandst%C3%BCtze%20Feuer&f=false]</ref><ref>[https://fwb-online.de/lemma/brandst%C3%BCtze.s.1f Frühneuhochdeutsches Wörterbuch]</ref>
'''Ruine''' (von [[latein]]isch ''ruere'' für „stürzen“, Plural ''Ruinen'') bezeichnet ein zerfallenes [[Bauwerk]]. Für den stehengebliebenen Überrest eines Gebäudes nach einem [[Brand]] oder einer [[Feuersbrunst]] gab es in der [[Frühneuhochdeutsche Sprache|Frühneuhochdeutschen Sprache]] den heute nicht mehr geläufigen Begriff ''[[Brandstütze]]''.<ref>{{Literatur |Autor=Robert R. Anderson, Ulrich Goebel, Oskar Reichmann |Titel=Frühneuhochdeutsches Wörterbuch |Hrsg= |DOI=10.1515/9783110810905 |ISBN=978-3-11-016382-7 |Band=4 |Nummer= |Auflage= |Verlag=de Gruyter |Ort= |Datum=2000 |Seiten=931 |Online={{Google Buch |BuchID=dv3OSafncgMC |Seite=931 |Hervorhebung=brandstütze}} }}</ref>


Als Baudenkmale sind Ruinen oft [[Kulturgut]] und Teil des kulturellen Erbes. Viele Ruinen tragen entsprechende Kennzeichen (siehe [[Internationales Komitee vom Blauen Schild]]).
Als [[Baudenkmal|Baudenkmäler]] oder [[Mahnmal]]e sind Ruinen oft [[Kulturgut]] und werden als Teil des kulturellen Erbes betrachtet. Ein Teil der Ruinen zählt daher sogar zum [[UNESCO-Welterbe|UNESCO-Weltkulturerbe]] (z.&nbsp;B. die [[Akropolis]] oder [[Machu Picchu]]), oder tragen entsprechende Kennzeichen des [[Blue Shield International]].

[[Datei:Chac II.jpg|miniatur|Tempelruine der [[Maya]]s ([[Chac II]]) auf der Halbinsel [[Yucatán (Bundesstaat)|Yucatán]]]]
[[Datei:Machu Picchu, Peru.jpg|mini|[[UNESCO-Welterbe|UNESCO-Weltkulturerbe]]: Die Ruinenstadt [[Machu Picchu]], Peru]]
[[Datei:Morina ruins.jpg|miniatur|Verschiedene Ruinen im [[Kosovo]]: vorn ein verfallenes Haus, dahinter Zerstörungen aus dem [[Kosovokrieg]]]]
[[Datei:Chac II.jpg|mini|Tempelruine der [[Maya]]s ([[Chac II]]) auf der Halbinsel [[Yucatán (Bundesstaat)|Yucatán]]]]
[[Datei:Frankfurt-Ost Empfangsgebaeude-Rueckseite 27092008.JPG|miniatur|Rückseite der Ruine des Empfangsgebäudes des [[Bahnhof Frankfurt (Main) Ost|Ostbahnhofs]] im [[Frankfurt am Main|Frankfurter]] [[Frankfurt-Ostend|Ostend]], ein prominentes Beispiel für [[Stadtverfall]], September 2008]]
[[Datei:Morina ruins.jpg|mini|Verschiedene Ruinen im [[Kosovo]]: vorn ein verfallenes Haus, dahinter Zerstörungen aus dem [[Kosovokrieg]]]]
[[Datei:Niederungsburg Cronheim.JPG|miniatur|Beispiel eines früher als „Brandstütze“ bezeichneten Gebäuderestes ([[Allodium Cronheim]])]]
[[Datei:Frankfurt-Ost Empfangsgebaeude-Rueckseite 27092008.JPG|mini|Rückseite der Ruine des Empfangsgebäudes des [[Bahnhof Frankfurt (Main) Ost|Ostbahnhofs]] im [[Frankfurt am Main|Frankfurter]] [[Frankfurt-Ostend|Ostend]], ein prominentes Beispiel für [[Stadtverfall]], September 2008]]
[[Datei:Wilhelm Sauter - Serre (Somme) 1916.jpg|miniatur|Ruinen des 1916 in der [[Schlacht an der Somme]] zerstörten Dorfes [[Serre-lès-Puisieux]] (Gemälde von [[Wilhelm Sauter]])]]
[[Datei:Niederungsburg Cronheim.JPG|mini|Beispiel eines früher als „Brandstütze“ bezeichneten Gebäuderestes ([[Allodium Cronheim]])]]


== Entstehung ==
== Entstehung ==
Eine Ruine entsteht entweder durch natürlichen Zerfall, wenn Pflege und Erhalt des Bauwerks aus wirtschaftlichen, sozialen oder politischen Gründen unterbleiben, durch gewaltsame Einwirkung wie [[Krieg]] oder auch durch [[Naturkatastrophe]]n wie z.&nbsp;B. den Ausbruch eines [[Vulkan]]s (vgl. hierzu [[Pompeji]]).
Eine Ruine entsteht entweder durch natürlichen Zerfall, wenn Pflege und Erhalt von Bauwerken, Siedlungen oder Festungen aus wirtschaftlichen, sozialen oder politischen Gründen unterbleiben, durch gewaltsame Einwirkung wie [[Krieg]] oder auch durch [[Naturkatastrophe]]n wie z.&nbsp;B. den Ausbruch eines [[Vulkan]]s (vgl. hierzu [[Pompeji]]).


Man kann Ruinen dem Zerfall überlassen, ihre Reste in die Konstruktion eines neuen Bauwerks am selben Ort einbeziehen oder durch Abtragung sekundär weiterverwenden. Die nur teilweise Wiederverwendung der Materialien eines Gebäudes kann dabei auch eine Ruine entstehen lassen, wenn etwa die Dacheindeckung zur Wiederverwendung entfernt wird und das restliche Gebäude durch fehlenden Wetterschutz zerfällt.
Man kann Ruinen dem Zerfall überlassen, ihre Reste in die Konstruktion eines neuen Bauwerks am selben Ort einbeziehen oder durch Abtragung sekundär weiterverwenden. Die nur teilweise Wiederverwendung der Materialien eines Gebäudes kann dabei auch eine Ruine entstehen lassen, wenn etwa die Dacheindeckung zur Wiederverwendung entfernt wird und das restliche Gebäude durch fehlenden Wetterschutz zerfällt.
Zeile 16: Zeile 17:
Ruinen können auch dadurch entstehen, wenn ein Bauprojekt vor der Fertigstellung beendet und halbfertig aufgegeben wird. Man spricht dann von einer Bau- oder einer [[Investitionsruine]].
Ruinen können auch dadurch entstehen, wenn ein Bauprojekt vor der Fertigstellung beendet und halbfertig aufgegeben wird. Man spricht dann von einer Bau- oder einer [[Investitionsruine]].


Ruinen können aber auch geplant errichtet werden. So entstanden z.&nbsp;B. im 19.&nbsp;Jahrhundert Burgen und [[Staffage]]bauten in Schlossparks in Form von [[Künstliche Ruine|künstlichen Ruinen]], unter anderem die [[Burg Schwarzenstein (Geisenheim)|Burg Schwarzenstein bei Geisenheim]], die [[Magdalenenklause]] im [[Schlosspark Nymphenburg]] in [[München]], die [[Wörlitzer_Park#Grotte_der_Egeria|Grotte der Egeria]] im [[Wörlitzer Park]] ([[UNESCO-Welterbe]]) oder die [[Löwenburg (Kassel)|Löwenburg im Bergpark Kassel]].
Ruinen können aber auch geplant errichtet werden. So entstanden z.&nbsp;B. im 19.&nbsp;Jahrhundert Burgen und [[Staffage]]bauten in Schlossparks in Form von [[Künstliche Ruine|künstlichen Ruinen]], unter anderem die [[Burg Schwarzenstein (Geisenheim)|Burg Schwarzenstein bei Geisenheim]], die [[Magdalenenklause]] im [[Schlosspark Nymphenburg]] in [[München]], die [[Wörlitzer Park#Grotte der Egeria|Grotte der Egeria]] im [[Wörlitzer Park]] ([[UNESCO-Welterbe]]) oder die [[Löwenburg (Kassel)|Löwenburg im Bergpark Kassel]].


== Geschichte ==
== Geschichte ==
=== Antike, Mittelalter, Renaissance ===
Während der [[Antike]] und im [[Mittelalter]] wurden die Ruinen zerstörter Gebäude häufig als Steinbruch für Baumaterial genutzt, wobei ihr Material meist rein praktisch, manchmal aber auch bewusst als [[Spolie]]n und deutlich sichtbar wiederverwendet wurde. Letzteres geschah dann, wenn es sich um besonders kostbares Material handelte oder man bewusst an die Tradition anknüpfen wollte.
Während der [[Antike]] und im [[Mittelalter]] wurden die Ruinen zerstörter Gebäude häufig als Steinbruch für Baumaterial genutzt, wobei ihr Material meist rein praktisch, manchmal aber auch bewusst als [[Spolie]]n und deutlich sichtbar wiederverwendet wurde. Letzteres geschah dann, wenn es sich um besonders kostbares Material handelte oder man bewusst an die Tradition anknüpfen wollte.


Antike Ruinen sind mit der [[Renaissance]] (um 1500) in das Interesse von [[Kunst]] und [[Kultur]] getreten. Am Vorabend der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] wurden die antiken Ruinen durch [[Constantin François Volney]] zu Symbolen der politischen Gleichheit.
Antike Ruinen (z. B. [[Pompeji]]) sind mit der [[Renaissance]] (16. Jh.) in das Interesse von [[Kunst]] und [[Kultur]] getreten. Am Vorabend der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] wurden die antiken Ruinen durch [[Constantin François Volney]] zu Symbolen der politischen Gleichheit.


=== Neuzeit ===
Mit der [[Aufklärung]] und der [[Romantik]] gewann auch die mittelalterliche Ruine an Wertschätzung, denn sie wurde als sichtbares Zeugnis vergangener Zeiten mit historischer Bedeutung entdeckt. Ihr Anblick bot zudem ein emotionales Festhalten an einer idealisierten Vergangenheit angesichts der als bedrohlich empfundenen fortschreitenden [[Industrielle Revolution|industriellen Revolution]]. Die Huldigung an die [[Ästhetik]] des Zerfalls kommt auch in der [[Englischer Landschaftsgarten|englischen Gartenkunst]] des 18.&nbsp;Jahrhunderts zum Ausdruck, wo [[Park]]anlagen als Landschaftsinszenierungen angelegt und mit [[Künstliche Ruine|künstlichen Ruinen]] ausgestattet wurden.
Mit der [[Aufklärung]] und der [[Romantik]] gewannen auch mittelalterliche Ruinen an Wertschätzung, denn sie wurden als sichtbares Zeugnis vergangener Zeiten mit historischer Bedeutung entdeckt. Ihr Anblick bot zudem ein emotionales Festhalten an einer idealisierten Vergangenheit angesichts der als bedrohlich empfundenen fortschreitenden [[Industrielle Revolution|industriellen Revolution]]. Die Huldigung an die [[Ästhetik]] des Zerfalls kommt auch in der [[Englischer Landschaftsgarten|englischen Gartenkunst]] des 18. Jahrhunderts zum Ausdruck, wo [[Park]]anlagen als Landschaftsinszenierungen angelegt und mit [[Künstliche Ruine|künstlichen Ruinen]] ausgestattet wurden.


Zahlreiche Ruinen von [[Burg]]en, [[Schloss (Gebäude)|Schlössern]] oder [[Kloster|Klöstern]] gewannen im 19.&nbsp;Jahrhundert eine hohe, teilweise symbolische Bedeutung. Künstler der Romantik wie [[Caspar David Friedrich]] schufen sich mit der Darstellung vergänglicher Ruinen ([[Kloster Eldena (Vorpommern)|Kloster Eldena]]) unvergänglichen Ruhm.
Zahlreiche Ruinen von [[Burg]]en, [[Schloss (Architektur)|Schlössern]] oder [[Kloster|Klöstern]] gewannen im 19. Jahrhundert eine hohe, teilweise symbolische Bedeutung. Künstler der Romantik wie [[Caspar David Friedrich]] schufen sich mit der Darstellung vergänglicher Ruinen ([[Kloster Eldena (Vorpommern)|Kloster Eldena]]) unvergänglichen Ruhm.


[[Datei:Im Schiff Paulinzella.JPG|miniatur|Ruine der Klosterkirche von [[Kloster Paulinzella|Paulinzella]]]]
[[Datei:Im Schiff Paulinzella.JPG|mini|Ruine der Klosterkirche von [[Kloster Paulinzella|Paulinzella]]]]
[[Datei:Caspar David Friedrich 051.jpg|miniatur|Gemälde der [[Kloster Eldena (Vorpommern)|Klosterruine Eldena]] in [[Greifswald]], von [[Caspar David Friedrich]]]]
[[Datei:Caspar David Friedrich 051.jpg|mini|Gemälde der [[Kloster Eldena (Vorpommern)|Klosterruine Eldena]] in [[Greifswald]], von [[Caspar David Friedrich]]]]


{{Anker|Klosterruine}}
{{Anker|Klosterruine}}
Klosterruinen entstanden meist nach den [[Säkularisation|Säkularisationen]] im Zuge der [[Reformation]] im 16.&nbsp;Jahrhundert und zu Beginn des 19.&nbsp;Jahrhunderts. Vor allem seit der [[Romantik]] sind sie ein beliebtes Sujet in Malerei und Zeichnung. Sie versinnbildlichen Vergänglichkeit und rufen [[Nostalgie|nostalgische Gefühle]] hervor. Die Ruinen wurden in den Jahrhunderten seit ihrer Aufgabe durch die Kirche verschieden genutzt. Diese Zweckentfremdungen, der [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährige Krieg]] sowie die Nutzung der Bausubstanz als bequemer Steinbruch brachten eine weitgehende Zerstörung vieler dieser Klöster mit sich. Erst in der Romantik des frühen 19.&nbsp;Jahrhunderts besann man sich der Bauwerke und begann, erhaltende Maßnahmen durchzuführen. Heute sind Klosterruinen gern besuchte [[Tourismus|touristische]] Ziele.
Klosterruinen entstanden meist nach den [[Säkularisation]]en im Zuge der [[Reformation]] im 16. Jahrhundert und zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Vor allem seit der [[Romantik]] sind sie ein beliebtes Sujet in Malerei und Zeichnung. Sie versinnbildlichen Vergänglichkeit und rufen [[Nostalgie|nostalgische Gefühle]] hervor. Die Ruinen wurden in den Jahrhunderten seit ihrer Aufgabe durch die Kirche verschieden genutzt. Diese Zweckentfremdungen, der [[Dreißigjähriger Krieg|Dreißigjährige Krieg]] sowie die Nutzung der Bausubstanz als bequemer Steinbruch brachten eine weitgehende Zerstörung vieler dieser Klöster mit sich. Erst in der Romantik des frühen 19.&nbsp;Jahrhunderts besann man sich der Bauwerke und begann, erhaltende Maßnahmen durchzuführen. Heute sind Klosterruinen gern besuchte [[Tourismus|touristische]] Ziele.


Auf philosophischer Ebene ist [[Georg Simmel]]s Text „Die Ruine“ von 1907 der erste Versuch, das, was die Ruine evoziert, zu erklären. Simmel schreibt: „Die Ruine schafft die gegenwärtige Form eines vergangenen Lebens, nicht nach seinen Inhalten oder Resten, sondern nach seiner Vergangenheit als solcher.“<ref>Georg Simmel: ''Philosophische Kultur'', 1911, S. 132.</ref>
Auf philosophischer Ebene ist [[Georg Simmel]]s Text „Die Ruine“ von 1907 der erste Versuch, das, was die Ruine evoziert, zu erklären. Simmel schreibt: „Die Ruine schafft die gegenwärtige Form eines vergangenen Lebens, nicht nach seinen Inhalten oder Resten, sondern nach seiner Vergangenheit als solcher.“<ref>Georg Simmel: ''Philosophische Kultur'', 1911, S. 132.</ref>


Heute wird der Wert der Ruinen durch den [[Denkmalschutz]] gewürdigt. Über den Abriss oder Wiederaufbau von Ruinen gibt es viele Diskussionen. So wurde die [[Frauenkirche (Dresden)|Frauenkirche]] in Dresden, deren Ruine ursprünglich als [[Mahnmal]] gegen den [[Krieg]] stehen bleiben sollte, nachdem die Stadt aus Ruinen neu errichtet wurde, wieder aufgebaut. Andere Ruinen wurden bewusst als Mahnmale konserviert, wie die alte [[Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche]] oder die ehemalige Handelskammer in [[Hiroshima]], die beim Atombombenabwurf am 6. August 1945 zerstört worden war.
Mittlerweile gibt es öffentliche Debatten, ob bestimmte Ruinen in ihrem derzeitigen Zustand belassen oder wieder aufgebaut werden sollen. So wurde die [[Frauenkirche (Dresden)|Frauenkirche]] in Dresden, deren Ruine ursprünglich als [[Mahnmal]] gegen den [[Krieg]] erhalten werden sollte, zwischen 1996 und 2005 wieder aufgebaut. Andere Ruinen wurden bewusst als Mahnmale konserviert, wie die Berliner [[Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche]] oder die ehemalige Handelskammer in [[Hiroshima]], die beim Atombombenabwurf am 6. August 1945 zerstört wurde.


Beim [[Stadtbaugeschichte#Wiederaufbau von 1945 bis um 1955|Wiederaufbau]] ist zwischen Rekonstruktion und [[Anastilosis|Anastylose]] zu unterscheiden. Gemäß der [[Charta von Venedig]] (1964) ist die Anastylose die [[Denkmalpflege|denkmalpflegerisch]] zu bevorzugende Form des Wiederaufbaus.
Beim [[Stadtbaugeschichte#Wiederaufbau von 1945 bis um 1955|Wiederaufbau]] nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] wird zwischen Rekonstruktion und [[Anastilosis|Anastylose]] unterschieden. Gemäß der [[Charta von Venedig]] (1964) ist die Anastylose die [[denkmalpflege]]risch zu bevorzugende Form des Wiederaufbaus.


Die Symbolhaftigkeit von Ruinen zeigt sich auch am Titel der Nationalhymne der Deutschen Demokratischen Republik ''[[Auferstanden aus Ruinen]]''. Neue Ruinen entstehen auch heute durch Kriege, [[Attentat|Anschläge]], [[Naturkatastrophe]]n und durch Zerfall von Gebäuden aufgrund von wirtschaftlichen Veränderungen. Typisches Beispiel hierfür ist der [[Bahnhof Frankfurt (Main) Ost|Ostbahnhof]] im Frankfurter Ostend. Die sarkastische Losung ''Ruinen schaffen ohne Waffen'' ist als Vorwurf einer fehlgeleiteten Politik gemeint.
Die Symbolhaftigkeit von Ruinen zeigt sich auch am Titel der Nationalhymne der Deutschen Demokratischen Republik ''[[Auferstanden aus Ruinen]]''. Neue Ruinen entstehen auch heute durch Kriege, [[Attentat|Anschläge]], [[Naturkatastrophe]]n und durch Zerfall von Gebäuden aufgrund von wirtschaftlichen Veränderungen (z. B. durch Abwanderung).


Auch für den Tourismus sind [[Geisterstadt|Geisterstädte]] (z. B. [[Prypjat (Stadt)|Prypjat]] in der [[Sperrzone von Tschernobyl]]<ref>[https://www.spiegel.de/reise/fernweh/tourismus-in-tschernobyl-mit-leinenschuehchen-in-die-todeszone-a-757935.html ''Tourismus in Tschernobyl. Mit Leinenschühchen in die Todeszone''] [[Der Spiegel]], abgerufen am 14. Februar 2022</ref>) und sogenannte ''[[Lost Place]]s'' (einschließlich [[Geisterbahnhof|Geisterbahnhöfe]]) von zunehmender Bedeutung.
== Fundamentreste von Holz- und Stahltürmen ==

Entbehrlich gewordene [[Turm (Bauwerk)|Türme]] aus Stahl werden im Regelfall demontiert, da die Konstruktion abgebaut und andernorts wiederaufgebaut wird bzw. wenn der Bauzustand keine direkte Verwertung mehr zulässt, das Metall der Konstruktion aber als Schrott noch wirtschaftlich verwertet werden kann. Allerdings bleiben hierbei gelegentlich die Betonfundamente im Boden zurück, da deren Entfernung oft recht aufwendig ist. Man findet zum Beispiel in [[Herzberg (Elster)]] noch heute das Fundament des Sendemastes des einstigen [[Deutschlandsender III|Deutschlandsenders III]].
== Beispiele für Ruinen als Weltkulturerbe ==
Auf ihrer Liste schützenswerter Ruinen mit Bedeutung für das [[UNESCO-Welterbe|Welterbe]] hat die [[UNESCO]] unter anderem folgende Bauwerke gelistet:
{{Mehrspaltige Liste |liste=
* [[Abu Mena]] und [[Memphis (Ägypten)|Memphis]], [[Ägypten]]
* [[Akropolis (Athen)|Akropolis]], [[Apollontempel bei Bassae]] und [[Delphi]], [[Griechenland]]
* [[Geschichtspark Ayutthaya|Ayutthaya]] und [[Geschichtspark Sukhothai|Sukhothai]], [[Thailand]]
* [[San Ignacio Miní]], [[Argentinien]]
* [[Beni-Hammad-Festung]] und Ruinenstadt [[Djémila]], [[Algerien]]
* Ruinenstadt [[Butrint]], [[Albanien]]
* Ruinenstadt [[Chichén Itzá]], [[Yucatán (Halbinsel)|Yucatán]], [[Mexiko]]
* Ruinenstadt [[Dholavira]], [[Gujarat]], [[Indien]]
* Ruinen von [[Hatra]], [[Aššur (Stadt)|Aššur]] und die [[Zitadelle von Erbil]] im [[Irak]]
* [[Ḫattuša]], [[Hierapolis]] und [[Xanthos (Stadt)|Xanthos]], [[Türkei]]
* Geisterstadt der [[Humberstone- und Santa-Laura-Salpeterwerke]], [[Chile]]
* [[Karthago]], [[Kerkouane]] und [[Thugga]] [[Tunesien]]
* [[Königsgräber der Joseon-Dynastie]], [[Südkorea]]
* [[Khami]], [[Simbabwe]]
* [[Sonnentempel von Konark]], [[Konark]], Indien
* Ausgrabungsstätten von [[Kyrene]] und [[Leptis Magna]], [[Libyen]]
* [[Felsenkirchen von Lalibela]], [[Äthiopien]]
* [[Ruinen von Loropéni]], [[Burkina Faso]]
* [[Machu Picchu]] und [[Chan Chan]], [[Peru]]
* [[Mada'in Salih]], [[Saudi-Arabien]]
* Ruinenstadt [[Masada]], [[Israel]]
* [[Megalithische Tempel von Malta|Megalithische Tempel]], [[Malta]]
* [[Ville impériale von Meknès, Marokko|Ville impériale]], [[Meknès]], [[Marokko]]
* [[Pyramiden von Meroe]], [[Sudan]]
* [[Merw]], [[Turkmenistan]]
* [[Mohenjo-Daro]], [[Taxila]] und [[Thatta]], [[Pakistan]]
* [[Mỹ Sơn]], [[Vietnam]]
* [[Nan Madol]], [[Mikronesien]]
* [[Ramappa-Tempel]], [[Palampet]], Indien
* Ruinen von [[Palmyra]], [[Syrien]]
* Stufenbrunnen [[Rani Ki Vav]], [[Patan (Gujarat)|Patan]], Indien
* Ruinenstädte [[Persepolis]] und [[Tschogha Zanbil]], [[Iran]]
* [[Historische Städte der Pyu]], [[Myanmar]]
* [[Petra (Jordanien)|Petra]], [[Jordanien]]
* [[Sigiriya]] und [[Polonnaruwa]], [[Sri Lanka]]
* [[Somapura Mahavihara]], [[Bangladesch]]
* Ruinenstadt [[Teotihuacán]], Zentralmexiko
* [[Tiwanaku|Tiahuanaco]], [[Bolivien]]
* Ruinenstadt [[Tikal]], [[Guatemala]]
* [[Ruinen von Tyros]], [[Libanon]]
* [[Mada'in Salih]], [[Saudi-Arabien]]
* [[Historische Städte der Pyu]], [[Myanmar]]
* [[Archäologische Stätte Valongo-Kai]], [[Bolivien]]
}}

{{Absatz}}
<gallery class="center" mode="packed" caption="Einige UNESCO-Weltkulturerbe Ruinen">
Delphi Temple of Apollo.jpg|Tempel des Apollon, [[Delphi]]
Ruins of Somapura Mahavihara, May 2017 47.jpg|Ruinen von [[Somapura Mahavihara]]
Gate of All Nations, Persepolis.jpg|Tor aller Länder, [[Persepolis]]
13th Century Thai City of Sukhothai- Wat Chana Songkhram, Sukhothai Historical Park 5.jpg|[[Geschichtspark Sukhothai|Sukhothai]], [[Thailand]]
Tiwanaku VerzonkenTempel.jpg|Tempelruinen in [[Tiwanaku|Tiahuanaco]], [[Bolivien]]
Sushtar Bridge.jpg|Die Schadrawan-Brücke war eine [[Liste römischer Talsperren|Talsperre aus der Römerzeit]]
TR Pamukkale Hierapolis asv2020-02 img07.jpg|[[Hierapolis]]
Ruins near khumbhalgarh fort.jpg|Ruinen bei [[Kumbhalgarh]], Indien
Ропшинский дворец 2.JPG|[[Ropscha-Palast]] in der Nähe von [[Sankt Petersburg]], 2014
</gallery>

== Industrieruinen ==
Die Nachnutzung von Industrieruinen als Filmkulisse oder Teil eines Museums ist mittlerweile vielfach üblich. Oft bilden sich vor Ort Bürgerinitiativen, die sich darum bemühen neue Nutzungskonzepte für verlassenen Industriegebäude umzusetzen.

Außerdem sind das Fotografieren (siehe hierzu: [[Ruinen-Fotografie]]) und Erkunden zugänglicher Industrieruinen als [[Lost Place]] insbesondere für Menschen, die gern [[Urban Exploration]] betreiben, attraktiv. Da in einem Teil der Gebäude Einsturzgefahr herrscht, sollte man sich allerdings vorab informieren, zumal ein unbefugtes Betreten auch rechtliche Konsequenzen haben kann.

Wenn keine Bedenken hinsichtlich der Giftigkeit von Baumaterialien (z.&nbsp;B. eine [[Asbest]]belastung) bestehen, werden Industrieruinen auch in [[Naturschutzgebiet (Deutschland)|Naturschutzgebieten]] oder [[Landschaftsschutzgebiet]]en oft nicht entfernt, da sie als Rückzugsort, Nistplatz oder Winterquartier von zahlreiche Tiere wie [[Greifvogel|Greifvögeln]] oder [[Fledermäuse]]n genutzt werden.<ref>[https://lfu.brandenburg.de/sixcms/media.php/9/Heft%20N%26L__2-3_2008.pdf ''Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg. Beiträge zu Ökologie, Natur- und Gewässerschutz''] [[Landesamt für Umwelt (Brandenburg)]], aufgerufen am 27. Februar 2022</ref>

<gallery class="center" mode="packed" caption="Industrieruinen">
Elevador de la Gordejuela - 01.jpg|''[[Casa Hamilton]]'', ehemalige Wasserpumpanlage auf [[Teneriffa]]
Kohlebrecher Kohlgrube.jpg|[[Kohlebrecher Kohlgrube]], [[Wolfsegg am Hausruck]], Österreich
Vockerode-1 Kraftwerk 01.jpg|Das ehemalige [[Kraftwerk Vockerode]] in [[Sachsen-Anhalt]]
Industrieruine Hochofen Phoenix-West Dortmund.jpg|Hochofen der Industrieruine der [[Hoesch AG]], [[Dortmund]]
Industrieruine in Rožany.jpg|Industrieruine in [[Šluknov]], [[Tschechien]]
Norsholmen July 2019 05.jpg|Die Industrieruinen auf der schwedischen Halbinsel [[Norsholmen]], aus dem Jahr 1910
Norton 01.jpg|Industrieruine der [[Deutsche Norton|Deutschen Norton]], im [[Rhein-Erft-Kreis]], [[Nordrhein-Westfalen]]
Police fabryka benzyny syntetycznej dron (1).jpg|Ruinen der [[Hydrierwerke Pölitz]], heute Polen
</gallery>

== Abriss von Ruinen ==
Entbehrlich gewordene [[Turm|Türme]] aus Stahl werden im Regelfall demontiert, da die Konstruktion abgebaut und andernorts wiederaufgebaut wird bzw. wenn der Bauzustand keine direkte Verwertung mehr zulässt, das Metall der Konstruktion aber als Schrott noch wirtschaftlich verwertet werden kann. Allerdings bleiben hierbei gelegentlich die Betonfundamente im Boden zurück, da deren Entfernung oft recht aufwendig ist. Man findet zum Beispiel in [[Herzberg (Elster)]] noch heute das Fundament des Sendemastes des einstigen [[Deutschlandsender III|Deutschlandsenders III]].


Auch von einigen ehemaligen großen Holztürmen sind noch die schwer zu entfernenden Fundamente vorhanden. So existieren heute noch die Fundamente des einstigen Holzturms der [[Sendeanlage Ismaning]].
Auch von einigen ehemaligen großen Holztürmen sind noch die schwer zu entfernenden Fundamente vorhanden. So existieren heute noch die Fundamente des einstigen Holzturms der [[Sendeanlage Ismaning]].


In einigen Regionen führt Bevölkerungsrückgang zu mehr Leerstand und schrumpfenden Einwohnerzahlen. Wenn Landstriche veröden, ist der [[Abriss (Bauwesen)|Abriss]] bzw. Rückbau von einem Teil der ungenutzten Gebäude von der verbliebenen Bevölkerung oft erwünscht. Verschwindet, wie z.&nbsp;B. die Memeler Straße in [[Altena]] ein ganzer Straßenzug, so werden auch die Infrastruktur einschließlich Straßenbeleuchtung und Versorgungsleitungen zurückgebaut.<ref>[https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/leerstand-und-abriss-schrumpfende-staedte ''Schrumpfende Städte. Abriss und Leerstand''] [[Deutschlandfunk]], aufgerufen am 14. Februar 2022</ref>
== Bilder ==

<gallery>
<gallery class="center" mode="packed" caption="Beispielbilder verschiedener Ruinen">
Datei:Chapel Durness Scotland.JPG|Ruine einer Kapelle in [[Durness]], Schottland
Chapel Durness Scotland.JPG|Ruine einer Kapelle in [[Durness]], Schottland
Datei:Ruins and lighthouse in Hel.jpg|Stadtruine in [[Hel (Stadt)|Hel]], Polen
Ruins and lighthouse in Hel.jpg|Stadtruine in [[Hel (Stadt)|Hel]], Polen
Datei:Sibyllenbad Bad 1971 Baustelle Pano.jpg|Bauruine des 1972 gescheiterten [[Sibyllenbad]]es {{Coordinate|NS=49.980805|EW=12.419620||type=landmark|region=DE-BY|name=Lage|text=ICON0|dim=500}}
Curral Velho, Cape Verde.jpg|Ruinen eines verlassenen Dorfes
Datei:Aktienbrauerei Friedrichshoehe.jpg|Inzwischen abgerissene Brauerei-Ruine in Berlin-Friedrichshain
Landskron.jpg|[[Burg Landskron (Kärnten)|Landskron]]: Einbauten in eine Ruine unter Ausnutzung der vorhandenen Mauern
Datei:Curral Velho, Cape Verde.jpg|Ruinen eines verlassenen Dorfes
Haderburg - Blick in Burghof (HDR).jpg|[[Haderburg]] bei [[Salurn]]
Datei:Landskron.jpg|[[Burg Landskron (Kärnten)|Landskron]]: Einbauten in eine Ruine unter Ausnutzung der vorhandenen Mauern
Winston Churchill at Coventry Cathedral cph.3a18421.jpg|[[Winston Churchill]] besichtigt die Ruine der [[Coventry Cathedral|Kathedrale von Coventry]].
Datei:Haderburg - Blick in Burghof (HDR).jpg|[[Haderburg]] bei [[Salurn]]
Ury House Aberdeenshire.jpg|Schloss [[Ury House]] in [[Aberdeenshire]] wurde durch Entfernen des Daches zur Ruine gemacht, um Steuern zu sparen.
Datei:Churchill CCathedral H 14250.jpg|[[Winston Churchill]] besichtigt die Ruine der [[Coventry Cathedral|Kathedrale von Coventry]].
Peterszeche Burbach Ruine Brecheranlage.jpg|Gebäudereste einer Grube nach fast 100 Jahren
Datei:Ury House Aberdeenshire.jpg|Schloss [[Ury House]] in [[Aberdeenshire]] wurde durch Entfernen des Daches zur Ruine gemacht um Steuern zu sparen.
Datei:Peterszeche Burbach Ruine Brecheranlage.jpg|Gebäudereste einer Grube nach fast 100 Jahren
</gallery>
</gallery>


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* [[Liste von Burgen und Schlössern]]
* [[Liste zerstörter Schlösser]]
* [[Liste zerstörter Schlösser]]
* [[Liste der Maya-Ruinen]]
* [[Geisterstadt]]
* [[Trümmer]]
* [[Geisterbahnhof]]
* [[Wrack]]
* [[Schleifung]]
* [[Flächenrecycling]]
* [[Ruinenarchitektur]]
* [[Ruinenarchitektur]]
* [[:Kategorie:Abgegangenes Bauwerk|Abgeganges Bauwerk]] (Kategorie)


== Literatur ==
== Literatur ==
* Simon O’Corra: ''France in Ruins, Buildings in Decay''. London 2011, ISBN 978-1906137236.
* Simon O’Corra: ''France in Ruins, Buildings in Decay''. London 2011, ISBN 978-1906137236.
* Tim Edensor: ''Industrial Ruins. Space, Aesthetics and Materiality.'' Bloomsbury Publishing, London 2005


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Wikiquote|Ruine}}
{{Wikiquote|Ruine}}
{{Wiktionary|Ruine}}
{{Wiktionary|Ruine}}
{{Commonscat|Ruins}}
{{Commonscat|Ruins|Ruine}}
* {{DNB-Portal|4050934-5}}
* [http://www.sci-eng.mmu.ac.uk/british_industrial_ruins/ Tim Edensor: British Industrial Ruins]
* {{Webarchiv|url=https://www.icomos.org/charters/venice_e.pdf|wayback=20190801212304|text=''International Charter For The Conservation And Restoration Of Monuments And Sites.''}} ICOMOS
* [http://www.sci-eng.mmu.ac.uk/industrial_ruins/ Tim Edensor: Spaces of Dereliction: Industrial Ruins in the UK]
* [http://www.international.icomos.org/charters/venice_e.htm Charta von Venedig]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />


{{Normdaten|TYP=s|GND=4050934-5}}
{{Normdaten|TYP=s|GND=4050934-5|LCCN=sh85115792}}


[[Kategorie:Ruine| ]]
[[Kategorie:Ruine| ]]
[[Kategorie:Bauerhaltung]]
[[Kategorie:Abgegangenes Bauwerk|*]]

Aktuelle Version vom 24. September 2023, 10:30 Uhr

Ruine der Burg Drachenfels (Siebengebirge)

Ruine (von lateinisch ruere für „stürzen“, Plural Ruinen) bezeichnet ein zerfallenes Bauwerk. Für den stehengebliebenen Überrest eines Gebäudes nach einem Brand oder einer Feuersbrunst gab es in der Frühneuhochdeutschen Sprache den heute nicht mehr geläufigen Begriff Brandstütze.[1]

Als Baudenkmäler oder Mahnmale sind Ruinen oft Kulturgut und werden als Teil des kulturellen Erbes betrachtet. Ein Teil der Ruinen zählt daher sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe (z. B. die Akropolis oder Machu Picchu), oder tragen entsprechende Kennzeichen des Blue Shield International.

UNESCO-Weltkulturerbe: Die Ruinenstadt Machu Picchu, Peru
Tempelruine der Mayas (Chac II) auf der Halbinsel Yucatán
Verschiedene Ruinen im Kosovo: vorn ein verfallenes Haus, dahinter Zerstörungen aus dem Kosovokrieg
Rückseite der Ruine des Empfangsgebäudes des Ostbahnhofs im Frankfurter Ostend, ein prominentes Beispiel für Stadtverfall, September 2008
Beispiel eines früher als „Brandstütze“ bezeichneten Gebäuderestes (Allodium Cronheim)

Eine Ruine entsteht entweder durch natürlichen Zerfall, wenn Pflege und Erhalt von Bauwerken, Siedlungen oder Festungen aus wirtschaftlichen, sozialen oder politischen Gründen unterbleiben, durch gewaltsame Einwirkung wie Krieg oder auch durch Naturkatastrophen wie z. B. den Ausbruch eines Vulkans (vgl. hierzu Pompeji).

Man kann Ruinen dem Zerfall überlassen, ihre Reste in die Konstruktion eines neuen Bauwerks am selben Ort einbeziehen oder durch Abtragung sekundär weiterverwenden. Die nur teilweise Wiederverwendung der Materialien eines Gebäudes kann dabei auch eine Ruine entstehen lassen, wenn etwa die Dacheindeckung zur Wiederverwendung entfernt wird und das restliche Gebäude durch fehlenden Wetterschutz zerfällt.

Ruinen können auch dadurch entstehen, wenn ein Bauprojekt vor der Fertigstellung beendet und halbfertig aufgegeben wird. Man spricht dann von einer Bau- oder einer Investitionsruine.

Ruinen können aber auch geplant errichtet werden. So entstanden z. B. im 19. Jahrhundert Burgen und Staffagebauten in Schlossparks in Form von künstlichen Ruinen, unter anderem die Burg Schwarzenstein bei Geisenheim, die Magdalenenklause im Schlosspark Nymphenburg in München, die Grotte der Egeria im Wörlitzer Park (UNESCO-Welterbe) oder die Löwenburg im Bergpark Kassel.

Antike, Mittelalter, Renaissance

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während der Antike und im Mittelalter wurden die Ruinen zerstörter Gebäude häufig als Steinbruch für Baumaterial genutzt, wobei ihr Material meist rein praktisch, manchmal aber auch bewusst als Spolien und deutlich sichtbar wiederverwendet wurde. Letzteres geschah dann, wenn es sich um besonders kostbares Material handelte oder man bewusst an die Tradition anknüpfen wollte.

Antike Ruinen (z. B. Pompeji) sind mit der Renaissance (16. Jh.) in das Interesse von Kunst und Kultur getreten. Am Vorabend der Französischen Revolution wurden die antiken Ruinen durch Constantin François Volney zu Symbolen der politischen Gleichheit.

Mit der Aufklärung und der Romantik gewannen auch mittelalterliche Ruinen an Wertschätzung, denn sie wurden als sichtbares Zeugnis vergangener Zeiten mit historischer Bedeutung entdeckt. Ihr Anblick bot zudem ein emotionales Festhalten an einer idealisierten Vergangenheit angesichts der als bedrohlich empfundenen fortschreitenden industriellen Revolution. Die Huldigung an die Ästhetik des Zerfalls kommt auch in der englischen Gartenkunst des 18. Jahrhunderts zum Ausdruck, wo Parkanlagen als Landschaftsinszenierungen angelegt und mit künstlichen Ruinen ausgestattet wurden.

Zahlreiche Ruinen von Burgen, Schlössern oder Klöstern gewannen im 19. Jahrhundert eine hohe, teilweise symbolische Bedeutung. Künstler der Romantik wie Caspar David Friedrich schufen sich mit der Darstellung vergänglicher Ruinen (Kloster Eldena) unvergänglichen Ruhm.

Ruine der Klosterkirche von Paulinzella
Gemälde der Klosterruine Eldena in Greifswald, von Caspar David Friedrich

Klosterruinen entstanden meist nach den Säkularisationen im Zuge der Reformation im 16. Jahrhundert und zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Vor allem seit der Romantik sind sie ein beliebtes Sujet in Malerei und Zeichnung. Sie versinnbildlichen Vergänglichkeit und rufen nostalgische Gefühle hervor. Die Ruinen wurden in den Jahrhunderten seit ihrer Aufgabe durch die Kirche verschieden genutzt. Diese Zweckentfremdungen, der Dreißigjährige Krieg sowie die Nutzung der Bausubstanz als bequemer Steinbruch brachten eine weitgehende Zerstörung vieler dieser Klöster mit sich. Erst in der Romantik des frühen 19. Jahrhunderts besann man sich der Bauwerke und begann, erhaltende Maßnahmen durchzuführen. Heute sind Klosterruinen gern besuchte touristische Ziele.

Auf philosophischer Ebene ist Georg Simmels Text „Die Ruine“ von 1907 der erste Versuch, das, was die Ruine evoziert, zu erklären. Simmel schreibt: „Die Ruine schafft die gegenwärtige Form eines vergangenen Lebens, nicht nach seinen Inhalten oder Resten, sondern nach seiner Vergangenheit als solcher.“[2]

Mittlerweile gibt es öffentliche Debatten, ob bestimmte Ruinen in ihrem derzeitigen Zustand belassen oder wieder aufgebaut werden sollen. So wurde die Frauenkirche in Dresden, deren Ruine ursprünglich als Mahnmal gegen den Krieg erhalten werden sollte, zwischen 1996 und 2005 wieder aufgebaut. Andere Ruinen wurden bewusst als Mahnmale konserviert, wie die Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche oder die ehemalige Handelskammer in Hiroshima, die beim Atombombenabwurf am 6. August 1945 zerstört wurde.

Beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg wird zwischen Rekonstruktion und Anastylose unterschieden. Gemäß der Charta von Venedig (1964) ist die Anastylose die denkmalpflegerisch zu bevorzugende Form des Wiederaufbaus.

Die Symbolhaftigkeit von Ruinen zeigt sich auch am Titel der Nationalhymne der Deutschen Demokratischen Republik Auferstanden aus Ruinen. Neue Ruinen entstehen auch heute durch Kriege, Anschläge, Naturkatastrophen und durch Zerfall von Gebäuden aufgrund von wirtschaftlichen Veränderungen (z. B. durch Abwanderung).

Auch für den Tourismus sind Geisterstädte (z. B. Prypjat in der Sperrzone von Tschernobyl[3]) und sogenannte Lost Places (einschließlich Geisterbahnhöfe) von zunehmender Bedeutung.

Beispiele für Ruinen als Weltkulturerbe

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf ihrer Liste schützenswerter Ruinen mit Bedeutung für das Welterbe hat die UNESCO unter anderem folgende Bauwerke gelistet:

Industrieruinen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Nachnutzung von Industrieruinen als Filmkulisse oder Teil eines Museums ist mittlerweile vielfach üblich. Oft bilden sich vor Ort Bürgerinitiativen, die sich darum bemühen neue Nutzungskonzepte für verlassenen Industriegebäude umzusetzen.

Außerdem sind das Fotografieren (siehe hierzu: Ruinen-Fotografie) und Erkunden zugänglicher Industrieruinen als Lost Place insbesondere für Menschen, die gern Urban Exploration betreiben, attraktiv. Da in einem Teil der Gebäude Einsturzgefahr herrscht, sollte man sich allerdings vorab informieren, zumal ein unbefugtes Betreten auch rechtliche Konsequenzen haben kann.

Wenn keine Bedenken hinsichtlich der Giftigkeit von Baumaterialien (z. B. eine Asbestbelastung) bestehen, werden Industrieruinen auch in Naturschutzgebieten oder Landschaftsschutzgebieten oft nicht entfernt, da sie als Rückzugsort, Nistplatz oder Winterquartier von zahlreiche Tiere wie Greifvögeln oder Fledermäusen genutzt werden.[4]

Abriss von Ruinen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Entbehrlich gewordene Türme aus Stahl werden im Regelfall demontiert, da die Konstruktion abgebaut und andernorts wiederaufgebaut wird bzw. wenn der Bauzustand keine direkte Verwertung mehr zulässt, das Metall der Konstruktion aber als Schrott noch wirtschaftlich verwertet werden kann. Allerdings bleiben hierbei gelegentlich die Betonfundamente im Boden zurück, da deren Entfernung oft recht aufwendig ist. Man findet zum Beispiel in Herzberg (Elster) noch heute das Fundament des Sendemastes des einstigen Deutschlandsenders III.

Auch von einigen ehemaligen großen Holztürmen sind noch die schwer zu entfernenden Fundamente vorhanden. So existieren heute noch die Fundamente des einstigen Holzturms der Sendeanlage Ismaning.

In einigen Regionen führt Bevölkerungsrückgang zu mehr Leerstand und schrumpfenden Einwohnerzahlen. Wenn Landstriche veröden, ist der Abriss bzw. Rückbau von einem Teil der ungenutzten Gebäude von der verbliebenen Bevölkerung oft erwünscht. Verschwindet, wie z. B. die Memeler Straße in Altena ein ganzer Straßenzug, so werden auch die Infrastruktur einschließlich Straßenbeleuchtung und Versorgungsleitungen zurückgebaut.[5]

  • Simon O’Corra: France in Ruins, Buildings in Decay. London 2011, ISBN 978-1906137236.
  • Tim Edensor: Industrial Ruins. Space, Aesthetics and Materiality. Bloomsbury Publishing, London 2005
Wikiquote: Ruine – Zitate
Wiktionary: Ruine – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Ruine – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Robert R. Anderson, Ulrich Goebel, Oskar Reichmann: Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Band 4. de Gruyter, 2000, ISBN 978-3-11-016382-7, S. 931, doi:10.1515/9783110810905 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Georg Simmel: Philosophische Kultur, 1911, S. 132.
  3. Tourismus in Tschernobyl. Mit Leinenschühchen in die Todeszone Der Spiegel, abgerufen am 14. Februar 2022
  4. Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg. Beiträge zu Ökologie, Natur- und Gewässerschutz Landesamt für Umwelt (Brandenburg), aufgerufen am 27. Februar 2022
  5. Schrumpfende Städte. Abriss und Leerstand Deutschlandfunk, aufgerufen am 14. Februar 2022