„Interesse (Politikwissenschaft)“ – Versionsunterschied
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Unter '''Interesse''' (von {{laS|interesse}} „teilnehmen“) versteht man in der [[Politikwissenschaft]] und [[Sozialwissenschaft]] einen recht vielfältig verwendeten, aber als grundlegend erachteten Begriff der [[Weltanschauung|Eigenverortung]] und damit verbundenen Zielen von [[Individuum|Individuen]] und [[Soziale Gruppe|sozialen Gruppen]] sowohl im [[Gesellschaft (Soziologie)|gesellschaftlichen Ganzen]] als auch allgemein in der übergreifenden Umgebung. |
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Unter '''Interresse''' (von [[Latein|lat.]]: ''interesse'' „dazwischen sein“, „dabei sein“)<ref>[[Der kleine Stowasser]]: ''Lateinisch-deutsches Schulwörterbuch''</ref> versteht man die [[kognitiv]]e Anteilnahme respektive die [[Aufmerksamkeit]], die eine Person an einer Sache oder einer anderen Person nimmt. Je größer diese Anteilnahme ist, desto stärker ist das Interesse der Person für diese Sache. Auch die [[Vorliebe]]n oder die [[Hobby]]s einer Person werden als Interessen bezeichnet. Etwas ist dann für eine Person '''interessant''', wenn es ihr Interesse weckt, sie sich also dafür ''interessiert''. Das Gegenteil dazu ist das '''Desinteresse''' oder, in stärkerer Ausprägung, die (manchmal krankhafte) [[Apathie]]. |
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Der Begriff ist für die [[sozialwissenschaft]]licher Empirie und Theoriebildung zentral, weil davon ausgegangen wird, dass Menschen immer von ihren Interessen geleitet handeln. Insofern gilt er nachgerade als „genuin anthropologische Kategorie“.<ref>[[Joachim Detjen]]: ''Interesse.'' In: [[Everhard Holtmann]] (Hrsg.): ''Politik-Lexikon''. 3. Auflage, Oldenbourg, München 2000, ISBN 978-3-486-79886-9, S. 271–274, hier S. 271.</ref> |
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In der Psychologie spricht man hinsichtlich Interesse von einem mehrdimensionalen Konstrukt (Todt, 1978; 1990). Moderne Interessentheorien und Untersuchungsansätze basieren auf einer Personen-Gegenstands-Konzeption, welche die psychischen Phänomene des Lernens und der Entwicklung als permanente Austauschbeziehung zwischen einer Person und ihrer sozialen Umwelt interpretiert (Lewin, 1963; Deci & Ryan, 1985). Der Gegenstand der Interessen definiert sich durch konkrete Objekte, thematische Wissensbereiche oder durch bestimmte Klassen von Tätigkeiten. Der Grad der Interessen wird definiert, wie hoch der Grad der subjektiven Wertschätzung des Interessengegestandes ist und wie intensiv die positiv emotionalen Zustände während der Interessenhandlungen sind. In der pädagogischen Psychologie wird Interesse primär unter dem Gesichtspunkt der emotionalen, motivationalen und kognitiven Beziehung einer Person zu Gegenständen analysiert. |
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Das Problem mehrerer in einer Person existierender, sich aber widersprechender Interessen bezeichnet man als [[Interessenkonflikt]]. |
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Unter Interesse versteht man weiterhin ein Ziel oder einen Vorteil, den sich eine Person oder Personengruppe aus einer Sache verspricht oder erhofft. So verfolgen etwa [[Interessengruppe]]n eigene Ziele, oft wirtschaftlicher Art. |
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== Wortgeschichte == |
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== Psychologische Interessenforschung == |
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Erstmals verwendet wird das Wort im [[Corpus iuris civilis]], das der [[Byzantinisches Reich|oströmische]] Kaiser [[Justinian I.]] in den Jahren 528 bis 534 zusammenstellen ließ. In der Rechtssprache des [[Hochmittelalter]]s wurde es in der Bedeutung ''[[Zins]]'' verwendet. Seit dem 16. Jahrhundert wird darunter zunehmend ''Vorteil'' oder ''Nutzen'' verstanden. [[Ideengeschichte|Ideengeschichtlich]] begann hiermit die Ablösung der Grundvorstellung, das Handeln der Menschen sei durch kollektive Normen oder transzendente Werte motiviert, die eine [[Individualismus|individualistische]] [[Gesellschaftstheorie]] ermöglichte.<ref>Bernhard Thibaut: ''Interesse.'' In: [[Dieter Nohlen]] (Hrsg.): ''Lexikon der Politik, Band 7: Politische Grundbegriffe.'' Directmedia, Berlin 2004, S. 280.</ref> Bis zur [[Aufklärung]] entwickelten sich verschiedene Staats- und Morallehren, in denen die unterschiedlichen Interessen der nun als selbstständig handelnd gedachten [[Bürger]] als legitim anerkannt und gefragt wurde, wie sie sich zu einem [[Gemeinwohl]] verbinden lassen. Davon abweichend wurde der Begriff in der religiösen Terminologie [[Spanien]]s negativ verstanden und stand als Synonym für [[Sünde|sündige]] [[Egozentrik]].<ref>Joachim Detjen: ''Interesse.'' In: Everhard Holtmann (Hrsg.): ''Politik-Lexikon''. 3. Auflage, Oldenbourg, München 2000, S. 271–274, hier S. 271 ff.</ref> |
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[[Datei:Cathy Conheim and Henry the Cat · 070628-N-4995K-052.JPEG|miniatur||Beispiel für situatives Interesse]] |
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Bei der psychologischen Untersuchung von Interesse gibt es zwei Perspektiven: |
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Der deutsche Staatsrechtslehrer [[Lorenz von Stein]] (1815–1890) nannte das Interesse das „Prinzip der [[Gesellschaft (Soziologie)|Gesellschaft]]“, für den Soziologen [[Max Weber]] (1864–1920) ist es „Bedingung menschlichen Handelns“. Seitdem sehen die Sozialwissenschaften in den Interessen der Menschen deren zentrale Handlungsmotivation.<ref>[[Peter Massing]]: ''Interesse''. In: Dieter Nohlen (Hrsg.): ''Lexikon der Politik, Band 1: Politische Theorien.'' Directmedia, Berlin 2004, S. 218.</ref> |
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Aus der ''prozessorientierten Perspektive'' werden aktuelle Zustände einer Person untersucht. Die zentrale Frage ist, wie Interesse geweckt wird und welche Auswirkungen gewecktes Interesse auf die Person hat. Hier unterscheidet man ''situationales Interesse'' (Entstehung von Interesse nach Reizaufnahme) und ''aktualisiertes Interesse'' (Wecken eines bestehenden individuellen Interesses durch Reiz). |
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Aus der ''strukturorientierten Perspektive'' werden hingegen dauerhafte Zustände und über längere Zeit konstante individuelle Interessen bei Personen untersucht. |
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Unterschieden werden: |
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a) manifeste und latente Interessen.<br> |
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Im Rahmen der strukturorientierten Perspektive gibt es verschiedene Interessenmodelle, die sich entweder auf ''Berufsinteressen'' oder auf ''Freizeitinteressen'' beziehen können. Ein bekanntes Modell, dessen Gültigkeit für beide Bereiche in einer großen Zahl empirischer Studien nachgewiesen wurde, ist das [[RIASEC]]-Modell von Holland. Ein wichtiger, darauf aufbauender Berufsinteressentest ist der Allgemeine Interessen-Strukturtest [[Allgemeiner Interessen-Struktur-Test (AIST)|AIST]] von Bergmann und Eder. Ein entsprechender Freizeitinteressentest ist der Freizeit-Interessentest FIT von Werner Stangl. |
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Als manifest werden die Interessen bezeichnet, die einer politischen Auseinandersetzung artikuliert werden und in [[Interessengruppe]]n oder [[Partei]]en artikuliert werden. Nicht artikulierte Interessen bezeichnet man als latent (von {{laS|latere}} „verborgen sein“). Damit sind Bedürfnisse und Wünsche gemeint, die bestimmten gesellschaftlichen Gruppen zugeschrieben werden und implizit gesellschaftlichen Einfluss ausüben können. |
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b) [[subjektiv]]e und [[Objektivität|objektive]] Interessen.<br> |
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Subjektiv sind diejenigen Interessen, die eine Person oder eine Gruppe als die ihrigen wahrnimmt und nach denen sie Verhalten ausrichtet. Als objektive Interessen werden essentielle Bedürfnisse einer Gruppe bezeichnet, die sich ihrer (noch) nicht bewusst ist. Die Denkfigur des objektiven Interesses spielte im [[Marxismus-Leninismus]] eine wichtige Rolle zur [[Legitimation (Politikwissenschaft)|Legitimation]] der sozialistischen [[Kaderpartei]], die für sich in Anspruch nahm, die objektiven Interessen der [[Arbeiterklasse]] zu vertreten und diese deswegen auch führen zu dürfen, selbst wenn sie subjektiv ganz andere Interessen formulierte.<ref>[http://library.fes.de/FDGB-Lexikon/texte/sachteil/i/Interessenvertretung.html ''Interessenvertretung'']. In: [[Dieter Dowe]], Karlheinz Kuba et al.(Hrsg.): ''FDGB-Lexikon. Funktion, Struktur, Kader und Entwicklung einer Massenorganisation der SED (1945–1990)''. Dietz, Berlin 2009, ISBN 978-3-86872-240-6; Zugriff am 28. August 2021.</ref> Die Annahme, dass Menschen das Recht haben, ihre subjektiven Interessen zu verfolgen, bildet dagegen den Kern der modernen [[Pluralismustheorie]].<ref>Joachim Detjen: ''Interesse.'' In: Everhard Holtmann (Hrsg.): ''Politik-Lexikon''. 3. Auflage, Oldenbourg, München 2000, S. 271–274, hier S. 273.</ref> |
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c) partikulare und universale Interessen.<br> |
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Organisierte Interessen sind ein essenzieller Bestandteil der politischen Landschaft. Wir begegnen ihnen tagtäglich in verschiedenen Formen und sie üben einen signifikanten Einfluss auf unsere Wahrnehmung sowie politische Einstellung zu den verschiedensten Politikfeldern aus. Um jedoch eine genauere Analyse dieser Einflüsse vornehmen zu können, müssen zunächst die für das Verständnis von organisierten Interessen essenziellen Begriffe definiert werden. Grundlegend ist dabei das Verständnis des Begriffes der politischen Interessen: Interessen sind subjektiv empfundene und „verhaltensorientierende Ziele und Bedürfnisse von einzelnen Gruppen in einem sozialen Umfeld.“<ref>Rudzio (2006): ''Das politische System der Bundesrepublik Deutschland''. S. 55</ref> Der Begriff der [[Interessenvertretung]] ist demnach definiert als: „Ein freiwilliger oder durch verschiedene Formen des Zwanges erfolgter Zusammenschluss von natürlichen oder [[juristisch]]en Personen, der zu einem Mindestmaß verfasst ist, um Interessen der Mitglieder entweder selbst zu verwirklichen oder durch Mitwirkung oder Einwirkung auf Gemeinschaftsentscheidungen durchzusetzen, ohne selbst die Übernahme politischer Verantwortung anzustreben.“<ref>Sahner (1993): ''Vereine und Verbände in der modernen Gesellschaft''. S. 26</ref> Verbände sind solche Zusammenschlüsse von Menschen mit gemeinsamen Interessen. „Als Verbände lassen sich frei gebildete, primär dem Zweck der Interessenvertretung nach außen dienende Organisationen verstehen.“<ref>Rudzio (2006): ''Das politische System der Bundesrepublik Deutschland''. S. 57</ref> |
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Als universal werden Interessen bezeichnet, die von allen Individuen einer Gruppen geteilt werden ([[Gemeinwohl]]). Hierbei ist umstritten, ob sie mit einem (empirisch schwer messbaren) [[Volonté générale|Gemeinwillen]] gleichzusetzen sind oder in einer demokratischen Interessenaggregation erst gefunden werden müssen. Partikularinteressen dagegen sind solche, die nur von gesellschaftlichen Teilgruppen unterschiedlich vertreten werden, also etwa Lohnerhöhungen oder -senkungen, [[Subvention]]ierung verschiedener Wirtschaftszweige auf Kosten anderer, [[Straßen- und Wegebau]] für Autos oder für Fahrräder, Kostenfreiheit für den Besuch einer [[Kindertagesstätte]] oder für ein [[Universitätsstudium]].<ref>Das Obige, wo nicht anders angegeben, nach Carsten Lenz, Nicole Ruchlak: ''Kleines Politik-Lexikon'' (= ''Lehr- und Handbücher der Politikwissenschaft''). Oldenbourg, München 2001, S. 98 f.</ref> |
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Da in der pluralistischen Gesellschaft alle Menschen ihre jeweiligen Interessen artikulieren, sind nach dem Politikwissenschaftler [[Joachim Detjen]] alle Interessen „vom Staat her gesehen immer partiell und konfliktträchtig, keinesfalls jedoch allgemein“. Insofern suggeriere die Bezeichnung Universal- oder Allgemeininteresse „etwas Unzutreffendes“. Die Vorstellung eines Allgemeininteresses lasse sich nur retten, wenn man eine höhere Instanz annimmt, die über allen Interessen steht, selber aber kein eigenes Interesse hat. Diese Instanz kann [[Metaphysik|metaphysisch]] oder [[naturrecht]]lich sein, also etwa als [[Menschenwürde]]. Der Politikwissenschaftler [[Peter Massing]] schlägt in Anlehnung an [[Jürgen Habermas]]’ [[Theorie des kommunikativen Handelns]] eine diskursive Unterscheidung aller Interessen in rational-allgemeine und irrational-partikulare vor, wobei allein letztere Geltung beanspruchen dürften. Dieser Ansatz wurde als lebensfremd kritisiert.<ref>Joachim Detjen: ''Interesse.'' In: Everhard Holtmann (Hrsg.): ''Politik-Lexikon''. 3. Auflage, Oldenbourg, München 2000, S. 271–274, hier S. 274.</ref> |
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== Rechtliche Definition == |
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Aus [[zivilrecht]]licher Sicht ergeben sich Verpflichtungen entweder, weil dies so gewollt ist ([[Vertrag]]) oder wenn [[Schaden]] an einem Rechtsgut entstanden ist ([[Delikt]]). Daher hat jede Partei bei Vertragsschluss verschiedene Interessen. |
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== Interessenvertretungen == |
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In einem Vertragsverhältnis hat jede Partei das primäre Interesse, die vereinbarte Leistung zu erhalten ([[Erfüllungsinteresse]]). |
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Organisierte Interessen sind ein essenzieller Bestandteil der politischen Landschaft. Sie üben einen signifikanten Einfluss auf unsere Wahrnehmung sowie politische Einstellung zu den verschiedensten Politikfeldern aus. [[Interessenvertretung]]en werden definiert als freiwillige oder erzwungene Zusammenschlüsse von [[Natürliche Person|natürlichen]] oder [[Juristische Person|juristischen Personen]] mit wenigstens einem Mindestmaß an organisatorischer Verfasstheit und dem Zweck, „Interessen der Mitglieder entweder selbst zu verwirklichen oder durch Mitwirkung oder Einwirkung auf Gemeinschaftsentscheidungen durchzusetzen, ohne selbst die Übernahme politischer Verantwortung anzustreben.“<ref>[[Heinz Sahner]]: ''Vereine und Verbände in der modernen Gesellschaft''. In: [[Heinrich Best]] (Hrsg.): ''Vereine in Deutschland: vom Geheimbund zur freien gesellschaftlichen Organisation''. Informationszentrum Sozialwissenschaften, Bonn, S. 11–118, hier S. 26.</ref> |
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Daneben haben die Parteien aber auch das Interesse, bei Vertragsdurchführung keine Schäden – an ihren sonstigen, außerhalb der Leistungsbeziehung liegenden Rechtsgütern – zu erleiden (Integritätsinteresse) bzw. ein Interesse daran, dass die erhaltene Leistung mit der eigenen erbrachten Leistung gem. der vertraglichen Vereinbarung übereinstimmt (Äquivalenzinteresse). Erst bei ihrer Verletzung treten diese neben oder an die Stelle des primären Interesses. Sie werden daher auch sekundäre Interessen genannt. |
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Aus den Interessen ergeben sich Ansprüche. Das Erfüllungsinteresse wird daher auch als ''Primäranspruch'' bezeichnet, die Verletzung des Integritäts- und Äquivalenzinteresses, aber auch des Erfüllungsinteresses, führt zur Entstehung eines ''Sekundäranspruchs''. |
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Andere Interessen ergeben sich im [[Strafrecht]]. Dabei hat der Staat ein Interesse an Bestrafung bei Verstoß gegen Normen des Strafrechts. Die Ahndung eines [[Verbrechen]]s oder [[Vergehen]]s soll die Bürger zu normgemäßem Verhalten veranlassen ([[Strafzwecktheorien|Generalprävention]]) bzw. eine aufgebrachte Rechtsgesellschaft befrieden (Befriedungsfunktion). |
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Auch der Täter soll durch eine Verurteilung die Chance erhalten, wieder zurückzukehren auf den „Boden der Rechtsgesellschaft“ und wieder nach seiner Freilassung als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft handeln. Eine Verurteilung soll eindeutig und unmissverständlich eine Missbilligung seines Verhaltens klar machen und somit zu einer Verhaltensänderung/Läuterung des Täters führen (Spezialprävention). Allerdings hat sich gezeigt, dass das bloße Wegsperren eines Täters dies nur sehr selten bewirken kann. Erforderlich ist vielmehr eine den Strafvollzug begleitende Betreuung, die sehr kostenintensiv ist und daher nur ausnahmsweise – vor allem bei jugendlichen Straftätern und bei Sexualstraftätern – durchgeführt wird. |
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== Siehe auch == |
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* [[Global Governance|Weltweite Interessen]] |
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* [[Selbstmotivation]] |
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== Quellen == |
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== Literatur == |
== Literatur == |
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* [[Peter Massing]], [[Peter Reichel (Politikwissenschaftler)|Peter Reichel]]: ''Interesse und Gesellschaft. Definitionen, Kontroversen, Perspektiven''.Piper, München 1977. |
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* Krapp, A. (2009). Interesse. In D. Rost (Hrsg.), Handwörterbuch Pädagogische Psychologie (2. Aufl., S. 286-294). Weinheim: PVU |
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* Krapp, A. (1992). Konzepte und Forschungsansätze zur Analyse des Zusammenhangs von Interesse, Lernen und Leistung. In A. Krapp & M. Prenzel (Hrsg.), Interesse, Lernen, Leistung. Neuere Ansätze einer pädagogisch-psychologischen Interessenforschung (S. 9-52). Münster: Aschendorff |
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* [[Wolfgang Rudzio|Rudzio, Wolfgang]] (2006). Das politische System der Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden. |
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* Sahner, Heinz (1993). Vereine und Verbände in der modernen Gesellschaft. In: Best, Heinrich (Hrsg.): Vereine in Deutschland. Vom Geheimbund zur freien gesellschaftlichen Organisation. Bonn, S. 11-118. |
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* Schiefele, U. (1996). Motivation und Lernen mit Texten. Göttingen: Hogrefe. (insbesondere Kapitel 4.4 und 7). |
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* Ainley, M., Hidi, S., & Berndorff, D. (2002). Interest, learning, and the psychological processes that mediate their relationship. Journal of Educational Psychology, 94, 545–561 |
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[[Kategorie:Politische Philosophie]] |
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[[Kategorie:Allgemeine Psychologie]] |
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[[Kategorie:Motivation]] |
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[[es:Interés (emoción)]] |
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[[et:Huvi]] |
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[[fr:Intérêt (sentiment)]] |
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[[hr:Interes]] |
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[[no:Interesse]] |
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[[pt:Interesse]] |
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[[ru:Интерес (чувство)]] |
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[[tr:Heves (duygu)]] |
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[[uk:Інтерес (емоція)]] |
Aktuelle Version vom 28. November 2023, 12:09 Uhr
Unter Interesse (von lateinisch interesse „teilnehmen“) versteht man in der Politikwissenschaft und Sozialwissenschaft einen recht vielfältig verwendeten, aber als grundlegend erachteten Begriff der Eigenverortung und damit verbundenen Zielen von Individuen und sozialen Gruppen sowohl im gesellschaftlichen Ganzen als auch allgemein in der übergreifenden Umgebung.
Der Begriff ist für die sozialwissenschaftlicher Empirie und Theoriebildung zentral, weil davon ausgegangen wird, dass Menschen immer von ihren Interessen geleitet handeln. Insofern gilt er nachgerade als „genuin anthropologische Kategorie“.[1]
Das Problem mehrerer in einer Person existierender, sich aber widersprechender Interessen bezeichnet man als Interessenkonflikt.
Wortgeschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Erstmals verwendet wird das Wort im Corpus iuris civilis, das der oströmische Kaiser Justinian I. in den Jahren 528 bis 534 zusammenstellen ließ. In der Rechtssprache des Hochmittelalters wurde es in der Bedeutung Zins verwendet. Seit dem 16. Jahrhundert wird darunter zunehmend Vorteil oder Nutzen verstanden. Ideengeschichtlich begann hiermit die Ablösung der Grundvorstellung, das Handeln der Menschen sei durch kollektive Normen oder transzendente Werte motiviert, die eine individualistische Gesellschaftstheorie ermöglichte.[2] Bis zur Aufklärung entwickelten sich verschiedene Staats- und Morallehren, in denen die unterschiedlichen Interessen der nun als selbstständig handelnd gedachten Bürger als legitim anerkannt und gefragt wurde, wie sie sich zu einem Gemeinwohl verbinden lassen. Davon abweichend wurde der Begriff in der religiösen Terminologie Spaniens negativ verstanden und stand als Synonym für sündige Egozentrik.[3]
Der deutsche Staatsrechtslehrer Lorenz von Stein (1815–1890) nannte das Interesse das „Prinzip der Gesellschaft“, für den Soziologen Max Weber (1864–1920) ist es „Bedingung menschlichen Handelns“. Seitdem sehen die Sozialwissenschaften in den Interessen der Menschen deren zentrale Handlungsmotivation.[4]
Arten von Interessen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Unterschieden werden:
a) manifeste und latente Interessen.
Als manifest werden die Interessen bezeichnet, die einer politischen Auseinandersetzung artikuliert werden und in Interessengruppen oder Parteien artikuliert werden. Nicht artikulierte Interessen bezeichnet man als latent (von lateinisch latere „verborgen sein“). Damit sind Bedürfnisse und Wünsche gemeint, die bestimmten gesellschaftlichen Gruppen zugeschrieben werden und implizit gesellschaftlichen Einfluss ausüben können.
b) subjektive und objektive Interessen.
Subjektiv sind diejenigen Interessen, die eine Person oder eine Gruppe als die ihrigen wahrnimmt und nach denen sie Verhalten ausrichtet. Als objektive Interessen werden essentielle Bedürfnisse einer Gruppe bezeichnet, die sich ihrer (noch) nicht bewusst ist. Die Denkfigur des objektiven Interesses spielte im Marxismus-Leninismus eine wichtige Rolle zur Legitimation der sozialistischen Kaderpartei, die für sich in Anspruch nahm, die objektiven Interessen der Arbeiterklasse zu vertreten und diese deswegen auch führen zu dürfen, selbst wenn sie subjektiv ganz andere Interessen formulierte.[5] Die Annahme, dass Menschen das Recht haben, ihre subjektiven Interessen zu verfolgen, bildet dagegen den Kern der modernen Pluralismustheorie.[6]
c) partikulare und universale Interessen.
Als universal werden Interessen bezeichnet, die von allen Individuen einer Gruppen geteilt werden (Gemeinwohl). Hierbei ist umstritten, ob sie mit einem (empirisch schwer messbaren) Gemeinwillen gleichzusetzen sind oder in einer demokratischen Interessenaggregation erst gefunden werden müssen. Partikularinteressen dagegen sind solche, die nur von gesellschaftlichen Teilgruppen unterschiedlich vertreten werden, also etwa Lohnerhöhungen oder -senkungen, Subventionierung verschiedener Wirtschaftszweige auf Kosten anderer, Straßen- und Wegebau für Autos oder für Fahrräder, Kostenfreiheit für den Besuch einer Kindertagesstätte oder für ein Universitätsstudium.[7]
Da in der pluralistischen Gesellschaft alle Menschen ihre jeweiligen Interessen artikulieren, sind nach dem Politikwissenschaftler Joachim Detjen alle Interessen „vom Staat her gesehen immer partiell und konfliktträchtig, keinesfalls jedoch allgemein“. Insofern suggeriere die Bezeichnung Universal- oder Allgemeininteresse „etwas Unzutreffendes“. Die Vorstellung eines Allgemeininteresses lasse sich nur retten, wenn man eine höhere Instanz annimmt, die über allen Interessen steht, selber aber kein eigenes Interesse hat. Diese Instanz kann metaphysisch oder naturrechtlich sein, also etwa als Menschenwürde. Der Politikwissenschaftler Peter Massing schlägt in Anlehnung an Jürgen Habermas’ Theorie des kommunikativen Handelns eine diskursive Unterscheidung aller Interessen in rational-allgemeine und irrational-partikulare vor, wobei allein letztere Geltung beanspruchen dürften. Dieser Ansatz wurde als lebensfremd kritisiert.[8]
Interessenvertretungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Organisierte Interessen sind ein essenzieller Bestandteil der politischen Landschaft. Sie üben einen signifikanten Einfluss auf unsere Wahrnehmung sowie politische Einstellung zu den verschiedensten Politikfeldern aus. Interessenvertretungen werden definiert als freiwillige oder erzwungene Zusammenschlüsse von natürlichen oder juristischen Personen mit wenigstens einem Mindestmaß an organisatorischer Verfasstheit und dem Zweck, „Interessen der Mitglieder entweder selbst zu verwirklichen oder durch Mitwirkung oder Einwirkung auf Gemeinschaftsentscheidungen durchzusetzen, ohne selbst die Übernahme politischer Verantwortung anzustreben.“[9]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Peter Massing, Peter Reichel: Interesse und Gesellschaft. Definitionen, Kontroversen, Perspektiven.Piper, München 1977.
- Hartmut Neuendorff: Der Begriff des Interesses. Eine Studie zu den Gesellschaftstheorien von Hobbes, Smith und Marx. Suhrkamp, Frankfurt 1973, ISBN 3-518-00608-8.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Joachim Detjen: Interesse. In: Everhard Holtmann (Hrsg.): Politik-Lexikon. 3. Auflage, Oldenbourg, München 2000, ISBN 978-3-486-79886-9, S. 271–274, hier S. 271.
- ↑ Bernhard Thibaut: Interesse. In: Dieter Nohlen (Hrsg.): Lexikon der Politik, Band 7: Politische Grundbegriffe. Directmedia, Berlin 2004, S. 280.
- ↑ Joachim Detjen: Interesse. In: Everhard Holtmann (Hrsg.): Politik-Lexikon. 3. Auflage, Oldenbourg, München 2000, S. 271–274, hier S. 271 ff.
- ↑ Peter Massing: Interesse. In: Dieter Nohlen (Hrsg.): Lexikon der Politik, Band 1: Politische Theorien. Directmedia, Berlin 2004, S. 218.
- ↑ Interessenvertretung. In: Dieter Dowe, Karlheinz Kuba et al.(Hrsg.): FDGB-Lexikon. Funktion, Struktur, Kader und Entwicklung einer Massenorganisation der SED (1945–1990). Dietz, Berlin 2009, ISBN 978-3-86872-240-6; Zugriff am 28. August 2021.
- ↑ Joachim Detjen: Interesse. In: Everhard Holtmann (Hrsg.): Politik-Lexikon. 3. Auflage, Oldenbourg, München 2000, S. 271–274, hier S. 273.
- ↑ Das Obige, wo nicht anders angegeben, nach Carsten Lenz, Nicole Ruchlak: Kleines Politik-Lexikon (= Lehr- und Handbücher der Politikwissenschaft). Oldenbourg, München 2001, S. 98 f.
- ↑ Joachim Detjen: Interesse. In: Everhard Holtmann (Hrsg.): Politik-Lexikon. 3. Auflage, Oldenbourg, München 2000, S. 271–274, hier S. 274.
- ↑ Heinz Sahner: Vereine und Verbände in der modernen Gesellschaft. In: Heinrich Best (Hrsg.): Vereine in Deutschland: vom Geheimbund zur freien gesellschaftlichen Organisation. Informationszentrum Sozialwissenschaften, Bonn, S. 11–118, hier S. 26.