„Gehirn im Tank“ – Versionsunterschied

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Das '''Gehirn im Tank''' (englisch ''brain in a vat'') ist ein Argument, das in einer Vielzahl von philosophischen [[Gedankenexperiment]]en genutzt wird. Es soll Konzepte wie [[Wissen]], [[Realität]], [[Wahrheit]], [[Geist]], [[Bewusstsein]] und [[Bedeutung (Sprachphilosophie)|Bedeutung]] hinterfragen.<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Michael McKinsey |Titel=Skepticism and Content Externalism |Sammelwerk=The Stanford Encyclopedia of Philosophy |Auflage=Summer 2018 |Verlag=Metaphysics Research Lab, Stanford University |Datum=2018 |Online=https://plato.stanford.edu/archives/sum2018/entries/skepticism-content-externalism/ |Abruf=2020-08-09}}</ref>
Das '''Gehirn im Tank''' (englisch ''brain in a vat'') ist ein Gedankenexperiment, bei dem es darum geht, unsere Vorstellungen von Wissen, Realität, Wahrheit, Bewusstsein und Bedeutung zu durchdenken. Herangezogen wird ein Beispiel eines Computers, welcher ein Gehirn künstlich mit elektrischen Impulsen versorgt, so wie es ein realer Körper tun würde. Es stellt sich dann die Frage, ob das Gehirn feststellen kann, ob es in einer realen Umgebung, also einem realen Körper, oder in einer [[Simulierte Realität|simulierten Realität]] steckt.


Vorgestellt wird dabei ein in einem Tank künstlich am Leben gehaltenes Gehirn, das von einem Computer mit elektrischen Impulsen stimuliert wird, so wie es die Nervenleitungen eines realen Körpers tun würden, sodass sich aus der Perspektive des Gehirns eine (simulierte) Realität ergibt. Es stellt sich dann die Frage, ob das Gehirn feststellen kann, ob es in einer realen Umgebung, also einem realen Körper, oder in einer [[Simulierte Realität|simulierten Realität]] steckt, und ob dies ethisch und erkenntnistheoretisch relevant ist.<ref name=":0" />
== Hintergrund ==
{{Belege fehlen}}
In vielen [[Science-Fiction]]-Geschichten kommt die Idee vor, dass ein [[verrückter Wissenschaftler]] einem Menschen das [[Gehirn]] herausoperiert und in einem Tank in Nährlösung aufbewahrt und seine [[Nervenzelle|Neuronen]] durch Drähte mit einem Computer verbindet, der es mit genau den gleichen elektrischen Impulsen versorgt, wie ein Gehirn sie normalerweise empfängt. In derartigen Geschichten simuliert der Computer eine [[Virtuelle Realität]], einschließlich passender Antworten auf den Output des Gehirns, und die Person mit dem körperlosen Gehirn hat weiterhin völlig normale Erlebnisse in ihrem Bewusstsein, ohne dass diese mit Gegenständen oder Ereignissen in der realen Welt zu tun hätten.


[[Hilary Putnam]] hat einen viel diskutierten Versuch der Widerlegung des Arguments präsentiert.<ref name=":0" /><ref name=":1">{{Literatur |Autor=Putnam, Hilary. |Titel=Reason, truth, and history |Verlag=Cambridge University Press |Ort=Cambridge [Cambridgeshire] |Datum=1981 |ISBN=978-0-511-62539-8 |Seiten=1-21}}</ref>
Das Gehirn-im-Tank-Szenario wird als Argument für [[Skeptizismus]] und [[Solipsismus]] verwendet. Eine einfache Version der Argumentation ist diese: Da das Gehirn im Tank exakt die gleichen Impulse sendet und empfängt, als wenn es sich in einem Kopf befände, und da diese seine einzige Verbindung zur Außenwelt sind, ist es aus der Perspektive des Gehirns unmöglich zu sagen, ob es sich in einem Kopf oder in einem Tank befindet. Im ersten Fall können die meisten der Vorstellungen der Person wahr sein, zum Beispiel, wenn die Person denkt, dass sie die Straße entlanggeht oder Eis isst. Im zweiten Fall aber sind die Vorstellungen falsch. Da man nun aber nicht feststellen kann, ob man ein Gehirn im Tank ist, kann man auch nicht wissen, ob nicht die meisten Dinge, die man glaubt, völlig falsch sind. Da man prinzipiell nicht ausschließen kann, dass man ein Gehirn im Tank ist, kann es auch keinen guten Grund geben, irgendetwas von dem zu glauben, was man glaubt, und wissen kann man auf jeden Fall nichts davon.


== Skeptisches Argument ==
Diese Argumentation ist die heutige Version des Arguments, das [[Descartes]] in ''[[Meditationes de prima philosophia]]'' dafür gibt (aber schließlich ablehnt), dass er seinen Wahrnehmungen nicht trauen könne, weil ein [[Genius malignus|böser Geist]] möglicherweise alle seine Erfahrungen steuert. Entfernt verwandt ist sie auch zu Descartes’ Argument, er könne seinen Wahrnehmungen nicht trauen, weil er sie möglicherweise nur träume – wobei die Sorge entfällt, dass er aktiv irregeführt würde.
Das Gehirn-im-Tank wird als Argument für [[Skeptizismus]] und [[Solipsismus]] verwendet. Das Argument setzt das Prinzip der Geschlossenheit von [[Wissen]] voraus. Damit ist gemeint: Wenn ich eine [[Proposition (Linguistik)|Proposition]] p weiß, dann weiß ich auch, was aus p logisch folgt. Anders formuliert: Wenn ich nicht weiß, was aus p logisch folgt, dann weiß ich auch p nicht.<ref name=":0" /> p sei eine beliebige Proposition über die Welt, z.&nbsp;B. dass Wasser H<sub>2</sub>O sei.

Eine einfache Form des Arguments lautet:<ref>{{Internetquelle |url=https://iep.utm.edu/brainvat/ |titel=“Brain in a Vat” Argument, The {{!}} Internet Encyclopedia of Philosophy |abruf=2020-08-09 |sprache=en-US}}</ref>

(I) Wenn ich weiß dass p, dann weiß ich auch, dass ich kein Gehirn im Tank bin.

(II) Ich kann nicht wissen, ob ich ein Gehirn im Tank bin.

(III) Daher weiß ich nicht, dass p.

Dieses Argument ist die heutige Version der Erwägungen, die [[Descartes]] in ''[[Meditationes de prima philosophia]]'' anstellt. Nachdem er festgestellt hat, dass er allein nicht bezweifeln kann, dass es ihn als Erkenntnissubjekt gibt, hält er fest, dass er seinen Wahrnehmungen nicht trauen könne, weil denkbar ist, dass ein [[Genius malignus|böser Geist]] möglicherweise alle seine Erfahrungen steuert.<ref name=":0" />


== Philosophische Überlegungen ==
== Philosophische Überlegungen ==
In den letzten Jahrzehnten haben sich vor allem Vertreter der [[Analytische Philosophie|Analytischen Philosophie]] auf vielfältige Weise mit Fragestellungen dieser Art auseinandergesetzt. Ausgangspunkt war [[Gilbert Ryle]]s Metapher zur Beziehung zwischen Körper und Geist in der Philosophie Descartes’, die er als „Ghost in the Machine“ (Gespenst im Apparat) beschrieb. Davon ausgehend wurden mehrere Gedankenexperimente entwickelt, so das [[Chinesisches Zimmer|Chinesische Zimmer]] von [[John Searle]] und das Gehirn im Tank von [[Gilbert Harman]]<ref>Harman, Gilbert 1973: Thought, Princeton/NJ, p.5.</ref>, um in die Debatte zur Philosophie des Geistes zwischen [[Behaviorismus]], Theorien, traditionellem Dualismus und Funktionalismus Stellung zu beziehen. Einige, wie [[Barry Stroud]], sagen, dass hier ein unabweisbarer Einwand gegen jeglichen Wissensanspruch bestünde.


=== Putnams Versuch der Widerlegung ===
In den letzten Jahrzehnten haben sich Philosophen auf vielfältige Weise mit Fragestellungen dieser Art auseinandergesetzt. Einige, wie [[Barry Stroud]], sagen, dass hier ein unabweisbarer Einwand gegen jeglichen Wissensanspruch bestünde. Andere weisen dies zurück, am bekanntesten hiervon [[Hilary Putnam]]. Im ersten Kapitel seines Buches ''Vernunft, Wahrheit und Geschichte'' (''Reason, Truth, and History''; 1981) behauptet Putnam, das Gedankenexperiment sei widersprüchlich, da ein Gehirn in einem Tank gar nicht die Art von Geschichte und Wechselwirkung mit der Welt hätte, die es ihm erlauben würden, über den Tank, in dem es ist, etwas zu denken oder zu sagen. Putnam gebraucht das Gedankenexperiment als Argument für seinen (umstrittenen) [[Realismus_(Philosophie)#Interner_Realismus|internen Realismus]]. Außerdem muss mindestens ein intelligenzgesteuerter Körper existieren, der die Apparatur gebaut und das Gehirn daran angeschlossen hat.
[[Hilary Putnam]] hat versucht, das „Gehirn im Tank“-Szenario zu widerlegen. Er argumentiert dabei für einen [[Semantischer Externalismus|semantischen Externalismus]]. Dieser besagt, dass es eine Reihe von [[Nominator (Logik)|singulären]] und [[Prädikat (Logik)|generellen Termen]] gäbe, die abhängig von der externen Umwelt des Sprechers seien. Demnach könne das „Gehirn im Tank“-Szenario nicht wahr sein. Wenn es wahr wäre, dann würden sich die Worte „Gehirn“ und „Tank“ auf nichts beziehen. Der Satz „Ich bin ein Gehirn im Tank.“ wäre notwendig falsch.<ref name=":1" /><ref name=":0" />


[[Datei:Braininvat.jpg|mini]]
== Das Gehirn-im-Tank-Motiv in der Populärkultur ==
== Das Gehirn-im-Tank-Motiv in der Populärkultur ==
In vielen [[Science-Fiction]]-Geschichten kommt die Idee vor, dass ein [[verrückter Wissenschaftler]] einem Menschen das [[Gehirn]] herausoperiert und in einem Tank in Nährlösung aufbewahrt und seine [[Nervenzelle|Neuronen]] durch Drähte mit einem Computer verbindet, der es mit genau den gleichen elektrischen Impulsen versorgt, wie ein Gehirn sie normalerweise empfängt. In derartigen Geschichten simuliert der Computer eine [[Virtuelle Realität]], einschließlich passender Antworten auf den Output des Gehirns, und die Person mit dem körperlosen Gehirn hat weiterhin völlig normale Erlebnisse in ihrem Bewusstsein, ohne dass diese mit Gegenständen oder Ereignissen in der realen Welt zu tun hätten.
Viele Filme greifen ähnliche Ideen auf, etwa ''[[Vanilla Sky]]'' und ''[[Matrix (Film)|Matrix]]'' und dessen Fortsetzungen. Die Idee, dass das Gehirn – oder abstrakter: sein Bewusstsein – aus dem Körper herausgenommen wird, taucht in einigen der Romane von [[Stanisław Lem]] auf, ebenso die verwandte Idee, dass ein künstliches Bewusstsein von einem verrückten Wissenschaftler, der es geschaffen hat, mit künstlichen Reizen gefüttert wird. Im Roman [[Ubik]] von [[Philip K. Dick]] leben kürzlich Verstorbene in einer telepathischen Simulation weiter, während ihre Gehirne in einer Nährlösung ruhen. [[Benjamin Stein]] führt in seinem Roman ''[[Replay (Roman)|Replay]]'' (2012) das Modell einer [[Gehirn-Computer-Schnittstelle]] durch, das auch die Manipulation von als real erlebten Erinnerungen enthält, ein Motiv, das bereits in dem Film ''[[Strange Days (Film)|Strange Days]]'' (1995) angelegt ist.


Viele Filme greifen ähnliche Ideen auf, etwa ''[[Abre los ojos]]'' oder ''[[Matrix (Film)|Matrix]]'' und dessen Fortsetzungen. Die Idee, dass das Gehirn – oder abstrakter: sein Bewusstsein – aus dem Körper herausgenommen wird, taucht in einigen der [[Roman]]e von [[Stanisław Lem]] auf, ebenso die verwandte Idee, dass ein künstliches Bewusstsein von einem verrückten Wissenschaftler, der es geschaffen hat, mit künstlichen Reizen gefüttert wird. Im Roman ''[[Ubik]]'' von [[Philip K. Dick]] leben kürzlich Verstorbene in einer telepathischen Simulation weiter, während ihre Gehirne in einer Nährlösung ruhen. [[Benjamin Stein]] führt in seinem Roman ''[[Replay (Roman)|Replay]]'' (2012) das Modell einer [[Gehirn-Computer-Schnittstelle]] durch, das auch die Manipulation von als real erlebten [[Erinnerung (Psychologie)|Erinnerung]]en enthält, ein Motiv, das bereits in dem Film ''[[Strange Days (Film)|Strange Days]]'' (1995) angelegt ist.
== Siehe auch ==

*[[Erkenntnistheorie]]
== Literatur ==
*[[Luzider Traum]]
* Georg Kamp, ''Gehirn im Tank'', in: [[Jürgen Mittelstraß]] (Hrsg.), ''Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie'', 2. Aufl., Bd. 3. Metzler, Stuttgart, Weimar 2008 (mit ausführlichen Literaturangaben)
* Olaf L. Müller, Wirklichkeit ohne Illusion I: Hilary Putnam und der Abschied vom Skeptizismus oder Warum die Welt keine Computersimulation sein kann, Bd. 1, mentis, Paderborn: 2003.
* Olaf L. Müller, Wirklichkeit ohne Illusion II: Metaphysik und semantische Stabilität oder Was es heißt, nach höheren Wirklichkeiten zu fragen, Bd. 2, mentis, Paderborn: 2003.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Brain in a vat}}
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* {{SEP|http://plato.stanford.edu/entries/brain-vat/|Brains in a Vat|Tony Brueckner}}
* {{SEP|https://stanford.library.sydney.edu.au/archives/win2011/entries/brain-vat/|Brains in a Vat|Tony Brueckner}}
* {{IEP|http://www.iep.utm.edu/b/brainvat.htm|The 'Brain in a Vat' Argument|Lance P. Hickey}}
* {{IEP|http://www.iep.utm.edu/b/brainvat.htm|The 'Brain in a Vat' Argument|Lance P. Hickey}}
* Joachim Eberhardt: [http://www.opus.ub.uni-erlangen.de/opus/volltexte/2006/316/ Gehirne in Tanks - Warum die skeptische Frage offen bleibt], Text von 2004 mit Überblick über die Gegenargumente.
* Joachim Eberhardt: [https://open.fau.de/handle/openfau/241 Gehirne in Tanks Warum die skeptische Frage offen bleibt], Text von 2004 mit Überblick über die Gegenargumente.
* Niko Strobach: [http://www.philo.uni-saarland.de/people/analytic/strobach/neueseite/pdfs/Putnam.pdf Putnams „Gehirne im Tank“: eine neue Dimension des Skeptizismus] (PDF; 41&nbsp;kB)
* [[Niko Strobach]]: [http://www.philo.uni-saarland.de/people/analytic/strobach/neueseite/pdfs/Putnam.pdf Putnams „Gehirne im Tank“: eine neue Dimension des Skeptizismus] (PDF; 41&nbsp;kB)
* [http://www.gehirnimtank.de/ Seite] von [[Olaf Müller (Philosoph)|Olaf Müller]] mit Texten zum ''Gehirn im Tank''
* [http://www.gehirnimtank.de/ Seite] von [[Olaf Müller (Philosoph)|Olaf Müller]] mit Texten zum ''Gehirn im Tank''
* [http://consc.net/papers/matrix.pdf Text] von [[David Chalmers]] zur Metaphysik von [[The Matrix]] (PDF-Datei; 739 kB)
* [http://consc.net/papers/matrix.pdf Text] von [[David Chalmers]] zur Metaphysik von [[The Matrix]] (PDF-Datei; 739 kB)


== Literatur ==
== Einzelnachweise ==
<references />
* Georg Kamp, ''Gehirn im Tank'', in: Mittelstraß (Hrsg.), ''Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie'', 2. Aufl., Bd. 3. Metzler, Stuttgart, Weimar 2008 (mit ausführlichen Literaturangaben)
* Olaf L. Müller, Wirklichkeit ohne Illusion I: Hilary Putnam und der Abschied vom Skeptizismus oder Warum die Welt keine Computersimulation sein kann, Bd.1, mentis, Paderborn: 2003.
* Olaf L. Müller, Wirklichkeit ohne Illusion II: Metaphysik und semantische Stabilität oder Was es heißt, nach höheren Wirklichkeiten zu fragen, Bd.2, mentis, Paderborn: 2003.

[[Kategorie:Gedankenexperiment]]
[[Kategorie:Gedankenexperiment]]
[[Kategorie:Erkenntnistheorie]]
[[Kategorie:Erkenntnistheorie]]
[[Kategorie:Science-Fiction]]
[[Kategorie:Science-Fiction-Konzept]]

Aktuelle Version vom 1. November 2024, 07:33 Uhr

Im Gehirn vorgestellte Realität und tatsächliche Realität stimmen in diesem Gedankenexperiment nicht überein.

Das Gehirn im Tank (englisch brain in a vat) ist ein Argument, das in einer Vielzahl von philosophischen Gedankenexperimenten genutzt wird. Es soll Konzepte wie Wissen, Realität, Wahrheit, Geist, Bewusstsein und Bedeutung hinterfragen.[1]

Vorgestellt wird dabei ein in einem Tank künstlich am Leben gehaltenes Gehirn, das von einem Computer mit elektrischen Impulsen stimuliert wird, so wie es die Nervenleitungen eines realen Körpers tun würden, sodass sich aus der Perspektive des Gehirns eine (simulierte) Realität ergibt. Es stellt sich dann die Frage, ob das Gehirn feststellen kann, ob es in einer realen Umgebung, also einem realen Körper, oder in einer simulierten Realität steckt, und ob dies ethisch und erkenntnistheoretisch relevant ist.[1]

Hilary Putnam hat einen viel diskutierten Versuch der Widerlegung des Arguments präsentiert.[1][2]

Skeptisches Argument

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Das Gehirn-im-Tank wird als Argument für Skeptizismus und Solipsismus verwendet. Das Argument setzt das Prinzip der Geschlossenheit von Wissen voraus. Damit ist gemeint: Wenn ich eine Proposition p weiß, dann weiß ich auch, was aus p logisch folgt. Anders formuliert: Wenn ich nicht weiß, was aus p logisch folgt, dann weiß ich auch p nicht.[1] p sei eine beliebige Proposition über die Welt, z. B. dass Wasser H2O sei.

Eine einfache Form des Arguments lautet:[3]

(I) Wenn ich weiß dass p, dann weiß ich auch, dass ich kein Gehirn im Tank bin.

(II) Ich kann nicht wissen, ob ich ein Gehirn im Tank bin.

(III) Daher weiß ich nicht, dass p.

Dieses Argument ist die heutige Version der Erwägungen, die Descartes in Meditationes de prima philosophia anstellt. Nachdem er festgestellt hat, dass er allein nicht bezweifeln kann, dass es ihn als Erkenntnissubjekt gibt, hält er fest, dass er seinen Wahrnehmungen nicht trauen könne, weil denkbar ist, dass ein böser Geist möglicherweise alle seine Erfahrungen steuert.[1]

Philosophische Überlegungen

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In den letzten Jahrzehnten haben sich vor allem Vertreter der Analytischen Philosophie auf vielfältige Weise mit Fragestellungen dieser Art auseinandergesetzt. Ausgangspunkt war Gilbert Ryles Metapher zur Beziehung zwischen Körper und Geist in der Philosophie Descartes’, die er als „Ghost in the Machine“ (Gespenst im Apparat) beschrieb. Davon ausgehend wurden mehrere Gedankenexperimente entwickelt, so das Chinesische Zimmer von John Searle und das Gehirn im Tank von Gilbert Harman[4], um in die Debatte zur Philosophie des Geistes zwischen Behaviorismus, Theorien, traditionellem Dualismus und Funktionalismus Stellung zu beziehen. Einige, wie Barry Stroud, sagen, dass hier ein unabweisbarer Einwand gegen jeglichen Wissensanspruch bestünde.

Putnams Versuch der Widerlegung

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Hilary Putnam hat versucht, das „Gehirn im Tank“-Szenario zu widerlegen. Er argumentiert dabei für einen semantischen Externalismus. Dieser besagt, dass es eine Reihe von singulären und generellen Termen gäbe, die abhängig von der externen Umwelt des Sprechers seien. Demnach könne das „Gehirn im Tank“-Szenario nicht wahr sein. Wenn es wahr wäre, dann würden sich die Worte „Gehirn“ und „Tank“ auf nichts beziehen. Der Satz „Ich bin ein Gehirn im Tank.“ wäre notwendig falsch.[2][1]

Das Gehirn-im-Tank-Motiv in der Populärkultur

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In vielen Science-Fiction-Geschichten kommt die Idee vor, dass ein verrückter Wissenschaftler einem Menschen das Gehirn herausoperiert und in einem Tank in Nährlösung aufbewahrt und seine Neuronen durch Drähte mit einem Computer verbindet, der es mit genau den gleichen elektrischen Impulsen versorgt, wie ein Gehirn sie normalerweise empfängt. In derartigen Geschichten simuliert der Computer eine Virtuelle Realität, einschließlich passender Antworten auf den Output des Gehirns, und die Person mit dem körperlosen Gehirn hat weiterhin völlig normale Erlebnisse in ihrem Bewusstsein, ohne dass diese mit Gegenständen oder Ereignissen in der realen Welt zu tun hätten.

Viele Filme greifen ähnliche Ideen auf, etwa Abre los ojos oder Matrix und dessen Fortsetzungen. Die Idee, dass das Gehirn – oder abstrakter: sein Bewusstsein – aus dem Körper herausgenommen wird, taucht in einigen der Romane von Stanisław Lem auf, ebenso die verwandte Idee, dass ein künstliches Bewusstsein von einem verrückten Wissenschaftler, der es geschaffen hat, mit künstlichen Reizen gefüttert wird. Im Roman Ubik von Philip K. Dick leben kürzlich Verstorbene in einer telepathischen Simulation weiter, während ihre Gehirne in einer Nährlösung ruhen. Benjamin Stein führt in seinem Roman Replay (2012) das Modell einer Gehirn-Computer-Schnittstelle durch, das auch die Manipulation von als real erlebten Erinnerungen enthält, ein Motiv, das bereits in dem Film Strange Days (1995) angelegt ist.

  • Georg Kamp, Gehirn im Tank, in: Jürgen Mittelstraß (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, 2. Aufl., Bd. 3. Metzler, Stuttgart, Weimar 2008 (mit ausführlichen Literaturangaben)
  • Olaf L. Müller, Wirklichkeit ohne Illusion I: Hilary Putnam und der Abschied vom Skeptizismus oder Warum die Welt keine Computersimulation sein kann, Bd. 1, mentis, Paderborn: 2003.
  • Olaf L. Müller, Wirklichkeit ohne Illusion II: Metaphysik und semantische Stabilität oder Was es heißt, nach höheren Wirklichkeiten zu fragen, Bd. 2, mentis, Paderborn: 2003.
Commons: Brain in a vat – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f Michael McKinsey: Skepticism and Content Externalism. In: The Stanford Encyclopedia of Philosophy. Summer 2018 Auflage. Metaphysics Research Lab, Stanford University, 2018 (stanford.edu [abgerufen am 9. August 2020]).
  2. a b Putnam, Hilary.: Reason, truth, and history. Cambridge University Press, Cambridge [Cambridgeshire] 1981, ISBN 978-0-511-62539-8, S. 1–21.
  3. “Brain in a Vat” Argument, The | Internet Encyclopedia of Philosophy. Abgerufen am 9. August 2020 (amerikanisches Englisch).
  4. Harman, Gilbert 1973: Thought, Princeton/NJ, p.5.