„Kaiserbrücke (Mainz)“ – Versionsunterschied

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Bauherrin der von 1901 bis 1904 errichteten Kaiserbrücke war die [[Preußisch-Hessische Eisenbahngemeinschaft]]. Als Bestandteil der Umgehungsbahn sollte sie in erster Linie dazu dienen, den Güterverkehr zwischen [[Mainz-Mombach|Mombach]] und [[Bischofsheim (Mainspitze)|Bischofsheim]] umzuleiten und dadurch den [[Mainzer Hauptbahnhof]] und besonders den als Verkehrsengpass geltenden [[Mainzer Eisenbahntunnel]] zu entlasten. Zur Bauzeit spielten aber auch militärstrategische Aspekte eine große Rolle beim Bau von Eisenbahnlinien und Brücken. Die Kaiserbrücke war in dieser Hinsicht zum einen ein wichtiges Verbindungsglied für den schnellen Transport von Truppen und [[Nachschub]] per Eisenbahn in die Grenzgebiete des [[Deutsches Reich|Deutschen Reichs]] zu Frankreich ([[Elsass-Lothringen]]), zum anderen war sie – zumindest in den ersten Jahren ihres Bestehens – durch einen Bohlenbelag zwischen den Schienen auch für den unmittelbaren „Übergang von Truppen mit Fuhrwerk aller Art“<ref>''Deutsche Bauzeitung'' 1904, S. 230 (vgl. Literatur)</ref> über den Rhein nutzbar. Der Personenverkehr auf der durch die Brücke hergestellten direkten Verbindung zwischen dem Mainzer und dem Wiesbadener Hauptbahnhof erlangte erst später Bedeutung.
Bauherrin der von 1901 bis 1904 errichteten Kaiserbrücke war die [[Preußisch-Hessische Eisenbahngemeinschaft]]. Als Bestandteil der Umgehungsbahn sollte sie in erster Linie dazu dienen, den Güterverkehr zwischen [[Mainz-Mombach|Mombach]] und [[Bischofsheim (Mainspitze)|Bischofsheim]] umzuleiten und dadurch den [[Mainzer Hauptbahnhof]] und besonders den als Verkehrsengpass geltenden [[Mainzer Eisenbahntunnel]] zu entlasten. Zur Bauzeit spielten aber auch militärstrategische Aspekte eine große Rolle beim Bau von Eisenbahnlinien und Brücken. Die Kaiserbrücke war in dieser Hinsicht zum einen ein wichtiges Verbindungsglied für den schnellen Transport von Truppen und [[Nachschub]] per Eisenbahn in die Grenzgebiete des [[Deutsches Reich|Deutschen Reichs]] zu Frankreich ([[Elsass-Lothringen]]), zum anderen war sie – zumindest in den ersten Jahren ihres Bestehens – durch einen Bohlenbelag zwischen den Schienen auch für den unmittelbaren „Übergang von Truppen mit Fuhrwerk aller Art“<ref>''Deutsche Bauzeitung'' 1904, S. 230 (vgl. Literatur)</ref> über den Rhein nutzbar. Der Personenverkehr auf der durch die Brücke hergestellten direkten Verbindung zwischen dem Mainzer und dem Wiesbadener Hauptbahnhof erlangte erst später Bedeutung.


Die Brücke spannt sich zwischen dem südwestlichen [[Widerlager (Brückenbau)|Widerlager]] auf der [[Anlandung]] der [[Ingelheimer Aue]] und dem nordöstlichen am Amöneburger Ufer über die beiden Rheinarme und die dazwischen liegende [[Petersaue]]. Zwischen den beiden [[Massivbau|massiven]] Widerlagerbauten, in die jeweils zwei überwölbte Straßenunterführungen integriert sind, bestand die Brücke ursprünglich aus drei konstruktiv unterschiedlichen Abschnitten: Auf drei Fachwerkbögen über dem linken Rheinarm folgten über der Petersaue sechs Joche mit parallelgurtigen Fachwerkträgern (deren Konstruktion vollständig unterhalb der Fahrbahn lag) und zwei weitere Fachwerkbögen über dem rechten Rheinarm. Die insgesamt fünf Fachwerkbögen wirken auf den meisten überlieferten Abbildungen, deren Blickachse in spitzem Winkel zur Brückenlängsachse verläuft, aufgrund der perspektivischen Verkürzung gleich lang. Tatsächlich varierten ihre [[Spannweite (Bauwesen)|Spannweiten]] – von der Mainzer Seite ausgehend – zwischen 93,80 m im ersten Bogen, 107,20 m im zweiten und dritten Bogen sowie 116,80 m im vierten und fünften Bogen. Eher ungewöhnlich war dabei, dass im ersten Bogen die Gleistrasse eine Steigung von 1:320 zum zweiten Bogen hin aufwies, während sie in den anderen Bögen eben verlief. Die Brückenträger über der Petersaue hatten eine gleichmäßige Spannweite von je 39,20 m, die Trasse hatte in diesem Abschnitt eine kaum wahrnehmbare Steigung von 1:800. Die konstruktive Grundkonzeption der Brücke entstand in den Büros der [[Bundesbahndirektion Mainz|Eisenbahndirektion Mainz]], die konkreten Ausführungspläne wurden von dem Stahlbau-Unternehmen [[MAN Werk Gustavsburg]] erstellt, das sich Anfertigung und Montage mit der [[Union, AG für Bergbau, Eisen- und Stahl-Industrie|Dortmunder Union]] teilte – in den Überbauten wurden insgesamt 6.800 Tonnen Stahl verbaut.<ref>Kurze: ''Schienen, Räder und Signale.'' 1954, S. 64.</ref> Die Massivbauten, also Widerlager, Zwischenpfeiler und Brückentürme, wurden von der Frankfurter Bauunternehmung ''[[Philipp Holzmann]] & Cie.'' errichtet, die anscheinend auch die Funktion eines [[Generalunternehmer]]s ausübte. Von 1903 bis 1904 soll [[Benito Mussolini]], der spätere italienische „Duce“, als Gastarbeiter am Bau mitgewirkt haben.<!-- Quelle? -->
Die Brücke spannt sich zwischen dem südwestlichen [[Widerlager (Brückenbau)|Widerlager]] auf der [[Anlandung]] der [[Ingelheimer Aue]] und dem nordöstlichen am Amöneburger Ufer über die beiden Rheinarme und die dazwischen liegende [[Petersaue]]. Zwischen den beiden [[Massivbau|massiven]] Widerlagerbauten, in die jeweils zwei überwölbte Straßenunterführungen integriert sind, bestand die Brücke ursprünglich aus drei konstruktiv unterschiedlichen Abschnitten: Auf drei Fachwerkbögen über dem linken Rheinarm folgten über der Petersaue sechs Joche mit parallelgurtigen Fachwerkträgern (deren Konstruktion vollständig unterhalb der Fahrbahn lag) und zwei weitere Fachwerkbögen über dem rechten Rheinarm. Die insgesamt fünf Fachwerkbögen wirken auf den meisten überlieferten Abbildungen, deren Blickachse in spitzem Winkel zur Brückenlängsachse verläuft, aufgrund der perspektivischen Verkürzung gleich lang. Tatsächlich variierten ihre [[Spannweite (Bauwesen)|Spannweiten]] – von der Mainzer Seite ausgehend – zwischen 93,80 m im ersten Bogen, 107,20 m im zweiten und dritten Bogen sowie 116,80 m im vierten und fünften Bogen. Eher ungewöhnlich war dabei, dass im ersten Bogen die Gleistrasse eine Steigung von 1:320 zum zweiten Bogen hin aufwies, während sie in den anderen Bögen eben verlief. Die Brückenträger über der Petersaue hatten eine gleichmäßige Spannweite von je 39,20 m, die Trasse hatte in diesem Abschnitt eine kaum wahrnehmbare Steigung von 1:800. Die konstruktive Grundkonzeption der Brücke entstand in den Büros der [[Bundesbahndirektion Mainz|Eisenbahndirektion Mainz]], die konkreten Ausführungspläne wurden von dem Stahlbau-Unternehmen [[MAN Werk Gustavsburg]] erstellt, das sich Anfertigung und Montage mit der [[Union, AG für Bergbau, Eisen- und Stahl-Industrie|Dortmunder Union]] teilte – in den Überbauten wurden insgesamt 6.800 Tonnen Stahl verbaut.<ref>Kurze: ''Schienen, Räder und Signale.'' 1954, S. 64.</ref> Die Massivbauten, also Widerlager, Zwischenpfeiler und Brückentürme, wurden von der Frankfurter Bauunternehmung ''[[Philipp Holzmann]] & Cie.'' errichtet, die anscheinend auch die Funktion eines [[Generalunternehmer]]s ausübte. Von 1903 bis 1904 soll [[Benito Mussolini]], der spätere italienische „Duce“, als Gastarbeiter am Bau mitgewirkt haben.<!-- Quelle? -->


Wie um 1900 allgemein üblich, wurden die konstruktiv notwendigen Bauteile der Brücke durch repräsentative Architektur mit bildhauerischem Bauschmuck gestalterisch aufgewertet. Völlig zweckfrei bzw. funktionslos waren die Brückentürme – inbesondere der wuchtige, hoch aufragende Hauptturm am Mainzer Widerlager – jedoch nicht, neben nicht näher beschriebenen Einrichtungen zur Absperrung der Brücke aus militärischen Gründen und damit verbundenen Wachstuben usw. war in ihnen auch mindestens ein [[Stellwerk]] für die Weichen und Signale der Verbindungskurven zu den bestehenden Eisenbahnstrecken untergebracht.<ref>Eisenbahndirektion Mainz (Hrsg.): ''Amtsblatt der Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahndirektion in Mainz'' vom 23. April 1904, Nr. 21. Bekanntmachung Nr. 198, S. 305.</ref> Die [[Neoromanik|neoromanische]] Architektur der Brücke wurde von dem Berliner Architekten [[Franz Schwechten]] entworfen, der in der Vergangenheit für einige seiner Bauten die besondere Anerkennung von [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Kaiser Wilhelm II.]] gefunden hatte.
Wie um 1900 allgemein üblich, wurden die konstruktiv notwendigen Bauteile der Brücke durch repräsentative Architektur mit bildhauerischem Bauschmuck gestalterisch aufgewertet. Völlig zweckfrei bzw. funktionslos waren die Brückentürme – insbesondere der wuchtige, hoch aufragende Hauptturm am Mainzer Widerlager – jedoch nicht, neben nicht näher beschriebenen Einrichtungen zur Absperrung der Brücke aus militärischen Gründen und damit verbundenen Wachstuben usw. war in ihnen auch mindestens ein [[Stellwerk]] für die Weichen und Signale der Verbindungskurven zu den bestehenden Eisenbahnstrecken untergebracht.<ref>Eisenbahndirektion Mainz (Hrsg.): ''Amtsblatt der Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahndirektion in Mainz'' vom 23. April 1904, Nr. 21. Bekanntmachung Nr. 198, S. 305.</ref> Die [[Neoromanik|neoromanische]] Architektur der Brücke wurde von dem Berliner Architekten [[Franz Schwechten]] entworfen, der in der Vergangenheit für einige seiner Bauten die besondere Anerkennung von [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Kaiser Wilhelm II.]] gefunden hatte.


[[Datei:Kaiserbrücke Mainz, Eröffnung.jpg|mini|Einweihung der Kaiserbrücke am 1. Mai 1904]]
[[Datei:Kaiserbrücke Mainz, Eröffnung.jpg|mini|Einweihung der Kaiserbrücke am 1. Mai 1904]]
Der größtenteils erhaltene Reliefschmuck der Brückenarchitektur stammt von dem Bildhauer [[Gotthold Riegelmann]] (1864–1935) (Abbildungen im Abschnitt ''Kunst am Bau''). Verloren sind hingegen die beiden großen [[Büste]]n an den Schmalseiten des Haupturms, die Kaiser Wilhelm II. und [[Ernst Ludwig (Hessen-Darmstadt)|Großherzog Ernst Ludwig]] zeigten und nach Modellen des Bildhauers [[Walter Schott]] in [[Kupfertreibarbeit]] ausgeführt wurden. Möglicherweise wurden sie bereits kurz nach dem Ende der Monarchie in Deutschland (1918) entfernt. Außerdem sollen auch die beiden für das Brückenprojekt zuständigen Spitzenbeamten, der [[Großherzogtum Hessen|hessische]] Finanzminister [[Fedor Gnauth]] und der [[Königreich Preußen|preußische]] Minister der öffentlichen Arbeiten [[Hermann von Budde]] im Rahmen des Bauschmucks auf nicht genauer beschriebene Art gewürdigt worden sein.
Der größtenteils erhaltene Reliefschmuck der Brückenarchitektur stammt von dem Bildhauer [[Gotthold Riegelmann]] (1864–1935) (Abbildungen im Abschnitt ''Kunst am Bau''). Verloren sind hingegen die beiden großen [[Büste]]n an den Schmalseiten des Hauptturms, die Kaiser Wilhelm II. und [[Ernst Ludwig (Hessen-Darmstadt)|Großherzog Ernst Ludwig]] zeigten und nach Modellen des Bildhauers [[Walter Schott]] in [[Kupfertreibarbeit]] ausgeführt wurden. Möglicherweise wurden sie bereits kurz nach dem Ende der Monarchie in Deutschland (1918) entfernt. Außerdem sollen auch die beiden für das Brückenprojekt zuständigen Spitzenbeamten, der [[Großherzogtum Hessen|hessische]] Finanzminister [[Fedor Gnauth]] und der [[Königreich Preußen|preußische]] Minister der öffentlichen Arbeiten [[Hermann von Budde]] im Rahmen des Bauschmucks auf nicht genauer beschriebene Art gewürdigt worden sein.


Am 1. Mai 1904 wurde die Kaiserbrücke mit militärischem Protokoll von Kaiser Wilhelm II. und Großherzog Ernst Ludwig in Anwesenheit des Reichskanzlers [[Bernhard von Bülow]] eingeweiht.<ref>Michael Kläger: ''Mainz auf dem Weg zur Großstadt (1866–1914).'' In: [[Franz Dumont]], [[Ferdinand Scherf]], Friedrich Schütz (Hrsg.): ''Mainz. Die Geschichte der Stadt.'' von Zabern, Mainz 1998, ISBN 3-8053-2000-0, S. 429–474, hier S. 467.</ref><ref>''Dank des Präsidenten der Eisenbahndirektion Mainz, [[Karl von Rabenau]], an die Mitarbeiter und übermittelter Dank des preußischen Ministers der öffentlichen Arbeiten, Hermann von Budde „über den erhebenden Verlauf der Festlichkeiten aus Anlass der feierlichen Einweihung der neuen Rheinbrücke bei Mainz“.'' In: Eisenbahndirektion Mainz (Hrsg.): ''Amtsblatt der Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahndirektion in Mainz'' vom 7. Mai 1904, Nr. 24, S. 337.</ref> Kurz darauf erhielt sie die Bezeichnung ''Kaiserbrücke''.<ref> Eisenbahndirektion Mainz (Hrsg.): ''Amtsblatt der Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahndirektion in Mainz'' vom 23. Juli 1904, Nr. 38. Bekanntmachung Nr. 394, S. 473.</ref> <!--Für das Befahren der Kaiserbrücke bestand eine besondere Dienstanweisung für das Lokomotivpersonal.<ref> Eisenbahndirektion Mainz (Hrsg.): ''Amtsblatt der Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahndirektion in Mainz'' vom 30. Juli 1904, Nr. 40. Bekanntmachung Nr. 408, S. 516.</ref> – Ohne genauere Erläuterung der Besonderheit(en) ist das enzyklopädisch irrelevant, für alle Eisenbahnbrücken gab es genaue Dienstanweisungen.-->
Am 1. Mai 1904 wurde die Kaiserbrücke mit militärischem Protokoll von Kaiser Wilhelm II. und Großherzog Ernst Ludwig in Anwesenheit des Reichskanzlers [[Bernhard von Bülow]] eingeweiht.<ref>Michael Kläger: ''Mainz auf dem Weg zur Großstadt (1866–1914).'' In: [[Franz Dumont]], [[Ferdinand Scherf]], Friedrich Schütz (Hrsg.): ''Mainz. Die Geschichte der Stadt.'' von Zabern, Mainz 1998, ISBN 3-8053-2000-0, S. 429–474, hier S. 467.</ref><ref>''Dank des Präsidenten der Eisenbahndirektion Mainz, [[Karl von Rabenau]], an die Mitarbeiter und übermittelter Dank des preußischen Ministers der öffentlichen Arbeiten, Hermann von Budde „über den erhebenden Verlauf der Festlichkeiten aus Anlass der feierlichen Einweihung der neuen Rheinbrücke bei Mainz“.'' In: Eisenbahndirektion Mainz (Hrsg.): ''Amtsblatt der Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahndirektion in Mainz'' vom 7. Mai 1904, Nr. 24, S. 337.</ref> Kurz darauf erhielt sie die Bezeichnung ''Kaiserbrücke''.<ref> Eisenbahndirektion Mainz (Hrsg.): ''Amtsblatt der Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahndirektion in Mainz'' vom 23. Juli 1904, Nr. 38. Bekanntmachung Nr. 394, S. 473.</ref> <!--Für das Befahren der Kaiserbrücke bestand eine besondere Dienstanweisung für das Lokomotivpersonal.<ref> Eisenbahndirektion Mainz (Hrsg.): ''Amtsblatt der Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahndirektion in Mainz'' vom 30. Juli 1904, Nr. 40. Bekanntmachung Nr. 408, S. 516.</ref> – Ohne genauere Erläuterung der Besonderheit(en) ist das enzyklopädisch irrelevant, für alle Eisenbahnbrücken gab es genaue Dienstanweisungen.-->

Version vom 28. Mai 2020, 19:48 Uhr

Kaiserbrücke / Nordbrücke
Kaiserbrücke / Nordbrücke
Kaiserbrücke / Nordbrücke
oben: Kaiserbrücke (Mainzer Seite)
unten: Nordbrücke (Amöneburger Seite)
Offizieller Name Nordbrücke
Nutzung Eisenbahnbrücke
Querung von Rhein, Petersaue
Ort MainzWiesbaden
Unterhalten durch DB Netz AG
Konstruktion Fachwerkbrücke
Gesamtlänge 789,49 m[1]
Breite 9,2 m
Längste Stützweite 119,652 m
Konstruktionshöhe 11 m
Lichte Höhe ca. 9 m
Baubeginn 1901
Fertigstellung 1904 (Kaiserbrücke)
1955 (Nordbrücke)
Schließung 1945 (Zerstörung der Kaiserbrücke)
Lage
Koordinaten 50° 1′ 26″ N, 8° 15′ 23″ OKoordinaten: 50° 1′ 26″ N, 8° 15′ 23″ O
Kaiserbrücke (Mainz) (Deutschland)
Kaiserbrücke (Mainz) (Deutschland)
Höhe über dem Meeresspiegel 79 m ü. NN

Die Kaiserbrücke, deren offizieller Name heute Nordbrücke lautet, ist eine zweigleisige Eisenbahnbrücke und verbindet die Mainzer Neustadt über den Rhein mit den Wiesbadener Stadtteilen Mainz-Amöneburg und Mainz-Kastel. Der Fluss bildet hier seit 1945/1946 die Landesgrenze zwischen Rheinland-Pfalz und Hessen, zuvor gehörten beide Ufer zum Volksstaat Hessen bzw. zum Großherzogtum Hessen und zur Stadt Mainz.

Lage

Die Brücke steht nördlich der Mainzer Neustadt bei Rhein-Kilometer 500,900 zwischen dem linksrheinischen Bahnhof Mainz Nord und dem rechtsrheinischen Bahnhof Wiesbaden Ost. Sie liegt auf der DB-Strecke 3525 am km 2,140 und gehört zur Mainzer Umgehungsbahn.

Bahnhof
0,0 Mainz-Mombach
S-Bahn-Halt
1,3 Mainz Nord
Abzweig geradeaus und von rechts
1,5 Abzw MZ Kaiserbrücke von Mainz Hbf 3521
Abzweig geradeaus und von links
1,7 Abzw MZ Kaiserbrücke von Mainz Hbf 3527
1,71 Vorlandbrücke Mainz Gaßnerallee/Obere Austraße
Grenze auf Brücke über Wasserlauf
1,89 Kaiserbrücke Rhein, zwei Strompfeiler, Landesgrenze Rheinland-Pfalz / Hessen
Brücke
2,167 Kaiserbrücke Petersaue
Brücke über Wasserlauf
2,42 Kaiserbrücke Rhein, ein Strompfeiler
Abzweig geradeaus und nach rechts
2,56 Abzw MZ Kaiserbrücke Ost nach Wiesbaden Hbf 3528
2,57 Vorlandbrücke Wiesbaden Biebricher Straße
2,912 Wiesbadener Straße L3482
Abzweig geradeaus und nach links
3,0 Abzw MZ Kaiserbrücke Ost nach Wiesbaden Hbf 3529
3,171 Wiesbadener Landstraße (Kulturdenkmal)

Kaiserbrücke (1904–1945)

Zeichnerische Darstellung der Kaiserbrücke
Hinweistafel zur Route der Industriekultur Rhein-Main; Auf dem Bild ist das Infanterie-Leib-Regiment „Großherzogin“ (3. Großherzoglich Hessisches) Nr. 117 in Ehrenformation an der Brücke angetreten.

Bauherrin der von 1901 bis 1904 errichteten Kaiserbrücke war die Preußisch-Hessische Eisenbahngemeinschaft. Als Bestandteil der Umgehungsbahn sollte sie in erster Linie dazu dienen, den Güterverkehr zwischen Mombach und Bischofsheim umzuleiten und dadurch den Mainzer Hauptbahnhof und besonders den als Verkehrsengpass geltenden Mainzer Eisenbahntunnel zu entlasten. Zur Bauzeit spielten aber auch militärstrategische Aspekte eine große Rolle beim Bau von Eisenbahnlinien und Brücken. Die Kaiserbrücke war in dieser Hinsicht zum einen ein wichtiges Verbindungsglied für den schnellen Transport von Truppen und Nachschub per Eisenbahn in die Grenzgebiete des Deutschen Reichs zu Frankreich (Elsass-Lothringen), zum anderen war sie – zumindest in den ersten Jahren ihres Bestehens – durch einen Bohlenbelag zwischen den Schienen auch für den unmittelbaren „Übergang von Truppen mit Fuhrwerk aller Art“[2] über den Rhein nutzbar. Der Personenverkehr auf der durch die Brücke hergestellten direkten Verbindung zwischen dem Mainzer und dem Wiesbadener Hauptbahnhof erlangte erst später Bedeutung.

Die Brücke spannt sich zwischen dem südwestlichen Widerlager auf der Anlandung der Ingelheimer Aue und dem nordöstlichen am Amöneburger Ufer über die beiden Rheinarme und die dazwischen liegende Petersaue. Zwischen den beiden massiven Widerlagerbauten, in die jeweils zwei überwölbte Straßenunterführungen integriert sind, bestand die Brücke ursprünglich aus drei konstruktiv unterschiedlichen Abschnitten: Auf drei Fachwerkbögen über dem linken Rheinarm folgten über der Petersaue sechs Joche mit parallelgurtigen Fachwerkträgern (deren Konstruktion vollständig unterhalb der Fahrbahn lag) und zwei weitere Fachwerkbögen über dem rechten Rheinarm. Die insgesamt fünf Fachwerkbögen wirken auf den meisten überlieferten Abbildungen, deren Blickachse in spitzem Winkel zur Brückenlängsachse verläuft, aufgrund der perspektivischen Verkürzung gleich lang. Tatsächlich variierten ihre Spannweiten – von der Mainzer Seite ausgehend – zwischen 93,80 m im ersten Bogen, 107,20 m im zweiten und dritten Bogen sowie 116,80 m im vierten und fünften Bogen. Eher ungewöhnlich war dabei, dass im ersten Bogen die Gleistrasse eine Steigung von 1:320 zum zweiten Bogen hin aufwies, während sie in den anderen Bögen eben verlief. Die Brückenträger über der Petersaue hatten eine gleichmäßige Spannweite von je 39,20 m, die Trasse hatte in diesem Abschnitt eine kaum wahrnehmbare Steigung von 1:800. Die konstruktive Grundkonzeption der Brücke entstand in den Büros der Eisenbahndirektion Mainz, die konkreten Ausführungspläne wurden von dem Stahlbau-Unternehmen MAN Werk Gustavsburg erstellt, das sich Anfertigung und Montage mit der Dortmunder Union teilte – in den Überbauten wurden insgesamt 6.800 Tonnen Stahl verbaut.[3] Die Massivbauten, also Widerlager, Zwischenpfeiler und Brückentürme, wurden von der Frankfurter Bauunternehmung Philipp Holzmann & Cie. errichtet, die anscheinend auch die Funktion eines Generalunternehmers ausübte. Von 1903 bis 1904 soll Benito Mussolini, der spätere italienische „Duce“, als Gastarbeiter am Bau mitgewirkt haben.

Wie um 1900 allgemein üblich, wurden die konstruktiv notwendigen Bauteile der Brücke durch repräsentative Architektur mit bildhauerischem Bauschmuck gestalterisch aufgewertet. Völlig zweckfrei bzw. funktionslos waren die Brückentürme – insbesondere der wuchtige, hoch aufragende Hauptturm am Mainzer Widerlager – jedoch nicht, neben nicht näher beschriebenen Einrichtungen zur Absperrung der Brücke aus militärischen Gründen und damit verbundenen Wachstuben usw. war in ihnen auch mindestens ein Stellwerk für die Weichen und Signale der Verbindungskurven zu den bestehenden Eisenbahnstrecken untergebracht.[4] Die neoromanische Architektur der Brücke wurde von dem Berliner Architekten Franz Schwechten entworfen, der in der Vergangenheit für einige seiner Bauten die besondere Anerkennung von Kaiser Wilhelm II. gefunden hatte.

Einweihung der Kaiserbrücke am 1. Mai 1904

Der größtenteils erhaltene Reliefschmuck der Brückenarchitektur stammt von dem Bildhauer Gotthold Riegelmann (1864–1935) (Abbildungen im Abschnitt Kunst am Bau). Verloren sind hingegen die beiden großen Büsten an den Schmalseiten des Hauptturms, die Kaiser Wilhelm II. und Großherzog Ernst Ludwig zeigten und nach Modellen des Bildhauers Walter Schott in Kupfertreibarbeit ausgeführt wurden. Möglicherweise wurden sie bereits kurz nach dem Ende der Monarchie in Deutschland (1918) entfernt. Außerdem sollen auch die beiden für das Brückenprojekt zuständigen Spitzenbeamten, der hessische Finanzminister Fedor Gnauth und der preußische Minister der öffentlichen Arbeiten Hermann von Budde im Rahmen des Bauschmucks auf nicht genauer beschriebene Art gewürdigt worden sein.

Am 1. Mai 1904 wurde die Kaiserbrücke mit militärischem Protokoll von Kaiser Wilhelm II. und Großherzog Ernst Ludwig in Anwesenheit des Reichskanzlers Bernhard von Bülow eingeweiht.[5][6] Kurz darauf erhielt sie die Bezeichnung Kaiserbrücke.[7]

Der später im Ersten Weltkrieg zum „Fliegerass“ gewordene Mombacher Pilot Julius Buckler flog unter der Brücke hindurch, die bei üblichen Wasserständen eine Durchfahrtshöhe (für die Rheinschifffahrt) von etwas über 9 Metern hatte.

Die Kaiserbrücke wurde gegen Ende des Zweiten Weltkriegs am 17. März 1945 von der sich zurückziehenden Wehrmacht gesprengt, um vorrückende Einheiten der US-Army aufzuhalten, denen stattdessen die Rheinüberquerung bei Nierstein gelang.

Nordbrücke (seit 1955)

Auf den Pfeilern und Widerlagern der zerstörten Kaiserbrücke wurde 1954–1955 die Nordbrücke nach einem Entwurf der Bundesbahndirektion Mainz von 1951 errichtet. Die Reste der Brückentürme wurden beseitigt, und die alten Überbauten in schlichter Fachwerkkonstruktion ersetzt. Die Nordbrücke besteht über den beiden Rheinarmen jeweils aus einem zweigleisigen Durchlaufträger, der als pfostenloses Strebenfachwerk mit unten liegender Fahrbahn ausgebildet ist. Die Spannweiten betragen bei dem südwestlichen Teil (Öffnung Nr. 3) 94,545 m, (Nr. 4) 108,708 m und (Nr. 5) 110,040 m mit einer Systemhöhe von 10,00 m. Der nordwestliche Teil hat (Öffnung Nr. 12) 119,652 m und (Nr. 13) 117,540 m Spannweite sowie 11 m Systemhöhe. Über der Petersaue ist ein Durchlaufträger mit sechs Öffnungen und jeweils 40 m Stützweite vorhanden, er hat 3,4 m hohe Blechträger und eine oben liegende Fahrbahn.[1] Dabei wurden nur noch 5.500 Tonnen Stahl benötigt, auch weil der Stahl nun hochwertiger war.[8]

Am Mainzer Widerlager ist eine Gedenktafel für den Ingenieur Gottwalt Schaper mit folgender Inschrift angebracht: Gottwalt Schaper, 1873–1942, dem erfolgreichen Brückenbauer der Deutschen Reichsbahn und verdienstvollen Vorkämpfer der Schweisstechnik im Stahlbrückenbau zum Gedenken, im Mai 1955

Die Brücke ist neben dem Eisenbahnverkehr auch für Fußgänger benutzbar, der Zugang erfolgt über Treppen.

Kunst am Bau (1904)

Mainzer Widerlager, Südseite (stromaufwärts):

Mainzer Widerlager, Nordseite (stromabwärts):

Sonstiges

Unmittelbar stromabwärts neben der Kaiserbrücke überquert die Bahnstromleitung Flörsheim–Bingen den Rhein – die südlichste Rheinquerung einer Bahnstromleitung in Deutschland.

Literatur

  • Fritz Eiselen: Die neue Eisenbahn-Verbindung über den Rhein bei Mainz. In: Deutsche Bauzeitung, 38. Jahrgang 1904, dreiteilig:
    • Nr. 35 (vom 30. April 1904), S. 213 f.,
    • Nr. 37 (vom 7. Mai 1904), S. 225–231,
    • Nr. 38 (vom 11. Mai 1904), S. 233–235.
  • Karl Möhringer: The Bridges of the Rhine. Messkirch 1931, S. 24 f.
  • Johannes Kurze (Hrsg.): Schienen, Räder und Signale. Ein Bildwerk. (= Bildjahrbuch der Deutschen Bundesbahn 1954, ZDB-ID 975221-3) Athenäum-Verlag, Bonn 1954.
  • Bundesbahndirektion Mainz: Die Kaiserbrücke bei Mainz. Festschrift zur Einweihung der wiedererrichteten Kaiserbrücke mit ihren Zufahrtstrecken im Mai 1955. Röhrig, Darmstadt 1955.
  • Peter Scheffler: Die Eisenbahn im Raum Mainz – Wiesbaden. Eisenbahn-Kurier Verlag, Freiburg (Breisgau) 1988, ISBN 3-88255-620-X, S. 193–199.
  • Marcel Prade: Les grands ponts du monde. Band 1: Ponts remarquables d'Europe. (= Art & Patrimoine, Band 7.) Brissaud, Poitiers 1990, ISBN 2-902170-65-3, S. 69.
  • Hans-Wolfgang Scharf: Eisenbahn Rheinbrücken in Deutschland. EK-Verlag, Freiburg (Breisgau) 2003, ISBN 3-88255-689-7, S. 144–151.
  • Bernd-Michael Neese: Der Kaiser kommt! Wilhelm I. und Wilhelm II. in Wiesbaden. Reiß, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-928085-55-7, S. 66–69.
Commons: Kaiserbrücke – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Scharf: Eisenbahn-Rheinbrücken in Deutschland. 2003, S. 150.
  2. Deutsche Bauzeitung 1904, S. 230 (vgl. Literatur)
  3. Kurze: Schienen, Räder und Signale. 1954, S. 64.
  4. Eisenbahndirektion Mainz (Hrsg.): Amtsblatt der Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahndirektion in Mainz vom 23. April 1904, Nr. 21. Bekanntmachung Nr. 198, S. 305.
  5. Michael Kläger: Mainz auf dem Weg zur Großstadt (1866–1914). In: Franz Dumont, Ferdinand Scherf, Friedrich Schütz (Hrsg.): Mainz. Die Geschichte der Stadt. von Zabern, Mainz 1998, ISBN 3-8053-2000-0, S. 429–474, hier S. 467.
  6. Dank des Präsidenten der Eisenbahndirektion Mainz, Karl von Rabenau, an die Mitarbeiter und übermittelter Dank des preußischen Ministers der öffentlichen Arbeiten, Hermann von Budde „über den erhebenden Verlauf der Festlichkeiten aus Anlass der feierlichen Einweihung der neuen Rheinbrücke bei Mainz“. In: Eisenbahndirektion Mainz (Hrsg.): Amtsblatt der Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahndirektion in Mainz vom 7. Mai 1904, Nr. 24, S. 337.
  7. Eisenbahndirektion Mainz (Hrsg.): Amtsblatt der Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahndirektion in Mainz vom 23. Juli 1904, Nr. 38. Bekanntmachung Nr. 394, S. 473.
  8. Kurze: Schienen, Räder und Signale. 1954, S. 64.