Sadduzäer

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 30. Januar 2019 um 13:11 Uhr durch 89.144.214.217 (Diskussion) (Einzelnachweise). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Sadduzäer (hebr. צְדוֹקִים Ṣəḏōqīm, gr. Σαδδουκαῖοι Saddoukaîoi) waren eine Gruppe des Judentums in Israel zur Zeit des Zweiten Tempels.

Überlieferung

Es existieren keine Texte, deren sadduzäischer Ursprung unbestritten ist. Die verfügbaren Informationen stammen aus beschreibenden Quellen. Flavius Josephus, das Neue Testament und rabbinische Texte berichten aus unterschiedlichen Gründen über die Sadduzäer.[1]

Josephus berichtet an zwei Stellen über die Sadduzäer und konzipiert sie dabei als philosophische Schule. Er kontrastiert sie mit den Pharisäern und gibt an, die Sadduzäer leugneten das Schicksal, das Eingreifen Gottes in die menschlichen Angelegenheiten und die Fortdauer der Seele.[2] Zudem erkennen sie nur das „Gesetz“ an. Damit ist wohl gemeint, dass die (schriftliche) Tora (die fünf Bücher Mose) die einzige Grundlage religiöser Autorität sein soll, im Gegensatz zur mündlichen Überlieferung.

Die Sadduzäer gehörten nach Josephus den höheren Gesellschaftsschichten an. Das Neue Testament zeigt sie im Umfeld der Priesteraristokratie. Es ist aber nicht klar, ob etwa die Priesteraristokratie grundsätzlich oder auch nur in der Mehrzahl der Fälle aus Sadduzäern bestanden habe.

Ursprung und Entwicklung der Sadduzäer liegen im Dunkeln. Nach einigen Forschern stehen sie in einem engeren Zusammenhang mit den Zadokiden. Nach einer in der alttestamentlichen Forschung gängigen Theorie stellte diese Gruppe, die in der Bibel nur bei Ezechiel genannt wird und dort „Söhne Zadoks“ (בני צדוק) heißt, die Hohenpriester am Jerusalemer Tempel. Die Theorie setzt voraus, dass Zadok, der Priester Davids und Stammvater der vermuteten Dynastie, dem Namen „Sadduzäer“ zugrunde liege. Andere Forscher lehnen dies ab oder halten einen Zadok, der nicht „der“ Zadok gewesen sei, für den Gründer der Sekte. Letztlich ist das Problem philologisch nicht eindeutig zu lösen. Eine andere Theorie geht davon aus, die Sadduzäer seien um 150 v. Chr. entstanden, weil Josephus sie für diese Zeit erstmals nennt; da es sich bei der Nennung (in den Antiquitates Judaicae) aber um einen Exkurs handelt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass Josephus ihre Entstehung in diese Zeit setzt. Zudem stellt er seinen anderen Sadduzäerexkurs (im Bellum Judaicum) in den Kontext des frühen 1. Jahrhunderts n. Chr. Nach anderen entstanden die Sadduzäer erst Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. oder sogar erst im 1. Jahrhundert n. Chr.

Josephus berichtet allerdings, Johannes Hyrkanos I. habe sich Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. von den Pharisäern losgesagt und den Sadduzäern angeschlossen. Eine weiterhin von Teilen der Forschung vertretene Theorie verbindet die Sadduzäer mit den Schriften von Qumran. Die Schriften kennen eine Gruppe namens „Söhne Zadoks“ und weisen in der Gesetzesauslegung Parallelen zu dem auf, was die späteren rabbinischen Quellen als sadduzäische Auffassung bezeichnen. Was dieser Befund jedoch aussagen kann, ist umstritten.

Das Ende der Sadduzäer hat man oft mit der Zerstörung des Tempels 70 n. Chr. in Verbindung gebracht, weil man annahm, die Sadduzäer seien als Tempelaristokratie zu bezeichnen. Das ist jedoch nicht beweisbar, zudem gab es auch nach 70 noch jüdische Priester. Da zudem die rabbinischen Texte gegen die Sadduzäer polemisieren, ist es nicht unwahrscheinlich, dass es auch nach 70 noch Menschen gegeben hat, die sich Sadduzäer nannten.

Literatur

  • Ernst Bammel: Sadduzäer und Sadokiden. In: Ephemerides Theologicae Lovanienses 55, 1979, S. 107–115. Neu abgedruckt in: Ders.: Judaica. Kleine Schriften I. Mohr, Tübingen 1986, S. 117–126. ISBN 3-16-144971-1 (= Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, Band 37).
  • Albert I. Baumgarten: The flourishing of Jewish sects in the Maccabean era. An interpretation. Leiden / New York / Köln 1997.
  • Martin Goodman: The Place of the Sadducees in First-Century Judaism. In: F. E. Udoh, S. Heschel, M. Chancey, G. Tatum (Hrsg.): Redefining First-Century Jewish and Christian Identities. Essays in Honor of Ed Parish Sanders. Notre Dame 2008, S. 139–152.
  • Jonathan Klawans: Sadducees, Zadokites, and the Wisdom of Ben Sira. In: D. B. Capes, A. D. DeConick, H. K. Bond, T. A. Miller (Hrsg.): Israel’s God and Rebecca’s Children. Christology and Community in Early Judaism and Christianity. Essays in Honor of Larry W. Hurtado and Alan F. Segal. Waco 2007, S. 261–276.
  • Eyal Regev: Were the Priests all the Same? Qumranic Halakhah in Comparison with Sadducean Halakhah. In: Dead Sea Discoveries 12, 2005, S. 158–188.
  • Günter Stemberger: Pharisäer, Sadduzäer, Essener. Fragen, Fakten, Hintergründe. Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-460-30030-9.
  • Hans-Friedrich Weiß: Art. Sadduzäer. In: Theologische Realenzyklopädie. Band 29, 1998, S. 589–594 (Lit.!), ISBN 978-3-11-017555-4.
  • Gehring, René, Die antiken jüdischen Religionsparteien. Essener, Pharisäer, Sadduzäer, Zeloten und Therapeuten. Schriften der Forschung: Historische Theologie, Bd. 2, St.Peter/Hart 2012. ISBN 978-3-900160-86-9.

Einzelnachweise

  1. Die Sadduzäer. In: Bibelwissenschaft. Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart, 2010, abgerufen am 4. August 2011.
  2. Flavius Josephus: Jüdischer Krieg (DjVu) auf Wikisource. Übersetzt von Philipp Kohout. Quirin Haslingers Verlag, Linz 1901, S. 165.