Thrakische Sprache
Thrakisch (†) | ||
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Gesprochen in |
Thrakien (Südöstlicher Teil der Balkanhalbinsel) | |
Linguistische Klassifikation |
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Sprachcodes | ||
ISO 639-1 |
— | |
ISO 639-3 |
txh |
Die ausgestorbene thrakische Sprache (gelegentlich auch Dako-Thrakisch genannt) ist ein eigenständiger Zweig der indoeuropäischen bzw. indogermanischen Sprachen und wurde in der Antike vom Volk der Thraker gesprochen, das weite Teile der Balkanhalbinsel (Thrakien), mehrere Ägäisinseln und einige Gebiete des nordwestlichen Kleinasiens, also der heutigen Türkei, bewohnte (Mysien, Bithynien, Paphlagonien).
Verwandtschaft und Sprachdenkmäler
Die Vermutung einer näheren Verwandtschaft des Thrakischen mit dem Phrygischen ist nicht bestätigt worden. Ebenfalls ist eine Verwandtschaft mit dem Griechischen nicht abschließend geklärt. Dialekte des Thrakischen waren Dakisch, Getisch und Moesisch. Ivan Vasilev Duridanov, der versucht, den Platz des Thrakischen innerhalb der indoeuropäischen Sprachfamilie zu bestimmen, sieht eine besondere Nähe zu den baltischen Sprachen.[1] Dem folgt Jan Henrik Holst, wenn er das Thrakische als dem Baltischen zugehörig klassifiziert und als Benennung dieses Sprachzweiges „Südbaltisch“ vorschlägt.[2]
Thrakisch wurde kaum als Schriftsprache verwendet, und es existiert keine eigene Schrift. Es gibt nur wenige Inschriften in griechischer Schrift; die meisten davon sind sehr kurz und auch nicht immer eindeutig als Thrakisch zu identifizieren. Die längste ist auf einem goldenen Ring eingraviert. Das meiste Sprachmaterial ist aus zahlreichen Orts- und Gewässernamen bekannt. So ist zum Beispiel das Wort Pergamon thrakischen Ursprungs (siehe auch Perperikon). Außerdem finden sich Einzelwörter und Götternamen in Werken römischer und griechischer Autoren.
Um die Zeitenwende übernahmen die Thraker allmählich die griechische oder lateinische Sprache, entsprechend der Jireček-Linie. Spätestens seit dem 6. Jahrhundert n. Chr. waren sie vollständig assimiliert.
Dakisch
Dakisch ist der westliche Dialekt des Thrakischen. Gelegentlich wird es auch als eigene Sprache angesehen. Man kennt lediglich eine Inschrift, die auf einer Tonvase gefunden wurde. Außerdem hat der griechische Arzt Dioskurides im 1. Jahrhundert n. Chr. in einem Traktat 57 dakische Namen von Heilkräutern überliefert. Aus dem 3. Jahrhundert stammt eine weitere Liste mit Pflanzennamen, z. B. amalusta (Kamille), mantua (Brombeere) und dyn ('Brennnessel'); vgl. hierzu „dyn“ mit „dil-gėlė“ (lit.) ‚Brennnessel‘. Dazu kennt man noch etwa 200 Ortsnamen aus der römischen Provinz Dacia.
Dakisches Substrat des Rumänischen
Die Rumänen sehen sich als direkte Nachfahren der Daker. Daher vermuten die Anhänger der dako-romanischen Kontinuitätstheorie, dass im modernen Rumänisch mindestens 160 lexikale Vererbungen aus dem dakischen Thrakisch, der Sprache der von den Römern unterworfenen Daker, bestehen. Die entsprechenden Wörter, z. B. balaur (Drache) oder brânză (Käse), werden als das dakische Substrat des rumänischen Wortschatzes angesehen. Zirka 90 dieser Begriffe findet man auch in der albanischen Sprache.
Getisch
Getisch wurde im östlichen Teil Thrakiens von den Geten gesprochen, also an der Schwarzmeerküste. Manche Forscher nehmen jedoch eine ursprüngliche dakisch-getische Spracheinheit an.
Der römische Dichter Ovid, der ab 8 n. Chr. in der Verbannung in Tomis am Schwarzen Meer lebte, schrieb, er habe getische Gedichte geschrieben, die aber nicht erhalten sind.[3]
Moesisch
Moesisch wurde südlich der Donau in Mösien gesprochen, möglicherweise aber auch in Kleinasien in der Region Mysien. Es ist nur durch wenige Orts- und Gewässernamen bekannt. Unterschiede zum Dakischen und Getischen sind deshalb kaum nachweisbar; man vermutet daher ebenfalls Spracheinheit.
Thrakische Wörter
Viele thrakische Wörter haben Entsprechungen vor allem in modernen baltischen (hier Litauisch, abgekürzt lit.) und slawischen Sprachen. Wo auch deutsche Übersetzungen lautlich übereinstimmen, sind sie unterstrichen. Thematisch verbundene Wörter etwas anderer Bedeutung sind mit vgl. = vergleiche gekennzeichnet. Folgende Liste wurde der Sprache der Thraker entnommen:[4]
- achel = Wasser- (lat. aqua)
- aiz = Ziege (altgr. αἶξ aix)
- ala = Strömung, Bach (vgl. litauisch ala, alma „fließt“)
- alta(s) = Strömung, Bach
- ang = gewunden, kurvenreich (vgl. litauisch ankštas, ankšta „eng“)
- aphus = Wasser, Fluss, Quelle (vgl. lit. upė)
- arma = Moor, Sumpf (vgl. lit. armuo „Wasserloch im Sumpf“)
- arda(s) = Fluss, Strömung (Arda (Арда) Name eines Flusses in Bulgarien)
- arzas = weiß (gr. argós „weiß“, toch. A ārki-, B rkwi- „weiß“, het. kar-ki-is „weiß“)
- as = ich (vgl. bulgarisch as (аз), Dialekt jas (яс, яз); auch lit. aš)
- asa = Stein- (Vergleiche schwedisch ås = „Höhenrücken“)
- asdule = Reiter, reiten (vgl. Bulgarisch esdatsch, jasdja, esda / ездач, яздя, езда / wissenschaftliche Transliteration: 'ezdač, jazdja, ezda)
- at(u)- = Strömung, Bach
- aq = steiler Küstenabhang
- bebrus = Biber (lit. bebras, slawisch bobr)
- bela = weiß (slowenisch bel, russ. belyj/белый)
- bend = binden, verbinden
- beras = braun, dunkel (auch lit. bėras)
- berga(s) = Anhöhe, Ufer (russ. bereg'/берег = Ufer, ebenso slowen. breg)(norw. berg = kleiner Berg)
- berza(s) = Birke (lit. beržas, slawisch breza)
- bistras = schnell (russ. bystryj (быстрый))
- bolinqos = wilder Stier (vgl. bulg. wol/вол = „Ochse“)
- bredas = Weidfläche (lit. brėdas, brydė; altkirchenslawisch bred, brad (бред, бръд), niederdeutsch breede für „Feld“)
- brentas = Hirsch
- bria = Stadt
- brink- = anschwellen
- briza = Roggen
- bruzas = schnell (vgl. bulg. bars)
- brynchos = Gitarre (vgl. bulg. bramtscha = „summen“)
- bryton = Gerstensaft, Bier (vgl. dt. brauen, ebenso franz. brasser)
- burd = Weg (vgl. slaw. brod = „Furt“)
- bur(is) = Mann (alban. burrë), Buris, Boris - Name
- calsus = trockener Ort (vgl. altgr. chalix/χάλιξ und lat. calx = „Kalk“)
- chalas = Schlamm (vgl. bulg. kal ( кал ) )
- dama = bewohnbare Gegend (vgl. slaw. dom (дом) = „Haus“, lat. domus = „Haus“)
- daphas = Überschwemmung
- darsas = mutig, tapfer (Lit. drąsus, Bulg. darsak (дързък))(vgl. engl. to dare = „wagen“)
- datan = Ort, Wohnort
- dentu = Genesis, Stamm (lit. gentis)
- desa, disa, diza(s) = Gott, Gottheit (gr. theos)
- dinga = fruchtbarer Ort (vgl. dt. „düngen“)
- diza = Festung, Fort
- don = Gegend, Stelle
- drenis = Hirsch (alban. drenush)
- dumas = dunkel (vgl. bulg. tama(тъма)), (vgl. Litauisch dūmas (dūmas) = „Rauch“)(vgl. altgriechisch thymos/θυμόϛ = „Seele“ bzw. thymia-/θυμια- = „Rauch-“, daraus lat. fumus = „Rauch“)
- dun- = Hügel, Gebirge, Festung (auch slav. Duno (Дуно) = männlicher Name )
- ermas = wild, furios
- esvas = Pferd (lit. ašva, Farsi asp)
- gaidrus = hell, heiter (lit. gaidrùs, giedras)
- gava(s) = Land, Gegend (vgl. germanisch "Gau")
- genton = Fleisch
- germas = warm, heiß (lat. thermae "warme Bäder")
- gesa = Storch (lett. dzēse "Reiher")
- gin = vertrocknen, verderben, sich auflösen, untergehen (vgl. bulg. gina ( гина ) – „untergehen“)
- haimos = Gebirgskamm, -kette (vgl. lat. hemus für Balkangebirge)
- ida(ide) = Baum, Wald
- ilu- = Erdschlamm
- iuras- = Wasser, Fluss (lit. jūra – Meer, viel Wasser)
- kaba(s) = Moor, Sumpf
- kalamintar = Platane
- kalas = Region (lit. galas "Ende")
- kalsas = trocken, vertrocknet
- kapas = Hügel, Abhang (lit. kapas „Grab“)(albanisch kepa „Hügel“)(norw. kapp = „Kapp“)(слав. kapischte „капище“ = Gotteshaus der altslawischen Götter auf einem Hügel)
- kela = Wasserquelle (ahd. quella, Schwedisch källa)
- kenqos = Kind, Nachkommen
- kerasos = Kirsche (lat. cerasum, gilt als Herkunftsbezeichnung)
- kersas = schwarz (bulg. tscher/чер,čech. černý), (vgl. Litauisch keršas = „schwarz-weiß“ bei Pferden)
- ketri = vier (lit. keturi, lett. četri, lat. quatuor, bulg. četiri (четири), poln. cztery)
- kik- = lebendig, flink (angelsächsisch cwicu, engl. quick)
- kir(i) = Wald, Gebirge (avest. gairi- "Berg", lit. girià, gìre "Wald, Holz", slawisch gora = „Berg“, bulg. korij)
- knisa(s) = ausgehobene Erdstelle
- kupsela = Haufen, Hügel (lit. kupselis, bulg. kup, kuptschina (куп, купчина))
- kurta = Wald, Eichenwald (apr. korto "Rille", bulg. kurija)
- laza(-as) = Lichtung, Alp, Wiese (Bulgarisch loza – Weinberg, Weingarten, Rebstock)
- lingas = Weidebene (lit. lénge "Tiefland", poln. łąka [woŋka])
- mar- = Wasser, Moorgebiet (lit. marios = Moor, poln. morze = „Meer“, lat. mare = „Meer“)
- mer- = groß, berühmt (-mār in ahd. Volkmār, Hlodomār, isl. mār)
- mezena = Pferdereiter
- midne = Dorf, Wohnort
- mukas = Morast (vgl. lat. mucus = „Schleim“)
- muka-s = Genus, Familie, Nachkommen
- musas = Moos, Schimmel
- navlohos = Stadt Osra in Bulgarien
- ōstas = Flussmündung (lat. ostium, čech. ústí, russ. ust'/усть, Litauisch uostas, norw. os)
- paivis, pavis = Kind, Sprössling, Sohn (gr. att. paus, pais)
- paisa(s) = Ruß
- palma = Morast, Sumpf (lit. Dialekt palvė, lat. „palus“/Gen. „paludis“ )
- para = Dorf
- pautas = Schaum (lit. puta „Schaum“)
- per(u)- = Felsen (het. peruna- "Felsen", aind. párvata- "Berg")
- pes = Kind, Sohn (altgr. pais/παῖϛ (Genitiv paidós/παιδόϛ))
- phara = Dorf
- piza(s) = Sumpf, Weide
- por, -puris = Sohn
- pras = waschen, besprengen (lit. prausti "waschen", bulg. pera)
- purda = sumpfiger Ort
- putras = Schwätzer, Schreihals
- raimas = bunt (lit. raimas)
- raka(s) = ausgehobene Erdstelle, Graben
- ramus = ruhig, still (auch litauisch)
- raskus = schnell, flink, lebendig (auch dt. „rasch“)
- rera = Steine (alb. lerë)
- rezas (res) = König (lat. rex)(vgl. dt. Reich)
- rhomphaia = Speer, Säbel
- ring- = schnell, flink
- rudas = rötlich (auch lit. und poln.)
- rus-a = Erdloch (lit. rūsys)
- sabazias = frei (čech./slowen./russ. svoboda/свобода = „Freiheit“)
- saldas = golden (čech. zlatý, russ. zolotoj/золотой Altbulgarisch salta (залта))
- sara = Strömung
- sartas = hellrot (auch litauisch)
- satras = lebendig, flink, schnell
- seina(s) = Dorf (arm. šēn, gen. sini "Dorf")
- sekas = Gras, Grünzeug, Heu (lit. šėkas)
- sem(e)la = Erde (slawisch semlja) (lit. žemelė)
- serma(s) = Strömung, Bach
- siltas = warm, angenehm (lit. šiltas)
- sind(u)- = Fluss
- singas = Niederung, Ebene, Senke
- skaivas = links
- skalme = Messer, Schwert
- skalp- = hauen, stoßen
- skaplis = kleine Axt (lit. (s)kaplis)
- skapt- = Erde ausheben (lit. skaptuoti) (vgl. schwed. = „schaffen“)
- skaras = schnell (bulg. skoro (скоро))
- skilas = schnell, stürmisch
- skreta = Kreis
- skumbr-as = Anhöhe, Hügel
- spinda = Lichtung im Wald (vgl. lit. spinda „Schein“)
- struma = Strömung, Fluss, (ahd. stroum, dt. Strom, lit. sraumuõ, "Struma" - Name eines bulgarischen Flusses)
- suka = Spalt, Defilee (lit. šùkė; vgl. "Siek" altdt. für Bachtal)
- suku = Mädchen (bulg. sukalche „kleines Kind“)
- sula = kleiner Wald, Forst (lit. sula = Birkensaft)
- sunka = Saft (auch litauisch)
- suras = stark, tapfer; Held (aind. sūrah "Held")
- suras = salzig, bitter (lit. sūras, sūrùs "salzig", lett. sūrs "bitter, herb")(vgl. schwedisch "sur = „sauer“)
- svit = leuchten, strahlen (lit. švitėti, bulg. sveti) (poln. świecić, kro./bos. "Svjetlo" für Licht, "svijeće" für Kerze)
- taru- = Speer (gr. dory "Baum; Speer", het. taru "Baum")
- tirsas = Gebüsch, Walddickicht (lit. tirštis "Dichte, Dicke")
- tiqa = Licht
- torelle = Klagelied
- tranas = faulen, modern
- traus- = brechen (lit. traušti "brechen", lett. trausls "spröde"; vgl. bulgarisch troscha (троша))
- tund- = stoßen
- tuntas = Vogelschwarm, Insekten-Ansammlung (auch Litauisch)
- udra(s) = Otter (lit. ūdra) (vgl. Bulgarisch widra (видра))
- ukas = Nebel, trübe (lit. ūkas, ūkanas)
- urda = Strom, Bach
- usku- = Wasser, feucht (air. u(i)sce "Wasser")
- ut- = Wasser, Fluss
- varpasas = Wasserstrudel (lett. vārpats)
- veger- = feucht
- veleka(s) = Waschstelle am Fluss
- zalmos = Leder
- zelas = Wein
- zelmis = Nachkomme (Litauisch želmuõ „Pflanze“)
- zenis = geboren (vgl. altgr. genea/γενεά = Geburt) (vgl. altgr. gyn/γυνή = Frau, ebenso čech. žena) (vgl. lat. gens = Sippe)
- zēri = Tier, Bestie (lit. žvėris, russ zwer'/зверь)
- zetraia = Tonkrug
- zejra = Oberbekleidung
- zoltas = gelb (vgl. russ zoloto (золото) = „Gold“)
- zum- = Drachen (bulg. zmej (змей))
- zvaka(s) = hell (vgl. lit žvakė = „Kerze“)
Einzelnachweise
- ↑ Ivan Duridanov: Die Sprache der Thraker. In: Bulgarische Sammlung. Band 5. Hieronymus Verlag, Neuried 1985, ISBN 3-88893-031-6 (bl: Ezikăt na trakite (Sofia 1976). Übersetzt von Ivan Duridanov).
- ↑ Jan Henrik Holst: Armenische Studien. Otto Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-447-06117-9, Zur Entstehung der armenischen Sprache – Trümmersprachen und Balkanindogermanisch, S. 66/67 (Online [abgerufen am 28. November 2011]).
- ↑ Ovid: Epistulae ex Ponto 4, 13, 19: Getico scripsi sermone libellum.
- ↑ Ivan Duridanov: The Language of the Thracians. V. The Thracian vocabulary. www.kroraina.com, 24. November 2007, abgerufen am 29. November 2011 (englisch).