Gehilfe
Mit Gehilfe ist im allgemeinen, nicht-juristischen Sprachgebrauch jedweger Assistent ob Assistenzarzt oder Arzthelfer/in gemeint, auch wenn das Wort selbst so altmodisch obsolet geworden ist, dass man es eher in älterer Literatur findet. In der Historie entspricht dem etwa der Knappe für den Ritter, der Geselle oder Lehrling für den Handwerksmeister.
In der Rechtssprache kommt dem Begriff des Gehilfen darüber hinaus eine eigenständige Bedeutung zu, die nach dem jeweiligen Kontext variiert:
Im deutschen Zivilrecht werden verschiedene Arten von Gehilfen unterschieden. Im deutschen Strafrecht bezeichnet der Ausdruck jemanden, der Beihilfe zu einer strafbaren Tat leistet.
Deutsches Recht
Erfüllungsgehilfe
Grundsätzlich hat der Schuldner einer Leistung nur eigene Pflichtverletzungen zu vertreten, § 276 BGB. Bliebe es dabei, könnte er sich durch Einschalten anderer Personen jeder Schadensersatzpflicht entziehen, sofern nicht bereits darin eine Pflichtwidrigkeit liegt (Organisationsverschulden). Das soll nicht sein: wer sich arbeitsteiliger Verfahren bedient, muss auch deren Risiken tragen.
Deshalb bestimmt § 278 BGB, der Schuldner habe "ein Verschulden [...] der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden." Ein solcher "Erfüllungsgehilfe" ist, wer mit Wissen und Wollen des Schuldners bei der Erfüllung einer Verbindlichkeit des Schuldners tätig wird, wobei hierfür Haupt- und Nebenleistungspflichten ebenso wie bloße Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB in Frage kommen. Aus der Formulierung "bei der Erfüllung" folgt auch, dass eine schädigende Handlung nur bei Gelegenheit der Erfüllung nicht genügt (so die wohl herrschende Ansicht).
Der Gesetzestext ("Verschuldern [...] der Personen, deren er sich [...] bedient") erschwert das Verständnis der Vorschrift erheblich: Der Erfüllungsgehilfe steht zum Gläubiger in keiner Sonderbeziehung und schuldet ihm demnach nichts. Gemeint ist vielmehr, dass das Verhalten des Erfüllungsgehilfen auf den Schuldner übertragen werden muss, als hätte dieser selbst gehandelt. Das erklärt auch, weshalb es nicht auf den Sorgfaltsmaßstab des Erfüllungsgehilfen ankommt, sondern auf den des Schuldners: die Bestleistung des Lehrlings mag etwa, dem Meisters zugerechnet, für seine Verhältnisse fahrlässig sein. Das ist nur konsequent, hat doch der Gläubiger einen Meister ausgewählt (und auch bezahlt).
Eine "Exculpationsmöglichkeit" gibt es demnach für den Schuldner nicht: anders als beim Verrichtungsgehilfen (s.u.) geht es nicht um vermutetes eigenes Fehlverhalten, das widerlegt werden könnte, sondern um fremdes Verhalten, nämlich das des Erfüllungsgehilfen. Allerdings kann die Haftung für Erfüllungsgehilfen vertraglich ausgeschlossen werden, § 278 S. 2 BGB.
Beispiel: B beauftragt den Malermeister U mit dem Streichen seines Wohnzimmers. U lässt seinen Lehrling E die Arbeit erledigen: E ist Erfüllungsgehilfe. Leistet E nun schlechte Arbeit, setzt der Schadensersatzanspruch des B gegen U wegen Verletzung einer Leistungspflicht (mit E hat der B ja keinen Vertrag!) nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB Vertretenmüssen voraus. U selbst hat weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt, § 276 BGB. Aber das Handeln des E wird ihm zugerechnet; hätte U wie E gehandelt, läge Fahrlässigkeit vor. Folglich hat U die Pflichtverletzung zu vertreten und schuldet Schadensersatz. Hätte E gute Arbeit geleistet, aber mit der Leiter eine Vase des B zerstört, änderte sich im Ergebnis nichts: E wurde von U gleichermaßen zur Erfüllung der Schutzpflichten aus § 241 Abs. 2 BGB herangezogen und schuldet über § 278 BGB auch insoweit Schadensersatz.
Verrichtungsgehilfe
"Verrichtungsgehilfe" ist, wer von einem anderen zu einer Verrichtung bestellt wurde, ohne dass es sich dabei notwendigerweise um ein vertragliches Schuldverhältnis handeln muss. Die Qualifikation als Verrichtungsgehilfe setzt Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit voraus.
Fügt der Verrichtungsgehilfe hierbei einem Dritten einen Schaden zu, so haftet der Geschäftsherr nach § 831 BGB. Anders als beim Erfüllungsgehilfen findet keine Zurechnung statt: wer den Gehilfen bestellt hat, haftet nicht für dessen, sondern für eigenes deliktisches Verschulden, weil vermutet wird, dass er den Gehilfen schlecht ausgewählt oder beaufsichtigt hat. Es besteht also die Möglichkeit, sich von der Haftung zu befreien, wenn bewiesen werden kann, dass bei der Auswahl des Gehilfen bzw. bei der Aufsicht über den Gehilfen die erforderliche Sorgfalt angewendet wurde (Entlastungsbeweis, Exkulpation).
Beispiel: A beauftragt G, für ihn Waren auszufahren. Dabei verletzt G den Unbeteiligten Dritten D. Dann schuldet dem D nicht nur G Schadensersatz (§ 823 Abs. 1 BGB), sondern auch A, der den G bestellt hat - es sei denn, er kann beweisen, dass der G immer zuverlässig war und er ihn auch hinreichend überwacht hat.
Der Verrichtungsgehilfe wird im Pflichtenkreis des Haftenden tätig, er muss nicht mit der Erfüllung einer Verbindlichkeit beauftragt sein. Die Haftung für Verrichtungsgehilfen ist unabhängig von vertraglichen Sonderverhältnissen: Sie ist deliktischen Haftung. Während § 278 BGB für den Erfüllungsgehilfen nur das Vertretenmüssen des Schuldners erweitert, ist § 831 BGB eigenständige Anspruchsgrundlage.
Verrichtungsgehilfe auch Erfüllungsgehilfe
Trotz Unterschieden kommt es vor, dass dieselbe Person gleichzeitig Verrichtungs- und Erfüllungsgehilfe sein kann.
Beispiel: E lässt sich von dem Reinigungsunternehmen des R die Fenster putzen. Zerspringt dem F als Arbeiter des R dabei schuldhaft eine Fensterscheibe des E, haftet Unternehmer R sowohl gem. § 831 BGB als auch nach §§ 280, 278 BGB. Der Anspruch nach § 831 BGB ist begründet, weil Arbeiter F, gegenüber Unternehmer R weisungsgebunden, dem E rechtswidrig einen Eigentumsschaden zugefügt hat, soweit sich R nicht exkulpieren kann. R haftet daneben nach §§ 280, 278 BGB, da es zu seinen Schutzpflichten aus dem Werkvertrag gehört, nicht das Eigentum des E zu beschädigen. Diese Schutzpflicht hat zwar F verletzt, nicht R selbst, doch wird die Pflichtverletzung dem R über § 278 BGB zugerechnet.
Diese zweifache Anspruchslage kommt dem Geschädigten zugute, der allerdings den Schaden nur einmal ersetzt bekommt.
Österreichisches Recht
Die Begriffe "Erfüllungsgehilfe" und "Besorgungsgehilfe" sind im Schadenersatzrecht von Bedeutung. Der Gehilfe, meist ein Angestellter des Geschäftsherr, wird als Erfüllungsgehilfe betrachtet, wenn er in Erfüllung einer Verpflichtung des Geschäftsherrn Schaden anrichtet; wenn bloß anlässlich der Erfüllung, ist er Besorgungsgehilfe.
Erfüllungsgehilfe (§ 1313a ABGB)
Der Gehilfe in seiner Eigenschaft als Erfüllungsgehilfe erfüllt eine vertragliche Leistung, zu der sich sein Geschäftsherr verpflichtet hat und schädigt dabei den Vertragspartner seines Geschäftsherrn. Gemäß § 1313a ABGB kann der Vertragspartner nun den Geschäftsherrn direkt klagen.
"In Erfüllung" ist eng auszulegen, Bsp.: B, der Gehilfe des A, muss einen gefährlichen Gegenstand in das Geschäft des C transportieren. Bei der Installation macht B Fehler und schädigt den Fußboden. In einem unbeobachteten Moment stiehlt er auch noch Waren des C und des X. Bezüglich des Diebstahls ist B sowohl ggü. C als auch ggü. X ein Besorgungsgehilfe (siehe unten) und kein Erfüllungsgehilfe, da der Diebstahl bloß "anlässlich der" und nicht "in" Erfüllung geschehen ist.
Der Erfülllungsgehilfe kann ein Angesteller des Geschäftsherrn sein oder ein selbstständiger Unternehmer. In letzterem Fall kann es zu einer Erfüllungsgehilfenkette kommen, wie z.B.:
- Geschäftsherr
- Generalunternehmer
- Subunternehmer (Baumeister)
- einzelne Arbeiter
- Subunternehmer (Baumeister)
- Generalunternehmer
Schädigt nun der eizelne Arbeiter einen den Auftragsgeber, so haftet dafür gem. § 1313a der Geschäftsherr (Der Generalunternehmer ist Erfüllungsgehilfe des Geschäftsherrn, der Subunternehmer Erfüllunsgehilfe des Generalunternehmers, usw.).
Besorgungsgehilfe (§ 1315 ABGB)
Der Gehilfe in seiner Eigenschaft als Besorgungsgehilfe schädigt nich den Vertragspartner seines Geschäftsherrn während der Erfüllung, sondern einen Dritten. Der Geschäftsherr haftet für ihn gem. § 1315 ABGB; dies jedoch für Gehilfe mit folgenden Eigenschaften:
- "habituell untüchtig": Der Gehilfe ist aufgrund von mangelnder Ausbildung oder seiner Veranlagung untüchtig. Indiziern dafür sind mehrmaliges Versagen oder ein gravierendes Fehlverhalten. In jedem Fall obliegt es dem Geschäftsherrn, die Befähigung seiner Gehilfen getestet zu haben
- "wissentlich gefährlich": Der Gehilfe ist gefährlich und der Geschäftsherr weiß davon (oder weiß grob fahrlässig nicht). Die Gefährlichkeit zeigt sich durch entsprechende charakterliche Eigenschaften. Indizien sind Vorstrafen oder Wissen um solche Veranlagungen (Kleptomanie).
Rechtspolitisch zu erklären ist die Besorgungsgehilfenhaftung dadurch, dass ein Geschäftsherr seine Angestellten sowohl fachlich (Zeugnisse etc.) als auch charakterlich (Strafregisterauszug) prüfen soll bevor er sie einstellt.
Regress des Geschäftsherrn
Ist der Geschäftsherr gem. § 1313a oder gem. § 1315 verpflichtet, Schadenersatz zu leisten, kann er in der Folge Regress am Gehilfen nehmen. Das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz (DHG) erlaubt jedoch eine Minderung bzw. den Erlass des Regressanspruches, wobei es auf den Grad des Verschuldens ankommt:
- Vorsatz: keine Mäßigung möglich
- grobe Fahrlässigkeit: Das Gericht kann den Anspruch des Geschäftsherrn (Dienstgeber) je nach Billigkeit mäßigen.
- leichte Fahrlässigkeit: Der Anspruch kann ganz erlassen werden.
Literatur
- Heinz Eduard Tödt: "Komplizen, Opfer und Gegner des Hitlerregimes : zur inneren Geschichte von protestantischer Theologie und Kirche im Dritten Reich". Gütersloh : Kaiser/Gütersloher Verl.-Haus, 1997. 422 S. ISBN 3-579-02029-3
- Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): "Heilberufler und Menschenrechtsverletzungen : Gratwanderung zwischen Gewissen, Gefährdung und Komplizenschaft". Bonn AI, 1996. 83 S.
Siehe auch: Mitläufer, Rädelsführer, Indizienbeweis, kriminelle Vereinigung.