Chang’e 4

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Chang’e 4

NSSDC ID 2018-103A
Missions­ziel ErdmondVorlage:Infobox Sonde/Wartung/Missionsziel
Auftrag­geber CNSAVorlage:Infobox Sonde/Wartung/Auftraggeber
Träger­rakete Changzheng 3B/EVorlage:Infobox Sonde/Wartung/Traegerrakete
Startmasse Lander: 1.200 kg
Rover: 140 kgVorlage:Infobox Sonde/Wartung/Startmasse
Verlauf der Mission
Startdatum 7. Dezember 2018Vorlage:Infobox Sonde/Wartung/Startdatum
Startrampe Kosmodrom XichangVorlage:Infobox Sonde/Wartung/Startrampe
Vorlage:Infobox Sonde/Wartung/Verlauf
 
20. Mai 2018 Start von Queqiao
 
7. Dez. 2018 Start von Chang’e 4
 
12. Dez. 2018 Erreichen der Mondumlaufbahn
 
3. Jan 2019 Landung auf dem Mond, Von Kármán/Südpol-Aitken-Becken
 
? Missionsende

Chang’e 4 (chinesisch 嫦娥四號 / 嫦娥四号, Pinyin Cháng'é Sìhào) ist eine Raumsonde der Nationalen Raumfahrtbehörde Chinas (CNSA), die am 7. Dezember 2018 gestartet wurde und aus einem Lander mit einem Rover besteht. Chang’e 4 ist Chinas zweiter Mondlander und Rover. Nach der erfolgreichen Landung von Chang’e 3 wurde Chang’e 4, ursprünglich eine baugleiche Reservesonde für die Vorgängermission, an neue wissenschaftliche Ziele angepasst.[1] Wie seine Vorgänger ist das Raumfahrzeug nach Chang’e, der chinesischen Mondgöttin, benannt.

Die Sonde landete am 3. Januar 2019 um 3:26 Uhr MEZ erfolgreich im Mondkrater Von Kármán im Südpol-Aitken-Becken auf der Mondrückseite.[2]

Übersicht

Das am 24. Januar 2004 von Premierminister Wen Jiabao nach dreizehnjährigen Vorbereitungsarbeiten offiziell gestartete Mondprogramm der Volksrepublik China besteht aus den Drei Großen Schritten (大三步):

  1. Unbemannte Erkundung
  2. Bemannte Landung
  3. Stationierung einer ständigen Besatzung

Der Erste Große Schritt ist wiederum in die Drei Kleinen Schritte (小三步) unterteilt:

  1. Beim Ersten Kleinen Schritt wurde mit Chang’e 1 im Jahr 2007 und Chang’e 2 im Jahr 2010 die Mondumlaufbahn erreicht.
  2. Beim Zweiten Kleinen Schritt erfolgte die Landung auf dem Mond und die Erkundung mit einem Rover. Diese Phase umfasst die Mission Chang’e 3 (2013) und die Mission Chang’e 4 auf der Mondrückseite.
  3. Beim Dritten Kleinen Schritt wurden mit Chang’e 5 Proben von der erdzugewandten Mondseite gesammelt.

Mit diesen Missionen soll eine bemannte Mondlandung in den 2030er-Jahren und in weiterer Zukunft eine dauerhaft besetzte Mondbasis am südlichen Rand des Südpol-Aitken-Beckens auf der Rückseite des Mondes vorbereitet werden.[3]

Die konkreten Vorbereitungen für die Mission Chang’e 4 begannen am 30. November 2015. Xu Dazhe, Direktor der Nationalen Raumfahrtbehörde, sagte in der Eröffnungsrede, dass die Mission eine Plattform für internationale Kooperationen und gemeinsame Neuentwicklungen auf vielen Ebenen sein sollte.[1] Die chinesische Regierung bewilligte für Chang’e 4 erstmals private Investitionen von Einzelpersonen und Unternehmen. Ziel sei es, Innovationen in der Luft- und Raumfahrt zu beschleunigen, Produktionskosten zu senken und militärisch-zivile Beziehungen zu fördern.[4] Um die Nutzlasten von ausländischen Partnern zu integrieren, mussten die Ziele der Mission angepasst werden. Dies trug dazu bei, dass die Mission komplizierter wurde und sich verzögerte.

Kurz nach dem Start der Sonde vom Kosmodrom Xichang am 7. Dezember 2018 stellten die Techniker im Raumfahrtkontrollzentrum Peking plötzlich fest, dass zwei Ventile an den Treibstofftanks, die eigentlich geschlossen sein sollten, geöffnet waren und dass eine große Menge Treibstoff ausströmte. Die Ventile wurden sofort geschlossen, aber in den 20 Sekunden, die sie offengestanden waren, hatte die Sonde 10–20 kg Treibstoff verloren. Mit einer Reihe von Maßnahmen konnte der Treibstoffverbrauch für Bahnkorrekturmanöver etc. während des Fluges reduziert werden. Nach der Landung war dann sogar noch etwas Treibstoff in den Tanks übrig.[5]

Ziele

Zu den wissenschaftlichen Zielen gehören:[6]

  • Messung der Mondoberflächentemperatur über die Dauer der Mission
  • Messung der chemischen Zusammensetzung von Mondgesteinen und -böden
  • niederfrequente radioastronomische Beobachtungen und Untersuchungen
  • Studium der kosmischen Strahlung
  • Beobachtung der Sonnenkorona, Untersuchung ihrer Strahlungseigenschaften und -mechanismen und Untersuchen der Entwicklung und des Transports koronaler Massenauswürfe (CME) zwischen Sonne und Erde

Komponenten

Relais-Satellit Queqiao

Kommunikation mit Chang’e 4

Da eine direkte Funkverbindung mit der Mondrückseite nicht möglich ist, wurde am 21. Mai 2018 um 05:28 Ortszeit der Relais-Satellit Elsternbrücke (Queqiao) vom Kosmodrom Xichang gestartet[7] und im Halo-Orbit um den Erde-Mond Lagrange-Punkt L2 hinter dem Mond stationiert.[8] Der Name des Satelliten leitet sich aus der chinesischen Geschichte vom Kuhhirten und der Weberin ab. Queqiao kann Funksignale zwischen der Erde und Rückseite des Mondes weiterleiten und ermöglicht damit die Kommunikation und Kontrolle während der Mission.

Mikrosatelliten

Im Rahmen der Mission Chang’e 4 wurden zusammen mit Queqiao zwei Mikrosatelliten gestartet. Die beiden Mikrosatelliten haben jeweils die Größe 50 × 50 × 40 cm und ein Gewicht von 45 kg und wurden Longjiang-1 und Longjiang-2 (龙江 – „Drachenfluss“) genannt. Longjiang-1 konnte jedoch nicht in den Mondorbit eintreten,[8] während Longjiang-2 erfolgreich war und 14 Monate lang im Mondorbit operierte, bis er am 31. Juli 2019 um 22:20 Peking-Zeit auf der Rückseite des Mondes kontrolliert zum Absturz gebracht wurde.[9] Diese Mikrosatelliten hatten die Aufgabe, den Himmel in den Frequenzen von 1 MHz bis 30 MHz, entsprechend Wellenlängen von 300 m bis 10 m, zu beobachten, um energetische Phänomene kosmischen Ursprungs zu untersuchen.[10][11][12] Dies war ein langgehegtes Ziel der Wissenschaft, da aufgrund der Ionosphäre der Erde keine Beobachtungen in diesem Frequenzbereich im Erdorbit durchgeführt werden können. Geplant war ein Gruppenflug der zwei Sonden, um Interferometrie betreiben zu können.[10]

Bildmosaik der Mondrückseite, aufgenommen durch LRO. Links oben das Mare Moscoviense, links unten der dunkle Krater Tsiolkovskiy, im unteren Bilddrittel die fleckige große Beckenregion von Mare Ingenii, Leibnitz, Apollo und Poincaré.

Lander und Rover

Der Lander und der Rover wurden sechs Monate nach dem Start des Relaissatelliten am 8. Dezember 2018 um 02:23 Ortszeit mit einer Changzheng-3B/E-Trägerrakete vom Kosmodrom Xichang ins All befördert.[13] Es war die erste Landung überhaupt auf der Rückseite des Mondes. Sie fand in einer unerforschten Region des Mondes statt, die als Südpol-Aitken-Becken bezeichnet wird.

Die Gesamtlandemasse der Einheit betrug 1340 kg, davon entfielen 1200 kg auf den Lander und 140 kg auf den Rover.[14] Nach der Landung fuhr der Lander eine Rampe aus, um den Rover Jadehase 2[15] auf die Mondoberfläche zu bringen. Der Rover misst 1,5 m × 1,0 m × 1,0 m und hat eine Masse von 140 kg.[16]

Wissenschaftliche Nutzlasten

Sowohl Lander und Rover als auch Queqiao und die den Mond umkreisenden Mikrosatelliten tragen wissenschaftliche Nutzlasten. Der Relaissatellit stellt die Kommunikation sicher, während Lander und Rover die Geophysik der Landezone untersuchen sollen. Diese Nutzlasten werden zum Teil von internationalen Partnern in Schweden, Deutschland, den Niederlanden und Saudi-Arabien geliefert.

Lander

Der Lander und der Rover transportieren wissenschaftliche Nutzlasten, um die Geophysik der Landezone mit einer sehr begrenzten chemischen Analysefähigkeit zu untersuchen.

Der Lander ist mit folgenden Instrumenten ausgestattet:

  • Landekamera (LCAM)[17][18]
  • Terrain-Kamera (TCAM)
  • Niederfrequenzspektrometer (VLFRS)[11] zur Erforschung von Sonnenbursts etc.[19]
  • Neutronen- und Strahlungsdosis-Detektor (Lunar Neutron and Radiation Dose Detector; LND), ein von Wissenschaftlern des Instituts für Experimentelle und Angewandte Physik der Universität Kiel unter der Leitung von Robert Wimmer-Schweingruber entwickeltes Neutronendosimeter, das neben der Messung der für Menschen besonders gefährlichen Neutronenstrahlung, für die es bislang nur stark differierende Modellrechnungen gibt, auch dazu dient, den Wassergehalt des Bodens zu ermitteln.[20] Die ersten Ergebnisse wurden Sönke Burmeister vom Institut am 18. April 2019 bei einer feierlichen Zeremonie in Peking überreicht.[21][22][23] Als im Mai/Juni 2020 im Zuge der Vorbereitung auf die Mars-Mission Tianwen-1 die Ressourcen des Chinesischen Tiefraum-Netzwerks zum Teil vom Mondprogramm abgezogen werden mussten, war der Neutronen- und Strahlungsdosis-Detektor das einzige Gerät der Chang’e-4-Mission, das weiter betrieben wurde.[24][25]
  • Der Lander trägt auch einen 2,6 kg schweren Behälter mit Samen und Insekteneiern, um zu testen, ob Pflanzen und Insekten in Synergie schlüpfen und gemeinsam wachsen können. Das Experiment umfasste Samen von Kartoffeln, Raps, Baumwolle und Arabidopsis thaliana, dazu noch Hefe und Taufliegeneier.[26] Am 7. Januar 2019 spross als erstes die Baumwolle.[27][28] Wenn die Larven geschlüpft wären, hätten sie Kohlendioxid produziert, während die gekeimten Pflanzen durch Photosynthese Sauerstoff freisetzten. Die Wissenschaftler um Xie Gengxin und Liu Hanlong von der Chongqing-Universität hofften, dass die Pflanzen und Tiere zusammen eine einfache Synergie innerhalb des Behälters schaffen könnten. Eine Miniaturkamera machte jedes Wachstum sichtbar. Als jedoch am 13. Januar am Landeplatz von Chang’e 4 die Mondnacht einbrach, sank die Temperatur in dem Behälter auf −52 °C und die Lebewesen starben 212,75 Stunden nachdem sie kurz nach der Landung mittels Bewässerung aus der Hibernation geweckt wurden.[29] Das Experiment mit Beobachtung der toten Baumwollblätter wurde noch bis Mai 2019 weitergeführt, um die Lebensdauer der Biosphärekammer, ihrer Beleuchtung etc. zu testen. Die Forschergruppe um Xie Gengxin plant, bei zukünftigen Landemissionen erneut Biosphärenexperimente durchzuführen, wenn möglich mit kleinen Schildkröten, um die Langzeitwirkung der geringen Mondanziehungskraft auf höhere Lebewesen zu untersuchen.[30]

Rover

  • Panoramakamera (PCAM)[11]
  • Lunar Penetrating Radar (LPR) ist ein Bodenradar[11]
  • Visible und Near-Infrared Imaging Spectrometer (VNIS) für die Bildgebungsspektroskopie[31][32][33]
  • Advanced Small Analyzer for Neutrals (ASAN) ist ein Analysator für energetisch neutrale Atome (ENA) des schwedischen Instituts für Weltraumphysik (IRF). Es wird aufzeigen, wie Sonnenwind mit der Mondoberfläche interagiert und vielleicht sogar den Prozess der Entstehung von Mondwasser.[34]

Queqiao

Landezone

Landeplatz ist der Von-Kármán-Krater[38] (180 km Durchmesser) im Südpol-Aitken-Becken auf der erdabgewandten Seite des Mondes.[38] Der Von-Kármán-Krater ist von bis zu 10 km hohen Bergen umgeben, und der Landeplatz liegt auf einer „Meereshöhe“ von 5935 m.[39] Die Fläche, auf der eine Landung möglich war, betrug nur 1/8 der Zielfläche, die die Vorgängersonde Chang’e 3 im Dezember 2013 zur Verfügung hatte. Daher musste Chang’e 4 praktisch senkrecht landen, ein recht riskantes Manöver.[40] Wie bei der Vorgängersonde unterbrach Chang’e 4 eine Minute vor der Landung für etwa 13 Sekunden den Abstieg, um sich 99 m über dem Boden mit Hilfe eines vom Shanghaier Institut für technische Physik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (中国科学院上海技术物理研究所) entwickelten und gebauten Laser-Entfernungsmessers und eines dreidimensional abbildenden Laserscanners desselben Instituts selbstständig einen ebenen und von Felsbrocken freien Platz zu suchen,[41][42] auf den sie sich dann langsam absenkte.[43] Eines der Hauptprobleme hierbei war, dass der während der letzten Phase des Abstiegs der vom Triebwerk aufgewirbelte, elektrostatisch aufgeladene Mondstaub die Systeme der Sonde gefährden konnte.[44][45] Daher hatte die Gruppe Weltraummechanik (空间力学团队) des Instituts für Maschinenbau der Tianjin-Universität unter der Leitung von Cui Yuhong (崔玉红) und Wang Jianshan (王建山) in aufwendigen Computersimulationen und praktischen Experimenten einen möglichst sanften Landeablauf entwickelt.[46] Das Aufsetzen auf den Boden am 3. Januar 2019 um 02:26 UTC erfolgte dann auch ohne Probleme.[47]

Noch im Januar 2019 beantragte China bei der Internationalen Astronomischen Union, die Landestelle 天河基地 (Pinyin Tiānhé Jīdì), also „Basis Milchstraße“ zu nennen, ein Bezug zu der Sage vom Kuhhirten und der Weberin, wo die Milchstraße die beiden Liebenden trennt und nur einmal im Jahr von einem eine Brücke bildenden Schwarm Elstern (der heutige Relaissatellit Elsternbrücke) überbrückt wird. Am 4. Februar 2019 wurde dem Antrag von der IAU stattgegeben, der lateinische Name der Landestelle lautet „Statio Tianhe“.[48][49]

In den folgenden Monaten analysierten Forscher vom Labor für Mond- und Tiefraumerkundung der Nationalen Astronomischen Observatorien, der Fakultät für Astronomie und Weltraumwissenschaften an der Universität der Chinesischen Akademie der Wissenschaften sowie von der Chinesischen Akademie für Weltraumtechnologie, der Herstellerfirma der Sonde, die von der Landekamera und der Terrain-Kamera des Landers und der Panoramakamera des Rovers aufgenommenen Fotos und setzten sie in Bezug zu den von Chang’e 2 sowie dem Lunar Reconnaissance Orbiter der NASA erstellten Mondkarten. Nach photogrammetrischer Auswertung der Bilder konnte die Landestelle auf 177,5991° östlicher Länge und 45,4446° südlicher Breite bestimmt werden, was eine Abweichung von 348 m in der Länge und 226 m in der Breite, also insgesamt 415 m im Vergleich zu den LRO-Daten bedeutet. Zu erklären ist dies mit Messfehlern bei der Bestimmung des Orbits der NASA-Sonde, mit dem unregelmäßigen Gravitationsfeld des Mondes auf seiner Rückseite und in der Kamera begründeten Faktoren. Daher soll nun der Lander von Chang’e 4 als geodätischer Referenzpunkt für die Navigation von Jadehase 2 und für zukünftige Landungen auf der Mondrückseite verwendet werden.[50]

Panoramaaufnahme des Landegebietes

Ergebnisse

Impaktbrekzie

Zu Beginn des achten Arbeitstags auf dem Mond (25. Juli bis 7. August 2019) entdeckte und fotografierte Jadehase 2 in einem frischen Einschlagkrater eine dunkelgrüne, zähflüssig wirkende Masse. Daraufhin entwarfen die für die Steuerung des Rovers zuständigen Ingenieure einen neuen Kurs, um die Tiefe des Kraters und die Verteilung des Auswurfmaterials näher zu bestimmen.[51] Jadehase 2 näherte sich dem Krater vorsichtig und untersuchte die Substanz und das umliegende Material mit seinem Infrarotspektrometer, dasselbe Instrument, mit dem er zu Beginn der Mission bereits das Mantelmaterial aus den Tiefen des Mondes gefunden hatte.[52] Eine Auswertung der hierbei gemachten Fotos und Spektrogramme durch Experten des Nationalen Schwerpunktlabors für Fernerkundung (遥感科学国家重点实验室) am Institut für Informationsgewinnung durch Luft- und Raumfahrt (空天信息创新研究院) der Chinesischen Akademie der Wissenschaften ergab, dass der Krater mit einem Durchmesser von rund 2 m etwa 30 cm tief war, die unbekannte Masse in der Grube bildete einen länglichen Fleck von 52 × 16 cm. Viele der graubraunen Brocken im Umfeld des Kraters, die man zunächst für Felstrümmer gehalten hatte, wurden im Laufe der Untersuchung von den Rädern des 140 kg schweren Rovers zerquetscht. Es handelte sich also um zusammengebackenen Regolith, der, wie eine spektrographische Analyse zeigte, zu einem beträchtlichen Teil aus Feldspat bestand, dazu noch Olivine und Pyroxene in etwa gleichem Anteil. Das Material wurde zunächst als „verwittertes Norit“ klassifiziert. Die glänzende Masse im Inneren des Kraters wurde – auch durch Vergleich mit Bodenproben, die von den Astronauten der Apollo-Missionen genommen worden waren – als Impaktbrekzie identifiziert. Es konnte allerdings bislang noch nicht geklärt werden, ob es sich hierbei um Material handelt, das aus einem nahegelegenen Krater in den untersuchten Krater hineingeschleudert wurde, oder ob es bei dem Impaktereignis gebildet wurde, das letzteren Krater hervorgerufen hatte.[53] Am 15. August 2020 werden die Ergebnisse in den Earth and Planetary Science Letters im Detail vorgestellt.[54]

Freigelegte Felsbrocken

Am 3. und am 13. Arbeitstag auf dem Mond fand Jadehase 2 ungewöhnlich große Ansammlungen von Felsbrocken, die eine höhere Albedo als die Umgebung besaßen. Die Techniker im Raumfahrtkontrollzentrum Peking ließen den Rover rund um diese Ansammlungen fotografische 360°-Panoramaaufnahmen machen und jeweils einen Felsbrocken spektrografieren. Di Kaichang (邸凯昌, * 1967) und seine Kollegen vom Schwerpunktlabor für Fernerkundung[55] unterzogen die Spektrogramme einer eingehenden Analyse und fanden, dass die Reflektivität der Felsbrocken bei Wellenlängen zwischen 500 und 2500 nm mehr dem am Zentralberg des Finsen-Kraters gemessenen Spektrum als dem des Basalts im Von-Kármán-Krater ähnelte. An sich hätte man erwartet, dass bei der Entstehung des Finsen-Kraters vor gut 3 Milliarden Jahren ausgeworfene Felsbrocken durch die Ausdehnung und Kontraktion während Mondtag und Mondnacht mittlerweile in kleinere Stücke zersprengt worden wären. Aus der relativ großen Größe der Felsbrocken schlossen die Forscher, dass sie lange Zeit unter späteren Geröllschichten geschützt begraben waren und erst durch den Einschlag, der vor 16 Millionen Jahren den kleinen Zhinyu-Krater von 3,8 km Durchmesser westlich der Landestelle erzeugt hatte, freigelegt worden waren. Am 22. Februar 2021 veröffentlichten sie ihre Ergebnisse im Journal of Geophysical Research – Planets.[56][57]

Strahlenbelastung

Das Dosimeter der Universität Kiel auf dem Lander von Chang’e 4 misst während der Arbeitstage auf dem Mond die Strahlenbelastung knapp über der Mondoberfläche, nachts ist das Instrument abgeschaltet und durch eine Klappe vor der Kälte geschützt.[58] Diese Strahlenbelastung schwankt stark, sowohl was die Intensität als auch die Zusammensetzung der Strahlung (Neutronenstrahlung und Gammastrahlung) betrifft. Da sich auf dem Lander auch eine Radionuklidbatterie mit einer Leistung von 5 W sowie mehrere Radionuklid-Heizelemente befinden, waren die Ergebnisse trotz vorheriger Kalibrierung zunächst schwierig zu interpretieren.[59] Bei einer ersten Abschätzung im Februar 2020 konnten die Wissenschaftler in Kiel jedoch bereits sagen, dass die Hintergrundstrahlung auf der Mondoberfläche intensiver ist als auf dem Mars – die Strahlenbelastung bei einem sechsmonatigen Aufenthalt auf dem Mond entspricht etwa der eines einjährigen Aufenthalts auf dem Mars.[60] Nach genauerer Auswertung stellte sich heraus, dass in etwa Mannshöhe über der Mondoberfläche die Belastung durch Neutronenstrahlung zwei- bis dreimal so hoch ist wie im Inneren der Raumstationen Tiangong 1 und Tiangong 2, die sich in einem erdnahen Orbit von knapp 400 km Höhe im Schutz des Van-Allen-Gürtels bewegten, die Belastung durch Gammastrahlen immer noch doppelt so hoch.

Wie die Wissenschaftler um Robert Wimmer-Schweingruber auf der Basis von Messungen des amerikanischen Lunar Reconnaissance Orbiter bereits 2019 vermutet hatten,[20] gibt es neben der direkt auftreffenden kosmischen Strahlung, die größtenteils aus Protonen besteht, auch eine durch deren Auftreffen von auf den Mondboden erzeugte, „reflektierte“ Sekundärstrahlung. Dieser Effekt, der für Raumfahrer ein beträchtliches Sicherheitsrisiko darstellt, konnte nun durch In-situ-Messungen mit dem Dosimeter eindeutig nachgewiesen werden.[61] Während des ersten Jahres wurde von dem Dosimeter eine durchschnittliche Strahlenexposition von 1,4 mSv/Tag gemessen. Dies entspricht etwa der effektiven Strahlungsdosis pro Jahr auf einem irdischen Berg von 3500 m Höhe. Wenngleich ein realer Raumfahrer nur wenige Stunden pro Tag im Freien verbringen würde (dort wo das Dosimeter auf dem Lander angebracht ist) und den Rest der Zeit in einer besser geschützten Unterkunft, stellt dies eine nicht zu vernachlässigende Gesundheitsgefährdung dar.[62] Hier ein Vergleich der stündlichen Belastung allein durch die galaktische kosmischen Strahlung im Januar/Februar 2019 an verschiedenen Orten sowie in Prypjat 2009, also 23 Jahre nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl:[63][64]

Mars 29 μSv/h
Mond 57 μSv/h
ISS 22 μSv/h
Prypjat 1 μSv/h
Köln 0,05 μSv/h

Am 25. September 2020 veröffentlichten Robert Wimmer-Schweingruber, Zhang Shenyi (张珅毅, * 1978) vom Nationalen Zentrum für Weltraumwissenschaften[65] und ihre Kollegen die Messergebnisse in der amerikanischen Fachzeitschrift Science Advances, wobei sie darauf hinwiesen, dass sich die Sonne 2019/2020 in einer Phase minimaler Aktivität befand. Da die kosmische Strahlung durch das Magnetfeld der Sonne abgeschirmt wird, stellen diese Messungen eine obere Grenze für die Strahlendosis durch kosmische Strahlung dar. Die Strahlendosis durch solare Teilchenereignisse kann natürlich bei höherer Sonnenaktivität größer sein.[66]

Neben den energetischen Solarteilchen (siehe unten) wird die Strahlenbelastung auf der Mondoberfläche zu einem beträchtlichen Teil durch die galaktische kosmische Strahlung verursacht, mit sehr hohen Energien von etwa 1 GeV, schweren Ionen bis hin zu Eisen, aber geringen Teilchenflussdichten, die zudem vom interplanetaren Magnetfeld beeinflusst werden, das seinerseits durch starke Sonnenaktivität gestört werden kann. Ab dem am 11. Oktober 2020 beginnenden 21. Arbeitstag auf dem Mond konnten die Wissenschaftler ein Absinken der Gesamtstrahlenbelastung beobachten, das auf Veränderungen im interplanetaren Magnetfeld zurückzuführen war.[58]

Energetische Solarteilchen

Neben der Messung der Strahlenbelastung auf der Rückseite des Mondes, die der Vorbereitung bemannter Landungen dient, kann das Dosimeter auch für heliophysikalische Beobachtungen genutzt werden. So registrierte das Gerät am 6. Mai 2019 eine Sonneneruption, bei der energetische Solarteilchen (Solar Energetic Particles bzw. „SEP“) freigesetzt wurden. Bei dem beobachteten Ereignis wurden 22 Minuten nach dem über die Röntgenstrahlung auf 04:56 UTC rückgerechneten Beginn der Eruption Elektronen mit einer Energie von 310 keV freigesetzt, Protonen mit einer Energie von rund 11 MeV gut eine Stunde später. Die Elektronen benötigten 12 Minuten für den Weg von der Sonne zum Mond, die energiereichen Protonen 63 Minuten.[67] Die Ergebnisse der Messungen und eine detaillierte Analyse des Ereignisses wurden am 7. November 2020 in den Astrophysical Journal Letters veröffentlicht.[68]

Lunare Minimagnetosphäre

Der Mond besitzt zwar kein globales Magnetfeld mehr, aber zahlreiche kleinere, über die Oberfläche verteilte lokale Magnetfelder, sogenannte „magnetische Anomalien“. Diese Anomalien können teilweise eine magnetische Flussdichte von mehreren hundert Nanotesla erreichen (zum Vergleich: das Erdmagnetfeld hat in Deutschland etwa 50.000 nT). Die lokalen Magnetfelder können mit dem Sonnenwind interagieren und eine kleine Magnetosphäre bilden, eine sogenannte „Lunare Minimagnetosphäre“ (LMM). Trotz ihrer geringen Ausdehnung – die LMMs sind die kleinsten bislang bekannten Magnetosphären im Sonnensystem – würde eine derartige Minimagnetosphäre der geplanten robotischen Mondforschungsstation und auch bei einer bemannten Monderkundung einen gewissen Schutz bieten.[69]

Bislang gab es nur einige wenige Beobachtungen von Lunaren Minimagnetosphären vom Orbit aus. Nun landete Chang’e 4 bei 177,6° östlicher Länge und 45,4° südlicher Breite am östlichen Rand der Imbrium Antipode, mit einem Durchmesser von 1200 km die größte magnetische Anomalie auf dem Mond. Das Zentrum der Imbrium Antipode liegt bei 162° östlicher Länge und 33° südlicher Breite, genau gegenüber dem Mare Imbrium auf der erdzugewandten Seite des Mondes. Am Nachmittag, wenn der Sonnenwind zunehmend aus Westen weht, befindet sich der Rover mit dem auf der Frontseite des Gehäuse montierten Analysator für energetisch neutrale Atome (ENA) auf der windabgewandten Seite der Imbrium Antipode und kann den Magnetschweif der lokalen Minimagnetosphäre beobachten. Entsprechende Messungen wurden – auf irdische Zeit umgerechnet – zwischen 14:30 und 17:00 durchgeführt, außerdem zu Vergleichszwecken zwischen 07:00 und 09:30.

Bei einer Analyse von 46 Datensätzen, die zwischen dem 11. Januar 2019 und dem 28. April 2020 erhoben wurden, fanden Wissenschaftler um Xie Lianghai (谢良海) vom Schwerpunktlabor für Weltraumwetter am Nationales Zentrum für Weltraumwissenschaften, dass am örtlichen Nachmittag der Fluss der energetisch neutralen Atome (ein Indikator für den Sonnenwind) tatsächlich geringer war als am Vormittag. Allerdings fanden die Forscher auch, dass die Minimagnetosphäre auf den Sonnenwind primär einen umlenkenden und geschwindigkeitsvermindernden Effekt hatte; nur 50 % der Ionen wurden gestoppt. Da der Effekt an der Landestelle gemessen werden konnte, musste die Minimagnetosphäre einen langen Schweif haben, länger als 600 km. Die Wissenschaftler veröffentlichten ihre Erkenntnisse am 30. Juni 2021 in den Geophysical Research Letters.[70]

Landevorgang

Von 2019 bis 2021 durchgeführte Analysen von Aufnahmen der Landekamera und der Terrain-Kamera des Landers zeigten, dass das Triebwerk in einer Höhe von 13 m über dem Boden begonnen hatte, Mondstaub aufzuwirbeln. Die Experten vom Forschungsinstitut für weltraumbezogenen Maschinenbau und Elektrotechnik Peking der Chinesischen Akademie für Weltraumtechnologie, der Universität für Luft- und Raumfahrt Peking, der Universität für Elektrotechnik und Elektronik Xi’an etc. empfahlen daher, in Zukunft Sonden, die ähnlich wie Chang’e 4 gebaut sind, in etwas über 13 m Höhe die letzte Entscheidung über den Landepunkt treffen zu lassen, um zu vermeiden, dass aufgewirbelter Staub die Sicht der Kameras behindert.

Insgesamt hatte Chang’e 4 während des Landevorgangs 213 g Mondstaub aufgewirbelt und dabei die Mondoberfläche bis in eine Tiefe von 0,6 cm abgetragen. Der Staub war in einem Winkel von mehr als 7° nach oben geschleudert worden, was deutlich mehr war als in den unter Annahme einer ebenen Mondoberfläche durchgeführten Simulationen. Die Experten waren der Meinung, dass das darauf zurückzuführen sein könnte, dass die Landestelle von Chang’e 4 um etwa 4–5° zur Horizontalen geneigt ist. Für die Zukunft empfahlen sie, selbst wenn die Sonden auch auf geneigten Flächen landen konnten, unbedingt eine möglichst ebene Stelle zu suchen, um zu vermeiden, dass aufgewirbelter Staub das Funktionieren von Geräten und wissenschaftlichen Nutzlasten auf dem Lander beeinträchtigte.[71]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b 雷丽娜: 我国嫦娥四号任务将实现世界首次月球背面软着陆. In: http://www.gov.cn. 2. Dezember 2015, abgerufen am 7. Mai 2019 (chinesisch).
  2. Erste Landung auf Mond-Rückseite geglückt, Tagesschau.de vom 3. Januar 2019; abgerufen am 3. Januar 2019
  3. Smriti Mallapaty: China set to retrieve first Moon rocks in 40 years. In: nature.com. 5. November 2020, abgerufen am 22. November 2020 (englisch).
  4. Leonard David, Space com's Space Insider Columnist | March 17, 2015 08:00am ET: China Outlines New Rockets, Space Station and Moon Plans. Abgerufen am 10. Dezember 2018.
  5. 胡潇潇、王彦玢: 航天事业“金不换” ,家国情怀融入血液. In: mp.weixin.qq.com. 13. November 2021, abgerufen am 14. November 2021 (chinesisch).
  6. Leonard David, Space com's Space Insider Columnist | June 9, 2016 04:14pm ET: To the Far Side of the Moon: China's Lunar Science Goals. Abgerufen am 10. Dezember 2018.
  7. 付毅飞: 嫦娥四号中继星发射成功 人类迈出航天器月背登陆第一步. In: http://news.china.com.cn. 22. Mai 2018, abgerufen am 3. Januar 2019 (chinesisch).
  8. a b Luyuan Xu: How China's lunar relay satellite arrived in its final orbit. In: The Planetary Society. 25. Juni 2018, archiviert vom Original am 17. Oktober 2018; abgerufen am 10. Dezember 2018 (englisch).
  9. “龙江二号”微卫星圆满完成环月探测任务,受控撞月. In: clep.org.cn. 2. August 2019, abgerufen am 8. August 2019 (chinesisch).
  10. a b Pioneering astronomy. Abgerufen am 10. Dezember 2018.
  11. a b c d The scientific objectives and payloads of Chang’E−4 mission. In: Planetary and Space Science. Band 162, 1. November 2018, ISSN 0032-0633, S. 207–215, doi:10.1016/j.pss.2018.02.011 (sciencedirect.com [abgerufen am 10. Dezember 2018]).
  12. Chang'e-4 lunar far side satellite named 'magpie bridge' from folklore tale of lovers crossing the Milky Way. Abgerufen am 10. Dezember 2018.
  13. 赵磊: 探月工程嫦娥四号探测器成功发射,开启人类首次月球背面软着陆探测之旅. In: http://cn.chinadaily.com.cn. 8. Dezember 2018, abgerufen am 6. Januar 2019 (chinesisch).
  14. Chang’e 3, 4 (CE 3, 4) / Yutu. Abgerufen am 10. Dezember 2018.
  15. Roboter an Bord der "Chang'e 4": Chinas Mond-Rover rollt los - spiegel.de
  16. 倪伟: “嫦娥四号”月球车首亮相面向全球征名 年底奔月. In: http://www.xinhuanet.com. 16. August 2018, abgerufen am 6. Januar 2019 (chinesisch).
  17. 祝梅: 浙江大学光电科学与工程学院教授徐之海—我向宇宙奔跑不停步. In: zjnews.zjol.com.cn. 8. Februar 2019, abgerufen am 29. April 2019 (chinesisch).
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