Sadduzäer
Die Sadduzäer (hebr. צְדוֹקִים Ṣəḏōqīm, gr. Σαδδουκαῖοι Saddoukaîoi) waren eine Gruppe des Judentums in Israel zur Zeit des Zweiten Tempels.
Überlieferung
Es existieren keine Texte, deren sadduzäischer Ursprung unbestritten ist. Die verfügbaren Informationen stammen aus beschreibenden Quellen. Flavius Josephus, das Neue Testament und rabbinische Texte berichten aus unterschiedlichen Gründen über die Sadduzäer.[1] Über den „Ursprung der Sadokäer und Boëthosäer“ schrieb Eduard Baneth seine Doktorarbeit (Leipzig, 1881).
Josephus berichtet an zwei Stellen über die Sadduzäer und konzipiert sie dabei als philosophische Schule. Er kontrastiert sie mit den Pharisäern und gibt an, die Sadduzäer leugneten das Schicksal, das Eingreifen Gottes in die menschlichen Angelegenheiten und die Fortdauer der Seele.[2] Zudem erkennen sie nur das „Gesetz“ an. Damit ist wohl gemeint, dass die (schriftliche) Tora (die fünf Bücher Mose) die einzige Grundlage religiöser Autorität sein soll, im Gegensatz den Propheten und Ketuvim und zur mündlichen Überlieferung. Die Sadduzäerfrage (auch: Auferstehungsfrage) bezeichnet eine Frage, die in den synoptischen Evangelien der christlichen Bibel überliefert ist (Mk 12,18–27 EU, Mt 22,23–33 EU, Lk 20,27–40 EU).
Die Sadduzäer gehörten nach Josephus den höheren Gesellschaftsschichten an. Das Neue Testament zeigt sie im Umfeld der Priesteraristokratie. Es ist aber nicht klar, ob etwa die Priesteraristokratie grundsätzlich oder auch nur in der Mehrzahl der Fälle aus Sadduzäern bestanden habe.
Ursprung und Entwicklung der Sadduzäer liegen im Dunkeln. Nach einigen Forschern stehen sie in einem engeren Zusammenhang mit den Zadokiden. Nach einer in der alttestamentlichen Forschung gängigen Theorie stellte diese Gruppe, die in der Bibel nur bei Ezechiel genannt wird und dort „Söhne Zadoks“ (בני צדוק) heißt, die Hohenpriester am Jerusalemer Tempel. Die Theorie setzt voraus, dass Zadok, der Priester Davids und Stammvater der vermuteten Dynastie, dem Namen „Sadduzäer“ zugrunde liege. Andere Forscher lehnen dies ab oder halten einen Zadok, der nicht „der“ Zadok gewesen sei, für den Gründer der Sekte. Letztlich ist das Problem philologisch nicht eindeutig zu lösen. Eine andere Theorie geht davon aus, die Sadduzäer seien um 150 v. Chr. entstanden, weil Josephus sie für diese Zeit erstmals nennt; da es sich bei der Nennung (in den Antiquitates Judaicae) aber um einen Exkurs handelt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass Josephus ihre Entstehung in diese Zeit setzt. Zudem stellt er seinen anderen Sadduzäerexkurs (im Bellum Judaicum) in den Kontext des frühen 1. Jahrhunderts n. Chr. Nach anderen entstanden die Sadduzäer erst Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. oder sogar erst im 1. Jahrhundert n. Chr.
Josephus berichtet allerdings, Johannes Hyrkanos I. habe sich Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. von den Pharisäern losgesagt und den Sadduzäern angeschlossen. Eine weiterhin von Teilen der Forschung vertretene Theorie verbindet die Sadduzäer mit den Schriften von Qumran. Die Schriften kennen eine Gruppe namens „Söhne Zadoks“ und weisen in der Gesetzesauslegung Parallelen zu dem auf, was die späteren rabbinischen Quellen als sadduzäische Auffassung bezeichnen. Was dieser Befund jedoch aussagen kann, ist umstritten.
Das Ende der Sadduzäer hat man oft mit der Zerstörung des Tempels 70 n. Chr. in Verbindung gebracht, weil man annahm, die Sadduzäer seien als Tempelaristokratie zu bezeichnen. Das ist jedoch nicht beweisbar, zudem gab es auch nach 70 noch jüdische Priester. Da zudem die rabbinischen Texte gegen die Sadduzäer polemisieren, ist es nicht unwahrscheinlich, dass es auch nach 70 noch Menschen gegeben hat, die sich Sadduzäer nannten.
Siehe auch
Literatur
- Ernst Bammel: Sadduzäer und Sadokiden. In: Ephemerides Theologicae Lovanienses 55, 1979, S. 107–115. Neu abgedruckt in: Ders.: Judaica. Kleine Schriften I (= Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament; 37). Mohr, Tübingen 1986, ISBN 3-16-144971-1, S. 117–126.
- Albert I. Baumgarten: The flourishing of Jewish sects in the Maccabean era. An interpretation (= Supplements to the Journal for the Study of Judaism; 55). Brill, Leiden, 1997, ISBN 978-90-04-10751-9.
- Martin Goodman: The Place of the Sadducees in First-Century Judaism. In: Fabian E. Udoh, Susannah Heschel, Mark A. Chancey, Gregory Tatum (Hrsg.): Redefining First-Century Jewish and Christian Identities. Essays in Honor of Ed Parish Sanders. University of Notre Dame Press, Notre Dame 2008, ISBN 978-0-268-04453-4, S. 139–152.
- Jonathan Klawans: Sadducees, Zadokites, and the Wisdom of Ben Sira. In: David B. Capes, April D. DeConick, Helen K. Bond, Troy A. Miller (Hrsg.): Israel’s God and Rebecca’s Children. Christology and Community in Early Judaism and Christianity. Essays in Honor of Larry W. Hurtado and Alan F. Segal. Baylor University Press, Waco 2007, ISBN 978-1-60258-026-8, S. 261–276.
- Eyal Regev: Were the Priests all the Same? Qumranic Halakhah in Comparison with Sadducean Halakhah. In: Dead Sea Discoveries 12, 2005, S. 158–188.
- Günter Stemberger: Pharisäer, Sadduzäer, Essener. Fragen, Fakten, Hintergründe. Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-460-30030-9.
- Hans-Friedrich Weiß: Sadduzäer. In: Theologische Realenzyklopädie (TRE). Band 29, de Gruyter, Berlin / New York 1998, ISBN 3-11-016127-3, S. 589–594 (ausführliche Literaturhinweise).
- René Gehring: Die antiken jüdischen Religionsparteien. Essener, Pharisäer, Sadduzäer, Zeloten und Therapeuten (= Schriften der Forschung: Historische Theologie, Bd. 2.) St. Peter/Hart 2012, ISBN 978-3-900160-86-9.
Einzelnachweise
- ↑ Klaus-Michael Bull: Die Sadduzäer. In: Bibelkunde des Neuen Testaments. Die kanonischen Schriften und die Apostolischen Väter. Überblicke – Themakapitel – Glossar. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. 8. Auflage, 2018, abgerufen am 3. April 2022 (wiedergegeben auf Bibelwissenschaft.de).
- ↑ Flavius Josephus: Jüdischer Krieg (DjVu) auf Wikisource. Übersetzt von Philipp Kohout. Quirin Haslingers Verlag, Linz 1901, S. 165.