Alt-Otzenrath

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(Alt-)Otzenrath
Gemeinde Stadt Jüchen
Koordinaten: 51° 4′ N, 6° 28′ OKoordinaten: 51° 4′ 14″ N, 6° 27′ 52″ O
Höhe: ca. 90 m
Einwohner: (30. Juni 2010)
Eingemeindung: 1. Januar 1975
Postleitzahl: 41363
Vorwahl: 02164
Karte
Lage des ehemaligen Ortes Otzenrath im Rheinischen Braunkohlerevier
Otzenrath und Nachbarorte auf der Tranchotkarte um 1806
Blick auf Alt-Otzenrath mit Abraumbagger am Dorfrand im November 2006

Otzenrath war ein Ortsteil der damaligen Gemeinde Jüchen im Rhein-Kreis Neuss in Nordrhein-Westfalen. Otzenrath musste dem Tagebau Garzweiler der RWE Power weichen und wurde mit dem benachbarten Dorf Alt-Spenrath gemeinsam nach (Neu)-Otzenrath bzw. (Neu)-Spenrath umgesiedelt. Während der Umsiedlung und wenn aus dem Kontext nicht klar wird, ob der alte oder neue Ort gemeint ist, wird von Alt-Otzenrath gesprochen.

Geplantes Abbaugebiet Garzweiler II

Alt-Otzenrath grenzte im Norden an Alt-Holz, im Osten an Alt-Garzweiler, im Süden an die Dörfer Alt-Spenrath und Pesch sowie im Westen an Borschemich. Alle Nachbarorte von Alt-Otzenrath befanden sich ebenfalls im Abbaugebiet des Tagebau Garzweiler und wurden somit ebenfalls umgesiedelt und abgerissen.
Die Köhm floss aus Richtung Alt-Garzweiler nördlich am Rand von Alt-Otzenrath vorbei in Richtung Borschemich zur späteren Mündung in die Niers.

Unter dem Namen „Osrotha“ wurde das Dorf erstmals im 11. Jahrhundert urkundlich erwähnt. Politisch gehörte Otzenrath seit dem Mittelalter zum Amt Grevenbroich im Herzogtum Jülich.

Gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges fielen 1642 hessische Truppen ein und brannten 16 Häuser nieder. Nach dem Krieg wohnten in Otzenrath noch 54 Familien.[1]

1794 wurde der Ort von französischen Revolutionstruppen besetzt. Otzenrath kam an die Mairie Neukirch im Kanton Odenkirchen im Arrondissement de Crévelt im Département de la Roer. 1815 kam Otzenrath an das Königreich Preußen und ein Jahr später an den Kreis Grevenbroich und an die Bürgermeisterei Neukirchen, die 1873 in Bürgermeisterei Hochneukirchen umbenannt wurden. 1929 kam der Ort an den Kreis Grevenbroich-Neuß. Seit dem 1. Januar 1975 ist Otzenrath ein Teil der Stadt Jüchen.[2]

Industrialisierung

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Vom BUND besetzte Otzenrather Obstwiese

Im Unterschied zu den benachbarten Dörfern war das alte Otzenrath industriell geprägt. Dazu trug der Anschluss an das Netz der Bergisch-Märkischen Eisenbahn-Gesellschaft bei, die am 1. Oktober 1873 die Strecke Hochneukirch-Jülich (Talbahnlinie) eröffnete. Otzenrath erhielt nun einen eigenen Bahnhof. Die 1882 verstaatlichte Strecke war bis zur Stilllegung am 1. Juni 1980 in Betrieb.

1876 wurde die „Mechanische Kleiderfabrik, Weberei und Zwirnerei Bausch“ gegründet, für die Otzenrath bis zum Zweiten Weltkrieg bekannt war. 1885 beschäftigte sie bereits 125 Arbeiter. Eine weitere Kleiderfabrik gründete Gerhard Dürselen im Jahr 1892. Hier arbeiteten 1968 450 Arbeiter.[3] Um 1900 siedelte sich die Textilfirma Schniewind im Ort an und beschäftigte 1912 181 Arbeitskräfte.[4]

Protest und Umsiedlung

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Seit den 1980er Jahren musste sich die Gemeinde mit den Umsiedlungsplänen des Tagebaubetreibers Rheinbraun auseinandersetzen und protestierte u. a. mit Lichterketten in den Jahren 1985 und 1987. Eine Bürgerbefragung befürwortete 1995 eine Klage der Gemeinde Jüchen vor dem Verfassungsgerichtshof Münster, die aber abgewiesen wurde. Im Jahr 2000 begann die Umsiedlung der meisten Bewohner (etwa 80 Prozent) an den neuen Standort, die bis 2007 abgeschlossen wurde. Widerstand gegen den Tagebau demonstrierte zu Beginn des Jahres 2008 noch der BUND, der am nördlichen Ortsausgang am Grubenrand eine eigene Obstwiese bis zur Zwangsräumung besetzt hielt.[5] Im November 2008 waren alle Straßen im ehemaligen Ortsgebiet zurückgebaut, als letztes Gebäude war die Grundschule abgerissen worden. Zuletzt war nur noch der Sportplatz von Otzenrath an der westlichen Jahnstraße nach Borschemich erhalten und diente als Materiallager. Seit Ende 2011 besteht dieser auch nicht mehr und mittlerweile wurde die Ortslage Otzenrath komplett durch den Tagebau Garzweiler abgebaggert.

Alte evangelische Barockkirche von 1706

Der Ort lag in der evangelischen Kirchengemeinde Otzenrath-Hochneukirch. Anders als in den Dörfern Borschemich und Keyenberg hatte die Reformation in Otzenrath schon vor 1550 Fuß gefasst, wurde aber in der Zeit der Gegenreformation wieder eingeschränkt. Religionsfreiheit wurde erst nach dem Tod des Herzogs Johann Wilhelm gewährt. 1676 erhielt die Gemeinde schließlich den ersten reformierten Pastor. 1661 nutzte die evangelische Gemeinde eine Scheune als Gotteshaus, das 1706 durch einen barocken Neubau ersetzt wurde. Nach 1900 wurde dieser denkmalgeschützte Bau allerdings abgerissen, obwohl das Düsseldorfer Konsistorium den Abriss untersagt hatte. 1910 entstand die Jugendstilkirche, die bis zum Abriss des Ortes bestand.

1870 wurde die architektonisch eigenwillige katholische Pfarrkirche St. Simon und Judas Thaddäus nach Plänen von Hugo Schneider fertiggestellt.

Seit dem frühen 19. Jahrhundert lebten auch jüdische Familien in Otzenrath. 1832 wurden 23 und 1905 17 jüdische Otzenrather gezählt. Sie besuchten die Synagoge im benachbarten Garzweiler. Nur eine Überlebende des Holocaust kehrte in das Dorf zurück.[6][7]

Bevölkerungsentwicklung

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Mit der Industrialisierung stiegen auch die Einwohnerzahlen Otzenraths seit dem späten 19. Jahrhundert deutlich an:[8]

Rittergut Leuffen
Katholische Pfarrkirche mit Oktagon und Westwerk

Im alten Ort befanden sich folgende Bauwerke:

  • Die Evangelische Kirche wurde als Ersatz für einen barocken Vorgängerbau 1910 errichtet.
  • Die Katholische Pfarrkirche St. Simon und Judas Thaddäus war ein in Deutschland einzigartiges Bauwerk und bestand aus einem oktogonalen Kirchenschiff, in dem das Gewölbe nur von einer einzigen Säule aus Granit getragen wurde. Der Altarraum schloss sich östlich an das Oktagon an. Diese Baukörpergliederung war dem Aachener Dom nachempfunden. Am 18. Juni 2006 wurde in der Kirche der letzte Gottesdienst vor dem Abriss gehalten. Am 9. März 2007 folgte der Abriss des Gebäudes bis auf die Granitsäule. Diese wird in den Umsiedlungsstandort transportiert und neu aufgestellt. Weiterhin wurden einige Kirchenbänke und der Altar in die neue errichtete Kapelle in Neu-Otzenrath übernommen.
  • Das Rittergut Leuffen war eines der ältesten Anwesen in Otzenrath mit Ursprung im 13. Jahrhundert. Der Hof war einst Kapitelshof des Klosters Maria im Kapitol in Köln. Nach der Säkularisation der Klöster während der napoleonischen Besetzung Anfang des 19. Jahrhunderts wurde der Hof von der Familie Leuffen erworben. Ab 1871 durfte sich der Hof „Rittergut“ nennen. Nach einem Brand wurde an der Straße das zuletzt sichtbare „Schlösschen“ wie auch Teile der dazugehörigen Hofanlagen neu erbaut. Im Mai 2006 fanden im Innenhof und im Park des Gutes umfangreiche Grabungen des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege statt. Hierbei wurden u. a. frühere Hofanlagen freigelegt. Besonders unter der Scheune werden noch die Reste einer Burganlage aus dem 13. Jahrhundert vermutet. Das Rittergut Leuffen wurde am 26. Februar 2007 abgerissen.
  • Der Neuwerkerhof (Hofstraße 79) wurde im 12. Jahrhundert als Kapitelshof des Klosters Neuwerk (Mönchengladbach) erstmals erwähnt. Der große fränkische Vierkanthof wurde anfangs von einem Klosterhalfen bewirtschaftet. Der Hof brannte im 17. Jahrhundert nieder, wurde wiederaufgebaut und brannte erneut ab. Das später im Rahmen einer THW-Übung jedoch stark in Mitleidenschaft gezogene, Wohnhaus wurde 1778 errichtet, die übrigen Hofanlagen stammen teilweise aus den 1950er-Jahren.

Veranstaltungen

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  • Dorfgemeinschaft Otzenrath/Spenrath
  • Kolpingsfamilie Otzenrath
  • VfL 1909 eV Otzenrath
  • Spielverein 1909 Otzenrath e. V.
  • Pfadfinder DPSG Stamm Otzenrath
  • Peter Staatz: Die Geschichte von Otzenrath und Spenrath. Von den Anfängen bis zur Umsiedlung. (= Geschichte der Gemeinde Jüchen. 8). Klartext-Verlag, Essen 2008, ISBN 978-3-8375-0040-0.
  • Jürgen Kiltz: Hochneukirch, Holz, Otzenrath und Spenrath auf Ansichtskarten. (= Geschichte der Gemeinde Jüchen. Band 14). Hundt Druck, Köln 2015, ISBN 978-3-00-049507-6.

Einzelnachweise

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  1. Karl L. Mackes: Erkelenzer Börde und Niersquellengebiet. Kühlen, Mönchengladbach 1985, ISBN 3-87448-122-0, S. 325, 183.
  2. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart/Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 295 (Digitalisat in: Statistische Bibliothek des Bundes und der Länder [PDF]).
  3. Karl L. Mackes: Erkelenzer Börde und Niersquellengebiet. 1985, S. 118.
  4. Peter Staatz: Die Geschichte von Ortzenrath und Spenrath. 2008, S. 91.
  5. Trotz Zwangsräumung weiter Widerstand gegen Braunkohle. (Memento des Originals vom 12. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bund-nrw.de auf: bund-nrw.de 11. Januar 2008.
  6. Karl L. Mackes: Erkelenzer Börde und Niersquellengebiet. 1985, S. 430.
  7. Peter Saatz: Die Geschichte von Otzenrath und Spenrath. 2008, S. 142, 151.
  8. Einwohnerzahlen nach Peter Saatz: Die Geschichte von Otzenrath und Spenrath. 2008, S. 212.
  9. Inhalt Otzenrather Sprung
  10. PHOENIX-Dokumentarfilmpreis und Förderpreis 2009 verliehen. (Memento vom 27. Juni 2009 im Internet Archive) auf: phoenix.de, 2009.
  11. imdb.com
Commons: Otzenrath – Album mit Bildern
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Fotos von (Alt-)Otzenrath