Oskar Deutsch

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist die aktuelle Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 12. November 2024 um 14:40 Uhr durch Invisigoth67 (Diskussion | Beiträge) (form).
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Oskar Deutsch bei der Signierung eines seiner Bücher auf der Buch Wien 17

Oskar Deutsch (* 25. April 1963 in Wien)[1] ist ein österreichischer Unternehmer und seit 2012 Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien sowie des Bundesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden Österreichs.[2]

Deutsch besuchte die American International School in Wien und studierte an der Wirtschaftsuniversität Wien. Nachdem er in verschiedenen Positionen in der in Familienbesitz befindlichen Kaffeehandelsgesellschaft Alvorada in Vösendorf gearbeitet hatte, war er zuletzt Geschäftsführer.[3][4]

Seit 1993 ist Deutsch Mitglied des Kultusrats der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. 1997 war er gemeinsam mit Ariel Muzicant Mitbegründer der Wahlliste Atid („Jüdische Zukunft“).[4] 1999 wurde er Vizepräsident der Kultusgemeinde. Daneben ist er Vorsitzender des Sportclubs Maccabi Wien und war 2011 Leiter des Organisationskomitees der 13. Europäischen Makkabiade in Wien.

Nachdem Oskar Deutsch am 21. Februar 2012 als Nachfolger des zurückgetretenen Ariel Muzicant zum Präsidenten der IKG gewählt worden war, erfolgte die Bestätigung am 29. November 2012 durch den neu gewählten Kultusvorstand der IKG.[5] Überschattet wurde die Wahl Deutschs vom Hausverbot gegen Ronald Lauder vom World Jewish Congress, nachdem dieser angeblich den Gegnern Deutschs mit einer Geldspritze an die Macht verhelfen wollte. Am 13. Jänner 2013 wurde nach einer Aussöhnung zwischen Lauder und Deutsch das Hausverbot aufgehoben.[6]

Deutsch ist in seiner Präsidentschaft die Öffnung der Gemeinde hin zur nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft ein Anliegen. Er setzt sich gegenüber der Politik zudem für den Kampf gegen Antisemitismus und die Absicherung jüdischen Lebens in Wien ein. Seit 2020 beschäftigt die Gemeindeführung die andauernde Coronakrise. IKG-Präsident Deutsch und der Kultusvorstand bemühen sich hier einerseits durch die Einrichtung von unbürokratischen Hilfsfonds um die finanzielle Unterstützung von Gemeindemitgliedern, die durch die Lockdowns in existenzielle Probleme gekommen waren, andererseits um rasche Impfmöglichkeiten vor allem für ältere und vulnerable Gemeindemitglieder.[7]

Darüber hinaus ist die IKG seit Beginn des Krieges in der Ukraine sehr aktiv in der Hilfe für jüdische Geflüchtete.[8]

Am 11. Jänner 2023 wurde Oskar Deutsch mit 95,7 Prozent erneut zum Präsidenten der IKG gewählt.[9]

Politische Stellungnahmen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu Amnesty International

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachdem Amnesty International Israel in einem Bericht vom Februar 2022 Apartheid gegenüber den Palästinensern in den besetzten Gebieten und gegenüber den Palästinensern in Israel selbst vorgeworfen hatte,[10] erklärte Deutsch, der Apartheid-Vorwurf sei »so falsch wie die Brunnenvergifter-Lügen im Mittelalter« und Amnesty International verbreite damit »israelbezogenen Antisemitismus«.[11]

Zu antisemitischen Protesten in Wien und weiteren Vorfällen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel 2023 kam es auch in Wien zu Demonstrationen mit antisemitischen Parolen. Deutsch forderte, dass Demonstrationen, bei denen die Auslöschung Israels gefordert wird, untersagt werden. Juden und Jüdinnen in Österreich seien angesichts des wachsenden Antisemitismus sehr besorgt, „aber wir werden uns nicht einschüchtern lassen“, betonte er in der ORF-„Pressestunde“ im Oktober 2023. Manche hätten auch Angst, weil „ein bisschen“ versucht werde, den Krieg nach Europa und die ganze Welt zu bringen, berichtete der IKG-Präsident. Aber das jüdische Leben funktioniere mittlerweile auch dank der erhöhten Sicherheitsvorkehrungen wieder relativ normal, sagte Deutsch. Angesichts des derzeit lautesten Antisemitismus von muslimischer Seite mahnte Deutsch, den traditionellen rechten Antisemitismus in Österreich nicht zu vergessen. Scharfe Kritik übte er auch an der Grazer KPÖ. Deren Forderung nach Verhältnismäßigkeit könne Israel nur nachkommen, wenn es sein Raketenabwehrsystem „Iron Dome“ abschalten würde, damit es in Israel durch den Raketenbeschuss der Hamas genau so viele Opfer gebe wie in Gaza. Das beste Mittel gegen Antisemitismus sei jüdisches Leben und dessen Förderung. Die Bemühungen der Regierung im Kampf gegen den Antisemitismus begrüßte der IKG-Chef. Schärfere Strafen für antisemitische Vorfälle wie das Herunterreißen der israelischen Fahne würde er durchaus begrüßen.[12] IKG-Präsident Deutsch warnte nach der Präsentation der Antisemitismus-Meldestelle der IKG im Oktober 2024 vor einer Gewöhnung von Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen. Im ersten Halbjahr 2024 gab es laut der Stelle 808 Meldungen gegeben, was einer Zunahme um rund 160 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2023 entspreche. Vor allem der israelbezogene Antisemitismus stieg stark an. Deutsch erklärte in einem Statement: „Leider ist die Lage weiterhin bedrohlich und ununterbrochen bedrückend. Was nicht geschehen darf, ist, dass man sich an den grassierenden Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen gewöhnt.“ Alle politisch motivierten Akteure sollten sich nicht nur mit dem Hass der anderen beschäftigen, sondern im eigenen weltanschaulichen Lager aktiv werden und Verantwortung übernehmen.[13]

Zu Francesca Albanese

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Mai 2024 bezeichnete Deutsch die Menschenrechtsjuristin und UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese als »notorische Israel-Dämonisiererin und Antisemitin«.[14]

Als der israelische Philosoph Omri Boehm eingeladen wurde, im Rahmen der Wiener Festwochen eine Rede zu halten, sagte Deutsch, Boehm vertrete weder Israelis noch Juden und würde »Antisemiten in aller Welt den Weg ebnen«. Dass Boehm selbst jüdisch sei, ändere nichts, sagte Deutsch und zog einen Vergleich mit dem antisemitischen ehemaligen Wiener Bürgermeister Karl Lueger, der gesagt hatte: »Wer a Jud ist, bestimme ich.«[15]

Position zum FPÖ-Nationalratspräsidenten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der IKG-Präsident kündigte in einem Interview im November 2024 an, die Sitzungen des NS-Opferfonds zu boykottieren, solange Walter Rosenkranz dort den Vorsitz führt. Deutsch sieht auch ein Problem mit Rosenkranz' Funktion als Leiter des Nationalfonds für NS-Opfer und des Fonds für die jüdischen Friedhöfe. „Ich vertrete ja dort die Kultusgemeinde, sowohl im Nationalfonds als auch im Friedhofsfonds.“ Er könne nicht dabei sein, wenn der Präsidenten des Nationalrats, der deutschnationaler Burschenschafter ist, die Sitzungen der Fonds leite, sagte der IKG-Präsident. Selbiges gelte auch für die Vergabe des Simon-Wiesenthal-Preises gegen Antisemitismus, die mit dem Amt des Nationalratspräsidenten verbunden ist und somit künftig in Rosenkranz' Händen liegt. Der Simon-Wiesenthal-Preis war 2020 vom Nationalrat beschlossen worden. Die FPÖ hatte jedoch gegen die Benennung des Preises nach Simon Wiesenthal gestimmt, da Wiesenthal unter anderem aufgedeckt hatte, dass der frühere FPÖ-Chef Friedrich Peter ein SS-Offizier war.[16] Deutsch zeigte Verständnis für den Protest der Jüdische österreichische Hochschüler:innen gegen den FPÖ-Nationalratspräsidenten im November 2024. Sie hätten – im Gegensatz zu den Aussagen Rosenkranz’ – gewaltfrei protestiert, „und ich habe sie sehr gut verstanden“, sagte Deutsch.[17]

Commons: Oskar Deutsch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Der Standard: Ein Kaffeeröster führt die jüdische Gemeinde, 21. Februar 2012
  2. Israelitische Kultusgemeinde Wien: Oskar Deutsch ist neuer Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde. APA-Meldung vom 21. Februar 2012, abgerufen am 10. Mai 2015.
  3. Deutsch folgt Muzicant als Chef der Kultusgemeinde Die Presse vom 22. Februar 2012
  4. a b Israelitische Kultusgemeinde Wien/APA: Oskar Deutsch – Präsidium IKG Wien
  5. Israelitische Kultusgemeinde Wien: Leitung (Memento vom 24. Oktober 2020 im Internet Archive); abgerufen am 17. November 2017
  6. ORF: Konflikt zwischen Kultusgemeinde und Lauder gelöst; abgerufen am 17. November 2017
  7. Die IKG Wien :: Israelitische Kultusgemeinde Wien. Abgerufen am 27. Mai 2022.
  8. Wie die Kultusgemeinde Geflüchtete unterstützt :: Israelitische Kultusgemeinde Wien. Abgerufen am 27. Mai 2022.
  9. Oskar Deutsch mit 95,7% zum IKG-Präsidenten wiedergewählt. Abgerufen am 12. Januar 2023.
  10. Hagar Shezaf, Jonathan Lis, Jack Khoury: Amnesty Report Accuses Israel of Apartheid Against Palestinians, Including Its Own Citizens. In: Haaretz, 1. Februar 2022; Anshel Pfeffer: Israel’s Hysterical Response to Amnesty’s ‘Apartheid’ Report. In: Haaretz, 1. Februar 2022.
  11. Ben Dagan: Amnesty International droht Glaubwürdigkeit als Menschenrechtsorganisation zu verlieren APA-OTS (Israelitische Kultusgemeinde), 1. Februar 2022; Amnesty wirft Israel Apartheid vor Die Presse, 1. Februar 2022; Martina Paul: Raimund Löw: Mahmoud Abbas, der Holocaust und Palästina Falter, 19. August 2022.
  12. orf.at ORF: IKG-Präsident für strikteren Umgang mit Pro-Palästinenser-Demos vom 29. Oktober 2023.
  13. Redaktion/Agenturen: Antisemitismus: IKG registrierte Anstieg. 30. Oktober 2024, abgerufen am 7. November 2024.
  14. IKG: Häufung antisemitischer Vorfälle in Wien ORF, 2. Mai 2024.
  15. Eric Frey, Ronald Pohl, Clara Wutti: Farbattacke auf Edtstadler bei Antisemitismus-Konferenz, scharfe Kritik vor Boehm-Rede Der Standard, 6. Mai 2024.
  16. Redaktion: Kultusgemeinde will nichts mit Nationalratspräsident Rosenkranz zu tun haben. In: orf.at. 8. November 2024, abgerufen am 12. November 2024.
  17. Redaktion/Agenturen: IKG-Präsident sieht kaum Fortschritte. In: orf.at. 11. November 2024, abgerufen am 12. November 2024.