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Hwang Hye-seong (Koreanisch: 황혜성; Hanja: 黃慧性; * 5. Juli 1920 in Cheonan ; † 14. Dezember 2006 in Seoul), war eine koreanische Professorin, Autorin und Expertin der traditionellen Kochkunst des koreanischen Königshofs, die sie vor dem Aussterben bewahrte. Als Schülerin der letzten Hofdame der Joseon-Dynastie erlernte sie die Zubereitung der mündlich überlieferten Gerichte, übertrug nahezu vergessene Rezepte in das koreanische Alphabet und veröffentlichte sie in ihrem ersten Kochbuch Ein Leitfaden zur Hofküche der Yi-Dynastie (Koreanisch: 이조궁중요리통고; Hanja: 李朝宮廷料理通考). Durch Hwangs Engagement wurde die königliche Kochkunst der Joseon-Dynastie im Jahr 1971 vom Amt für Kulturerbeverwaltung als „Wichtiges Immaterielles Kulturerbe Nr. 38“ anerkannt. Daraufhin gründete Hwang das Institut der koreanischen königlichen Kochkunst und wurde 1973 zur Inhaberin des wichtigen immateriellen Kulturerbes Nr. 38 ernannt.

Leben

Jugend und Ausbildung

Hwang Hye-seong war die erste Tochter ihrer Eltern, die erst nach zehn Jahren Ehe geboren wurde und wuchs daher sehr behütet und umsorgt auf. Ihren Vater bezeichnete sie als ruhig, während ihre geschäftstüchtige Mutter die Mieten eintrieb und den familieneigenen Laden leitete. Aufgezogen wurde Hwang von ihrer Mutter, ihrer Großmutter mütterlicherseits, einer Amme, einem Kindermädchen und einem Mönch, den sie „kahle Mutter“ nannte.[1] Zunächst besuchte sie die Grundschule in Cheonan, wohin sie eigenen Angaben zufolge jeden Tag von einem Diener getragen wurde.[2] Sowohl ihre Mutter als auch ihre Großmutter legten großen Wert auf Bildung, da der Großvater Hwangs Mutter trotz aller Wohlhabenheit den Schulbesuch verweigert hatte. Da Hwang nach Abschluss der Grundschule auf die Mädchenschule in Gongju wechselte, die zu Fuß von Cheonan weit entfert war, kaufte ihre Großmutter ein Haus vor Ort. Ihre Mutter brachte sie mit dem Fahrrad zum Unterricht. Als sie zehn Jahre alt war, wurde ihr jüngerer Bruder geboren.

Auf Anregung ihrer älteren Cousine, die in Japan studierte, wurde auch Hwang dorthin geschickt und besuchte die Chikushi-Mädchenschule in Fukuoka. Trotz anfänglichem Heimweh und Schwierigkeiten mit dem Lernstoff lebte sie sich nach ihrem ersten Semester ein und übernahm einen Posten als Nachhilfelehrerin an der Schule ihrer Cousine. Hier kam sie das erste Mal mit Küchenarbeit in Berührung, da sie für die Kinder Zwischenmahlzeiten zubereiten musste. Trotz ihrer anfänglichen Angst vor den scharfen Küchenmessern entdeckte sie rasch ihre Liebe zum Kochen. Nach ihrem Schulabschluss entschied sie sich, an der berufsbildenden Schule in Kyoto Hauswirtschaft zu studieren und lernte dort über japanische und westliche Küche, allerdings nichts über koreanische.[3] Nach erfolgreichem Abschluss kehrte Hwang im Alter von 20 Jahren nach Korea zurück. In Daejeon war in der Zwischenzeit die Daedong High School für koreanische Mädchen gegründet worden und Hwang unterrichtete die Schülerinnen in Gymnastik und Radfahren.[1]

Recherche der koreanischen Hofküche

Nakseonjae, Residenz der Königsfamilie und Ausbildungsort Hwang Hye-seongs

Kurz nach Hwangs Rückkehr starb ihre Großmutter, in den beiden folgenden Jahren auch ihre Eltern. Um sich um ihren Bruder zu kümmern, kündigte Hwang ihre Stelle und übernahm die Leitung des Haushalts.

Im Jahr 1943 schlug der japanische Direktor Oda Shogo Hwang Hye-seong vor, an der Sookymyung-Universität für Frauen die Kochkunst der Joseon-Dynastie zu unterrichten, die vor dem Aussterben stand. Viele traditionelle Rezepte waren nur mündlich von den Hofdamen weitergegeben worden und durch die zunehmende Verarmung der Königsfamilie gab es kaum noch Höflinge. Hinzu kam die systematische Unterdrückung der koreanischen Kultur während der japanischen Herrschaft, weshalb es bislang für unnötig befunden worden war, koreanische Gerichte vor dem Vergessen zu bewahren.[4] Da sie selbst nur westliche und japanische Küche kannte, suchte Hwang die letzten Höflinge der koreanischen Königsfamilie auf, die in der Nakseonjae-Halle des Changdeokgung residierten.

Um von ihnen zu lernen, musste Hwang einige Schwierigkeiten überwinden. Zum einen wurde es in ihrem Umfeld als ungehörig betrachtet, dass eine junge Frau der Elite, die einen japanischen Universitätsabschluss hatte, unter einer koreanischen Hofdame arbeiten sollte.[5] Zum anderen begegneten ihr die Höflinge der königlichen Familie mit Ablehnung, bezeichneten sie als Außenseiterin und ließen nicht zu, dass sie Fragen stellte. Ihre ersten Eindrücke von der Zubereitung königlicher Gerichte sammelte Hwang daher durch bloße Beobachtung und Mitschreiben. „Zuerst hörten sie mir nicht zu, aber als ich hart arbeitete, fingen sie an, mir nach und nach etwas beizubringen“[6], erinnerte sie sich später. Schließlich nahm die Hofdame Han Hui-sun, die für die Zubereitung der Speisen zuständig war, Hwang als ihre Schülerin an. In den nächsten Jahrzehnten lernte Hwang nicht nur Rezepte, sondern auch, wie die Speisen traditionell auf Tischen angerichtet wurden, welche Utensilien zur Zubereitung benutzt wurden und welche Protokolle es beim Essen bei Hofe zu beachten galt.[7]

Han Hui-sun, letzte Hofdame der Joseon-Dynastie und Ausbilderin Hwang Hye-seongs

Während einer Evakuierung während des Koreakriegs verlor Hwang ihr Notizbuch mit den Rezepten.

Nach dem Koreakrieg veränderte sich koreanische Küche rapide und wurde stark vereinfacht, zum Teil aufgrund von Zeitmangel, zum Teil durch den US-amerikanischen Einfluss. Hwangs Kochbuch, das ausschließlich traditionelle Gerichte beinhaltete, war ein maßgeblicher Auslöser für ein neues Interesse an koreanischer Esskultur.[1] Hauptberuflich unterrichtete sie von 1959 bis 1967 an der Seoul National University und Myongji-Universität.

In den frühen 1960ern verstärkten sich die koreanischen Bemühungen, traditionelle Künste und Handwerke als immaterielles Kulturerbe zu schützen und vor dem Aussterben zu bewahren. Dazu wurden Personen, die diese Fertigkeiten beherrschten, als Inhaber von immateriellem Kulturerbe ernannt und staatlich in der Weitergabe ihrer Kunst gefördert.[7]

Ihre Recherche in alten Bibliotheken förderten die Schriftrollen Champumdanja und Chinch'an Uigwe zutage, die königliche Veranstaltungen und Feierlichkeiten mitsamt der servierten Speisen beschrieben. Da es noch nicht möglich war, die alten Dokumente maschinell zu vervielfältigen, schrieb Hwang sie teilweise von Hand ab.[1] Auch besuchte sie alte Menschen, um deren Erinnerungen an koreanische Gerichte zu sammeln und zu bewahren. Gleichzeitig arbeitete sie daran, die Rezepte so anzupassen, dass die traditionellen Gerichte mit modernen Küchengeräten hergestellt werden konnten.

Wichtiges Immaterielles Kulturerbe Nr. 38

Ab 1962 arbeitete sie daran, die königliche Hofküche als Wichtiges Immaterielles Kulturerbe anerkennen zu lassen.[1] Dabei stieß sie zunächst auf Widerstand, da Essen als Alltagskultur und nicht als Kulturerbe anerkannt wurde. Um das Amt für Kulturerbeverwaltung zu überzeugen, die Hofküche als schützenswertes Kulturerbe einzustufen, verfasste Hwang einen ausführlichen Bericht, in den sie über einhundert Rezepte und die alte Terminologie einfließen ließ. Darin nannte sie ihre Lehrerin Han Hui-sun die legitime Erbin der königlichen Kochkunst und befürwortete deren Ernennung zur Inhaberin eines immateriellem Kulturguts. Hwangs wissenschaftlicher Hintergrund sollte sich als ein entscheidender Faktor erweisen.

Beistelltisch mit königlichen Gerichten

Von 1967 bis 1972 lehrte Hwang als Professorin an der Hanyang-Universität. In dieser Zeit zeitigten ihre Bemühungen, die königliche Kochkunst als Kulturgut anerkennen zu lassen, schließlich Erfolg. Im Jahr 1971 wurde die königliche Hofküche der Joseon-Dynastie zum „Wichtigen immateriellen Kulturerbe Nr. 38“ erklärt und Hwangs Lehrerin Han Hui-sun als dessen Inhaberin zur Ersten Kunstschaffenden der königlichen Küche ernannt. Da die Klassifizierung zum Inhaber eines Kulturguts von sorgfältiger Recherche und gewissenhafter Überprüfung abhing, wird Hwang zugeschrieben, durch ihren wissenschaftlichen Bericht im Alleingang Hans Ernennung erreicht zu haben.[7] Noch im selben Jahr gründete Hwang das Institut der koreanischen königlichen Kochkunst, das zunächst in einem Einkaufszentrum nahe des Dongdaemun untergebracht wurde.[1] Da Hwang an der Hanyang-Universität eine Vollzeitstelle innehatte, erhielt sie im Institut Unterstützung durch ihre Töchter Han Bok-ryeo, Han Bok-seon und Han Bok-jin.[7] Im Dezember fand die erste Essensausstellung des Instituts statt, für die traditionelle Gerichte der Hofküche entsprechend der alten Aufzeichnungen arrangiert und dargeboten wurden.

Nach dem Tod Han Hui-suns im Jahr 1972 führte Hwang Hye-seong das Werk ihrer Lehrerin fort und wurde 1973 zur Zweiten Kunstschaffenden der königlichen Küche ernannt. Ihre Kenntnisse des Japanischen nutzte sie, um die koreanische Esskultur auch in Japan bekannt zu machen. Weitere Reisen führten sie in die Vereinigten Staaten und nach Europa.[1] Im Jahr 2000 führte sie die Aufsicht über die Vorbereitung des Staatsbanketts anlässlich des Treffens zwischen Kim Dae-jung und Kim Jong-il in Pjöngjang.[7]

„Königliche Küche ist kein luxuriöses Essen, es ist wissenschaftliches und schönes Essen. Das liegt daran, dass es mit den besten Zutaten der Saison und mit Fingerspitzengefühl zubereitet wird.”[1]

Im März 1991 eröffnete Hwang das nach wie vor bestehende Jihwaja-Restaurant in Seoul, das die Gerichte der königlichen Hofküche entsprechend ihrer Kochbücher zubereitet und serviert.[8]

1996 zog das Institut in ein Hanok nahe des Changdeokgung.

Trotz Hwangs unbestreitbarer Verdienste um die Bewahrung der koreanischen Hofküche gab es auch kritische Stimmen. Durch ihre Vernetzung mit der Regierung und geschickte Geschäftspraktiken hatten sich Hwang und ihre Familie eine Vormachtstellung in der Definition der traditionell koreanischen Kochkunst gesichert. Einigen Aussagen zufolge nutzte die Familie diese Machtposition, um Konkurrenten zu drängen, bei deren eigenen Kochkursen, Recherchen und Veröffentlichungen nicht den Begriff „königliche Kochkunst“ zu verwenden.[7] Zusätzlich tauchten Fragen zur Authentizität der Rezepte und aufgezeichneten Praktiken auf. So zweifelten Kritiker die Autorität Han Hui-sans an, da diese nicht die klassische Anzahl von Ausbildungsjahren am königlichen Hof absolviert hatte. Zudem praktizierte Han ihre Kochkunst während der japanischen Besetzung, als der koreanische Hof bereits unter deutlich eingeschränkten Bedingungen lebte und somit weniger Zeremonie walten ließ.[7]

Letzte Jahre

In den letzten Jahren vor ihrem Tod hatte sie Schwierigkeiten, sich zu bewegen.[5] Auch ihr Erinnerungsvermögen ließ nach, obwohl ihre älteste Tochter Han Bok-ryeo in einem Interview berichtete, ihre Mutter hätte nach wie vor passende Kochrezepte für besondere Anlässe auswendig gekannt. Nach ihrem Tod wurde Han Bok-ryeo als offizielle Nachfolgerin ihrer Mutter zur nächsten Inhaberin des Immateriellen Kulturguts ernannt.[7]

Auszeichnungen und Würdigungen

  • 1973: Ernennung zur Meisterin der königlichen Hofküche
  • 1985: Magnolienmedaille der Republik Korea für Bildungsverdienste[4]
  • 1986: Orden für zivile Verdienste
  • 1990: Orden für kulturelle Verdienste
  • 2006: Ehreninhaberin der Königlichen Hofküche der Joseon-Dynastie

Am 5. Juli 2020 erhielt Hwang Hye-seong ein Google Doodle zu ihrem 100. Geburtstag.[9]

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • 1957: Ein Leitfaden zur Hofküche der Yi-Dynastie(Hanja: 李朝宮廷料理通考)
  • 1976: Enzyklopädie der koreanischen Küche
  • 1985: Koreanischer Geschmack[4]
  • 1987: Koreanisches Essen
  • 1989: Traditionelles Essen Koreas
  • 1993: Königliches Essen der Joseon-Dynastie
  • 1997: Overall View of Korean Cuisine - 6th Food Life of the Court
  • 1998, Our Cuisine 100
  • Royal Court Cuisine
  • Esthetics of Korea (hanja: 韓國의 味覺)
  • Taste of the Tradition
  • The Time I Prepared 12 Dishes of Surasang
  • A Review Study of the Royal Banquet Menu on the 24th of King Kojong in Chosun Dynasty

„Koreanische Küche (koreanische Kultur)“ (1982) „Taste of Tradition“ (1985) „Koreanisches Essen“ (1987) „Traditionelles Essen Koreas“ (1989) „Palastessen der Joseon-Dynastie“ (1993) „Korean Food Tour – Band 6: Das Ernährungsleben des königlichen Hofes“ (1997) „100 Arten unserer Nahrung“ (1998) „Analytische Studie über Jinchan Uigwe Chanmul im 24. Jahr von König Gojong“


Literatur

  • Regina F. Bendix, Michaela Fenske: Politische Mahlzeiten. Political Meals. Lit Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-643-12688-7 (deutsch, englisch).
  • Okpyo Moon: Dining Elegance and Authenticity. Archaeology of Royal Court Cuisine in Korea. In: Re-orienting Cuisine. East Asian Foodways in the Twenty-First Century. Berghahn Books, New York 2015, ISBN 9781782385639
  • {Internetquelle |autor= |url= |titel= |werk= |hrsg= |datum=2024-MM-TT |abruf=2024-MM-TT}
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Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h Institute of Korean Royal Cuisine: Hwang Hye-sung's Lifelong Mission to Bring Royal Cuisine Back to Life. Google Arts and Culture, abgerufen am 21. November 2024.
  2. Hwang Hye-seong (1920~)/Wichtiges immaterielles Kulturgut Nr. 38, Experte für königliche Küche der Joseon-Dynastie (koreanisch) (Memento vom 2. April 2012 im Internet Archive)
  3. Yoo Ji-sang: Hwang Hye-seong, ein wichtiges immaterielles Kulturgut, stirbt (koreanisch). The Joongang, 14. Dezember 2006, abgerufen am 21. November 2024.
  4. a b c Jeong Hye-kyung: Hwang Hye-seong (koreanisch). Encyclopedia of Korean Culture, abgerufen am 21. November 2024.
  5. a b Verstorbene Hwang Hye-seong lebender Beweis unserer königlichen Küche (koreanisch) (Memento vom 2. April 2012 im Internet Archive)
  6. Kim Seon-hee: Hwang Hye-seong, lebender Beweis der königlichen Küche, stirbt (koreanisch). YTN, 14. Dezember 2006, abgerufen am 21. November 2024.
  7. a b c d e f g h Okpyo Moon: Dining Elegance and Authenticity. Archaeology of Royal Court Cuisine in Korea. In: Re-orienting Cuisine. East Asian Foodways in the Twenty-First Century. Berghahn Books 2015, S. 13–30
  8. JIHWAJA SEOUL. Jihwaja, abgerufen am 22. November 2024.
  9. Seo Jeong-Min: Google commemorates Hwang Hye-seong and Korean royal court cuisine. Korea JoongAng Daily, 14. Juli 2020, abgerufen am 21. November 2024.

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