Klaasohm

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Die Säule des Vereins Borkumer Jungens, von der die Klaasohms am 5. Dezember springen.

Klaasohm ist ein Brauch auf der Nordseeinsel Borkum, dessen Ursprung ungeklärt ist. Das Fest soll dem Zusammenhalt der Inselbewohner und ihrer Identitätsstiftung dienen und wird in der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember gefeiert. Ausgerichtet wird es von dem 1830 gegründeten Verein Borkumer Jungens.[1]

Ein Teil des Brauchs besteht darin, dass Einheimische junge Frauen jagen und festhalten. Anschließend erscheinen Männer, die als „Klaasohms“ verkleidet sind, und schlagen ihnen mit Kuhhörnern auf das Gesäß. Da dabei Gewalt gegen Frauen ausgeübt wird, steht dieses Ritual in der Kritik. Als Konsequenz kündigte der Verein 2024 an, auf den gewalttätigen Teil des Festes zu verzichten.

Varianten von Klaasohm finden sich unter anderen Namen auf den niederländischen Waddeneilanden.

Ursprung und Geschichte

Der Name „Klaasohm“ bedeutet Ohm (Onkel) Klaas (Klaus). Der Namensbestandteil Ohm war auf der Insel ein Zeichen der Ehrerbietung und wurde den Vornamen älterer, angesehener Personen angehängt. So nannte man den Dorfgeistlichen „Pastor-Ohm“.[2] Nikolaus war in Ostfriesland über lange Zeit das bedeutendste christliche Fest im Dezember. Erst im 19. Jahrhundert verlor es diesen Stellenwert zugunsten des Weihnachtsfestes. Auf den sechs Inseln von Texel bis Borkum jedoch behielt Nikolaus seine herausragende Bedeutung.[3][2] Dort wurde es ursprünglich nahezu identisch begangen, entwickelte sich dann aber aufgrund der Isolation auf den einzelnen Inseln unterschiedlich.[2]

Im Klaasohmfest mischen sich Elemente des Nikolausbrauchtums, wie es auch vom Festland her bekannt ist, mit Einsprengseln, möglicherweise Versatzstücken wesentlich älterer Tradition und Einflüssen, die von außerhalb mitgebracht wurden. Die Ursprünge des Nikolasufestes gehen auf die Kelten und Germanen zurück. Anhaltspunkte deuten auf den germanischen Totengott Wodan hin, den Anführer der Wilden Jagd.[4][5] Das ihm zu Ehren gefeierte Fest hatte bis auf das Datum keinerlei Ähnlichkeiten mit dem heutigen Nikolausfest.[2]

Das Nikolausfest ist das einzige Heiligenfest, das sich im reformierten Teil Ostfrieslands gehalten hat und dort sogar zu besonderer Blüte gelangte. Dazu beigetragen haben mag die Verbindung zum Wodansfest[5] und dass der Heilige Nikolaus von Myra unter anderem als Schutzpatron der Seeleute und als Nothelfer gegen Wassersnot verehrt wurde.

In der Zeit, als von Borkum aus noch Walfang betrieben wurde, waren die Männer meist monatelang auf hoher See unterwegs. Die Walfänger kehrten zwar spätestens Anfang Dezember, meist aber doch wesentlich früher für die Winterpause heim, so dass also die Feier der Rückkehr von den langen Strapazen auf hoher See nur ein Nebenaspekt gewesen sein dürfte.[6]

Manche Quellen behaupten, der Ritus sei aus der „Rückeroberung“ der Insel von den Frauen hervorgegangen, die während der langen Abwesenheit der Walfänger die „Macht“ in den Familien übernahmen. Sie hätten sich nun wieder den heimgekehrten Männern unterzuordnen, was diese mit einem Hieb auf das Gesäß der Frauen nachdrücklich demonstrierten.[7] Dies ist aber offenbar als Erfundene Tradition einzuordnen. Eine der ältesten Beschreibungen des Brauchs findet sich in dem 1897 erschienenen Buch des Hauptlehrers B. Huismann: Die Nordseeinsel Borkum einst und jetzt.[8] Danach war zu der Zeit der Brauch noch näher an Knecht Ruprecht bzw. Zwarte Piet angelehnt. So wurden Kinder nach ihrem Benehmen befragt, mussten etwas aufsagen und wurden dann belohnt. Die später übliche Gewalt gegen Frauen wird nicht erwähnt. Lediglich die Gestalt Frau Klaasohm (heute Wiefke) habe danach mitunter „etwa eine neugierige Dienstmagd oder einen arglosen Gast mit Mehl weiß gepudert“.[9] Die Borkumer Kulturwissenschaftlerin Andrea Akkermann schreibt dagegen, dass die Nikolausfeierlichkeiten auf den Inseln ein reines Männerfest waren, das strenge Regeln für Frauen mit sich brachte. Sie durften an diesem Abend die Straßen nicht betreten, andernfalls wurden sie mit Schlägen bestraft. Während diese Regelung auf den meisten Inseln im Laufe der Zeit entweder abgeschafft oder deutlich gelockert wurde, verschärfte man sie laut Akkermann auf Borkum sogar noch.[2] Im Übrigen hält Akkermann die „Walfänger-Theorie“ für nicht glaubhaft und begründet das mit der Tatsache, dass Walfänger Monate vor dem auf den 5. Dezember terminierten Fest vom Walfang zurückkehren und sich nicht erklären ließe, warum sie, wenn sie denn ihre Rückkehr feiern wollten, damit so lange warten sollten.

Bisher ist Klaasohm lediglich während des Zweiten Weltkrieges[2] sowie während der Corona-Pandemie 2020 und 2021[10] nicht gefeiert worden.

Verkleidung

Die Klaasohms tragen einen weißen Kittel mit roten Streifen sowie den Skebellenskopp (auch: Scherbellenskopp. Ostfriesisches Niederdeutsch: fratzenhafte Maske (zur Verkleidung))[11], einen bis zu einem Meter hohen, tonnenförmigen Helm, der mit Schafspelz bezogen und mit Federn und Möwenflügeln beklebt ist.[2] Neben kleinen Augenöffnungen besitzen die Helme auch eine Trinköffnung.

Das Wiefke (Ostfriesisches Niederdeutsch: Weibchen)[12] ist mit einem Rock und einer weißen Schürze sowie einer Maske aus Seehundsfell bekleidet und soll eine Frau darstellen. Klaasohms und Wiefke sind zudem mit Kuhhörnern ausgerüstet.[2]

Ablauf

Das 1872 erbaute Große Kaap

Der Legende nach liegt der Klaasohm das ganze Jahr über unter dem Großen Kaap vergraben,[13] von wo aus er am Abend des 5. Dezember aufbricht.[2]

Beim nächtlichen Geschehen gehen sechs als „Klaasohm“ verkleidete junge ledige Männer vom Verein Borkumer Jungens – jeweils zwei kleine (im Alter von 15 bis 16 Jahren), mittlere (18 bis 20 Jahre alt) und große (älter als 20 Jahre)[8] sowie ein weiterer in der Rolle des Wiefke, der den großen Klaasohm begleitet – auf der Insel um.[14] Welche jungen Männer als Klaasohms umgehen, wird selbst ihnen erst im letzten Augenblick mitgeteilt und streng geheim gehalten.

Nachdem die Klaasohms der drei Gruppen an verschiedenen Orten eingekleidet wurden, ziehen sie unter großem Lärmen mit ihren Begleitern zur großen Betriebshalle der Borkumer Kleinbahn, in der eine Bühne aufgebaut ist, auf der unter Ausschluss von Frauen und Fremden (Zutritt haben nur auf Borkum geborene Männer und Fotografieren oder Filmen ist dabei verboten[15]) in ritualisierten Kämpfen (einer Art Ringkampf)[16] entschieden wird, wer für dieses Jahr die Führung übernimmt – die festgelegte Rollenverteilung wird dabei nicht verändert. Zunächst kämpft der „Kleine Klaasohm“ gegen den „Middel“ und dann gegen den Großen, dann der Middel gegen den Großen. Dazu singt der Männerchor.[17] Dabei ist festgelegt, dass „der große den mittleren und den kleinen, sowie der mittlere den kleinen Klaasohm besiegen muß.“ Gelingt dies nicht, wird der Verlierer ausgewechselt und darf nicht länger Klaasohm sein.[2]

Anschließend beginnt der Zug über die Insel. Dabei kehren die Klaasohms je nach Altersklasse über verschiedene Routen in Restaurants, Kneipen und Wohnhäuser sowie in das Altenheim und das Krankenhaus ein. Dabei dürfen sich die Klaasohm-Gruppen nicht begegnen.[2]

Da der Klaasohm selbst wenig sieht, hat er jeweils einen Führer, der ihm den richtigen Weg weist, und mehrere Fänger, die sogenannten Biloper (hochdeutsch Mitläufer), die ihm helfen, die jungen Frauen einzufangen. Diese Fänger halten die Frauen dann fest, bis als Klaasohms verkleidete Männer kommen und ihnen unter dem Beifall der Zuschauer mit Kuhhörnern auf das Gesäß schlagen. Kinder und Mütter sind hiervon üblicherweise ausgenommen. Betroffene Frauen, die von einem Klaasohm geschlagen wurden, berichten von erheblichen Schmerzen[18][19][20] und großflächigen Hämatomen.[21][22] Bis in die 1990er-Jahre seien die Kuhhörner mit Sand gefüllt gewesen.[23] Die Frauen erhalten „Moppe“, eine Art hartes Honigkuchengebäck. Neben den Klaasohms geht an Klaasohm auch das Wiefke um, ein als Frau verkleideter junger Mann, der sich besonders wild gebärdet.

Abschluss des Klaasohm-Fests: der Sprung von der vereinseigenen Säule in der Westerstraße in die versammelte Menschenmenge (1999)

Der Umzug der Klaasohms endet traditionell in der Ortsmitte, auf einem seiner Form nach „D“ genannten Platz in der Westerstraße. Auf diesem Platz befindet sich die aus Ziegelsteinen errichtete Säule der „Borkumer Jungens“, von der zum Abschluss des Festes alle Klaasohms sowie zuletzt das Wiefke in die unten versammelte Menschenmenge springen, von der sie aufgefangen werden. Vor ihrem Sprung in die Menschenmenge werden die einzelnen Klaasohms und meist in besonderem Maße das Wiefke vom Publikum bejubelt. Anschließend kehren die Klaasohms zum Vereinslokal zurück, wo sie ihre Kostüme ablegen.[2]

In den Wochen vor dem Klaasohm findet der Kinder-Klaasohm statt.[24][25]

Varianten des Brauches in den Niederlanden

Auf den bewohnten Inseln im niederländischen Wattenmeer werden ebenfalls rund um den 5. Dezember traditionelle Feste gefeiert, die Ähnlichkeiten mit Klaasohm aufweisen: Klozum auf Schiermonnikoog, Sunneklaas auf Ameland, Sunderum auf Terschelling und Opkleden auf Vlieland. Auf Texel findet – erst am 12. Dezember – Ouwe Sunderklaas statt.[26] Auf den Inseln gilt das Fest als Feier von den Insulanern und für die Insulaner, für die sogar viele ehemalige Inselbewohner einmal im Jahr an ihren Heimatort zurückkehren. Auswärtige oder Touristen sind meist unerwünscht.[2] Laut dem niederländischen Volkskundler Bert van Zantwijk sind die Feierlichkeiten auf Borkum und auf der niederländischen Watteninsel Ameland den Ursprüngen am nächsten geblieben.[27] Ursprünglich war Klaasohm auf den Inseln ein reines Männerfest. Frauen durften sich an diesem Abend nicht auf der Straße sehen lassen. Wer dennoch das Haus verließ, riskierte, mit Schlägen bestraft zu werden. Während ähnliche Traditionen auf anderen Inseln mittlerweile entweder abgeschafft oder abgemildert wurden, hält man auf Borkum weiterhin an dieser strengen Regelung fest – und hat sie sogar verschärft.[2] Frauen, die draußen auf der Straße oder in einem der besuchten Häuser in die Nähe der Klaasohms oder der Vereinsmitglieder geraten, werden von den Klaasohms mit ihren Kuhhörnern geschlagen.

Rezeption und Kritik

Jan Rübel wies 2013 unter dem Titel Hei kummt Klaasohm! in seinem von Edgar Herbst bebilderten Artikel in der Zeitschrift Mare darauf hin, dass Gewalt gegen Frauen „bis weit ins 19. Jahrhundert zu vielen Festen in Deutschland“ wie der alemannischen Fastnacht oder dem Nürnberger Schembartlauf gehörte: „Jungmännerbünde beanspruchten immer und überall das Maskenrecht, und wo verkleidete Männer mit Peitschen feierten, ging es stets gegen die Frauen“. Die Volkskunde berichte „über diese Vergangenheit kaum“, Gewalt bleibe der „blinde Fleck ihrer Forschung“.[23]

Im Jahr 2022 befasste sich Jan Böhmermann in seinem ZDF Magazin Royale mit deutschen Traditionen. An zweiter Stelle ging es um Klaasohm.[28]

In einem Beitrag von STRG_F und Panorama wurden im November 2024 die Vorgänge des Klaasohm auf Borkum 2023 beleuchtet. Die Reporter filmten, wie Frauen festgehalten und von verkleideten Männern geschlagen wurden. Daraufhin wurden die Reporter bedroht und verjagt. Anonyme Zeugen berichteten in diesem Zusammenhang von einem „Klima der Angst“ auf der Insel. Weder Polizei noch Bürgermeister oder die Gleichstellungsbeauftragte auf Borkum wollten sich gegenüber der Presse äußern. Hendrik Zörner vom Deutschen Journalisten-Verband sprach von einem Schweigekartell und bezeichnete die Behinderung der Pressearbeit als „möglicherweise rechtswidrig“.[29][30] Der Versuch einer Dokumentation im Jahr 1987 musste aufgrund der aggressiven Reaktionen der Einheimischen abgebrochen werden, wie der damalige Reporter dem Panorama-Team 2024 berichtete.

Ein Teil der Insulaner, darunter der Verein Borkumer Jungens,[31] Bürgermeister, Polizei, Lokalzeitung und Gleichstellungsbeauftragte, lehnt die Presseberichterstattung[32][33][34] ab und bemüht sich, die Veranstaltung vor öffentlicher Kritik zu schützen. In der Vergangenheit gab es Aufrufe, unter anderem in der Borkumer Zeitung, den „Bekanntheitsgrad der Tradition gering zu halten“, „damit Klaasohm den Borkumern als höchster Feiertag und identitätsstiftendes Fest auch erhalten bleibt“.[35] Teilnehmer der Veranstaltung behinderten Journalisten unter Androhung von Gewalt mehrfach, den Brauch zu dokumentieren.[35][30][36] Diese Behinderung einer medialen Berichterstattung wird inzwischen teilweise kritisch betrachtet und soll geändert werden.[31]

Viele Frauen lassen sich trotz des Ablaufs des Festes nicht nehmen, am Klaasohm-Abend das Haus zu verlassen.[2] Die Polizei meldete 2024, es seien in den zurückliegenden fünf Jahren keine Anzeigen von Frauen im Zusammenhang mit den Klaasohm-Feierlichkeiten eingegangen. Dabei wurden jedoch keine Angaben zur vermuteten Dunkelziffer gemacht.[37]

Reaktionen auf die Berichterstattung 2024

Nachdem der das Fest organisierende Verein Borkumer Jungens und Bürgermeister Jürgen Akkermann nicht bereit gewesen waren, mit den Reportern während ihrer Recherche zu sprechen, wurde auf die Berichterstattung vom 26. November 2024 öffentlich reagiert, wie der NDR am 29. November 2024 berichtete.[38] Der Verein habe „ein Statement“ veröffentlicht und darin seine Entscheidung mitgeteilt, „den Brauch des Schlagens vollständig abzuschaffen“. Man lehne Gewalt ab, distanziere und entschuldige sich „für die historisch gewachsenen Handlungen der vergangenen Jahre, insbesondere für die Gewaltausübung der jüngeren Vergangenheit“.

Miguel Sanches, Chefkorrespondent der Berliner Morgenpost, erinnerte daran, dass in der Reportage mit Thomas Hauschild ein Ethnologe zu dem Brauch befragt wurde. Die „Identität der Borkumer müsse eingeübt werden“, doch warum dafür Frauen verprügelt werden müssten, wusste er laut Sanches „auch nicht so recht“.[39]

Ebenfalls am 29. November gab die Stadt Borkum eine offizielle Erklärung heraus, die der Verein als Verfasser wortgleich auf einer Webplattform veröffentlichte, in der man sich gegen die Berichterstattung verwahrte.[40] Die Vorwürfe wurden pauschal erhoben und im Einzelnen nicht benannt, die Veröffentlichung kommt einer Art Gegendarstellung gleich. Man sehe sich nach einem Shitstorm in den sozialen Medien mit „Urlaubsabsagen konfrontiert“. Überdies würden „Insulanerinnen und Insulaner […] ohne tiefergehende Kenntnisse persönlich angefeindet“. Es sei „von größter Bedeutung, dass Klaasohm nicht zu einem öffentlichen Festival für Außenstehende“ werde – „weder für Kritiker noch für Befürworter“. Die Reportage habe „ein verzerrtes Bild des Festes“ gezeichnet und enthalte „zahlreiche journalistische Ungenauigkeiten“. Allerdings verstehe man laut Bürgermeister Akkermann, dass „nicht jeder Außenstehende diese Tradition nachvollziehen“ könne. Der Vereinsvorstand sehe seine „Zurückhaltung“ inzwischen kritisch, man hätte „von vornherein unterstützend mitwirken können“.[40] Als Bürgermeister habe Akkermann Vorwürfe erhoben, „die Berichterstattung sei tendenziös und unseriös gewesen“, positive Stimmen „seien nicht zu Wort gekommen“. Dabei werde jedoch verschwiegen, dass sämtliche „Interviewanfragen abgesagt“ wurden und Fürsprecher ihre Zusage zur Veröffentlichung zurückgezogen hatten,[38] wie in der Reportage mitgeteilt wurde.

Während das Video auf YouTube am 30. November 2024 – dem Tag des Uploads – mehr als 400.000 Aufrufe und „hohe Reichweiten in den sozialen Netzwerken“[41] erzielt hatte (vier Tage später war die Abrufzahl auf eine Million gestiegen[42]), informierte ein Polizeisprecher, die „Veranstaltung werde mit zahlreichen Einsatzkräften begleitet“[41] – man „fahre eine Null-Toleranz-Linie“,[43] – und ermutigte betroffene Frauen, keine Angst zu haben und „Strafanzeige zu stellen“.[44]

Am 1. Dezember 2024 versammelten sich etwa 200 Borkumerinnen zu einer Demonstration, in der sie sich unter lautstarkem Blasen in Kuhhörner für den Erhalt des Festes aussprachen.[45][46] Am 2. Dezember berichtete das Fernsehmagazin Brisant, unter anderen kamen der Bürgermeister und der Vereinsvorsitzende zu Wort.[47]

Als sogenanntes Leitmedium griff die FAZ das Thema am 3. Dezember auf und ließ eine Borkumerin über ihre Erfahrungen mit dem Fest berichten.[48] Sie wollte jedoch, obwohl nicht mehr auf Borkum lebend, nur anonym Stellung nehmen, um ihre Familie zu schützen. Der Klaasohm halte von Emanzipation nichts. Nur, wer in den Verein eintrete, könne Klaasohm werden, insofern müsse niemand mitmachen, doch wer es tut, sei „natürlich der Größte“. Das Fest beginne am Nachmittag „komplett friedlich“, Eltern seien mit ihren Kindern da, es werde „mit den Klaasohms getanzt“. Nach dem Kampf der Männer hinter verschlossenen Türen werde wieder öffentlich „viel getanzt, geklönt, rumgeschrien, gefeiert“. Wenn dann die Klaasohms auf ihrer „festgelegten Route“ durch die Stadt ziehen, gehe „das Verkloppen los“. Das Schlagen würden viele „als normal“ empfinden, zumal sie „vielleicht auch nie schlimme Erfahrungen gemacht“ hätten. Andere hätten „Schlimmes erlebt“ und es seien „nicht nur Ausnahmen“. Auch sollten es „nur drei Schläge sein“, häufig aber werde „viel öfter zugeschlagen“. Früher wurde eine Frau, wenn sie sich besonders wehrte, „aufgespannt“. Dabei wurde sie an Armen und Beinen auf eine Weise festgehalten, dass sie „in der Luft hängt“ und sich nicht mehr „bewegen oder wehren“ konnte. Allerdings sei so etwas nicht allzu oft vorgekommen und werde heute wohl nicht mehr praktiziert. Viele Frauen würden extra Sport betreiben, um sich für Klaasohm fit zu machen, weil sie das Fest „toll finden“. Die Behauptung, „das Schlagen sei nur ‚minimaler Bestandteil‘“[49] des Brauchs gewesen, hielt die Interviewte für „eine Lüge“. Das Schlagen sei „eine riesige Nummer“. Der Anstoß zu Veränderung komme aus der „jüngeren Generation“, die „Alteingesessenen“ würden sagen: „Das war doch nie ein Problem“. Die Demonstration der Frauen am 1. Dezember habe die Interviewte „traurig gemacht“, weil die Frauen wohl „noch nicht reflektiert“ hätten, „dass Gewalt nie in Ordnung ist“. Doch es sei gut, dass der Vereinsvorstand die Tradition des Schlagens nun abschaffen wolle. Klaasohm könne „ein verdammt geiles Event sein“, doch müsse man die Presse zulassen und die Gewalt einstellen.[48]

  • Moije Stünden an de hochste Fierdag - Börkums Klaasohm. In: Borkumer Zeitung. 5. Dezember 2006, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 1. Januar 2018;.
  • Christina Brüning: Wenn die Borkumer ihre Frauen verprügeln. In: Die Welt. 7. Dezember 2009;.
  • Jan Rübel: Nikolaus-Brauch auf Borkum. In: Der Spiegel. 6. Dezember 2013, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 2. Dezember 2024]).
  • Das Schweigen der Insel - Wenn Borkum Klaasohm feiert. In: ARD Mediathek. Panorama, 26. November 2024;.
  • STRG_F: Mit Kuhhorn auf Frauenjagd: Klaasohm auf Borkum auf YouTube, 30. November 2024.

Einzelnachweise

  1. Verein Borkumer Jungens E.V. 1830. In: schoenbeck-borkum.de. Abgerufen am 2. Dezember 2024.
  2. a b c d e f g h i j k l m n o Andrea Akkermann: Traditionen und Brauchtum auf den Wattenmeerinseln von Texel bis Borkum (Memento vom 25. Mai 2015 im Internet Archive) (PDF; 349 kB). Diplomarbeit vorgelegt 1997 an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz im Fachbereich Angewandte Sprach- und Kulturwissenschaft in Germersheim, eingesehen am 29. November 2024.
  3. Ostfriesland: Geschichte und Gestalt einer Kulturlandschaft ; [eine Gemeinschaftspublikation der Ostfriesischen Landschaft in Aurich und des Niedersächsischen Instituts für Historische Küstenforschung in Wilhelmshaven]. 3., durchges. Auflage. Ostfries. Landschaft, Aurich 1998, ISBN 978-3-925365-85-0, S. 335.
  4. Justus Randt: Klaasohm geht um. Abgerufen am 30. November 2024.
  5. a b Nikolaus. In: Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Karl Friedrich Wilhelm Wander, 1873, abgerufen am 3. Dezember 2024.
  6. Liebe Kinder. Abgerufen am 30. November 2024.
  7. BURKANA Magazin. Archiviert vom Original; abgerufen am 30. November 2024.
  8. a b B. Huismann: Die Nordseeinsel Borkum einst und jetzt. Wilkens, Leer 1897, S. 40–44.
  9. B. Huismann: Die Nordseeinsel Borkum einst und jetzt. Wilkens, Leer 1897, S. 43.
  10. Borkum sagt „Klaasohm“ coronabedingt ab. In: NWZonline.de. 26. November 2021, abgerufen am 29. November 2024.
  11. Plattdeutsch-Hochdeutsches Wörterbuch für Ostfriesland. Abgerufen am 3. Dezember 2024.
  12. Plattdeutsch-Hochdeutsches Wörterbuch für Ostfriesland. Abgerufen am 3. Dezember 2024.
  13. Jan Rübel: Nikolaus-Brauch auf Borkum. In: Der Spiegel. 6. Dezember 2013, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 30. November 2024]).
  14. kulturagentur: Ostfrieslands Bräuche. 1. August 2022, abgerufen am 3. Dezember 2024.
  15. kulturagentur: Ostfrieslands Bräuche. 1. August 2022, abgerufen am 3. Dezember 2024.
  16. Justus Randt: Klaasohm geht um. In: Weser-Kurier. Abgerufen am 29. November 2024.
  17. text. 1. Januar 2018, abgerufen am 30. November 2024.
  18. Christina Brüning: Wenn die Borkumer ihre Frauen verprügeln. Abgerufen am 29. November 2024.
  19. Auf Borkum regiert der "Klaasohm" – DW – 05.12.2001. Abgerufen am 29. November 2024.
  20. Hei kummt Klaasohm! Abgerufen am 29. November 2024.
  21. Klaasohm - Borkum: Nikolausbrauch der besonderen Art. 3. Februar 2018, abgerufen am 29. November 2024.
  22. Bizarrer Brauch auf Borkum: Frauen schlagen als Volksfest. In: NDR. Abgerufen am 28. November 2024.
  23. a b Jan Rübel: Hei kummt Klaasohm! In: mare. Nr. 101, 2013, ISBN 978-3-86648-034-6 (mare.de [abgerufen am 1. Dezember 2024]).
  24. „Noch traumatisierender“ – Borkumerin berichtet vom „Kinder-Klaasohm“. In: Focus. Abgerufen am 1. Dezember 2024.
  25. Der Kinder-Klaasohm ging um. Ausgabe von Borkum erleben vom 6. Dezember 2023, abgerufen am 1. Dezember 2024.
  26. Ausgabe No. 26. In: Burkana Magazin. Abgerufen am 30. November 2024.
  27. Sunneklaas op Ameland. In: Bert van Zantwijk. 14. September 2018, abgerufen am 30. November 2024 (niederländisch).
  28. ZDF Magazin Royale: Hotline Ehrenfeld: Deutsche Traditionen WTF auf YouTube, 2022, abgerufen am 3. Dezember 2024.
  29. Mit Kuhhorn auf Frauenjagd: Klaasohm auf Borkum | STRG_F. 28. November 2024, abgerufen am 28. November 2024.
  30. a b Das Schweigen der Insel – Wenn Borkum Klaasohm feiert. In: ardmediathek.de. 26. November 2024, abgerufen am 28. November 2024.
  31. a b Wie ist das Klaasohm-Fest auf Borkum wirklich? Stadt Borkum, abgerufen am 30. November 2024.
  32. Das Schweigen der Insel – Wenn Borkum Klaasohm feiert. In: NDR. Abgerufen am 29. November 2024.
  33. Stephan Wipperfeld: Nordsee: Diese Insel hütet ein düsteres Geheimnis – Besuchern macht es Angst. In: moin.de. 7. Oktober 2022, abgerufen am 30. November 2024.
  34. Jan Rübel: Nikolaus-Brauch auf Borkum. In: spiegel.de. 6. Dezember 2013, abgerufen am 30. November 2024.
  35. a b Diese wilde Frauenjagd am Nikolausabend soll niemand sehen. 7. Dezember 2022, abgerufen am 29. November 2024.
  36. Kathrin Löffler: Nordsee: Verstörende Szenen an der Küste, Insulaner verscheuchen Besucher – „Verpisst euch“. In: moin.de. 8. Dezember 2022, abgerufen am 29. November 2024.
  37. Bizarrer Brauch auf Borkum: Frauen schlagen als Volksfest. Abgerufen am 29. November 2024.
  38. a b Lorenz Jeric, Anna Orth: Nach NDR Recherche: Klaasohm-Fest auf Borkum künftig ohne Schläge? In: ndr.de. 29. November 2024, abgerufen am 30. November 2024.
  39. Miguel Sanches: „Klaasohm“: Einmal im Jahr Frauen den Hintern versohlen. In: morgenpost.de. 29. November 2024, abgerufen am 1. Dezember 2024.
  40. a b VBJ: Wie ist das Klaasohm-Fest auf Borkum wirklich? Stadt Borkum, 29. November 2024, abgerufen am 30. November 2024.
  41. a b Konsequenzen nach Berichten über brutalen Brauch. In: tagesschau.de. 30. November 2024, abgerufen am 1. Dezember 2024.
  42. STRG_F: Mit Kuhhorn auf Frauenjagd: Klaasohm auf Borkum auf YouTube, 30. November 2024, abgerufen am 3. Dezember 2024.
  43. Polizei zieht Konsequenzen beim „Klaasohm“-Brauch. In: deutschlandfunk.de. 30. November 2024, abgerufen am 1. Dezember 2024.
  44. Borkum: "Brauch des Schlagens" wird abgeschafft. In: zdf.de. 30. November 2024, abgerufen am 1. Dezember 2024.
  45. „Klaasohm“ auf Borkum: Frauen demonstrieren für Erhalt des Brauchs. Bericht des NDR vom 2. Dezember 2024, abgerufen am 2. Dezember 2024.
  46. Ostfriesen.tv: Klaasohm auf Borkum: Frauen demonstrieren für Erhalt der Tradition auf YouTube, 1. Dezember 2024.
  47. mdr.de: Brisant vom 2. Dezember | MDR.DE. Abgerufen am 3. Dezember 2024.
  48. a b Johanna Dürrholz: „Das Schlagen ist eine riesige Nummer“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 3. Dezember 2024, abgerufen am 3. Dezember 2024.
  49. Johanna Dürrholz: „Man weiß ja: Das wird gleich hammermäßig wehtun“. In: faz.net. 1. Dezember 2024, abgerufen am 3. Dezember 2024.