Carl Vincenti

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Carl Vincenti, auch Karl Vincenti und Carl von Vincenti (* 1871; † 1940 in München) war ein deutscher Fotograf und Inhaber eines Fotostudios in Daressalam, Deutsch-Ostafrika. Seine Fotografien aus der Zeit von 1894 bis ca. 1907 umfassen eine Vielzahl von Motiven, darunter Aufnahmen von Deutschen und Einheimischen, kolonialen Bauwerken und Stadtansichten sowie Landschaftsaufnahmen, die Ausschnitte aus dem Alltagsleben und der Natur im damaligen Deutsch-Ostafrika dokumentieren.

Leben und Wirken

Vincenti wuchs im bayrischen Miesbach auf. Informationen über die Umstände seiner Reise nach Deutsch-Ostafrika sowie seine Ausbildung als Fotograf sind bisher nicht dokumentiert. Ab 1894 war Vincenti in Daressalam als Fotograf in seiner „Photographischen Anstalt und Handlung photographischer Artikel“ tätig.[1] Als Verleger stellte er sowohl Einzelabzüge wie auch Bildpostkarten her und versah diese mit seinem Firmenstempel und teilweise auch dem Jahr der Aufnahme.[2]

Walther Dobbertin, der später ebenfalls professioneller Fotograf in Deutsch-Ostafrika wurde, arbeitete nach seiner Ankunft um 1903 für einige Jahre für Vincents Fotostudio.[3] In den Jahren 1909 und 1910 korrespondierten die deutschen Leiter der Ausgrabungen von Dinosaurier-Fossilien in Tendaguru mit Vincenti als einheimischem Fotografen.[4]

Neben seiner Tätigkeit als Geschäftsmann war Vincenti auch Mitglied des Gouvernementsrates und des Stadt-Komitees in Daressalam. In letzterer Eigenschaft führte er auch nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg und dem Ende der deutschen Kolonie Schriftwechsel mit dem Reichs-Kolonialministerium in Berlin und dem englischen District Political Officer über die Rückführung der Deutschen.[5]

Fotografisches Werk

Residenz des Gouverneurs in Daressalam

Als visuelle Dokumente in europäischen und amerikanischen Sammlungen bieten Vincentis historische Fotografien Einblicke in die Geschichte, Bevölkerung, Kultur und natürliche Beschaffenheit der Kolonie Deutsch-Ostafrika. Seine Fotos dokumentieren Szenen des täglichen Lebens wie Märkte, Dörfer und traditionelle Zeremonien, Mitglieder der deutschen kolonialen Gesellschaft sowie Einheimische aus verschiedenen ethnischen Gruppen. Daneben existieren Aufnahmen, die koloniale Bauwerke und Ansichten der Stadt Daressalam, Landschaften und die Natur der Kolonie aus der Zeit von 1894 bis ca. 1907 abbilden. Seine Fotografien entstanden sowohl im Fotostudio als auch im Freien.[6]

Die Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses, 1905, zu Berlin am 5., 6. und 7. Oktober 1905 kommentierten Vincentis Aufnahmen wie folgt: "Diese sehr schönen Bilder von stattlichem Format stellen Vegetations-Ansichten, landschaftliche Szenerien und Volkstypen aus unserer ostafrikanischen Kolonie [...] dar."[7]

Aufnahmen der Kolonialherrschaft

Vincentis Aufnahmen von Szenen des kolonialen Lebens in Daressalam zeigen unter anderem den Hafen, Straßenzüge und Wohnhäuser, eine Militärparade zu Kaisers Geburtstag, einen Appell der Askari genannten afrikanischen Truppen mit deutschen Offizieren in weißer Uniform,[8] Spielleute der kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika,[9] oder einen Kolonialbeamten im Feld auf einem Klappstuhl vor seinem Zelt sitzend, mit einheimischem Diener.[10]

Auf Vincentis Foto aus einer Regierungsschule von 1903 sind ein deutscher Lehrer und einheimische Schüler anlässlich einer Lehrprobe zu sehen. Die Schultafeln weisen sowohl Beispiele aus dem Unterricht für das Lesen und Schreiben in der Swahili-Sprache mit lateinischen Buchstaben als auch für den Unterricht im Rechnen auf.[11][12]

Studioaufnahme einer jungen Afrikanerin der Wayao-Ethnie
Porträt des Wali Mohamed bin Salim, Mikindani

Aufnahmen einheimischer Menschen

Die erhaltenen Aufnahmen Vincentis umfassen zahlreiche Abbildungen von einheimischen Menschen und ihrem Alltagsleben unter kolonialer Herrschaft. Hierzu zählen Vertreter von Ethnien in Tanganjika wie die Nyamwezi, Wahere, Wayao, Wagogo, Massai, Swahili, als auch Kaufleute indischer Abstammung[13] und sogenannte Araber, eine aus Verbindungen arabischer Einwanderer mit afrikanischen Frauen stammende Bevölkerungsgruppe.[1][14]

Unter den Porträts einheimischer Menschen befinden sich inszenierte Studioaufnahmen vor einem damals üblichen gemalten Hintergrund: Eines zeigt die Vollansicht einer stehenden jungen Frau der Wayao-Ethnie aus dem Süden Tansanias mit traditioneller Kleidung und Haartracht.[15]

Ein weiteres zeigt eine Dreiviertel-Ansicht eines Jungen und einer jungen Frau der Swahili. Der Junge trägt eine landestypische islamische Kopfbedeckung und das Hemdkleid Kanzu; die junge Frau einen Turban und das Wickelkleid Kanga, dazu Halsketten, Ohrringe und Armreifen.[16] Ebenso wie auf den zuvor genannten Porträts hat ein junger Mann der Massai-Ethnie mit typischer Haartracht seinen Blick auf die Kamera gerichtet.[17]

Dagegen sind auf einer Aufnahme im Freien ein Mann und eine Frau mit einem Jungen unter der Bezeichnung „Familie (einheimisch)“ zu sehen. Sie tragen Kangas und sitzen vor einem Zelt, den Blick auf die Kamera gerichtet.[18] Andere Aufnahmen dokumentieren Einheimische bei einem ngoma-Tanz oder mit einem afrikanischen Brettspiel.[6]

Das Halbporträt des Wali Mohamed bin Salim, eines Würdenträgers aus Mikindani, zeigt den Porträtierten mit typischen Kleidungsstücken seiner arabischen Abstammung und dem Krummdolch Jambia.

Daneben dokumentierte Vincenti auch Szenen aus einem Expeditionslager[19] oder einer Karawane mit Trägern von Stoßzähnen,[20] die von den Arbeitsbedingungen unter kolonialer Herrschaft in Deutsch-Ostafrika zeugen.[21]

Rezeption

Die Sammlungsbestände der erhaltenen Aufnahmen Vincentis dienen als Dokumente für die Forschung zur Geschichte Ostafrikas und seiner Bewohner, insbesondere auf dem Gebiet der ethnografischen Fotografie. So zeigt beispielsweise eine Webseite des Deutschen Historischen Museums zu Deutsch-Ostafrika Vincentis Foto aus einer kolonialen Schule mit Tafeln zum Unterricht und Wandbildern des deutschen Kaisers Wilhelm II. und seiner Gattin. Oben auf derselben Seite befindet sich ein weiteres historisches Foto, das den deutschen Fotografen Otto Haeckel während dessen Reise nach Deutsch-Ostafrika mit einer Balgenkamera auf Stativ vor einer Hütte zeigt.[22]

In Deutschland befinden sich Fotografien von Vincenti in den Sammlungen des Deutschen Historischen Musems, der Universität Frankfurt am Main[23] sowie des Ethnologischen Museums Berlin.[24] In letzterer befindet sich neben einzelnen Positivabzügen in Schwarz-Weiß auf Karton auch ein Fotoalbum mit dem Titel Original-Aufnahmen aus Deutsch-Ostafrika; Dar-es-Saalam [sic] aus den Jahren 1901–1902 mit Silbergelatineabzügen auf Karton mit Vincentis Firmenzeichen und dem Vermerk „Vervielfältigung vorbehalten“.[25]

Das Ethnografische Museum in Budapest besitzt eine Serie von Vincentis Aufnahmen vom Bau und Betrieb einer katholischen Missionsstation der Benediktinerkongregation von St. Ottilien in den Jahren 1894–1895 im südlich von Daressalam gelegenen Kurasini. Diese sind mit dem Vermerk „Originalaufnahme u. Verlag von C. Vincenti, Dar-es-Salaam. Ost-Afrika“ versehen und wurden von Vincenti auch als Bildpostkarte vertrieben.[2]

In den USA bestehen weitere Sammlungen in der Beinecke Rare Book and Manuscript Library der Yale University[26] sowie in der Frank and Frances Carpenter Collection der Library of Congress in Washington, D.C.[27]

Auch private Sammler besitzen historische Fotos von Vincenti. So versteigete das Auktionshaus Sotheby's ein Fotoalbum zu Sansibar und Daressalaam, worin 32 Fotos den runden Firmenstempel von Vincenti tragen.[28] Weiterhin verkaufte die Kunstagentur Artnet 2014 eine Sammlung von 58 Original-Fotografien Vincentis aus Deutsch-Ostafrika.[29]

Literatur

  • Eliane Kurmann: Fotogeschichten und Geschichtsbilder: Aneignung und Umdeutung historischer Fotografien in Tansania. Campus Verlag, 2023, ISBN 978-3-593-45187-9 (google.com).
  • Thomas Theye (Hrsg.): Der geraubte Schatten: eine Weltreise im Spiegel der ethnographischen Photographie. Bucher, München / Luzern 1989, ISBN 978-3-7658-0646-9 (archive.org [PDF]).
Commons: Carl Vincenti – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Carl Vincenti (1871–1940). museum-digital deutschland, abgerufen am 29. November 2024.
  2. a b „C. Vincenti, Dar-es-Salaam. Ost-Afrika”. Museum für Ethnographie, Budapest, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 19. Januar 2024; abgerufen am 29. November 2024 (ungarisch).
  3. Ana Carolina Schveitzer: Visualizing Labour in German East Africa: Photographic Images and their Circulation. In: German Historical Institute London Blog. 15. Mai 2024, abgerufen am 30. November 2024 (englisch).
  4. Ina Heumann, Holger Stoecker, Marco Tamborini, Mareike Vennen: Dinosaurierfragmente: Zur Geschichte der Tendaguru-Expedition und ihrer Objekte, 1906-2018. Wallstein Verlag, 2018, ISBN 978-3-8353-4305-4, hier: Mareike Vennen, Arbeitsbilder – Bilderarbeit. Die Herstellung und Zirkulation von Fotografien der Tendaguru-Expedition, S. 57 (google.com [abgerufen am 1. Dezember 2024]).
  5. Deutsches Stadt-Komitee in Daressalam: Schriftwechsel des Komitee-Mitgliedes C. Vincenti -. Bundesarchiv, abgerufen am 30. November 2024.
  6. a b Recherche | Carl Vincenti. Staatliche Museen zu Berlin, abgerufen am 1. Dezember 2024.
  7. E. Vohsen, Paul Staudinger: Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses, 1905, zu Berlin am 5., 6. und 7. Oktober 1905. D. Reimer (E. Vohsen), 1906, S. XXXVI (google.de [abgerufen am 28. November 2024]).
  8. Carl Vincenti: Askari-Apell [sic]. Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum, abgerufen am 30. November 2024.
  9. Carl Vicenti: Spielleute der Kaiserlichen Schutztruppe. In: recherche.smb.museum. Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum, abgerufen am 28. November 2024.
  10. Carl Vincenti: Kolonialbeamter in Deutsch-Ostafrika. In: www.dhm.de. Stiftung Deutsches Historisches Museum, abgerufen am 30. November 2024.
  11. Carl Vincenti: Regierungsschule in Dar-es-Salaam. Deutsches Historisches Museum, abgerufen am 28. November 2024.
  12. Die deutsche Kolonialverwaltung hatte Swahili, die Sprache der Küstenbevölkerung, jedoch mit lateinischen statt arabischen Buchstaben für den Unterricht in Schulen bestimmt. Daraus entstand auch das Swahili-Wort shule für allgemeinbildende Schulen. Siehe hierzu Andreas Covi: Die Sprach- und Schulpolitik der „späten“ Kolonialmächte Deutschland und Italien. (academia.edu [abgerufen am 1. Dezember 2024]).
  13. Carl Vicenti: Inder Kaufleute. Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum, abgerufen am 28. November 2024.
  14. Thomas Theye, Experte für die Geschichte der Fotografie, schreibt mit Bezug auf die Fotografie des 19. Jahrhunderts in außereuropäischen Ländern: „Die Fotostudios verkauften neben den Landschaftsdarstellungen in großem Umfang auch Genredarstellungen der Einheimischen, welche einerseits den Habitus der fremden Menschen, das körperliche Erscheinungsbild, ihre Kleidung, ihre Haartracht und Schmuck, Körperhaltung, andererseits aber auch in gestellten Inszenierungen ‘häusliche’ Verrichtungen und gewerbliche Tätigkeiten festhielten.“ Siehe Thomas Theye (Hrsg.): Der geraubte Schatten. Eine Weltreise im Spiegel der ethnographischen Photographie. München/Luzern 1989. S. 42.
  15. Carl Vincenti: Miau-Mädchen. Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum, abgerufen am 1. Dezember 2024.
  16. Carl Vincenti: Suaheli boy na bibi (Swahili-Junge und Mädchen). Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum, abgerufen am 29. November 2024.
  17. Carl Vicenti: Massai Mann um 1900. In: www.dhm.de. Stiftung Deutsches Historisches Museum, abgerufen am 28. November 2024.
  18. Carl Vincenti: Familie (Einheimisch). Ethnologisches Museum Berlin, abgerufen am 29. November 2024.
  19. Carl Vincenti: Expeditionslager. Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum, abgerufen am 1. Dezember 2024.
  20. Carl Vincenti: Kamp F. Sigel, Karawane. Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum, abgerufen am 1. Dezember 2024.
  21. Siehe hierzu auch entsprechende Fragen in Mareike Vennen, Arbeitsbilder – Bilderarbeit. Die Herstellung und Zirkulation von Fotografien der Tendaguru-Expedition, 2018, S. 57: „Welche Arten von Arbeit wurden fotografsch festgehalten? Auf welchen Wegen wurde dieses Bildmaterial gemeinsam mit Texten verbreitet? Welche Vorstellungen über die Expedition, über die Arbeit in diesem kolonialen Kontext und über Afrika wurden durch diese Bilder und Beschreibungen vermittelt?“
  22. Stiftung Deutsches Historisches Museum: Die Kolonie Deutsch-Ostafrika. In: www.dhm.de. Deutsches Historisches Museum, abgerufen am 28. November 2024.
  23. Die Sammlung in Frankfurt enthält mehr als 30 Diapositive im Format 8,5x10 cm auf Glasplatte, mit mehreren Aufnahmen der Sisalproduktion im Jahr 1907.
  24. Carl Vicenti: Digitale Sammlungen / Drucker / Verleger / Filter Vincenti, Carl. In: Koloniales Bildarchiv der Universitätsbibliothek. Universität Frankfurt am Main, abgerufen am 29. November 2024.
  25. Carl Vincenti: "Original-Aufnahmen von Deutsch-Ost-Afrika; Dar-es-Saalam" - Deutsche Digitale Bibliothek. Abgerufen am 2. Dezember 2024.
  26. Carl von Vincenti, 1890–1909 | Archives at Yale. Beinecke Rare Book and Manuscript Library, abgerufen am 29. November 2024.
  27. Search results: Vincenti. Library of Congress, Washington, D.C., abgerufen am 29. November 2024 (englisch).
  28. (#235) Zanzibar and East Africa--Carl Vincenti, and others. Sotheby's Ltd., abgerufen am 30. November 2024 (englisch).
  29. Carl Vincenti: 58 Original-Fotografien aus Deutsch-Ostafrika. Artnet, 2014, abgerufen am 29. November 2024 (englisch).