Forensische Entomologie

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Die Forensische Entomologie ist ein Zweig der Forensik, bei der u. a. aufgrund der Leichenbesiedlung durch Insekten Hinweise auf die Leichenliegezeit, Todesursache und Todesumstände gesammelt werden. Auch bei lebendigen Lebewesen können Insekten Rückschlüsse bieten.

Allgemeines

Schmeißfliegen

Der Begriff Entomologie stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Insektenkunde“ (éntomos = eingeschnitten, gekerbt, logos = Kunde, Lehre). Das Wort Forensik stammt vom lateinischen Wort forum (= Marktplatz, Forum, Gerichtsverhandlung) und wird im Sinne von gerichtlich gebraucht.

Am häufigsten findet die Forensische Entomologie im Zusammenhang mit Ermittlungen um einen aufgefundenen Leichnam Anwendung. Der postmortale Zersetzungsprozess eines organischen Körpers findet u. a. durch Bakterien, Pilze und Insekten statt. Bei den Insekten handelt es sich meist um Jugendstadien nekrophager Insekten wie etwa die Maden von Schmeißfliegen, Käsefliegen oder Fleischfliegen. Daran beteiligt sind auch verschiedene Käfer wie die Aaskäfer (u. a. der Totengräber und der Speckkäfer) sowie weitere Arten, die durch die bei der Verwesung entstehenden (Duft-)Stoffe angezogen werden oder sich ihrerseits von nekrophagen Insekten ernähren.

Auch der Befall noch lebender Körper mit Insekten, insbesondere Maden, lässt bestimmte Rückschlüsse zu. Dieser Zustand wird als „Myiasis“ (Madenkrankheit) bezeichnet. Er ist oft ein Hinweis auf einen Mangel an Hygiene und Pflege oder - indirekt - auf einen geschwächten Allgemeinzustand. Offene Wunden, in denen Maden nekrotisches Gewebe fressen, werden somit durch ihre Ausscheidungen gereinigt. In der Medizin werden Maden daher auch gezielt unterstützend für die Wundheilung eingesetzt (Madentherapie).

Bestimmung des Todeszeitpunktes

Totengräber (Nicrophorus vespilloides)

Insekten nutzen einen Leichnam als Nahrungsquelle und Brutstätte. Entsprechende Hinweise auf den Todeszeitpunkt der Person oder die Liegezeit des Leichnams erschließen sich aus dem Vorhandensein bestimmter Insektenarten bzw. deren Entwicklungsstadien (Eier, Larven) auf dem Leichnam.

Ein Leichnam wird je nach Verwesungszustand und Feuchtigkeitsgrad von verschiedenen Insekten besiedelt. Auf frischen Leichen werden innerhalb kürzester Zeit durch Schmeißfliegen entweder Eier oder bereits geschlüpfte winzige Maden abgelegt.[1] Auch auf älteren, bereits geblähten Leichen finden sich die Larven von Schmeißfliegen.[1] Hinzu kommen je nach Feuchtigkeit Aaskäfer, Kurzflügelkäfer und Stutzkäfer.[1] Auf Leichen in trockenem oder breiigen Zustand sind insbesondere Maden von Käsefliegen sowie Pelzkäfer, Schinkenkäfer, Speckkäfer, Teppichkäfer und Totengräberkäfer anzutreffen.[1] Asseln, Hundertfüßler, Milben, Motten und Spinnentiere siedeln erst auf mumifizierten oder skelettierten Leichen.

Aus den Eiern schlüpfen in kurzer Zeit winzige weiße Maden. Für die genaue Bestimmung der Todeszeit kommt es auf die individuellen Umstände an. Insbesondere die Entwicklung der Maden hängt in erheblichem Maße von der Temperatur und Feuchtigkeit ab. Aber auch die Zeitintervalle von der Eiablage bis zum Schlupf der 1. Madengeneration kann erheblich variieren und weist eine Schwankungsbreite von wenigen Stunden bis hin zu einem Tag auf. Die Zeitspanne, die eine Made in Abhängigkeit von definierten Umweltfaktoren bis zu einer bestimmten Entwicklungsphase benötigt (Körperlänge in mm gemessen), ist in sog. Isomeganen-Diagrammen artspezifisch ermittelt und festgelegt worden.

Bei zu hohen bzw. zu niedrigen Temperaturen, großer Helligkeit, starkem Wind oder zu großer Trockenheit siedeln sich nur wenige oder keine Insekten auf einem Leichnam an. Einen weiteren Einflussfaktor stellt die Zugänglichkeit eines Leichnams für Insekten dar. Aus diesem Grund müssen für die Arbeit der Forensischen Entomologie auch präzise Analysen des Leichenfundortes in den Untersuchungsgang miteinfließen.

Während die Untersuchung von Maden bei der Bestimmung kürzerer Zeitintervalle hilfreich ist, lassen sich anhand von Käfern (nur) Aussagen über größere Zeitabstände machen. Auch die Anzahl von Insektengenerationen - erkennbar am gleichzeitigen Vorkommen von Maden und leeren Puppenhülsen in Leichennähe - ist für die Eingrenzung des Zeitraumes von Bedeutung.

Ortsbestimmung

Auch vom letztlichen Fundort abweichende Orte, an denen sich ein Leichnam befunden hat, können mit Hilfe von Insekten bestimmt werden. Für die Analyse werden die vorgefundenen Insekten inklusive Entwicklungsstadien herangezogen. Auch spezies-spezifische Fraßspuren können für eine Bestimmung der Insektenart herangezogen werden.[1] Viele Insektenarten bewohnen nur bestimmte Lebensräume (sog. „Habitate“). Befinden sich an einem Leichnam Insekten, die für die Umgebung am Fundort der Leiche untypisch sind, kann daraus gefolgert werden, dass der Leichnam zuvor von einem anderen Ort weg bewegt worden ist. Entsprechend können anhand der vorgefundenen Insekten auch die für sie typischen Umgebungsbedingungen bestimmt werden.

Nachweis von Stoffen

Weiterhin kann anhand von Insekten herausgefunden werden, ob im Leichnam bestimmte Medikamente oder Gifte vorhanden waren.[1] Dies ist insbesondere dann hilfreich, wenn der Leichnam bereits für entsprechende Untersuchungen zu stark zersetzt ist. Beim Fressen von Gewebeteilen nehmen die Insekten auch deren Inhaltsstoffe in sich auf. Die toxikologische Analyse der vorgefundenen Insekten kann somit Informationen über im Leichnam vorhandene Medikamente oder Giftstoffe liefern. Auch die phänotypische Entwicklung der Insekten kann durch die Aufnahme bestimmter Wirkstoffe verändert werden.[1]

Forensische Entomologen

Einer der bekanntesten deutschen forensischen Entomologen ist der Kölner Mark Benecke.

Quellenangaben

  1. a b c d e f g Dr. Mark Benecke, Dem Täter auf der Spur. So arbeitet die moderne Kriminalbiologie. (ISBN 3-404-60562-4)