Opportunitätsprinzip
Unter Opportunität versteht man die freie Entscheidungsfreiheit innerhalb eines gesteckten Rahmens.
Das Opportunitätsprinzip (auch Entschließungsprinzip genannt) ist ein juristischer Fachbegriff aus dem Bereich der Verwaltung. Es handelt sich um einen Unterfall der Ermessensentscheidung und gilt grundsätzlich, solange nicht eine gesetzliche Regelung etwas anderes besagt (beispielsweise im Strafrecht, s.u.). Das Opportunitätsprinzip beschreibt das Handeln einer Ordnungsbehörde im Falle einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und/oder Ordnung. Die Ordnungsbehörde kann, muss aber nicht eingreifen. Hier gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Polizeirecht (Deutschland)
Im Bereich der Eingriffsverwaltung (zum Beispiel Polizei) stellt sich die Frage, ob (Entschließungsermessen) und gegen wen (Auswahlermessen bzw. Störerauswahl) vorgegangen werden soll. Das Opportunitätsprinzip gilt nicht nur beim Entschließungsermessen, sondern gerade auch beim Auswahlermessen.
Allerdings kann die Entscheidungsfreiheit, ob gehandelt werden soll, zu einer Handlungspflicht verengt sein (sog. Ermessensreduktion auf Null), beispielsweise wenn bedeutende Rechtsgüter gefährdet sind oder wenn das Nichteinschreiten unverhältnismäßig wäre.
Das Opportunitätsprinzip ist in den einschlägigen Landesgesetzen geregelt (zum Beispiel § 3 PolG-BaWü, § 14 Abs. 1 SOG M-V, Art. 5 Abs. 1 BayPAG, vgl. auch § 3 Abs. 1 Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes).
Bußgeldverfahren (Deutschland)
Im Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz (Bußgeldverfahren) herrscht das Opportunitätsprinzip (§ 47 OWiG).
Strafverfahren (Deutschland)
Im Strafrecht gilt grundätzlich das dem Opportunitätsprinzip entgegengesetzte Legalitätsprinzip. Das nur ausnahmsweise anwendbare Opportunitätsprinzip bietet unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, ein Strafverfahren einzustellen, wenn die Schuld des Täters gering erscheint (§ 153 StPO), die Erfüllung von Auflagen zur Beseitigung des Strafverfolgungsinteresses ausreicht (§ 153a StPO) oder die zu erwartende Strafe neben der Strafe für andere Taten des Tatverdächtigen nicht erheblich ins Gewicht fällt (§ 154, § 154a StPO). Entsprechende Regelungen enthält das Jugendgerichtsgesetz (§§ 45 , 47).
Die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung kann sowohl im Strafverfahren gegen Erwachsene als auch im Jugendstrafrecht lediglich durch die Staatsanwaltschaft (bzw. bei Steuerdelikten die Buß- und Strafsachenstelle des Finanzamtes oder Hauptzollamtes) sowie - im Falle der Anklageerhebung - durch das zuständige Gericht getroffen werden. Eine Verfahrenseinstellung durch die Polizeibehörden ist dagegen nicht möglich. Diese sind beim Anfangsverdacht einer Straftat zur Aufnahme der Ermittlungen und Weiterleitung der Akte an die Staatsanwaltschaft verpflichtet.
Kritiker bemängeln, dass einige Staatsanwaltschaften heutzutage derart überlastet und unterfinanziert sind, dass zumindest bei "kleineren" Straftaten häufig überhaupt keine Ermittlungen mehr stattfinden oder aber sich der Aufwand nur darauf beschränkt, Gründe für eine Einstellung des Verfahrens zu finden. Dadurch werde das Opportunitätsprinzip von der Ausnahme zur Regel, das Legalitätsprinzip hingegen zur bloßen Farce und fast vollständig dem Opportunitätsprinzip geopfert - mit fatalen Folgen für den Rechtsfrieden und die Justiz im allgemeinen.[1]
Quellen
- ↑ siehe z.B. Jürgen Roth: Ermitteln verboten! Eichborn Verlag, Frankfurt/Main 2004