Giralgeldschöpfung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 10. März 2009 um 20:46 Uhr durch DocTrax (Diskussion | Beiträge) (Tatsächliche Höhe des Giralgeldschöpfungsfaktors). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Durch die Giralgeldschöpfung oder auch Buchgeldschöpfung entsteht ein so genanntes derivates (abgeleitetes) Geld in Form von Sichteinlagen bei Banken, über das jederzeit z. B. per Scheck oder Überweisung verfügt werden kann. Diese sekundäre Buchgeldschöpfung kann passiv oder aktiv erfolgen.

Passive Giralgeldschöpfung

Das Buchgeld wird dadurch geschaffen, dass ein Kunde bei seiner Geschäftsbank eine Bareinzahlung leistet und diese seinem Konto als Sichtguthaben gutgeschrieben wird. Das eingezahlte Bargeld befindet sich in den Kassenbeständen der Banken und ist dem Nicht-Bankensektor entzogen. Durch die passive Buchgeldschöpfung entsteht zwar Giralgeld, die Geldmenge insgesamt bleibt jedoch unverändert.

Aktive Giralgeldschöpfung

Durch die aktive Buchgeldschöpfung schaffen die Geschäftsbanken zusätzliches Geld in Form von Buchgeld (Giralgeld). Die Geldmenge entsteht dadurch, dass die Geschäftsbanken Kredite vergeben. Voraussetzung für die Kreditvergabe ist jedoch, dass die Geschäftsbanken über eine ausreichende Liquidität verfügen. Diese verschaffen sie sich z. B. durch Einlagen von Kunden oder durch Refinanzierung bei der Zentralbank. Vergebene Kredite gelangen nun zu einem Teil oder sogar gänzlich in das Bankensystem als Einlage zurück, z. B. wenn ein Kreditnehmer für die Kreditsumme einen Gebrauchtwagen kauft, und der Verkäufer den Verkaufserlös wiederum bei seiner Bank einzahlt.

Ein etwas ausführlicheres Beispiel: Person A besitzt 1000 Euro in Bar und legt diese bei Bank X an. Person B möchte sich eine Ware im Wert von 800 Euro kaufen und leiht sich daher 800 Euro Bargeld von Bank X. Person B bezahlt davon seine Ware bei Verkäufer C. Verkäufer C bezahlt das erhaltene Bargeld nun bei Bank Y ein. Wenn dieser Ablauf beispielsweise innerhalb eines Tages von statten geht, sind am Abend auf Bank Y 800 Euro mehr, jedoch hat Bank X 800 Euro in Bargeld weniger -- als Giralgeld ist das Geld jedoch weiterhin verfügbar. Würde nun Person A seine 1000 Euro in Bar abheben, müsste sich Bank X selbst von einer anderen Bank Z Bargeld ausleihen. Würde Person A sich mit Hilfe seiner EC-Karte etwas kaufen, bestünde dieses Problem nicht, da das Geld als Giralgeld überwiesen werden könnte. Giralgeld wäre somit "geschöpft", da Person A ausschließlich mit Giralgeld eine Ware kauft, ohne dass die Menge an Bargeld momentan verfügbar ist.

Beschränkung der aktiven Giralgeldschöpfung durch die Mindestreserve bei der Zentralbank

Die aktive Giralgeldschöpfung ist beschränkt durch die gesetzliche Mindestreserve bei der Zentralbank (EZB/Bundesbank), die im Moment (Marz 2009) bei 2% der Einlagen liegt[1]. Dabei ist der Giralgeldschöpfungsfaktor, also der Multiplikator der maximalen theoretischen Geldschöpfung, der reziproke Wert des Mindestreservesatzes.[2] Dies erklärt sich dadurch dass bei jeder Einlage wieder 2% der Einlage auf dem auf Zentralbankkonto der Bank verzinst verbleiben müssen oder sich die Bank diesen Betrag bei der Zentralbank zu hohen Zinsen leihen muss, ähnlich des Dispositionskredits beim Girokonto.

Es kann also bei einem Mindestreservesatz von 2% (1/50) theoretisch maximal die 50-fache Menge an Giralgeld im gesamten Bankensystem geschöpft werden.

Der Ausdruck beschreibt die Erhöhung der Giralgeldmenge durch das Wiederververleihen von Giralgeld und summiert die Folge wie oben beschrieben auf, angenommen es würden 1000 EUR erstmals eingelegt:

[3]

Dieser theoretische maximale Giralgeldschöpfungsfaktor wird noch erheblich durch Bargeldabhebungen gemindert.

Tatsächliche Höhe des Giralgeldschöpfungsfaktors

Im Augenblick (05.03.2009) sind in der Eurozone 729 Mrd. EURO Bargeld im Umlauf während die Geldmenge M3 bei 9.371 Mrd. EURO beträgt.[4] [5]

Der Giralgeldschöpfungsfaktor ist grösser/gleich diesem Verhälznis, weil nur ein Teil des Bargelds in den Tresoren der Banken liegt und sich das Bargeld in Händen der Nichtbanken nicht auf die Giralgeldmange auswirkt. Weil der Bargeldumlauf jedoch immer mehr an Bedeutung verliert ist die Bargeldmenge in Händen der Nichtbanken wohl eher geringn und man kann das gut als Näherungsformel benutzen.

Man kann auch verschiedene Giralgeldschöpfungsfaktoren bezüglich der einzelenen Geldmengen M1-M3 bestimmen. Und ausser dem schöpft die Zentralbank ebenfalls Giralgeld, schon alleine durch die Verzinsung der Mindestreserven.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. http://www.bundesbank.de/gm/gm_mindestreserven.php
  2. http://www.vwl-virtuell.de/themen/Geld.pdf
  3. Goebel/Reip Wirtschaftslehre ISBN 3-441-00786-7
  4. http://www.ecb.europa.eu/stats/keyind/html/sdds.en.html
  5. https://stats.ecb.europa.eu/stats/download/bsi_tab02_03/bsi_tab02_03/bsi_tab02_03.pdf