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Freiburger Bächle

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Bächle am Münsterplatz

Die Freiburger Bächle (Bach mit der schwäbisch-alemannischen Diminutiv-Endung -le) sind ein Wahrzeichen der Stadt Freiburg im Breisgau. Seit dem Mittelalter urkundlich belegt finden sich die mit Wasser der Dreisam gespeisten Wasserläufe in den meisten Straßen und Gassen der Altstadt. Die Gesamtlänge der Bächle beträgt 15,5 Kilometer, von denen 6,4 Kilometer unterirdisch verlaufen.

Geschichte

Rohr neben dem Predigertor zur Überleitung des Bächlewassers über den Stadtgraben. Hinter dem Tor befindet sich das Kloster der Dominikaner. Dahinter erkennt man die Linde des Stadtteils Unterlinden. Die Führung der Bächle in der Mitte der Straßen ist gut zu erkennen. Ausschnitt aus dem Plan Die Statt Freÿburg von Matthäus Merian

Die erste urkundliche Erwähnung der Bächle stammt aus dem Jahr 1220. Damals gab Graf Egon I. von Freiburg dem Thennenbacherhof die Nutzung eines Feldes inklusive Bewässerung durch ein Bächle zum Erblehen.[1] Ein weiterer Hinweis auf die Bächle findet sich in einem Dokument aus dem Jahr 1238, nach dem die Dominikaner das Predigerkloster an der Stadtmauer inter duas ripas (lat.: zwischen zwei Ufern) errichteten.

Einige Archäologen datieren die erste Anlage der Bächle bereits um das Jahr 1175,[2] da die zu dieser Zeit durchgeführten Aufschüttungen einiger Straßenniveaus mit Kiesschichten von bis zu drei Metern Dicke vermutlich für das notwendige Gefälle der Bächle sorgen sollten.[3] Tatsächlich richten sich Häuser aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts an einem niedrigen Straßenniveau aus, alle Neubauten nach 1175 aber an einem höherem.[4] Diese künstlichen Erhöhungen machten die Erdgeschosse vieler Gebäude von der Straße aus unbegehbar, so dass Häuser entweder höher gelegt oder deren nun ebenerdige Obergeschosse kurzerhand mit Haustüren versehen wurden. So überstieg die Anzahl der Neubauten um das Jahr 1175 die durch das natürliche Stadtwachstum üblicherweise zu erwartende Anzahl, vermutlich auch weil die Höherlegung genutzt wurde, um Holz- durch Steinbauten zu ersetzen.

Von anderer Seite wird vermutet, dass die Grundzüge des Bächlesystems mit einem ausreichenden Gefälle schon früher existierten, da zum Zeitpunkt der Stadtgründung künstliche Wasserläufe bereits zur Bewässerung von Weideland eingesetzt wurden.[5][6]

Die Bächle waren Teil des dualen Wasserversorgungssystems Freiburgs: Die Versorgung der Stadt mit Trinkwasser erwies sich als schwierig, da sich das Grundwasser in rund 12 m Tiefe[2] befindet und die wenigen Tiefbrunnen nur für Notfälle ausreichten. Man leitete Quellwasser vom Fuß des Brombergs im Osten der Wiehre über Deicheln nach Freiburg und speiste damit städtische Laufbrunnen. Dieses System reichte für die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser aus, deckte jedoch nicht den Bedarf an Brauchwasser und zum Tränken der Tiere innerhalb der Stadtmauern. Hierfür zweigte man zusätzlich Wasser der Dreisam ab und leitete es in Runzen durch die Stadt. Neben Kanälen wie dem heutigen Gewerbekanal gehörten dazu auch die Bächle. Da der Begriff Runze lange Zeit sowohl für Bächle als auch für Kanäle genutzt wurde, lassen sich in historischen Quellen beide Anlagen nicht immer exakt unterscheiden.

Die Bächle leiten seit jeher das Regenwasser aus der Stadt und transportieren dabei auch allerlei Schmutz. Damit tagsüber die Bächle ein positives Bild der Stadt boten, durften in ihnen bereits seit dem 14. Jahrhundert „Ärgernis erregende Stoffe“ nicht vor Einbruch der Dunkelheit entsorgt werden.[7] Ratsverordnungen im 16. Jahrhundert verboten dann die Entsorgung fester Stoffe mittels der Bächle ganz:

„Und soll nymandt dhein mist, strow, stain in die bäch schütten …“

Stadt Freiburg, Ratsverordnung aus dem 16. Jahrhundert[8]

Nach ihrem Weg durch die Stadt wurden die Bächle zum Bewässern von Feldern eingesetzt. Das Wasser wurde mittels hölzerner Brücken (Kähner) über den Stadtgraben in die Felder geleitet. Das „gebrauchte“ Bächlewasser erhöhte als nährstoffreicher Dünger massiv den Wert der Felder.[9] Die Bächle schwemmten den Schnee aus der Stadt und verlängerten damit die Vegetationsperiode im Frühjahr. Bei Trockenheit sicherten sie den Fortbestand der Ernte.[10]

Eines der wenigen Bächle in der Mitte der Straße (Marktgasse)

Wie man heute nur noch in der Marktgasse sehen kann, verliefen die Bächle ursprünglich in der Mitte der Fahrbahn. Sie wurden mit dem massiven Anstieg der Einwohnerzahl im 19. Jahrhundert als Hindernis für den dadurch ebenfalls angestiegenen Verkehr betrachtet. Zwischen 1840 und 1851 verlegte man sie an den Rand der Straße[1] und deckte einen Großteil mit Holz- bzw. Eisenplatten[11] ab oder fasste sie in Röhren.[2] Dies wurde von einem Teil der Bevölkerung negativ aufgenommen:

„Seit einigen Tagen hat man in der Grünwälderstraße begonnen, den bisher dort offenen Straßenbach durch Cementröhren zu ersetzen. Es wird dadurch für die Bewohner der Straße eine Annehmlichkeit beseitigt, welche gerade in hiesiger Stadt dem Fremden so vortheilhaft gegen andere Städte in die Augen springt. Es müssen jedenfalls sehr gewichtige Gründe maßgebend gewesen sein, welche eine derartige Veränderung rechtfertigen, ohne die in erster Linie betheiligten Bewohner der Straße um ihre diesbezüglichen Wünsche gehört zu haben. Wir glauben die geäußerten Befürchtungen nicht theilen zu dürfen, daß man an maßgebender Stelle die Absicht habe, sämmtliche Canäle zu verdecken. Denn die schon oben erwähnte Veränderung hat von betheiligter Seite mehrfache mißliebige Aeußerungen hervorgerufen.“

Freiburger Zeitung vom 27. Oktober 1878[12]

Die Freiburger wollten nicht auf die Bächle verzichten. Es wurden bis 1858 sogar neue Bächle angelegt, so zum Beispiel in der Roß-, Engel- und der Kasernengasse und am Holzmarktplatz.[1] Die Amtszeit von Otto Winterer sah weitere Bächle in Stadt- und Tennenbacherstraße sowie die Offenlegung einiger verdeckter Bächle.[13] Die Planer der Straßenbahn ignorierten den eingeholten Rat des Oberingenieurs der damaligen Straßenbahn Hamburg, der im Jahr 1899 „die Führung des Gleises am Bach entlang ... unter keinen Umständen empfehlen“ konnte.[14]

Neben der Deckung des Brauchwasserbedarfs und der Bewässerung der Wiesen ermöglichten die Bächle eine bessere Versorgung mit Löschwasser als die Tief- und Laufbrunnen. Die Brunnen hatten kein Reservoir, doch der Zufluss der Bächle konnte bei Bedarf rasch erhöht werden und die Läufe ließen sich zur besseren Wasserentnahme stauen. Für diese Aufgabe mussten die Bewohner in Oberlinden laut Brandordnung von 1692 jedes Jahr zum 1. Mai Personen aus ihrer Mitte bestimmen, die dann durch die Stadt mit Stellbrettern versorgt wurden. Im Jahr 1713, vor der Belagerung durch die französische Armee, waren dies beispielsweise 46 Haushalte.[15] Die Feuerordnung aus dem Jahr 1838 fixierte erneut die wichtige Rolle der Bächle. Sie fordert die Brunnenmeister auf, „das Wasser in den Brunnen und Stadtbächlein sogleich nach der Gegend des Brandes [zu] richten“.[16] Da so direkt am Ort des Brandes Löschwasser vorhanden war, mussten keine langen Eimerketten zur nächsten Wasserstelle gebildet werden.[17]

Mit der Modernisierung des Trink- und Abwassernetzes nach 1850[18] und dem Aufbau von Hydranten nahm im ausgehenden 19. Jahrhundert die Bedeutung der Bächle als Löschwasserquelle ab. Sie halfen jedoch auch im folgenden Jahrhundert Brände zu löschen, als der britische Bombenangriff vom 27. November 1944 (Operation Tigerfish) Teile der Innenstadt völlig zerstört hatte. Zeitzeugen berichten, dass nach dem Angriff die Bächle mit ihrem Wasser gelegen kamen, da die Gewerbebäche verschüttet und mit den zerstörten Wasserleitungen die Hydranten unbrauchbar waren.[16] Ohne das Wasser der Bächle wäre es vermutlich nicht gelungen, das Gebiet Oberlinden, das historische Kaufhaus, das Wentzingerhaus sowie weitere Gebäude zu retten.[19]

Bereits im November 1945 forderte Bürgermeister Wolfgang Hoffmann die Reinigung der Bachläufe zur Wiederinbetriebnahme der Bächle. Da die Bächle aber durch die Räumarbeiten oft im Fluss gehindert waren bzw. diese erschwerten, dauerte es bis zum Anfang der 1950er Jahre, bis sie wieder durch die wiederaufgebaute Stadt flossen.[14] 1952 forderte der Freiburger Automobil-Club (FAC) die Beseitigung der „Verkehrshindernisse“.[20] Ein Besucher schlug 1956 vor, die Ortsschilder mit Hinweisen auf die Bächle zu versehen.[14] Ungefähr zur selben Zeit klagte ein Kaufmann aus Mannheim am Landgericht Freiburg gegen die Stadt, nachdem er in der Salzstraße in ein Bächle gefahren und in der Folge gegen eine Hauswand gestoßen war. Die Klage über 2360 DM wurde abgewiesen.[21] Ähnlich erging es 1964 einem Touristen, der die Stadt verklagte, nachdem er sich beim Sturz ins Bächle in der Adelhauser Straße das Bein gebrochen hatte. Er wurde verurteilt, ein Drittel des Schades selbst zu bezahlen. Begründet wurde dies damit, dass ihm nach einem Tag Aufenthalt in der Stadt die Bächle aufgefallen sein müssten und die Stadt „solange wie irgend möglich an einer so kennzeichnenden, schönen und hygienischen Eigenart, wie sie die Stadtbächle darstellen, festhalten [soll]“.[14] Immerhin ließ die Stadt in Folge der Unfälle Ende der 1960er Jahre die Sohlen einiger Bächle höher legen,[22] darunter jene in der Salz- und Bertoldstraße.[14]

Bächle in der Innenstadt. Links die Schienen der Straßenbahn, rechts der Gehweg für die Fußgänger

Im Jahr 1973 wurde die Freiburger Innenstadt zur Fußgängerzone mit Straßenbahnverkehr. Seitdem stellen die Bächle kein bedeutendes Verkehrshindernis mehr dar, obgleich sie teilweise direkt neben den Schienen der Straßenbahn verlaufen. Mit dem Innenstadtkonzept 86 erweiterte man nochmals das Bächlenetz zwischen Rempartstraße und Martinstor und öffnete die verdolten Bächle in der Universitätsstraße und der Niemensstraße.[23] An der Neue Messe, die im Jahr 2000 in Freiburg eröffnet wurde, sollte ein Bächle fließen, doch die Idee drohte aus Kostengründen zu scheitern. Deshalb lud man Freiburger Bürgern und Unternehmen als Sponsoren ein, die für 500 DM ein Meter Bächle finanzierten. So fließt nun auch an einem Ort, der über zwei Kilometer vom Stadtkern entfernt ist, ein Bächle.[24]

Begriff

Die Wortbildung Bächle stammt aus dem 20. Jahrhundert: Im Oberrheinalemannischen Dialekt, wie er in Freiburg gesprochen wird, bildet man einfache Verkleinerungen im Normalfall mit dem Morphem {-li}.[25] Allerdings haben sich die alemannischen Dialekte zumindest in den Städten im Laufe der Zeit abgeschliffen und es entstand eine „großräumige, einheitliche Variante“. So wurde aus dem Bächli das Bächle.[26]

Infrastruktur

Ausleitung des Wassers für die Bächle aus dem Gewerbekanal
Anfang des Bächlenetzes am Schwabentor

Weit oberhalb der Altstadt, am Sandfang bei der Kartause, leitet eine Stellfalle Wasser aus der Dreisam in den Gewerbekanal. Vor der Verlegung an den heutigen Standort im Jahr 1852 befand sich diese Ausleitung unterhalb der Sandfangbrücke.[27] Die Stellfalle musste bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts manuell betätigt werden; erst im Jahr 2009 wurde ein automatisiertes Einlaufbauwerk in Betrieb genommen.[28] Der Gewerbekanal speist einen Stollen im Hangfuß des Schlossbergs.[29] Dieser Stollen wurde teilweise gemauert, teilweise in den Fels gehauen. Es finden sich darin Gedenksteine für Bau-, Werk- und Bürgermeister von Freiburg.[30] Eine historische Karte lässt vermuten, dass der Stollen vor dem Bau der Vauban'schen Festung ab 1679 ein offener Wasserlauf gewesen ist.[29]

Etwa auf Höhe des Schwabentores wird die Wassermenge durch eine Schleuse reguliert, so dass 200 Liter pro Sekunde in das Bächlenetz fließen und es dadurch alle acht Minuten komplett neu befüllt wird.[31] Dank des Höhenunterschieds zwischen dem Osten und dem Westen der Freiburger Altstadt fließen die Bächle von der Einspeisung mit natürlichem Gefälle von 1 bis 2° abwärts in nord-nordwestlicher Richtung. In Oberlinden befindet sich ein Hauptverteiler, von dem auch Wasser zur Bewässerung der alten Linde aus dem Jahr 1729 abgezweigt werden kann. Nach dem Lauf durch die Stadt fließt das Wasser am Predigertor in den Gewerbekanal, der an der „Höllentalbahnbrücke“ und bei Lehen in die Dreisam zurückgeleitet wird bzw. dessen Wasser aus seinem Nordarm über verschiedene Bäche in die Glotter mündet. Als die Bächle noch zur Wiesenbewässerung eingesetzt wurden, leitete man sie zudem am Christoffeltor und dem Mönchstor über die Stadtmauern.[10]

Für die Verteilung des Wassers sorgt der Runzknecht. Zur Regulierung dienen 142 Blechschieber, mit denen das Wasser beim Reinigen der Bächle auch abgestellt werden kann. Weiterhin gibt es Grundabflüsse, die Abschnitte des Bächlesystems mit der Abwasserkanalisation verbinden und Schmutzwasser dorthin abfließen lassen. 15 Überlaufschwellen in die Kanalisation oder den Gewerbebach verhindern, dass bei höheren Wasserständen Keller geflutet werden.[14] Die Sauberhaltung der Wasserläufe obliegt mindestens seit 1789[32] den beiden hauptamtlichen „Bächleputzern“ (früher: „Bachräumern“), die von der Stadtverwaltung Freiburg beschäftigt werden. Sie befreien zweimal pro Tag die Bächle von Laub und Abfällen.[23] Zudem wird jährlich im Herbst sowie an einem Wochenende im Frühjahr der sogenannte Bachabschlag durchgeführt, bei dem das Wasser aller Kanäle und Bächle für zwei Wochen abgelassen wird.[33] Der Bachabschlag wird zum einen zur Reinigung genutzt, zum anderen um die Bächle auf eventuelle Schäden zu prüfen und gegebenenfalls zu reparieren. Weitere Gründe für eine Abschaltung sind z. B. Baustellen sowie das Freiburger Weinfest und der Fasnetumzug, an dem dann auch die Hästräger der 1935 gegründeten Narrenzunft Bächleputzer zu bewundern sind.

In verschiedenen Zeiten wurden verschiedene Bauformen gewählt: (1) Mittelalter
(2) 19. Jahrhundert
(3) 19. bis 20. Jahrhundert
(4) bis heute

Angepasst an die Breite der jeweiligen Straße sind auch die Bächle unterschiedlich groß. Das größte Bächle mit einer Breite von circa 75 cm befindet sich am Oberlauf beim Schwabentor, die kleinsten, etwa 15 cm breit, fließen in den schmalen Altstadtgassen. Im Laufe der Zeit änderte sich die Form der Wasserläufe. Liefen die ursprünglichen Bächle erst ungefasst[34], dann in eher in flachen Rinnen auf Straßenniveau (1 im Bild rechts), sind die Bächle des 19. Jahrhunderts komplett in Sandstein gefasst (2). Zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert wurde dann Beton eingesetzt (3), die heutigen Bächle entsprechen der Bauart 4.[35] Ebenso wie die Bauformen, unterlagen auch die verwendeten Materialien gewissen Veränderungen: Früher bestanden sowohl die Einfassungen als auch die Sohlen aus Buntsandstein. Seit dem 20. Jahrhundert setzt man an den Seiten auf Granitplatten und pflastert die Sohlen mit Granit oder mit Kieseln aus dem Rhein. Letztere werden auch für die Gehwegspflasterung eingesetzt, sind aber schwer zu beschaffen. Die Bearbeitung erfordert zudem eine spezielle Ausbildung der Pflasterer.[14]

Flora und Fauna

Kleinstlebewesen, wie die Larven einiger Arten von Eintagsfliegen, Köcherfliegen und Kriebelmücken zeigen durch ihre Präsenz die gute Wasserqualität entlang der gesamten Bächle an. Flohkrebse, die sich in manchen Jahren ebenfalls in den Bächle finden, befreien das Wasser von Algen-Nahrung und behindern damit deren Wachstum.[23]

Rezeption

„Hier herrscht große Unreinlichkeit. Durch alle Straßen läuft ein künstlich geführter Bach. Dieser nimmt die blutigen Säfte von Fleischern und Metzgern auf, den Gestank aller Küchen, den Schmutz aller Häuser, das Erbrochene und den Harn aller, ja sogar die Fäkalien von denen, die zuhause keine Latrine haben. Mit diesem Wasser werden die Leintücher gewaschen, die Weingläser gereinigt, ja sogar die Kochtöpfe“

Erasmus von Rotterdam an Gasper Schets, 1534[36][37]

„Es rinnt in dieser Statt durch alle Gassen Bächlin
das eytel frisch Brunnenwasser ist
und ober winter nicht gefrewrt.“

„das gute Trinkwasser von den nahen Bergquellen, die herrliche Gegend und die schönen Spaziergänge, die Gärten und Alleen um die Stadt, vorzüglich aber die Bäche, welche in verschiedenen Richtungen alle Gassen durchströmen und Reinlichkeit und Gesundheit befördern.“

Christian Ludwig Fecht (Schriftsteller, Theologe und Herausgeber des Lahrer hinkenden Boten, um 1810[36]

Einer badischen Sage zufolge wird jeder, der bei einem Besuch in Freiburg unabsichtlich in eines der Bächle tritt, im späteren Verlauf seines Lebens eine gebürtige Freiburgerin bzw. einen gebürtigen Freiburger heiraten. Bisher noch nicht erfüllt hat sich diese Sage bei Gerhard Schröder, der im Juni 2001 während des deutsch-französischen Gipfeltreffens mit Jacques Chirac auf dem Weg ins Rathaus prompt ins Bächle trat.[38]

Vergleichbare Anlagen in anderen Städten

Bächle in Preetz (Schleswig-Holstein)

Freiburg ist eine der wenigen Städte, in deren Straßen heute noch Bächle fließen, während diese Wasserläufe früher in den Städten häufiger zu finden waren. Antonio de Beatis schrieb am Anfang des 16. Jahrhunderts über Innsbruck, dass die Straßen „breit und in denselben viele Wasserinnen und Brunnen“ sind.[39] In Goslar wurde die Gose bereits vor 1200 durch die Stadt geleitet und versorgte die Einwohner mit Trinkwasser. Für die Abwässer gab es gepflasterte Rinnen. Um sie zu reinigen oder zum Löschen von Bränden konnten sie mit Frischwasser geflutet werden. Noch älter sind die Be- oder Entwässerungsgräben aus der Zeit zwischen 1000 und 1100, die im 20. Jahrhundert in einem angelsächsischen Zentrum unter Winchester gefunden wurden.[40] Im Straßburg des ausgehenden 13. Jahrhunderts führte man die Brausch in Kanälen durch die gepflasterten Straßen, um die Abwässer zu beseitigen. Der ehemalige Stadtarchivar Adolf Poinsignon vermute im ausgehenden 19. Jahrhundert die Bächle in den älteren Städten des Elsaßes am Fuß der Vogesen sogar als Vorbilder für die Anlagen in Freiburg.[41] In der französischen Kleinstadt Briançon, die von Vauban nach einem Brand wiederaufgebaut wurde, finden sich ebenfalls Bächle.

Erfurt im 17. Jahrhundert. Ansicht von Matthäus Merian
Basel im 17. Jahrhundert. In Kleinbasel am unteren Bildrand erkennt man deutlich die Bächle

Villingen, das ebenso wie Freiburg eine Zähringergründung ist, besitzt noch Bächle.[42] Auch die Zähringerstadt Bern hatte ein Bächlesystem, das ebenfalls zur Bereitstellung von Löschwasser genutzt wurde, indem der Bachmeister das Wasser zum Brandort umleitete.[43] Im Jahr 1954 existierte zumindest noch das Bächle in der Hauptstraße, wenngleich es bereits mit Steinplatten überdeckt war.[1] Bei Gründung der Stadt Schwäbisch Gmünd durch die Staufer finden sich ebenso durchgehend fließende Wasserinnen in den Straßen, wie auch in anderen Stauferstädten. Gab es die Gmünder Bächle bereits anfänglich, wurden sie anderenorts erst nachträglich angelegt. Beispiele sind Basel, Quedlinburg, Speyer, Hornhusen/Niedermarsberg, Düren, die Lorenzerstadt von Nürnberg sowie Erfurt. Die dortigen Bächle sind auf der Stadtansicht Matthäus Merians aus dem 16. Jahrhundert gut zu erkennen. Auf einem Stadtplan aus dem Jahr 1869 finden sich jedoch bereits nicht mehr.[44] Weitere Städte mit Stadtbächen, die zum Teil ebenfalls seit dem 12. Jahrhundert bestanden, sind Jena, Gotha, Langensalza, Chemnitz, Dresden, Weißensee und Mühlhausen/Thüringen.[45]

Die Stadtgräben sind mit den Bächle entfernt verwandt. Durch Ausweitung der Städte lagen diese im Inneren und dienten dann auch zur Abwasserbeseitigung. Neben Würzburg ist hier Köln zu nennen. In Aachen und München leitete man zeitweise Flussarme durch die Stadt, wobei in München die Bäche, neben der Entsorgung von Abwässern, auch zur Gewinnung von Wasserkraft genutzt wurden. Dies ist mit dem Gewerbekanal in Freiburg vergleichbar.[46]

Film

  • Die Bächle in Freiburg. Deutschland, Dokumentation, 2005, 30 Min., Buch und Regie: Tamara Spitzing, Produktion: SWR, Reihe: Schätze des Landes, Erstsendung: 25. September 2005, Inhaltsangabe vom WDR

Literatur

  • Joachim Scheck, Magdalena Zeller: Das Freiburger Bächlebuch: Spaziergänge zur Geschichte der Freiburger Bächle und Runzen. Promo-Verlag, Freiburg, Br. 2008, ISBN 978-3-923288-69-4
  • Heiko Haumann: Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau – Band 1 Von den Anfangen bis zum Neuen Stadtrecht von 1520. Theiss, ISBN 3-8062-0874-3, S. 110-114
  • Rosemarie Beck, Roland Meinig: Brunnen in Freiburg, Rombach, Freiburg im Breisgau 1991, ISBN 379300550X, S. 10ff
  • Eckhard Villinger: Freiburg im Breisgau – Geologie und Stadtgeschichte, Informationen Heft 12, Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden Württemberg, Freiburg im Breisgau 1999, ISSN 1619-5329, ISSN 0940-0834
  • Iso Himmelsbach: Bachabschlag – Von Bächen und Kanälen in Freiburg/Br. Freiburg/Br. 2005, ISBN 3-00-017055-3
  • Christina Nußbaumer: Die Wasserversorgung Freiburgs. Wasser und Abwasser von der Stadtgründung bis zur Gegenwart - ein Beitrag zur Vermittlung geographischer Inhalte im Internet, Magisterarbeit an der Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 2002, S. 41-48
Commons: Freiburger Bächle – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d Dr. Gerhard Endriß: "Von den Freiburger Stadtbächle" aus: Nachrichtenblatt der öffentlichen Kultur- und Denkmalpflege im Regierungsbezirk Südbaden, 5. Jg, 7. - 10. 1954, Nr. 7/10
  2. a b c Haumann, S. 111 Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „haumann111“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  3. Villinger, S. 48
  4. Matthias Untermann: Archäologische Beobachtungen zu den Freiburger Altstadt-Straßen und zur Entstehung der "Bächle", aus Schau-ins-Land 114, 1995
  5. Villinger, S. 48ff
  6. Berent Schwineköper: Historischer Plan der Stadt Freiburg im Breisgau (vor 1850), Wagner, Freiburg im Breisgau, 1975, S. 14
  7. Nußbaumer, S. 43
  8. Karl Baas, Gesundheitspflege im mittelalterlichen Freiburg im Breisgau, Alemannia XXXIII, 25, 1905
  9. Gerhard Endriss: Die künstliche Bewässerung des Schwarzwaldes und der angrenzenden Gebiete, in: Berichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg im Breisgau, Band 42, Heft 1, 1952, S. 90
  10. a b Nußbaumer, S. 44
  11. Scheck/Zeller S. 34
  12. Freiburger Zeitung vom 27. Oktober 1878, Seite 2, Locales
  13. Nußbaumer, S. 47
  14. a b c d e f g Viktor Kuntzemüller: Freiburgs Bächle einst und jetzt, in: Freiburger Almanach 38, 1987
  15. Himmelsbach, S. 103
  16. a b Nußbaumer, S. 42
  17. Scheck/Zeller S. 30
  18. Scheck/Zeller S. 52
  19. Jörg Lange: Die Dreisam - Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Lavori Verlag, 2007, ISBN 978-3935737548, S. 92
  20. Schenk/Zellner S. 8, S. 34
  21. Hellmut Holthaus: Die Freiburger Bächle in: Ekkhart, Landesverein Badische Heimat, 1957
  22. Nußbaumer, S. 48
  23. a b c Kornelia Philips: Der kleine Flohkrebs ist der Bächleputzer größter Helfer, in: Badische Zeitung vom 25. Juli 1986
  24. Scheck/Zeller S. 51
  25. Harald Noth: Alemannisches Dialekthandbuch vom Kaiserstuhl und seiner Umgebung (German Edition). Schillinger, ISBN 978-3891551516, S. 450
  26. Sven Meyer: Raus aus den dunklen Stuben, Der Sonntag, 13. Juni 2008, Zugriff am 25. April 2009
  27. Himmelsbach, S. 19
  28. freiburg.de: Automatisiertes Einlaufbauwerk Sandfang ab sofort im Betrieb, Zugriff am 11. Juni 2009
  29. a b Villinger, S. 52
  30. Himmelsbach, S. 20
  31. Nußbaumer S. 45
  32. Scheck/Zeller S. 43
  33. Himmelsbach, S. 108
  34. Nußbaumer S. 46
  35. Sandra Röck, Rainer Bellenberg, Iso Himmelsbach: Bächle, Brunnen und Kanäle - Wasserstadtplan der Freiburger Innenstadt
  36. a b c Scheck/Zeller S. 37ff.
  37. Nußbaumer, S. 42
  38. Schenk/Zeller S. 35
  39. Ludwig Pastor: Die Reise des Kardinals Luigi d'Aragona durch Deutschland, die Niederlande, Frankreich und Oberitalien, 1517 - 1518, beschrieben von Antonio de Beatis, Herder, Freiburg im Breisgau 1905, S. 30
  40. Berent Schwineköper: Zur Problematik von Begriffen wie Stauferstädte, Zähringerstädte und ähnlichen Bezeichnungen in Südwestdeutscher Arbeitskreis für Stadtgeschichtsforschung, Erich Maschke, Jürgen Sydow: Südwestdeutsche Städte im Zeitalter der Staufer 1980, ISBN 3799564063, S. 106
  41. Adolf Poinsignon: Geschichtliche Ortsbeschreibung der Stadt Freiburg im Breisgau Freiburg i. Br. : Rombach, 1903/1978., ISBN 3-7930-0106-7
  42. Haumann S. 614
  43. Franz Wey: Die Trinkwasser-Versorgung der Stadt Bern. Ein geschichtlicher Rückblick, 1191-1906. Bern 1907, S. 5f.
  44. Berent Schwineköper: Zur Problematik von Begriffen wie Stauferstädte, Zähringerstädte und ähnlichen Bezeichnungen in Südwestdeutscher Arbeitskreis für Stadtgeschichtsforschung, Erich Maschke, Jürgen Sydow: Südwestdeutsche Städte im Zeitalter der Staufer 1980, ISBN 3799564063, S. 120 ff.
  45. Berent Schwineköper: Beobachtungen zum Problem der Zähringerstädte, in: Schau-Ins-Land 084/85, 1966/67, S. 74ff
  46. Klaus Grewe: Wasserversorgung und -entsorgung im Mittelalter. Ein technikgeschichtlicher Überblick in: Frontinvs-Gesellschaft e.V.: Die Wasserversorgung im Mittelalter (Geschichte der Wasserversorgung 4), Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1991, ISBN 3805311575, S. 78-80