Seit Samstag wissen wir: Diese Rolle hat eine Traumbesetzung. Hanna-Elisabeth Müller, die junge Mannheimerin, die seit zwei Jahren im Ensemble der Bayerischen Staatsoper singt, riss mit ihrem differenzierten Porträt und einer stimmlichen Glanzleistung als Zdenka in "Arabella" von Richard Strauss Publikum und Kritik zu Begeisterung hin. Sie wolle erst nächste Woche alles in Ruhe nachlesen, sagt sie bei unserem Treffen. Bis zur "Arabella"-Reprise am Ostermontag wäre ja noch Zeit gewesen, doch plötzlich war alles anders. Denn nun "darf" die junge Sopranistin schon heute, Donnerstag, wieder auftreten. Für das "Konzert für Salzburg" hat Thomas Hampson ärztliches Auftrittsverbot, und so kann Hanna-Elisabeth Müller die Chance ergreifen, Mozart-Arien (Pamina und "Figaro"-Gräfin) und zwei Strauss-Lieder zu singen.
Sängerin wirkt glücklich und zufrieden Da könne sie jetzt gleich noch etwas Zusätzliches zeigen. "Ich freu mich wahnsinnig, obwohl es mir für Thomas Hampson so leidtut", sagt die sympathische Sängerin. Sie wirkt rundum glücklich und zufrieden. Sie lacht gern herzlich und strahlt übers ganze Gesicht und lässt dabei ihre blendend weißen Zähne sehen. Zahnmedizin, das hätte sie sich übrigens vorstellen können, hätte das mit dem Singen nicht geklappt.
Im Elternhaus ist man "musikliebend", ging regelmäßig in Konzert und Oper, und von klein auf wusste Hanna-Elisabeth: "Da will ich einmal hin, auf die Bühne."
Und da steht sie jetzt im Rampenlicht und ist gerade einmal so jung wie Renée Fleming, als diese 1986 ihre erste Rolle sang: Konstanze in Mozarts "Entführung". Der kleine Unterschied: Renée Fleming debütierte damals im Salzburger Landestheater, Hanna-Elisabeth Müller ist jetzt gleich im Großen Festspielhaus.
"Bei jeder Rolle überlegen, ob ich reif dafür bin"Explodieren Karrieren denn heute so viel schneller? Da wird die junge Sopranistin sofort nachdenklich. Sie möchte sich für jede Rolle reiflich überlegen, ob es denn schon Zeit dafür sei. "Geborgen" fühlt sie sich dabei beim Rat ihres Lehrers Rudolf Piernay. Er hat ihr auch zu Zdenka geraten - freilich fürs Debüt im Sommer 2015 in München.
Doch dann kam die Einladung zum Vorsingen für Salzburg direkt von Christian Thielemann. Sie brachte "Das Rosenband" von Richard Strauss mit (das sie auch heute im Konzert singt) und "Frau Fluth aus den ,Lustigen Weibern von Windsor‘". Der Dirigent arbeitete mit ihr - und eineinhalb Stunden später hatte sie die Rolle. "Und jetzt darf ich da mit diesem Dirigenten und solchen Stars wie Renée Fleming und Thomas Hampson auf der Festspielbühne in Salzburg stehen", auf Augenhöhe und herzlich aufgenommen. Toll sei, was man in den Proben und Vorstellungen lerne von solchen Größen.
Bei Thomas Hampson machte sie schon einen Meisterkurs bei dessen Liedakademie in Heidelberg. Womit? Mit Strauss. "Der tut meiner Stimme einfach gut." Und wohlfühlen müsse man sich mit einer Rolle und mit ihrer Lage, sonst funktioniere es nicht. "Natürlich würde ich gern Donna Anna singen und werde das auch tun. Aber ich weiß: Dafür brauche ich noch Zeit."
Keine Grenzen leichtfertig überschreitenGrenzen austesten: das ja. Grenzen leichtfertig überschreiten: Das möchte sie nicht riskieren. Ein Grenzfall war die Rolle der Infantin Donna Clara in Zemlinskys Einakter "Der Zwerg". Da habe sie gesehen, sie könnte die Grenzen schon ein wenig ausdehnen. Und als sie als Gretel in "Hänsel und Gretel" auf Zehenspitzen hüpfend singen musste, dachte sie zunächst, das funktioniere nicht. "Aber die Choreografin hat uns jeden Morgen eine strenge Dosis Sport verordnet und dann ging es doch." Eine interessante Erfahrung.
Jetzt einmal fühlt sie sich in München wohl. "Ich glaube, dass es guttut, wenn man ein Haus hat, das einem Heimat gibt." Die Aufgaben bleiben vielseitig und werden größer. Nach Mozarts Servilia ("La clemenza di Tito") folgt im Repertoire Strauss auf Strauss: in "Ariadne auf Naxos", "Frau ohne Schatten", "Elektra". Und dann die Zdenka als Premiere. Und darauf, im September 2015, die "Rosenkavalier"-Sophie in einer Neuproduktion in Amsterdam.
Mit dem Erwartungsdruck geht Hanna-Elisabeth Müller derweil locker um. So groß wie vor der Salzburger "Arabella"-Premiere, glaubt sie, könne er wohl nicht mehr werden.