Stabreim
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De Stabreim isch e stilistisches Element um enere sprochliche Üsserig e bsundrige Ton zverlaije, indem me verschidnigi Wörter, wo eng zunenand ghöret, mit de gliiche Luut lot lo afoo: "Woors Wüsse wurzlet im Lebe." S Gegestuck isch de Endraim wo d Wörter uf e Silbe endet, wo gliich "lutet und tutet". Seltener isch de Binneraim, wo de Raim im Wort ine stoot: "Wer under Böim tröimt, tuet nünt versöime".
Die aifachst Form vo Stabraim sind Wortpaar wie "Maa und Muus", "Chind und Chegel" oder "regelrecht" und "nigel-nagel-noi". So Formle sind zum Tail recht fest und alt. Me kennt mittlerwile meriri alti germanischi Wortpaar, wie "Erde und Ufhimel" as Usdruck för s All oder "Liine und Lauch" um Fruchtbarkait z bewürke. Dur lutlichi Verändrige chönet noiji Paar entstoo: noialemannisch "Ruune ritze" isch e Stabraim, aber i altalemannische Runeinschrifte haissts no "wreit runa", also kan Raim!
Gschicht
De Stabraim isch bi de Germane, Kelte und de Römer gern brucht worde. Am bikanntiste isch de Usspruch vom Julius Cäsar: veni, vidi, vici! (I bi cho, has gse und gsigt!) oder de Usspruch vom Cicero: Ceterum censeo Carthaginem esse delendam (Zudem verlangi as Karthago zerstört werde mues!). De Stabraim chan aber au i andere Sprooche sporadisch uftrete.
D Germane hend de Stabraim witer entwicklet und e regelrechti Verskunst drusgmacht. Aber er dient au i Rechtstext um sich d Gsetz besser z merke chöne, wie zwai Bispil usem altfriesische Gsetz zaiget: "hengest hof and hundes toth and swines tusk and hana ezel and hritheres horn" (Huf vom Hengst, Zaa vom Hund, Hauer vom Eber, Schnabel vom Huehn, Horn vom Rind) oder: "morth mot ma mith morte kela" (Mord muemer mit Mord chüele). En Prosatext cha öber de Stabraim ohni dütlichi Grenze in e Gedicht öbergoo.
Die ältisti überlifriti germanischi Langzile isch d Runeinschrift ufem Horn vo Gallehus (Dänemark; um 400):
- ek HléwagastiR HóltijaR: hórna táwido. (Ich Hlegast, Soo vom Holt, ha s Horn gmacht.)
Usem 6. Joorhundert stammt die alemannischi Runeinschrift vo Pforze (Allgöi), wo nöd nur zuesätzlich no Endraim zaigt, sondern sogär metrisch usglichen isch:
- Áigil andi Áïlrûn: élahun gasókun (De Aigil und d Ailrun hend d Elch/Hirsche verurtailt).
Lutlichi Regle
Wörter wo im Stabreim stönd, müend mitem gliiche Mitlut afoo: "Huus und Hof". Klar sind au Konsonantegruppe erlaubt, wie "Schnickschnack" und au verschidnig Gruppe gönd: "Flussfisch fom Fischer Fritz". Aber sp, st und sk tüend nöd as e Gruppe gelte, sondern as ananzige Konsonant und stabet drum nöd underenand und onöd mit aifachem s: en "spitzige Stai" isch kan Stabraim. Uf die Mitlut wo stabet, mues immer e betonte Vokal cho, Vorsilbe chönet nie staabe. Wörter wo miteme betonte Vokal afönd, stabet au mitenand, wobi gern druf glueget werd, ases verschidnigi Vokal sind, da isch aber nöd Bedingig: "an Oostere Aijer esse".
Germanischi Langzile
Die aifachsti und ältisti poetischi Form isch die germanischi Langzile, wo nebet de lutliche Regle no anderne bestimmte Regle unterworfe isch. Im Althochdütsche sind öppe 200 germanischi Langzile öberliferet, aber nöd alli sind korrekt, im Altsächsische sinds 6000 und im Angelsächsische sogär 30000 Langzile.
Grundregle
- E Langzile bestoht us zwoo Halbzile, em Aavers und em Abvers. Jede Halbvers mue e syntaktischi Gruppe bilde, e Langzile i de ältere Dichtig en Satz. Im Bogestil, wo z England verbraitet gsi isch, foot aber en Satz mitem Abvers aa und endet mitem Aavers. Jede Halbvers het zwai betonti Wörter oder Hebige (bezaichnet i de Biispil mit Akzent). Die erste drai Hebige chönet de Stabraim träge (i de Biispil fett markiert), aber nie die Viert. Die dritt Hebig stabet immer, well si am stärchste betont werd. Bim isländische Dichter Snorri haisst si drum höfudhstafr (Hoptstab) und d Nebestäb, nennt er studhlar (Stütze). Drüü Bispil usem Muspilli sölet die drai mögliche Variante zaige:
- 1 2 3 4: so inprínnant die pérga: póum ni kisténdit (Denn enbrenet d Berge, kann Bomm stot me.) Muspilli 51
- 1 2 3 4: máno vállit: prinnit míttilagárt (de Moo ghait vom Himmel, Mittgart brennt) Muspilli 53
- 1 2 3 4: so químit ein héri: fona hímilzúngalon (Denn chunnt e Heer vode Himmelssterne) Muspilli 4
- Wenn im Aavers die baide Hebige de gliche Wortchlass (Nomen, Verb) aaghöret, mues die erst de Stab träge. Drum isch die zwait Langzile im 2. Merseburger Zauberspruch regelwidrig (do wart demo bálderes vólon: sin vúoz birénkit). Nimmt mer s Wort "balderes" use, chömemer e korrekti Langzile öber (do wárt demo vólon: sin vúoz birénkit).
- E Nomen mue de Stabraim träge, wenns ide erste Hebig stoot, nöd aber anderi Wörter. Stoot s Nomen i de zwaite Hebig, mueses de Stab nöd zwingend träge.
- En Name zücht i de Regle de Stab uf sich.
- E Verb i de zwaite Hebig blibt oni Stab, wenn ide erst Hebig e Nomen stoot. E Verb cha zudem ono oni Hebig sii und de Uftakt bilde: máno vállit: prinnit míttilagárt.
- Die germanischi Langzile unterlit kane metrische Regle, vor de erste ode dritte Hebig chan e relativ lange Uftakt mit unbetonte Wörter stoo:
- Húneo trúhtin: dat ih dir it nu bi húldi gíbu (de Herr vode Hunne: As ich der da jetzt mit Huld gibe) Hildebrandslied 35
- I Zauberprüch cha au die viert Hebig de Stab träge, so werd gwüssermasse de bösi Gaist öberlistet, wie zum Biispil im Sanggaler Huussege.
Witeri Möglichkaite
E Langzile cha no mit witere stilistische Element usgschmückt werde, wie mit em Endraim oder Binneraim.
Vomene Schüttelraim red mer, wenn die baide Nebehebige underenand ono staabet:
- za uuédremo hérie: si gihálot uuérde (zu welem Heer: si gholt werdi) Muspilli 7
En Hooggeraim lit vor, wenn die letzt Hebig (wo aigetlich kan Stab träge tar), beraits de Stab vode nöchste Langzile zaigt. Da Element chunt im Hildebrandslied 63-66 vor:
- do léttun se áérist: áskim scrítan (do lönd si zerste d Eschespeer strite)
- scárpen scúrin: da in dem scíltin stúont (mit scharfem Schauer, so as si i erne Schild gstande sind)
- do stóptun to sámana: stáimbort chlúdun (denn stampfet si zäme as d Schilder tönet)
- héwun hármlico: huítte scilti (und hauet harmvoll die helle Schild)
Nordischi Dichtig
In Skandinavie isch d Stabraimdichtig witerusbaut worde und es hend sich verschidnigi Stilforme entwicklet:
- Fornyrdhislag ("Altmärestil") werd i de Lieder-Edda oft verwendet.
- Ljódhháttr ("Liedton") werd i Lehr- und Zauberlieder brucht. Er bestoot usere Langzile und ere Churzzile.
- Dróttkvætt ("Hofton") isch de kunstvolli Stil, wo vode nordische Dichter, de Skalde brucht woren isch. Er het nebetem Stabraim no Binneraim und zält sechs Silbe i jedem Halbvers.
- Hrynhenda ("Fallraim") zält acht Silbe pro Halbvers, het Stabraim, Binneraim und Endraim.
Wichtigi althochdütschi Stabraimgedicht
- Runefible vo Pforze (alemannisch; 6.Jh.)
- Runefible vo Bülach (alemannisch; 6.Jh.)
- Hildebrandslied (bayrisch/sächsisch; 8.Jh.)
- Wessobrunner Gibet (bayrisch; um 815). Da Gedicht isch möglicherwiis usem Altenglische öbersetzt wore.
- Merseburger Zaubersprüch (ostfränkisch; 9.Jh.)
- Muspilli (bayrisch; E.9.Jh.). Da Gedicht zaigt scho vill regelwidrigi Langzile.
- Sanggaller Huussege (alemannisch; 10.Jh.)
Literatur
- Klaus von See: Germanische Verskunst; Sammlung Metzler M 67; Stuttgart (1967)