Symbolik der Mysterienbünde
Von August Horneffer
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Über dieses E-Book
August Horneffer
Der Philosoph und Freimaurer Dr. August Horneffer (1875-1955) ließ seinen Namen schon zu Lebzeiten mit seiner literarischen Begabung aufleuchten. Ganz besonders bewegte ihn der felsenfeste Glaube an den höheren Sinn des Lebens, den er in allen Schriften zum Ausdruck brachte. Neben mehreren Büchern gab er gemeinsam mit seinem leiblichen Bruder, Prof. Dr. Ernst Horneffer, die Monatszeitschrift Der unsichtbare Tempel heraus und leitete das Bundesblatt Am rauhen Stein einer Berliner Loge.
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Buchvorschau
Symbolik der Mysterienbünde - August Horneffer
DANKSAGUNG
Der Verlag dankt dem Rechtsinhaber Prof. Dr. Klaus Horneffer für die Erlaubnis, diesen Klassiker der Einweihungstradition neu gestalten und auflegen zu dürfen. Mögen auch künftige Generationen von Sinnsuchenden die Fackel einer höheren Erkenntnis darin leuchten sehen!
INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT
EINLEITUNG
ERSTES KAPITEL - DAS GEHEIMNIS
Mysterien
Berufsgeheimnisse
Esoterische Lehren
Gnosis
Das Wunder
Der Ritus als Mittler
Tod und Wiedergeburt
Verwandlung
Die Große Sehnsucht
Seelenwanderung
Kosmologie
Häretik
Öffentlichkeit
ZWEITES KAPITEL - DIE REINHEIT
Vorbereitung
Taufe
Salbung
Krankenheilung
Sühne
Namengebung und Namennennung
Abzeichen
Verhüllung
Das Anziehen des neuen Menschen
Entkleidung
Barfüßigkeit
Enthaltung
Fesselung
Gericht
DRITTES KAPITEL - DAS LICHT
Offenbarung
Lichtentzündung
Die Höhle
Die Nachtzeit
Das Lichttragen
Die Lichtfeste
Der Liebeskampf von Licht und Finsternis
Lichtkult
Der Osten
Spiegel und Auge
Astrologie und Geometrie
Die Sphären und die Himmelstreppe
Die Freiheit im Licht
Die heiligen Farben
Die Anrede
VIERTES KAPITEL - DIE VERBRÜDERUNG
Bruder und Vater
Der Unionsgedanke
Unionshandlung
Der Kuss
Der Schlag
Handauflegung und Handreichung
Verpflichtung
Das Mahl
Grenzen der Verbrüderung
Familienkult und Männerbund
FÜNFTES KAPITEL - DIE ARBEIT
Die Tätigkeit der Mysterienbunde
Kultvereine
Medizingesellschaften
Ritterschaften
Kriegerbünde
Landsmannschaften
Weisheitsbünde
Spielvereine
Arbeit und Egoismus
Die Arbeit als Mysterium
Kultische Arbeit
Magie
Rosenkreuzer
Werkkult
Das Meisterstück
SCHLUSSBEMERKUNG
Nachweise
NACHWORT
Vorwort zur Neuauflage
Der Autor dieses Werkes, Dr. August Horneffer, verstarb am 8. Oktober 1955 im 81. Lebensjahr. Wenige Monate zuvor hatte mein Vater, Dr. Lutz Horneffer, den Bruder seines Vaters noch auf dem Krankenbett besucht. Ich begleitete ihn nach Berlin. Mein Vater konnte seinem Onkel noch berichten, dass er mich, unmittelbar nach erfolgreicher Abiturientenprüfung, in den Bund der Freimaurer führen würde, in dritter Generation. In diesen Jahren vor und vor allem nach meiner Aufnahme im Jahr 1956 und bis heute wurde das Buch Symbolik der Mysterienbünde eine meiner wichtigsten Erkenntnisquellen. Ich fand es in der freimaurerischen Bibliothek meines Vaters. August Horneffer war im Jahr 1911 in München zum Freimaurer aufgenommen worden. Obwohl Gegenstand der Symbolik der Mysterienbünde keineswegs nur die Freimaurerei betrifft, sondern wesentlich weiter gefasst ist, spielt dieser Menschheitsbund hier doch eine große Rolle. Denn es ist ja das Merkwürdige, dass dieser Bund fast die einzige Möglichkeit bietet, das Wesen des Symbols in einer lebendigen Gemeinschaft zu erleben. So schlägt sich die freimaurerische Erfahrung August Horneffers in dem Werk deutlich nieder, aber es benutzt, ohne auf die Quellen im Einzelnen hinzuweisen, das weite Feld der Literatur über das Mysterienwesen, worauf der Verfasser in der Schlussbemerkung eingeht. August Horneffer bringt sein Thema auf den springenden Punkt, wenn er lapidar feststellt: Wesen und Inhalt der Mysterienbünde ist ein Geheimnis. Dieses Geheimnis, das haben Freimaurer aller Zeiten erfahren, ist nicht durch Worte mitteilbar, sondern es ist Gnosis, also Erkenntnis durch Erleben.
Ich freue mich, dass das Werk Symbolik der Mysterienbünde nun in vierter Auflage neu gestaltet vorliegen wird. Ich bin sicher, es wird noch vielen Lesern Wege der Selbstfindung und Sinngebung weisen.
Klaus Horneffer
Ritterhude, im Herbst 2016
Einleitung
Erkennen und Leben gehören zusammen. Eine vom Volksleben und von den Zeitströmungen unabhängige Wissenschaft kann es und darf es nicht geben. Zwar ruhen des echten Forschers Augen unbestechlich und unbeirrt auf den Gegenständen seiner Forschung, aber die Auswahl, die er unter den Gegenständen trifft, und die Art, wie er seine Einzelbeobachtungen zu allgemeineren Erkenntnissen zusammenfügt, wird, ihm selber vielleicht unbewusst, durch die Bedürfnisse seiner Zeit und durch seine eigenen Herzenswünsche bestimmt.
Am deutlichsten kommt das naturgemäß bei denjenigen Wissensgebieten zum Ausdruck, die das leibliche oder geistige Wohl des Menschen unmittelbar berühren. Diese Wissensgebiete verändern unter dem Einfluss der wechselnden Kulturrichtungen von Zeit zu Zeit in auffallender Weise ihre Gestalt und ihren Inhalt. Die Forscher bevorzugen plötzlich Gegenstände, die vorher vernachlässigt wurden, sie entdecken neue Zusammenhänge und stellen Fragen, die vor wenigen Jahrzehnten noch der Beantwortung kaum bedürftig schienen.
So hat das Gebiet der Kultur- oder Geistesgeschichte in der jüngsten Zeit starke Wandlungen erfahren. Die Studienfächer, die man bis dahin gern getrennt hielt: Philologie, Geschichte, Theologie, Psychologie haben ihre Grenzen verschoben und sind zu Hilfswissenschaften einer allgemeinen Menschenwissenschaft (Anthropologie, Humanitätskunde) und deren Teilen geworden, also der Moralwissenschaft, der Gesellschaftswissenschaft, der Religionswissenschaft. Probleme der menschlichen Denk-, Tat- und Glaubensentwicklung, die die dahingegangene Forschergeneration kaum beachtete, sind in den Mittelpunkt der Forschung getreten. Und wer kein Fremdling in seiner Zeit ist, wird gewahr, dass diese Wandlung eng mit den Entwicklungskämpfen und praktischen Forderungen der lebendigen Gegenwart zusammenhängt. Die Zeit hat den Forschern die Augen für die neu entdeckten Probleme geöffnet.
Zwei solche Grundfragen, die lange Zeit wenig Beachtung fanden, weil ihre Lösung leicht oder doch nicht eilig schien, und die man daher im Rahmen der einzelnen Forschungszweige nebenher behandeln zu können glaubte, bilden den Gegenstand des vorliegenden Buches. Seit kurzer Zeit erst wird die hohe Bedeutung dieser beiden Grundfragen erkannt, immer mehr ziehen sie die Aufmerksamkeit der Forschung auf sich und werden zu einer der wichtigsten Angelegenheiten der gesamten Wissenschaft vom Menschen. Die eine Frage ist die der Symbolbildung, die andere die der Gemeinschaftsbildung.
Symbole begegnen dem Forscher auf allen Kulturgebieten, in der Religion und der Kunst so gut wie im Rechts- und Staatsleben. Unser Denken und Sprechen, Handeln und Gestalten geht mit Hilfe von Symbolen vor sich. Die kostbarsten und unzerstörbarsten Güter, die das Menschengeschlecht besitzt, sind Symbole oder symbolisch ausgedrückte Werte. Diese Tatsache entging den Gelehrten der letzten Generationen oder, wenn sie sie zugeben mussten, erkannten sie nicht ihre Bedeutung. Sie standen im Banne des Glaubens, dass wohl die unreifen und kulturarmen Völker symbolisch dächten und lebten, dass aber die Kulturmenschheit der symbolischen Auffassung mehr und mehr entwachsen sei. Die Forscher entlehnten diese falsche Meinung den kritischen Zeitströmungen, die sich gegen den Symbolbesitz der überlieferten Religion und dessen kirchliche Dogmatisierung richteten. Auf diese Zeit der Kritik ist heute eine Zeit des Aufbaus gefolgt. Die Menschen fühlen in wachsendem Maße den Mangel an Symbolen als eine geistige Verarmung, sie suchen alte Symbole zu beleben oder neue zu finden. Dadurch wird die Forschung angeregt, die älteren Symbolschätze des Menschengeschlechts eifriger als bisher zu studieren, ihren Ursprung, ihre Geschichte, ihren Zusammenhang durch die Zeiten und Völker aufzudecken und den Sinn jener merkwürdigen Gebilde des menschlichen Geistes, die das Glück von Millionen ausgemacht haben und auch weiterhin ausmachen werden, zu erklären. Infolgedessen hat in den letzten Jahrzehnten eine rege Symbolforschung eingesetzt. Zahlreiche Forscher sammeln, vergleichen, deuten die symbolischen, mythischen, kultischen Bestandteile der verschiedenen Religionen, und diese Forschungen gruppieren sich aus mehreren Gründen um einen Mittelpunkt: um die an symbolischem Schaffen reichste und gewaltigste Zeit, die wir kennen, das ausgehende Altertum und beginnende Christentum.
Kein echtes Symbol auf Erden, das nicht Gemeinschaftssymbol wäre.
So erfolgreich diese Symbolforschungen sind, so leiden sie doch bisher fast durchweg an dem Fehler, dass sie die Bedeutung der zweiten der genannten Grundfragen übersehen und die Symbolbildung nicht in Zusammenhang mit der Gemeinschaftsbildung bringen. Von jeher schufen die Menschen geistige Verbände, hielten mit äußerster Zähigkeit an ihnen fest und brachten ihnen opferfreudige Verehrung dar. Auf diesen Verbänden ruht alle menschliche Kultur. Und diese Verbände sind ausnahmslos symbolischer Art! Keine echte Gemeinschaft unter Menschen, die sich nicht der Symbole bediente, und umgekehrt. Kein echtes Symbol auf Erden, das nicht Gemeinschaftssymbol wäre. Daher kann die Symbolforschung nie zum Ziel gelangen, wenn sie nicht dem Gemeinschaftsproblem ihre ernste Aufmerksamkeit zuwendet, ebenso wie das Verlangen unserer Zeit nach lebendigen und als wahr empfundenen Symbolen nie befriedigt werden kann, wenn sich die Menschen nicht zu engen Geistesbünden und Brüderschaften zusammenschließen. Nur mühsam bricht sich diese Erkenntnis heute Bahn. Die meisten Führer und Förderer einer sittlich-religiösen Vertiefung in unserem Volk denken immer noch, es käme nur auf die Erweckung der persönlichen Religion und auf individuelle Erziehung zum wahren Leben an, sie sehen nicht, dass dieser Weg zur geistigen Zerbrökkelung und Verwüstung führen muss, wenn man nicht gleichzeitig zur Gemeinschaftsbildung aufruft und, falls man die überlieferten Geistesbünde für ungeeignet hält, zu neuen Bundes- oder Ordensgründungen schreitet. Wenn nichts Anderes, so sollte der große Krieg jeden über die Gewalt des Gemeinschaftssinnes und über die Notwendigkeit der Verbrüderung der Geister belehrt haben. Zugleich lehrt uns der Krieg auch, dass der Gemeinschaftswille unwillkürlich Symbole hervortreibt: Das Verlangen nach Verbrüderung und das Wissen, einem Bruderkreise anzugehören, sucht sich in Bildern und Zeichen auszuprägen und zu entladen.
Möchten sich die Forscher diese Erfahrung zu Eigen machen! Viele Irrwege würde sich die gesamte Kulturwissenschaft, in Sonderheit auch die Religionswissenschaft ersparen, viel tiefer würde sie in das Wesen der großen geistigen Schöpfungen unseres Geschlechts (z. B. des Christentums) eindringen, wenn sie die Ursachen und Erscheinungsformen der geistigen Gemeinschaftsbildung mit den Untersuchungen über Symbol-, Mythen- und Lehrbildung in Zusammenhang brächte.
Indem das vorliegende Buch die innere Einheit von Symbol und Gemeinschaft in den Vordergrund rückt, gibt es notwendigerweise noch einer anderen Überzeugung Ausdruck, dass nämlich alle Symbolbünde des Menschen Mysteriencharakter tragen. Das Mysterienproblem ist das dritte, das neben und mit dem symbolischen und dem Gemeinschaftsproblem die nachfolgenden Ausführungen beherrscht. Alle Symbole haben etwas Geheimnisvolles und alle Symbolbünde haben sich im Besitz von Geheimnissen gefühlt, die sie nach außen durch Verhüllung und Verhehlung zu schützen suchten. Der heutigen, nach Öffentlichkeit und Allgemeinheit drängenden Zeit, ist diese Tatsache unbekannt oder man durchschaut wenigstens ihre Bedeutung nicht. Ebenso fehlt die Einsicht in die tiefsten Ursachen sowie in den Umfang des Mysterienwesens in der Geistesgeschichte der Menschheit fast allen zeitgenössischen Forschern. Dieser Erkenntnis die Bahn zu brechen ist ein Hauptzweck meines Buches.
Aus dem Gesagten ergibt sich die Darstellungsweise, deren wir uns bedienen müssen, von selber. Es kann nicht unsere Absicht sein, alle Symbole einzeln aufzuzählen, ihre Entwicklung historisch zu verfolgen und die Geschichte der zahlreichen Mysterienbünde alter und neuer Zeit zu schreiben. Vielmehr müssen wir psychologisch vorgehen und die symbolischen Kerngedanken, die symbolischen Grundwahrheiten herausheben, die in den wichtigsten Symbolbünden Geltung gehabt haben und noch heute haben. Es wird sich zeigen, dass die Menschheit immer wieder dieselben symbolischen Wege gegangen ist und ihr geistiges Verbrüderungsbestreben immer wieder auf ähnliche Bilder und Gleichnisse gegründet hat. Das Tatsachenmaterial, das wir vorlegen, hat nur den Zweck, diese symbolischen Grundwahrheiten deutlich in das Licht zu stellen. Vollständigkeit streben wir nirgends an, rechnen vielmehr darauf, dass den Kennern unser Beispielmaterial als Anregung dienen wird, die Darstellung im Geiste zu ergänzen und den gegebenen Grundriss auszufüllen. Es wird den Kennern nicht entgehen, dass es dem Verfasser ein Leichtes wäre, für die erwähnten Symbole und Gemeinschaftsbräuche sehr viele weitere Belege beizubringen. Aber dieses würde die Übersicht erschweren und den Zweck des Buches verdunkeln, nämlich durch Zusammenschau des geistigen Symbolwesens und des mysterienartigen Gemeinschaftsstrebens der Forschung neue Ausblicke zu eröffnen und den edelsten Bedürfnissen der Gegenwart entgegenzukommen.
Die Symbole und Bundesformen sind in allen geschichtlichen Epochen und bei allen Völkern einander ähnlich, sodass eingehende Vergleiche das Verständnis ungemein fördern.
Die Blütezeit der Symbolbünde ist, wie schon gesagt, das ausgehende Altertum, als eine zweite Blütezeit dürfen wir das 17. und 18. Jahrhundert bezeichnen. Diese beiden Epochen kommen für uns daher hauptsächlich in Betracht. Jedoch lässt es sich nicht vermeiden, weiter hinaufzusteigen und das frühere Altertum zu berücksichtigen, ebenso wie wir gelegentlich die reiche Symbol- und Bundestätigkeit der primitiven Völker und die im europäischen Volksglauben und -brauch aufgespeicherten Früchte des symbolischen Schaffens unserer Vorfahren mit heranziehen müssen. Die Frage, ob die Symbole meist durch Entlehnung von einem Bund zum andern gekommen oder immer wieder selbstständig gefunden worden sind, ist für uns von geringem Belang. Sie geht den Historiker mehr an als den Psychologen, denn es leuchtet ein, dass Entlehntes nur dann Kraft und Leben hat, wenn es den Bedürfnissen der Nachkommen so entspricht, dass sie es hätten selber finden können und müssen. Die Symbolbünde sind meist des Glaubens, dass sie von jeher bestanden und ihr Geheimnis durch Tradition aus den urältesten Zeiten, schließlich von Gott selber empfangen hätten. Besonders im Freimaurerbund hat der Gedanke einer lückenlosen Überlieferung der Bundesgeheimnisse vom Ursprung der Menschheit durch alle Zeiten bis zur Gegenwart Ausdruck gefunden. Dieser Gedanke ist auf jeden Fall innerlich, das heißt geistig und symbolisch wahr. Ob er auch äußere, das heißt historische Wahrheit besitzt, ist eine andere Frage, die hier nicht erörtert werden kann. Uns genügt die folgende Feststellung: Die Symbole und Bundesformen sind in allen geschichtlichen Epochen und bei allen Völkern einander ähnlich, sodass eingehende Vergleiche das Verständnis ungemein fördern. Bei den Symbolen des orientalisch-europäischen Kulturkreises geht die Ähnlichkeit so weit, dass allerdings eine Übertragung und Vererbung in größerem Umfange angenommen werden muss. Die Linie geht von den staatlichen und privaten Kultverbänden der Babylonier, Ägypter, Inder, Perser, Vorderasiaten, Griechen, Römer, zu den synkretistischen Gemeinden und Vereinen der hellenistischen und frühchristlichen Zeit, unter denen für uns besonders die Mysterienbünde von Wichtigkeit sind. Im engeren Sinne sind dies der Isis-, Mithras-, Attiskult, ferner die christlichen und halbchristlichen Gemeinden, endlich die Philosophen- und Theosophenbünde, weiter zu den christlichen Neben- und Engbünden des Mittelalters, Häretikergemeinden, Ritter- und Mönchsorden, Kunst- und Werkbruderschaften, und endlich zu den Symbolschöpfungen der neueren Zeit. Zu nennen wären hier Humanistenbünde, Rosenkreuzer, Freimaurer und was sich an sie angelehnt hat. Bei der Übermittlung alten Symbolgutes an die moderne Welt haben außerdem mitgewirkt: die Kabbala, die Magie, die Alchemie und die Astrologie sowie andere in Gemeinschaften verkörperte Bestrebungen, die wir im 5. Kapitel näher kennen lernen werden. Gern bekenne ich, dass ich die Hauptanregung zu dem vorliegenden Buch dem Freimaurerbund verdanke. Der Freimaurerbund ist einer der echten Mysterienbünde, die in der Gegenwart noch lebendig sind. In ihm kann man durch die Erfahrung und das unmittelbare Erlebnis lernen, was sich sonst nur aus Büchern mühsam gewinnen lässt. Durch die Freimaurerei hat sich mir gleichsam die Innenseite des symbolischen Bundeswesens der Menschheit erschlossen, und von da aus haben sich mir auch neue Zugänge zum menschlichen und geschichtlichen Verständnis der Religion, in Sonderheit des Christentums eröffnet. Daher bilden die nachfolgenden Untersuchungen eine notwendige Ergänzung zu meinem Werk Der Priester (2 Bände, Jena 1912), für welches ich die freimaurerischen Erfahrungen noch nicht genug hatte verwerten können.
Indessen wäre es ein Irrtum, wenn man annehmen wollte, es handle sich in dem vorliegenden Buch ausschließlich oder auch nur vorwiegend um Freimaurerei. Die Freimaurerei ist ein Glied der großen Familie der Mysterienbünde. Die besonderen Eigenschaften und persönlichen Charakterzüge dieses einen Gliedes zu schildern ist nicht unsere Absicht, nur insofern werden dieselben hier Berücksichtigung finden, als sie das Gesamtbild zu beleben vermögen und uns den Einblick in das Wesen der Mysterienfamilie und die Formen der symbolischen Bundesbildung im Allgemeinen erleichtern.
Erstes Kapitel
DAS GEHEIMNIS
Mysterien
Alle Symbole religiös-ethischen und künstlerischen Charakters haben im Grunde den gleichen Inhalt. Sie zeigen an, dass eine Einheit errungen oder erstrebt worden ist. Sie sind Denkmale der Überwindung einer innerhalb des Menschen oder zwischen Mensch und Mensch bestehenden Zweiheit oder Zwietracht. Und sie haben die Kraft, in die Einzelüberwindung zugleich die Gesamtüberwindung bildlich einzuschließen: Das Symbol verkündet, dass mit der Einheit im Kleinen auch die Einheit im Großen und Größten erzielt worden ist. So ist jedes Symbol ein Zeichen des geschlossenen Bundes, des Friedens, des Feiertags, es ist eine Verheißung und Bürgschaft des Sieges, um den alles Leben so heiß und rastlos ringt.
In jedem Symbol liegt das große Urgeheimnis des Lebens entschleiert da, und doch zugleich verschleiert, weil bildlich gefasst.
Das klingt geheimnisvoll und ist auch ein Geheimnis. In jedem Symbol liegt das große Urgeheimnis des Lebens entschleiert da, und doch zugleich verschleiert, weil bildlich gefasst. Jedes spricht von ihm, aber jedes in anderer Weise. Die Symbole nähern sich dem Geheimnis der Einheit auf verschiedenen Wegen und zeigen sie von verschiedenen Seiten. Daher ihre Mannigfaltigkeit: jedes Ding kann Symbol werden. Jedoch das Ziel und der Inhalt sind letzthin immer gleich.
Es herrscht heute eine weitverbreitete Abneigung gegen alles Verborgene, Abgeschlossene und Geheimnisvolle. Aber nur wer diese Abneigung überwindet, kann in den Kern der Symbolbildung und der Gemeinschaftsbildung eindringen. Daher richten wir unser Augenmerk zunächst auf das Mysteriöse in aller Symbolik und suchen das Streben nach Geheimhaltung und Abschließung, das allen geistigen Verbindungen eignet, zu erklären und zu rechtfertigen.
Zweierlei ist hier zu unterscheiden: Erstens das Geheimnis selber und zweitens die Mittel, die angewendet werden, um das Geheimnis teils zu verbergen, teils auszusprechen und verständlich zu übermitteln. Beides wird oft miteinander verwechselt. Auf dieser Verwechslung beruht z. B. die Gleichsetzung von religiösen Symbolen mit dogmatischen Lehren. Auf der Verwechslung von Sache und Mittel beruht die übertriebene Geheimtuerei in manchen Mysterienbünden.
Wir beginnen mit der Besprechung der Mittel, also des Äußerlichen des Mysterienwesens, und gehen erst nachher auf das Wesen des Geheimnisses selber ein.
Berufsgeheimnisse
Wenn man von dem Esoterismus antiker Philosophen, von esoterischen Lehren älterer Priesterschaften, von esoterischen Kenntnissen und Übungen der Künstler und Praktiker spricht, so wird in der Regel nicht beachtet, dass die Esoterik zwei verschiedene Dinge bezeichnet, nämlich erstens die Berufsgeheimnisse gewisser menschlicher Tätigkeitsgruppen, zweitens das große Mysteriengeheimnis, das wir suchen. Die Berufsgeheimnisse sind sehr mannigfach und gehen uns hier nur insofern an, als sie bundesbildend und symbolbildend gewirkt haben. Geheim gehaltene Werkzeuge und Verfahren haben Anlass zur Gründung fester Verbände mit symbolischen Zeichen und Handlungen gegeben. Die ältesten und symbolisch folgenreichsten sind die Werkzeuge und Verfahren des religiösen Berufes. Die praktischen Berufe und ihre Geheimnisse sind jünger, die Zünfte haben sich nach dem Vorbild der ältesten menschlichen Berufsvereinigung, der priesterlichen, gebildet. Über die Kriegerbünde und ihre Berufssymbolik sprechen wir später.
Auf der Verwechslung von Sache und Mittel beruht die übertriebene Geheimtuerei in manchen Mysterienbünden.
Die Geheimnisse des religiösen Berufes bestehen vornehmlich in Krafthandlungen, Kraftgegenständen und Kraftworten. Bei den meisten Völkern, die wir kennen, haben einst die Priester, oder wer ihre Stelle einnahm, mit Eifersucht diese Geräte und Verfahren ihres Berufes vor den Laien oder den Fremden geheim gehalten und in ihnen ihre wertvollsten Besitztümer verehrt. Handlungen, Gegenstände, Worte, die eine besondere Kraft auszuströmen schienen, schufen also eine enge Vereinigung zwischen gewissen Menschen und sicherten ihnen einen Vorrang vor den übrigen. Um ein paar Beispiele zu nennen, so war der heilige Gottesname, dem man geheime Kräfte zuschrieb (Tetragrammaton), bei den Juden einst den Eingeweihten vorbehalten und wurde von den Rabbinen nur an ihre Lieblingsschüler mitgeteilt. So hatten die Priester in Indien und anderwärts ihre besonderen Gebete, Gesänge und heilige Überlieferungen, die streng geheim gehalten und nur an den priesterlichen Nachwuchs weitervererbt wurden. Deshalb sind in vielen Religionen auch gewisse Räume, heilige Gemächer, Abteilungen des Gotteshauses für die Laien unbetretbar. So haben die Priester oder religiösen Brüderschaften ihre eigenen Abzeichen, Kleider usw., denen eine besondere Macht innewohnt und die von den Unberufenen nicht getragen werden dürfen. Bildet der religiöse Beruf die herrschende Klasse, so bestraft er die Übertreter oder verflucht sie wenigstens, er hat dann nicht nötig, das Verbotene zu verbergen. Seine Geheimnisse sind dann bekannt, aber nur der Berechtigte und Zugehörige darf sie ausüben. Im anderen Fall findet die Ausübung im Geheimen statt, die Kleider werden nur bei den zeugenlosen Zusammenkünften getragen oder die Abzeichen etwa unter dem gewöhnlichen Kleid verborgen. Und die heiligen Worte werden nur leise geflüstert. Man sprach zum Beispiel Zaubersprüche immer nur mit gedämpfter Stimme. Heilige und allerheiligste Dinge vertragen den lauten Ton nicht. Der Grund ist natürlich der, dass Unberufene es nicht hören sollen.
Dabei ist zu beachten, dass zu den Unberufenen nicht bloß etwaige lauschende Menschen gehören, sondern auch böse Geister und feindliche Götter, vor denen man noch weit mehr auf der Hut sein musste. Der Mensch fühlte sich früher niemals allein, je mehr er sich von der Menge absonderte, umso beängstigender drangen Naturgeister, Totenseelen und andere Gebilde auf ihn ein. Sie neideten ihm sein Wissen und wollten ihn in ihre Gewalt bringen. Hatte er sich mit anderen Auserwählten zur Pflege eines einzigen Geistes verbunden, so wurde dieser Bund ständig umlauert von feindlichen Dämonen. Auf ihre Abwehr und Unschädlichmachung zielten viele Riten und Zeichen, an sie und ihre lästige Nähe dachte man beständig, vor ihnen musste man die segensvollen Bundesfeiern verborgen halten. Daher findet sich in den meisten Mysterienbünden die Vorschrift, leise zu sprechen. Daher auch finden Zauberbeschwörungen — die auch eine Art von Bundesfeiern sind — stets an abgelegenen Orten statt, wo man vor Lauschern und unerwünschtem Geistervolk sicher ist. Nur dann kann, wie uns die Zauberbücher versichern, die Beschwörung gelingen, das heißt die Verbindung mit dem zu beschwörenden Geist hergestellt und seine Willigkeit errungen werden. Nur wenige Vertraute dürfen mit zugegen sein, jeder Fremde und Ungeweihte bricht den Zauber und stört den günstigen Verlauf. Wir wissen, ein wie großer Wert auch bei heutigen Ritualen noch auf die Deckung gelegt wird. Ungeeignete Personen werden ferngehalten, alles geht möglichst leise vonstatten.
Jeder Mysterienkult fürchtet, dass verkappte Schädlinge sich einschleichen.
Man kann hier noch Folgendes hinzufügen. Geheime Verbindungen pflegen sich nicht an die bekannten, durch den öffentlichen Priesterkult verehrten Götter und Geister zu wenden, sondern an neue und besondere Mächte. Daher sind sie ihrer nicht so ganz sicher, man will sie erst gewinnen, will sie aus bösen Gewalten erst in gute und helfende umwandeln. Man kennt sie noch nicht. So haben die Zauberer immer die Furcht gehabt, ob die erscheinenden Geister nun auch die gerufenen und gemeinten sind, oder ob sich falsche in ihre Gestalt verkleidet haben, und auch vor den richtig zitierten mussten sie sich in Acht nehmen. Jeder Mysterienkult fürchtet, dass verkappte Schädlinge sich einschleichen. Also trifft man Vorsichtsmaßregeln gegen die etwaigen gefährlichen Begleiterscheinungen des Verkehrs mit den unbekannten, nicht von der amtlichen Religionsbehörde abgestempelten und empfohlenen Geistesmächten. Jeder echte Bund ist ein Wagnis, ein Schritt in das Ungewisse. Er fordert daher trotz allen Vertrauens auch ein gewisses Misstrauen, das sich außer in der Wahl sicherer Orte und der Vermeidung von Lärm auch in der Anwendung von Schutz- und Reinigungsvorkehrungen äußert, die wir im zweiten Kapitel kennen lernen werden.
Die Geheimhaltung religiös-magischer Mittel ist uralt. Wir finden allenthalben geschlossene Kulte, die sich aus der Vorzeit vererbt haben, so in Altgriechenland manche Thiasoi und Familienkulte, aus denen später die Mysterienvereine, zum Beispiel die Eleusinien hervorgegangen sein sollen. Sie verfügten über heilige Worte, Zeichen und Handlungen, die den Außenstehenden nicht verraten werden durften und die ein besonders inniges Verhältnis mit bestimmten Bundesgottheiten schufen. In der Kenntnis und Ausübung dieses Kultes bestand der Vorzug der Mitglieder. Durch den Kult waren sie Berufene, waren Freunde geheimer Mächte, Besitzer höherer Kräfte und Gaben. Jeder dieser Kulte legte den größten Wert auf den Schatz, den er an den bewährten Handlungen, Zeichen und Worten zu haben glaubte, und setzte alles daran, ihn unversehrt an würdige Nachfolger zu vererben.
Es gab auch Klassen, Stämme, Kasten, die sich solcher Besitztümer erfreuten. So waren die persischen Magier zugleich ein Volksstamm und eine abgeschlossene religiöse Gesellschaft, die ein Monopol auf das Priesteramt in ganz Persien erwarb. Sie waren vermutlich in Grade und Unterabteilungen gegliedert. Diese Magier gewannen im späteren Altertum, als sie westwärts zogen, einen bestimmenden Einfluss auf das europäische Bundes- und Kultwesen. Von ihnen ging der Mithraskult aus und dessen christlich-häretische Nachfolger. Ihre geheimen Riten hielten die Magier fest und behielten auch die feierlichen Einweihungen bei, durch die unter Schutz- und Reinigungsmaßregeln Novizen in den Bund aufgenommen wurden und Kenntnis von den wertvollen Bundesgeheimnissen erhielten. Ähnlich war es mit den übrigen Mysterienbünden. Immer sind sie im Besitz von religiösen Berufsgeheimnissen, die sie nur Berufenen mitteilen, das heißt sie sind im Besitz von Methoden und Werkzeugen, sich einer Gottheit auf besondere Weise zu versichern und dadurch für das Leben und Sterben besser gerüstet zu sein als die Nichteingeweihten.
Der Wert, der den Bundesgeheimnissen zugeschrieben wird, ist in erster Linie immer religiöser und magischer Art.
Die Pythagoräer und die Essäer (Essener) rühmten sich ebenfalls solcher Geheimnisse. Es macht keinen Unterschied, ob der Wert mehr auf Diätregeln oder auf die Kenntnis heiliger Zahlen und Figuren, heiliger Namen und Sprüche, auf das Anlegen heiliger Abzeichen oder die Vornahme heiliger Waschungen gelegt wird. Der Wert, der den Bundesgeheimnissen zugeschrieben wird, ist in erster Linie immer religiöser und magischer