Naterra - Die Kinder der vier Elemente
Von Andre Pfeifer
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Über dieses E-Book
Im Traum wird ein Mädchen von einer Wespe zu einem magischen Schwert geführt. Das Schwert ist der Schlüssel zu einem uralten Geheimnis. Mit seiner Hilfe gelingt es dem Mädchen den dunklen Schleier zu lüften, der über dem Land liegt und andere Traumkinder treten ins Licht.
Als die Kinder erwachen, sind die Träume vorbei. Die Abenteuer aber gehen weiter. Denn ein schwarzer Schatten liegt nicht nur auf der fremden Traumwelt, sondern auf jeder Welt im Universum.
Auch auf unserer.
Andre Pfeifer
Andre Pfeifer wurde 1968 in Weimar geboren und wohnt in Thüringen. Sein Lebenslauf gleicht einer Odyssee durch die verschiedensten Berufe. Andre ist gelernter Feinoptiker, arbeitete als Werkzeugmacher, als Elektriker, als Polier im Straßen- und Tiefbau. Er studierte Elektrotechnik und Physik, war tätig im Forst und verdiente sich als Fotograf. Auf zahlreichen monatelangen Reisen von Alaska bis Australien entdeckte er seine Liebe zu Natur und Abenteuer, die auch in seine Romane einfließt. Zauberhafte Landschaften bilden die Kulissen für seine Fantasyromane, die ohne Verherrlichung von Gewalt auskommen und stets überraschende und geistreiche Wendungen haben. Fast vergessene Werte wie Ehre, Treue, Aufrichtigkeit und die Liebe zu Natur und Tieren kennzeichnen seine Romanhelden, die oft Kinder oder Jugendliche sind.
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Rezensionen für Naterra - Die Kinder der vier Elemente
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Buchvorschau
Naterra - Die Kinder der vier Elemente - Andre Pfeifer
Andre Pfeifer wurde 1968 in Weimar geboren und wohnt in Thüringen. Aber sein wahres Leben findet nicht daheim statt, denn auf zahlreichen Reisen von Alaska bis Australien entdeckte er seine Liebe zu Natur und Abenteuer, die auch in seine Romane einfließt.
Traum und Wirklichkeit
Zwei Bücher vereint
Wie ist das, wenn wir träumen?
Ob wir im Schlaf etwas versäumen?
Zwar braucht der Körper seine Ruh
und wir schließen die Augen zu,
doch unser Geist will was erleben,
will nicht des Nachts am Körper kleben.
So bereist er andere Welten.
Die sind gar nicht mal so selten.
Sie sind wie unsere Erde hier
und doch ganz anders, sodass auch wir
anders sind, mutig und weise
auf jeder nachts geträumten Reise.
Verborgen sind die Welten in Nebel und Magie.
Erreichen können wir sie nur in Traum und Fantasie.
Aber wenn wir früh erwachen und es ist nichts gewesen,
genügt es für ein Abenteuer im rechten Buch zu lesen.
Denn auch Bücher öffnen die geheimen Türen,
die in diese Welten führen ...
Liebe Leser!
Dieses Buch enthält zwei Geschichten: „Naterra – Die Schwerter der vier Elemente" und Naterra – Der Stein von Samah" Obwohl sie in einem Abstand von dreizehn Jahren geschrieben wurden, sind beide Geschichten so sehr miteinander verwoben, dass sie zusammen eine einzige Geschichte bilden.
Die erste Geschichte „Die Schverter der vier Elemente" erzählt von Kindern und Zauberschwertern in der Traumwelt Naterra. Die träumenden Kinder erwachen am Ende in unserer Welt. Enola ist ein Mädchen aus Deutschland und erlebt nach dem Aufwachen zwei eigene Abenteuer in „Das Buch von Terr und in „Die Schwerter von Terr
. Erlebnisse der anderen aufgewachten Kinder hatte ich bis dahin nicht geplant. Aber zu Lesungen an Schulen fragten meine jungen Zuhörer immer wieder nach den erwachten Kindern.
Die zweite Geschichte „Der Stein von Samah" entstand dreizehn Jahre nach der ersten und erzählt endlich vom Aufwachen der Kinder in unserer Welt. Da Enola bereits in ihren eigenen Büchern unterwegs ist, schicke ich ihren Bruder Finn von Deutschland aus in dieses Abenteuer. Ken erwacht in Australien, Miriamel in einem Zelt in Jordanien und Cassandra nach einem Unfall in einer Klinik in Genf. Obwohl jedes Kind in einem anderen Land zuhause ist, sind ihre Schicksale längst miteinander verbunden, denn sie werden von den Abenteuern in ihren Träumen eingeholt und kehren nach Naterra zurück.
Und nun viel Spaß beim Lesen!
Andre Pfeifer
April 2022
Inhalt
Vorwort
Die Schwerter der vier Elements
Landkarte
Wasser
Feuer
Luft
Erde
Der Stein von Samah
Landkarte
Enola und Finn
Ken und Tess
Miriamel und Patrick
Cassandra und Finn
Freunde
Nachwort
Vorwort
Vor zweieinhalbtausend Jahren gehörte die Stadt Akragas auf Sizilien zu Griechenland. Damals lebte dort ein Gelehrter namens Empedokles, der die Lehre der vier Elemente vertrat.
Wasser, Feuer, Luft und Erde.
Empedokles war der Meinung, alles habe mit diesen vier Elementen zu tun und alles stehe miteinander in Zusammenhang. Aber erst durch die Wirkung von Liebe oder Hass auf die vier Elemente beginne eine Welt zu leben.
Natürlich ist unsere Welt nicht die einzige im Universum. Es gibt unzählige Welten nebeneinander und doch sind sie getrennt durch Raum und Zeit. Viele dieser Welten, wie auch Naterra, sind erfüllt von Magie und geheimnisvollen Kräften und bewohnt von fabelhaften Wesen. In unseren Träumen können wir manche dieser Welten besuchen und haben mitunter eine besondere Verbindung zu einem der vier Elemente. Wir sind auch stärker, mutiger und klüger als in unserer Welt. In den Traumwelten können wir Dinge tun und Entscheidungen treffen, von denen wir nur zu träumen wagen.
Aber wenn wir aus dem Traum erwachen, sind Zauber und Abenteuer nur noch Erinnerungen. Wie gern würden wir in jene Welten zurückkehren, durch irgendein Tor oder magisches Portal!
Dieser Wunsch ist so alt wie das Universum und wurde trotzdem noch nie erfüllt.
Bis jetzt.
Wasser
Ein Mädchen erwacht im Wald aus tiefem Schlaf. Morgentau liegt auf dem Land. Kleine Wassertropfen glitzern im Licht der aufgehenden Sonne. Aber das Mädchen ist ganz trocken. Nicht ein einziges Tröpfchen ziert seine Kleidung.
Es liegt auf dem Rücken im weichen Moos und betrachtet die goldgrünen Kronen mächtiger Bäume. Die Bäume wiegen sich im Wind und ihre Blätter rauschen, als wollten sie dem Mädchen etwas erzählen.
Aber nicht die Bäume reden mit ihm, sondern eine kleine Wespe, die um das Mädchen herumschwirrt. „Enola, komm mit!"
Enola? Ist Enola ihr Name? Sie richtet sich auf und neigt nachdenklich den Kopf zur Seite. Mit der Hand fährt sie durch ihr dunkelblondes langes Haar, während sie die Wespe anblickt. Hat tatsächlich dieses kleine Wesen zu ihr gesprochen? Oder entstehen die Worte nur in ihrem Kopf?
„Enola, komm schon. Komm mit! Du musst uns helfen." Schon fliegt die Wespe voraus.
Zögernd folgt ihr das Mädchen in ein Labyrinth aus dicken Stämmen und mannshohen Farnen. Überall entdeckt Enola bunte Blumen. Selbst an den Baumstämmen sprießen sie aus der groben Borke und zieren diese bis in große Höhe. Der Blütenduft lockt Schmetterlinge und ganze Scharen brummender und summender Tierchen an.
Gern möchte Enola verweilen, aber die rätselhaften Worte der Wespe haben sie neugierig gemacht. An einem Bach, dessen munteres Plätschern die Geräusche des Waldes übertönt, holt sie die Wespe ein. „Wem soll ich helfen? Und wobei? Ich ..."
Die Wespe hat auf Enola gewartet. Aber nur, um ihr den Weg zu zeigen. Schon fliegt sie am Bach entlang stromaufwärts. Bald verliert Enola sie aus den Augen. Von Stein zu Stein springend folgt sie dem Bachlauf. Ab und zu streicht sie aufdringliche Farne zur Seite oder überklettert alte umgestürzte Bäume, die mit dickem Moos überzogen sind, aus dem bunte Blümchen herausschauen. Sie genießt ihren Lauf, die frische Luft des Waldes, das fröhliche Plätschern des Baches. Bis ein Rauschen alles übertönt.
Enola läuft schneller und mit einem Mal tritt das Grün des Waldes zurück. Sie findet sich am Ufer eines kleinen Sees wieder, in den sich aus großer Höhe ein Wasserfall ergießt. Ehrfurchtsvoll gleitet ihr Blick an den tosenden Wassern nach oben. Auf halber Höhe sieht sie ein Schwert, das im Wasserfall zu schweben scheint. Kein Strudel, kein Spritzen stört den bezaubernden Anblick. Das Wasser fällt durch das Schwert hindurch, als ob dieses nur ein Traumbild wäre.
Gebannt tritt Enola näher. Das Schwert beginnt zu glühen, zu leuchten, immer heller. Als sie neben dem Wasserfall steht, strahlt es, als wäre es die Sonne selbst.
Die Wespe fliegt zu Enola hin. „Das Schwert. Du musst es holen."
Enola kann die Worte im lauten Tosen der Wassermassen kaum verstehen. Ungläubig sucht sie die Wespe in der feuchten Luft neben sich. „Ich? Wie soll ich das Schwert holen?"
„Kennst du nicht deine Verbindung mit dem Wasser?"
Enola schaut die Wespe fragend an. „Was für eine Verbindung?"
„Wasser, Feuer, Luft und Erde. Die vier Elemente. Jeder Mensch ist mit einem dieser Elemente verbunden. Geh zum Wasser und du wirst es sehen."
Behutsam setzt Enola einen Fuß aufs Wasser. Er geht nicht unter. Die Wasserfläche fühlt sich ganz fest an. Staunend betritt sie den See. Sie kann auf dem Wasser laufen.
Enola strahlt. Sie dreht sich im Kreis und muss lachen. Was für ein Wunder. Am Ufer entdeckt sie die Wespe, winkt ihr zu und schaut dann zum Schwert in die Höhe. Wie kann sie es erreichen? Sollte sie den Wasserfall hinaufklettern?
Ein gedämpfter Schrei entfährt ihr, als sich das Wasser um sie herum bewegt. Eine Wassersäule steigt aus dem See empor und hebt Enola in die Höhe. Sie sieht das Schwert näherkommen, ist geblendet von seinem Strahlen und hebt die Arme schützend vor ihren Kopf. Das Schwert gleitet wie von selbst in ihre Hand. Das Strahlen erlischt und die Wassersäule fährt herab. Es scheint Enola, als falle sie und werde über dem See vom Wasser wieder aufgefangen.
Begeistert springt sie an Land und streckt das Schwert dem Himmel entgegen. Es ist leicht wie eine Feder. Enola betrachtet es genau. Unendlich viele Wassertropfen sind durch Zauberkraft in diesem Schwert vereint. Im Licht der Sonne funkeln sie wie Diamanten. Wunderschön.
Die Wespe reißt Enola aus ihrer Faszination. „Komm. Wir müssen weiter."
Enola hat Mühe zu folgen. Immer wieder lässt sie sich ablenken und erfreut sich an Moosen, Flechten und Farnen, an den kleinen Dingen, in denen die Schönheit des Waldes zu Tage tritt.
Auf einmal ist der Wald zu Ende. Enola schreitet an den letzten Bäumen vorbei und sieht sich einer trostlosen Steinwüste gegenüber. Kein Baum, kein Strauch, kein noch so kleines Tier. Nicht einmal einen Grashalm kann sie entdecken. Stattdessen Sand, Kies, Stein und Fels. Ödland. Totes Land.
Unbeirrt schwirrt die Wespe weiter.
Enola bleibt stehen. „Ich geh da nicht raus. Niemals." Bestürzt schüttelt sie den Kopf.
Die Wespe kommt zurück. „Aber du musst. Siehst du die Burg in der Ferne?"
Tatsächlich kann Enola im Flimmern der Hitze eine Festung erkennen. Sie steht auf einem Hügel inmitten mächtiger Felsen.
„Dort haust ein böser Dämon. Seinetwegen ist hier alles Leben erloschen."
Fragend blickt Enola die Wespe an. „Was ist ein Dämon?"
„Ein Wesen mit Zauberkräften, stark, mächtig und oft sehr böse. Doch du kannst ihn besiegen, Enola."
„Ich? Ein Kind? Wie sollte ich einen Dämon besiegen?"
„Du hast das Zauberschwert."
„Das Schwert. Enola hebt es ehrfurchtsvoll vor ihre Augen. Es funkelt sie an, in allen Farben des Regenbogens. Sie sieht seine Schönheit und spürt seine Macht. „Ja, ich habe das Schwert.
Aber Zweifel kommen in ihr auf. „Glaubst du, es genügt das Schwert zu besitzen?"
Die Wespe lässt sich auf Enolas Schulter nieder. „Natürlich nicht. Du musst auch wissen, was zu tun ist. Verlass dich auf dein Gefühl. Hab Vertrauen in die Natur. Auch wenn du meinst, sie hier nicht entdecken zu können. Und nun geh los, Enola!"
Kein Schatten, wie im Wald. Keine frische Luft, kein Wasser, kein Leben. Mechanisch geht Enola ihren Weg. Sie wischt sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn und schaut vom Boden auf.
Schlagartig bleibt sie stehen. Aus dem Flimmern der Luft lösen sich dunkle Gestalten und kommen auf sie zu. Enola kann im Schatten ihrer Kapuzen starre Gesichter erkennen und sieht mit Unbehagen die dunklen Schwerter, die nur teilweise von ihren Umhängen verhüllt werden.
„Geh nach Hause, kleines Mädchen." Die Worte klingen hart und verächtlich.
Enola senkt ihren Blick. Ihr Atem geht schnell, unregelmäßig. Sie spürt ihren Herzschlag bis zum Hals und versucht vergeblich, das Zittern ihrer Hände zu kontrollieren. Als sie zurückweicht, fliegt die Wespe von ihrer Schulter. Die dunklen Krieger beginnen nach der Wespe zu schlagen.
Augenblicklich fällt alle Furcht von Enola ab. Sie fährt dazwischen. „Hört auf! Wieso tut ihr das? Sie hat euch nichts getan."
„Sie lebt. Das gefällt uns nicht."
„Aber ... Enola ist fassungslos. „Aber das Leben ist der Sinn der Welt. Was wäre die Welt ohne Leben? Seht ihr den Wald dort hinten?
Enola blickt über ihre Schulter zurück. „Jede noch so kleine Pflanze, jede Spinne, jeder Käfer oder Wurm hat seine Aufgabe ..."
„Genug!" Die dunkelste der Gestalten reißt ihr Schwert in die Höhe und lässt es auf Enola herabsausen.
Sie pariert den Hieb mit ihrem Zauberschwert, dann den nächsten und noch einen. Mit einem Mal findet sich Enola mitten in einem Kampf wieder. Sie weiß nicht, woher ihre Fähigkeiten kommen. Das Zauberschwert scheint sie zu führen. All ihre Bewegungen und Drehungen zur Abwehr der Hiebe der Angreifer sind fließend und schnell. Sie spürt, was sie tun muss. Rechts parieren, dann links, abducken, drehen. Das Knie auf dem Boden, das Schwert über ihrem Kopf.
Obwohl sie die Angreifer mit Leichtigkeit abwehren kann, ist Enola verzweifelt. Wie können diese Krieger auf ein Kind einschlagen? „Hört auf damit! Wir haben euch doch nichts getan!"
Aber sie hören nicht auf. Es werden immer mehr und Enola gibt sich in ihrer Verzweiflung dem Schwert hin, das sie dazu bewegt nicht nur abzuwehren, sondern selbst anzugreifen.
Jeder vom Zauberschwert getroffene Gegner verwandelt sich, zu ihrer Überraschung, in grauen Nebel. Nach kurzer Zeit findet sich Enola in einer riesigen Nebelwolke wieder. Alle Krieger sind verschwunden.
Entsetzt starrt Enola auf das Schwert in ihrer Hand. Sie spürt, wie es ihrem Griff entgleitet. Durch einen Tränenschleier sieht sie es zu Boden fallen. Sie will es nicht mehr. Sie will nicht mehr kämpfen. Nicht so. Dieses Schwert hat von ihr Besitz ergriffen. Es hat sie verändert und zu einer Kriegerin gemacht. Sie allein konnte alle Gegner besiegen. Aber dem trockenen Land, auf dem sie steht, hat das nichts geholfen. Still weint Enola vor sich hin.
Währenddessen verdunkelt sich der Nebel.
Enola schaut auf. Eine einzige düstere Gestalt erscheint in der Ferne. Schnell kommt sie näher.
„Der Dämon, Enola. Nimm das Schwert! Du musst es wieder aufnehmen." Aufgeregt kreist die Wespe über dem Zauberschwert.
Enola tritt einen Schritt zurück. Ihr Gesicht ist feucht von Tränen. Ohne etwas zu sagen, schüttelt sie heftig mit dem Kopf.
„Bitte Enola! Nur mit dem Schwert kannst du den Dämon besiegen und unser Land retten. Die Wespe schwebt vor Enola in der Luft. „Ich weiß, du fürchtest seine Macht. Aber du kannst ihr widerstehen. Ich fühle, dass du es kannst. Und du fühlst es auch.
Enola kann die Wespe kaum noch erkennen. Der Nebel ist fast schwarz, der Dämon nur einen Steinwurf entfernt.
„Du hast mir meine Armee genommen, nun stelle dich mir selbst!" Die Gestalt hebt ein schwarzes Schwert in die Höhe. Es ist auch ein Zauberschwert. Ein Schwert, das das Licht verschluckt. Ein Schwert voller Hass. Voller Hass auf alle Menschen, Pflanzen und Tiere, voller Hass auf die ganze Welt.
Drohend kommt der Dämon auf Enola zu. Zu ihrer Verwirrung ist er kein Ungeheuer, kein Monstrum, kein geisterhaftes Wesen. Unter der Kapuze des Dämonen versteckt sich ein Junge.
Diese Erkenntnis lässt Enola endgültig verharren. Sie weiß nicht, was ihn zum Dämon werden ließ. Sie weiß nicht, warum er böse geworden ist und die Welt in Ödland verwandeln will. Und sie weiß nicht, wie sie ihn besiegen soll. Verzweifelt sieht sie den Dämon näher kommen.
Unverhofft beginnt das Zauberschwert zu leuchten. Verwundert blickt Enola zu Boden. Es funkelt, als spiegele sich ein blauer Sternenhimmel in diesem Schwert. Aber es sind keine Sterne, es sind Wassertropfen. Unendlich viele Wassertropfen, die im Schwert gefangen sind. Das Schwert ist aus Wasser. Wasser ist Leben. Wasser ist, was dieses Land braucht. Und Enola weiß, was sie tun muss.
Blitzschnell kniet sie nieder und ergreift das Schwert. Sie fasst es ganz fest. Während sie aufspringt, konzentriert sie all ihre Gedanken auf das Zauberschwert in ihrer Hand. Sie spürt die Kraft, die es ihr verleiht. Sie fühlt das Wasser in seinem Inneren. Kurz bevor der Dämon sie erreicht, holt sie aus und wirft. Ihr Schwert fliegt in den Himmel hinauf.
Kampf bringt nur Leid. Das Schwert aber bringt Regen. Es wird weit oben im Himmel vom Wasser in seinem Inneren förmlich auseinandergerissen. Unzählige Wassertropfen werden freigesetzt.
In diesem Moment ist der Dämon ganz nah. Enola spürt seinen Hass, seinen Zorn. Sie sieht sein Schwert auf sich zurasen, reißt die Arme schützend vor ihren Kopf und erwacht zu Hause aus einem Traum.
*
Schnell atmend sitzt Enola aufrecht im Bett. Sie ist verschwitzt und braucht etwas Zeit, um ihr Zuhause zu erkennen. Ihre Kuscheltiere, ihr Malzeug auf dem Schreibtisch, daneben ihre Flöte, ihre Bücher auf dem Regal, das Bild einer Wespe über ihrem Bett. Vor ihrem Fenster neigen sich Bäume im Morgenwind. Regen peitscht gegen das Glas.
Enola erinnert sich an ihren Traum und weiß, was in der Traumwelt geschieht.
*
Der Dämon steht inmitten des gelbgrünen Nebels, in den sich das Mädchen verwandelt hat. Er schaut zum Himmel. Unendlich viele Wassertropfen fallen auf das Ödland herab. Der Regen kitzelt den Jungen im Gesicht. Er spürt die Wassertropfen auf seiner Haut. Sein Schwert entgleitet seiner Hand. Im Regen löst es sich langsam auf. Und mit dem Schwert verschwindet der Hass, der den Jungen zum Dämon werden ließ. Verwundert blickt er sich um.
Das Wasser haucht dem trockenen Boden neues Leben ein. Und über allem entfaltet sich ein Zauber, der augenblicklich die Samen aufgehen lässt, die in der Erde schlummern.
Kleine Keime schießen überall aus dem Boden. Sie streben nach oben, der Sonne entgegen und entfalten sich. Schnell ist das Land wieder grün und bunte Blumenwiesen breiten sich über dem Ödland aus.
Zuerst kommen die winzigen Tiere. Der Junge hört das Summen von Fliegen und Mücken, von Bienen, Hummeln und Wespen. Er beobachtet Schmetterlinge bei ihrem Tanz im Sonnenschein. Käfer krabbeln an Halmen auf und ab. Spinnen weben ihre Netze im Gras. Unter Steinen wohnen Asseln, Tausendfüßer und Ameisen. Regenwürmer lockern den Boden auf.
Der Junge schaut einer Wespe nach, die zum Wald hinüberfliegt. Langsam macht er sich auf den Weg ihr zu folgen ...
Feuer
Der Junge bummelt durch den Wald. Er weiß nicht, wer er ist, wie er heißt und woher er kommt. Aber diese Fragen stellen sich ihm überhaupt nicht.
Er atmet tief ein und schaut nach oben. Licht kommt von dort. Die Baumkronen leuchten hellgrün. Immer wieder finden Sonnenstrahlen einen Weg durch das Blätterdach bis zum Boden. Unzählige kleine blaue Blüten schmücken die Kronen dieser Bäume. Sie verströmen einen bezaubernden Duft, der zahlreiche Schmetterlinge, Käfer, Bienen, Hummeln, Wespen und andere summende Tierchen anzieht. Auch Vögel sind dort oben. Und so lauscht der Junge ihren wunderbaren Melodien.
Er läuft ohne Ziel vor sich hin. Zwischen mächtigen Steinen hindurch, auf denen Flechten fantastische Bilder malen. Ab und zu versperren ihm riesige Farne die Sicht. Trotzdem ist der Wald so licht, dass er sich frei bewegen kann. Bis der Abend kommt.
Mit einem Mal bleibt der Junge stehen. Ihm stockt der Atem. Alles war so wunderschön, die vielen Vögel, Eichhörnchen und Käfer. Schmetterlinge tanzten im Sonnenlicht. Libellen schwebten lautlos dahin. Der Wald lag in tiefem Frieden. Jetzt ist nichts davon mehr da. Mit der Dämmerung hat sich der Wald verändert. Er ist dunkel und bedrohlich geworden. Im Sonnenlicht waren die Bäume freundlich und grün. Nun sind sie riesige graue Säulen, die sich oben in der Schwärze der Nacht verlieren. Fledermäuse kreisen in der Dunkelheit.
Der Junge kann ihrem schnellen Flug nicht einmal mit den Augen folgen. Er vernimmt nur das Flattern kleiner schwarzer Schatten, die auf der Jagd nach Insekten sind.
Dann steht er ganz still. Voller Entsetzen starrt er eine riesige Schlange an, die direkt auf ihn zukriecht. Die Schlange ist so dick, dass sie ihm über die Knie reicht. Ihr Kopf ist noch dicker. Die Länge kann der Junge kaum abschätzen, da sich die Schlange in der Dunkelheit des Waldes zwischen dem Farngras verliert.
Angst befällt ihn. Er spürt seine Beine nicht, ist wie gelähmt. Er ist unfähig auch nur einen Schritt zu tun, geschweige denn zu laufen.
Die Schlange kommt züngelnd immer näher.
Alles was er ihr entgegenbringen kann, ist eine hilflose Bewegung seiner Arme, die er vor dem Körper nach unten hält. Die Hände sind geöffnet, die Handflächen zur Schlange gekehrt, als wolle er sagen: Sieh, ich tue dir nichts.
Doch das riesige schwarze Ungetüm bleibt gefühllos. Die Augen sind schmale Schlitze, dunkel und leer. Der Junge beobachtet, wie die Schlange den Kopf hebt und züngelt. Er sieht sie näherkommen und beginnt zu zittern.
Plötzlich schwirrt eine Fledermaus um ihn herum. „Ken, komm mit! Folge mir!"
Für einen Moment schaut sich der Junge um, dann starrt er wieder auf die Schlange. Sie ist gleich bei ihm. Aber wer hat zu ihm gesprochen?
„Ken, komm schon! Schnell!" Die Fledermaus flattert aufgeregt vor seinen Augen.
Ken? Ist das sein Name? Können Fledermäuse sprechen?