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Online-Fundraising: Digitales Spendensammeln: Wie Sie soziale Projekte und Organisationen erfolgreich finanzieren
Online-Fundraising: Digitales Spendensammeln: Wie Sie soziale Projekte und Organisationen erfolgreich finanzieren
Online-Fundraising: Digitales Spendensammeln: Wie Sie soziale Projekte und Organisationen erfolgreich finanzieren
eBook577 Seiten5 Stunden

Online-Fundraising: Digitales Spendensammeln: Wie Sie soziale Projekte und Organisationen erfolgreich finanzieren

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Über dieses E-Book

Dieses Buch gibt einen umfassenden Überblick über die erfolgsentscheidenden Instrumente und Strategieansätze im Online-Fundraising. Es zeigt auf, welche Werkzeuge zur Spendergewinnung im Internet eingesetzt werden und wie es gelingt, das Vertrauen der potenziellen Spender zu gewinnen, um dadurch gemeinnützige Organisationen und NGOs langfristig zu finanzieren.Ausgewiesene Experten teilen ihre Erfolgsrezepte und erläutern, was es mit der Institutional Readiness auf sich hat, welche Stellschrauben die eigene Website als wichtigster Kanal bietet und wie Spendenplattformen sinnvoll eingesetzt werden können. Die Beiträge zeigen auch, wie mithilfe von Social Media, professionellen Videos und Storytelling ein engagierter Dialog geführt werden kann, bei dem die Spender mit ihren Bedürfnissen im Fokus stehen und die optimale Donor Journey erleben.  
Mit vielen Best-Practice-Beispielen, Kurzinterviews, Anregungen zur Kampagnenplanung und konkreten Praxistipps für eine nachhaltig erfolgreiche Umsetzung.
Mit Beiträgen von:
  • Dr. Kai Fischer, Mission Based Consulting
  • Jona Hölderle, Pluralog
  • Maik Meid, Meid Fundraising Media
  • Tobias Dunkel, Kommunikationsberater
  • Nora-Hendrike Jäger, Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS)
  • Katja Prescher, SoZmark Communication
  • Eva Hieninger, getunik GmbH
  • Gregor Nilsson, getunik AG
  • Claudia Winkler, goood mobile
SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum2. Dez. 2020
ISBN9783658313975
Online-Fundraising: Digitales Spendensammeln: Wie Sie soziale Projekte und Organisationen erfolgreich finanzieren

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    Buchvorschau

    Online-Fundraising - Jörg Reschke

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

    J. Reschke (Hrsg.)Online-Fundraisinghttps://doi.org/10.1007/978-3-658-31397-5_1

    1. Moderne Online-Kommunikation von Non-Profit-Organisationen

    Kai Fischer¹  

    (1)

    Mission Based Consulting, Hamburg, Deutschland

    Kai Fischer

    Email: [email protected]

    1.1 Vom Direktmarketing zur digitalen Kommunikation

    1.2 Nutzer/innen von Online-Kommunikation

    1.3 Storytelling

    1.4 Von der Geschichte zur Donor-Journey

    1.5 Fazit

    Literatur

    Zusammenfassung

    Die Nutzung digitaler Kanäle hat sich in der deutschen Gesellschaft fast flächendeckend durchgesetzt. Selbst die Mehrheit der Über-70-Jährigen nutzt das Internet. Damit stehen Non-Profit-Organisationen vor der Herausforderung, digitale Kanäle flächendeckend in ihre Kommunikation zu integrieren. Allerdings führen die Nutzung digitaler Kanäle sowie die Anforderungen von Zielgruppen, die mit diesen Kanälen aufgewachsen sind, zu anderen Formen der Kommunikation, die für die Organisationen einen Changeprozess bedeuten. Viele Praktiken, die aus dem klassischen Direktmarketing kommen, können nicht in dieser Form auf digitale Kanäle übertragen werden. Dies hat zur Folge, dass Kommunikation insgesamt komplexer und fördererzentrierter wird.

    Dr. Kai Fischer

    ist zertifizierter Fundraiser und berät seit mehr als 20 Jahren Geschäftsführungen, Vorstände und Fundraiser/innen beim Aufbau langfristiger Beziehungen zu Förder/innen, damit die Ressourcen nachhaltig zur Verfügung stehen, die benötigt werden, um die jeweilige Mission zu erfüllen. Er war der erste Experte in Deutschland, der sich systematisch mit digitaler Kommunikation und Online-Fundraising auseinandergesetzt hat. Seine Beratungsschwerpunkte sind darüber hinaus Strategie und Einführung von Fundraising in Organisationen sowie Kapital-Kampagnen und die Gewinnung neuer Spender/innen. Kai Fischer lehrt an der HWR in Berlin und ist Dozent der Fundraising Akademie. Er hat fünf Fachbücher zu Fundraising-Themen geschrieben; zuletzt „Mission-based Fundraising".

    Sie können Dr. Kai Fischer unter www.​mission-based.​de und [email protected] erreichen.

    1.1 Vom Direktmarketing zur digitalen Kommunikation

    In den letzten 20 Jahren hat sich die Kommunikation – und damit auch die Anforderungen, die an die Kommunikation gestellt werden – gravierend gewandelt. Hiervon sind nicht nur Non-Profit-Organisationen, sondern auch Unternehmen und Behörden betroffen. Am Beispiel der Fundraising-Kommunikation soll dies in einigen groben Strichen nachgezeichnet werden.

    Fundraising, wie wir es heute kennen,¹ entstand in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Mit dem Aufkommen der neuen sozialen Bewegungen (Umweltbewegung, Frauenbewegung) entstand der Bedarf nach alternativen Formen der Finanzierung von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Verbunden mit dem Rückgang von Kirchensteuern während wirtschaftlicher Rezessionen sowie von Spenden für Entwicklungshilfe entwickelte sich das moderne Fundraising. Charakteristisch für das moderne Fundraising war die Nutzung des Direktmarketings: Durch das Versenden von Briefen wurden emotionale Impulse ausgelöst, die zu Spenden führten.

    Im Direktmarketing hängt der Erfolg im Wesentlichen von drei Faktoren ab: der Auswahl der „richtigen" Adressaten, dem Thema der Spendenbitte und der Gestaltung der Aussendung (Brief, Umschlag, Response-Element). Während sich bei der klassischen Form der Werbung (z. B. Anzeigen oder Spots) die unmittelbare Reaktion der Adressaten nicht messen lässt, ist dies im Direktmarketing anders: Es soll eine unmittelbare Reaktion ausgelöst werden, die gemessen werden kann. Damit reagiert wird, werden Response-Elemente (z. B. Überweisungsaufträge) mitversendet. Je höher die Reaktionsquote ist, desto besser passen die Erfolgsfaktoren zusammen.

    Die Nutzung des Direktmarketings hat für Non-Profit-Organisationen eine Reihe von Vorteilen: Durch Variationen und das Messen von Reaktionen können unterschiedliche Elemente einer Spendenbitte systematisch getestet werden. Hierdurch gelingt langfristig ein Lerneffekt: Man lernt, welche Elemente in welcher Form kombiniert werden müssen, um den Ertrag eines Mailings zu erhöhen.

    Gleichzeitig können im Direktmarketing Kosten und Erträge einander direkt zugeordnet werden. Durch die Berechnung eines Returns on Investment (ROI) lässt sich der Ertrag einer Maßnahme direkt belegen. Hierdurch gelingt es, die Nutzung von Ressourcen im Fundraising einfacher zu legitimieren: Je höher der ROI ausfällt, desto besser waren die eingesetzten Ressourcen investiert, da mit deren Einsatz im Fundraising ein Vielfaches für die Projekte und Programme eingeworben werden konnte. Ohne einen unmittelbaren Rückbezug von Kosten und Erträgen stehen Investitionen ins Fundraising grundsätzlich unter dem Verdacht, Mittel für Projekte und Programme zweckentfremdet und „verschleudert" zu haben.

    Diese Situation änderte sich Ende der Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts durch die Möglichkeiten digitaler Kommunikation. Auch wenn der Übergang in Deutschland lange dauerte, zeigten erste Versuche noch vor der Jahrtausendwende, dass sich über die digitalen Medien andere Zielgruppen erreichen ließen (im Durchschnitt waren Online-Spender etwa zehn Jahre jünger), die bereit waren, im Durchschnitt deutlich höhere Beträge zu geben. Allerdings zeigte sich auch, dass sich Logiken und Erfahrungen aus dem Direktmarketing nicht ohne Weiteres in die Online-Kommunikation übertragen ließen. Online-Kommunikation im Fundraising stellte neue Anforderungen, die zunächst nur begrenzt verstanden wurden. Nach mehr als 20 Jahren Erfahrung mit Online-Kommunikation lassen sich die Unterschiede mittlerweile benennen.

    Von der digitalen Broschüre zum Handlungsraum

    Wurden Verantwortliche, aber auch Fundraiserinnen und Fundraiser gefragt, wofür sie ihre Internetseite oder die anderen digitalen Kanäle einsetzten, kam fast einhellig die Antwort: zur Information. Zwar können auch mit digitalen Kanälen Menschen informiert werden, ihr eigentliches Potenzial entfalten sie aber, wenn man über die reine Information hinausgeht. Denn digitale Kanäle ermöglichen nicht nur einen Rückkanal, sondern eine komplexe Interaktion zwischen Organisation und Fördernden sowie zwischen den Fördernden untereinander. Es geht immer weniger um das Senden von Botschaften – die werden nach wie vor auch benötigt – als vielmehr um Austausch und Interaktion auf vielfältiger Ebene. Das Web wird damit zum Handlungsraum und unterscheidet sich erheblich vom Lesen von Briefen oder Broschüren.

    Von einer Reiz-Reaktion zum Beziehungsaufbau

    Standardmailings basieren auf einer relativ einfachen Logik von Reiz und Reaktion. Mit dem Brief wird ein Reiz ausgesendet, der zu einer unmittelbaren Reaktion – einer Spende – führt. Diese einfache Beziehung ist online nur selten abbildbar. Vielmehr geht es in der Online-Kommunikation um den Aufbau langfristiger Beziehungen. Langfristige Beziehungen verlaufen über mehrere Schritte, die sowohl über digitale als auch analoge Medien geführt werden können.

    Damit verändert sich auch die Qualität der Beziehung: Es geht nicht länger um die wiederholte Reaktion auf einen Spendenaufruf, sondern um gemeinsame Werte und geteilte Ziele als Basis der Kommunikation.

    Vom Mitleid zur Empörung

    Traditionelles Fundraising ist stark von Mitleid und Mitfreude abhängig. Diese Emotionen bilden die Basis für die Reaktion auf eine Spendenbitte. Im Online-Fundraising ist Leid an sich weniger attraktiv. Vielmehr verändern sich die Emotionen: Bei erfolgreicher Online-Kommunikation geht es um die Veränderung eines gesellschaftlichen Zustands und damit um Empörung als Triebkraft hinter der Handlung. Empörung lässt sich jedoch nicht mit der traditionellen Kommunikation auslösen. Vielmehr basiert Empörung auf wichtigen verletzten Werten. Dies erfordert von Non-Profit-Organisationen und sozialen Projekten eine deutlich stärkere Positionierung, die Herausarbeitung ihrer Mission (Warum existiert die Organisation?) sowie ein Bewusstsein über die eigene Theory of Change.

    Non-Profit-Organisationen und soziale Projekte, die auf Empörung in den unterschiedlichen Ausprägungen setzen, sind in der Online-Kommunikation erfolgreicher, da sie sowohl besser wahrgenommen als auch ihre Unterstützer und Förderer besser mobilisieren können. Verbunden ist hiermit allerdings auch, dass Unterschiede zwischen unterschiedlichen Akteuren deutlicher hervortreten und Abgrenzungen stärker betont werden. Was auf der einen Seite zu einer stärkeren Einbindung führt, kann auf der anderen Seite abgrenzen und auch Türen verschließen.

    Von einer Ein-Kanal- zur Multichannel- bis zur Omnichannel-Kommunikation

    Das traditionelle Fundraising basiert auf einer Ein-Kanal-Kommunikation: Ob per Brief, Telefon oder auch Standwerbung werden potenzielle Förderer über einen Kanal angesprochen, der in der Regel auch einen Rückkanal beinhaltet. Darüber wird ein emotionaler Impuls gesendet, der anschließend mit einer spezifischen Reaktion – im Fundraising in der Regel die Spende – beantwortet wird. Ein Wechsel des Kanals ist nicht vorgesehen. Vielmehr wird im nächsten Durchgang wiederum dieser Kanal, von dem bekannt ist, dass der jeweilige Förderer bzw. die Förderin hierauf reagiert, noch einmal genutzt. Wer nicht über diesen Kanal ansprechbar ist, wird nicht erreicht und kommt daher auch nicht als Spender in Betracht.

    Sobald dieses einfache Reiz-Reaktion-System durchbrochen wird, stellt sich regelmäßig die Frage, über welche Kanäle am besten die Beziehungen angestoßen werden, wie die Bindung gelingt und wann am besten über welchen Kanal um Unterstützung gebeten wird. Dadurch ergeben sich in der Regel komplexere und über mehrere Kanäle hinweggehende Kommunikationssysteme: Der erste Kontakt kann über Facebook erfolgen, die Bindung über die eigene Internetseite oder den eigenen Channel bei YouTube, und für die Bitte werden Briefe und E-Mails eingesetzt. Gern auch beides, da sich die Wirkung verstärkt, wenn die Bitte gleichzeitig auf verschiedenen Kanälen ausgesprochen wird.

    In einem nächsten Schritt lässt sich immer weniger entscheiden, welcher Kanal für welche kommunikative Aufgabe am besten geeignet ist. Vielmehr entscheiden die Nutzer/innen, welche Kanäle sie wann nutzen und welche Interaktion sie über welchen Kanal wollen. Dadurch entsteht die Notwendigkeit, über alle Kanäle zu senden und Informationen für die unterschiedlichen Stadien des Beziehungsaufbaus anzubieten. Die Kanäle überlagern sich, und was vorher noch einzeln geplant war, stellt sich als komplexe Omnichannel-Strategie dar. Bei einer Omnichannel-Kommunikation verschmelzen dann die Kommunikationskanäle und die Übergänge werden fließend. Die Nutzer erwarten hier eine lückenlose Fortsetzung des Dialogs und der Bearbeitung ihrer Anliegen über die verschiedenen Kanäle hinweg.

    Von der Push- zur Pull-Kommunikation

    Das klassische Direktmarketing ist eine Push-Kommunikation. Botschaften und emotionale Impulse werden potenziellen Förderer zugesandt, ohne dass vorher geklärt ist, ob diese die Kommunikation überhaupt wollen. Push-Kommunikation hat einen entscheidenden Vorteil: Fundraiser/innen müssen nicht abwarten, sondern entscheiden selbst, wann wer mit welcher Botschaft angesprochen wird.

    Push-Kommunikation ist im Internet in dieser Form kaum möglich oder adäquat. Zum einen bestehen rechtliche Beschränkungen, beispielsweise die Pflicht zum Opt-in bei der E-Mail-Kommunikation (Abschn. 7.​4.​1.​1). Zum anderen ist eine Push-Kommunikation technisch ausgeschlossen, wenn Fundraiser/innen warten müssen, bis jemand die eigene Internetseite aufruft, um sich mit den Inhalten zu beschäftigen. Hinzu kommt, dass eine Zusendung unverlangter Inhalte im Web schlicht sinnlos ist, da diese Form der Kommunikation als unseriös wahrgenommen und häufig einfach ignoriert wird (vgl. Theobald 2019). Sie erreicht in der Regel Menschen in einer Situation, wenn sie sich nicht mit den Inhalten einer Organisation beschäftigen wollen, da sie andere Intentionen haben.

    Hieraus folgt regelmäßig die Frage, welche Inhalte Non-Profit-Organisationen und soziale Projekte im Web kommunizieren sollten, damit sich Menschen von selbst für sie interessieren. Hier geht es um die Relevanz der Botschaften und Inhalte für die Zielgruppen. Wenn diese für die Zielgruppen nicht relevant sind, werden sie sich mit ihnen nicht beschäftigen und auch nicht die Erlaubnis geben, Informationen zuzusenden.

    Vom Fokus auf das Medium zum Fokus auf die Förder/innen

    Während im traditionellen Fundraising die Medien im Zentrum stehen (Wie muss ich einen Brief formulieren, damit viele Menschen darauf mit einer Spende reagieren?), stehen in der Online-Kommunikation die Empfänger/innen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Wenn Informationen und Botschaften für sie relevant sind, dann schließt sich zwingend die Frage an, um welche Botschaften es sich handelt. Diese Frage ist aber nicht pauschal zu beantworten. Vielmehr existieren für unterschiedliche Zielgruppe und -personen unterschiedliche Antworten. Geht es bei einer Person um die eigene Einsamkeit, sind es bei anderen der Zorn über bestehende Umstände, die nicht toleriert werden können, oder die Frage nach der Wirkung, die mit der Spende erreicht werden kann. Je nachdem, wer angesprochen werden soll, verändern sich Botschaften und auch Gestaltung der Medien.

    Dies bedeutet im Umkehrschluss jedoch, dass Kommunikation immer kleinteiliger und Zielgruppen immer genauer angesprochen werden. Der konzeptionelle und operative Aufwand steigt. Dies sichert allerdings auf der anderen Seite den kommunikativen Erfolg. Nur, wenn die Kommunikation die Zielpersonen auch emotional erreicht werden, besteht überhaupt die Chance, eine Spende zu erhalten.

    Schließlich stellt sich auch die Frage, ob es überhaupt noch sinnvoll ist, Fundraising nach Methoden beziehungsweise einzelnen Kanälen zu klassifizieren. Aus Sicht der Fördernden ist dies nicht relevant. Sie wollen auswählen können, über welchen Kanal sie welche Botschaft zu welchem Zeitpunkt erhalten wollen. Entscheidend ist dann, was Fördernde an Kommunikation wollen, nicht der Fokus auf den Kanal. Die Beschränkung auf einen Kanal ist nicht mehr zeitgemäß und hat sich überlebt, daher sprechen wir heute von Digitalem Fundraising (Abschn. 2.​1).

    Vom ROI zur Retention-Rate

    Im traditionellen Fundraising mit seinen Reiz-Reaktions-Mechanismen lässt sich der Erfolg gut mit Hilfe des Returns on Investment (ROI) messen. Hierbei wird das Verhältnis zwischen jedem eingesetzten Euro und dem hiermit erzielten Ertrag gemessen. Je größer der ROI, desto mehr Ressourcen können in den Projekten und Programmen eingesetzt werden.

    Sobald allerdings komplexere Beziehungen im Fokus stehen, eignet sich dieses Maß nicht mehr zur Bestimmung des Erfolgs. Denn zum Aufbau von Beziehungen gehören auch Kommunikationsanlässe, die für den Beziehungsaufbau notwendig sind, aber keinen unmittelbaren Ertrag in Form von Spenden bringen. Wenn Förder/innen zum Geburtstag telefonisch gratuliert wird oder eine Weihnachtskarte per Hand geschrieben wird, sind dies entstandene Kosten, die keine unmittelbare Spende hervorrufen. Allerdings fühlen sich Spendende wahrgenommen und erfahren persönliche Wertschätzung. Beides sind Voraussetzungen für langfristige Beziehungen (Burk 2003),² die am Ende zu einem höheren Life-Time-Value (LTV) führen. Denn je länger die Beziehung dauert, je höher also die Rate ist, mit der Menschen auch in den Folgejahren wieder spenden (Retention-Rate), desto größer ist am Ende der ökonomische Erfolg. Schon geringe Erhöhungen der Retention-Rate können langfristig bis zum doppelt oder dreifach kumuliertem Umsatz führen (Fischer 2020).

    Auch wenn Online zunächst lange nur als neuer Kanal erschienen ist, über den die bisherigen Botschaften in den bisherigen Formen abgespielt werden können, hat sich im Laufe der letzten 20 Jahre gezeigt, dass dies nicht stimmt. Online stellt vielmehr eigene Anforderungen an die Kommunikation, die am Ende dazu führen, dass über Fundraising und die Form der Gewinnung und Ansprache von Förderern neu nachgedacht werden muss. Dies ist dann nicht nur auf Online-Kommunikation beschränkt, sondern bezieht sich grundsätzlich auf die Kommunikation mit Fördernden allgemein im Fundraising. Viele ursprüngliche Gewissheiten lösen sich auf und die Anforderungen und Logiken der Online-Kommunikation ermöglichen neue Ansätze im Fundraising und der Kommunikation mit Fördernden.

    1.2 Nutzer/innen von Online-Kommunikation

    Um zu zeigen, wie dramatisch die Verschiebungen sind, lohnt sich ein Blick in die Online-Nutzungszahlen: Insgesamt nutzten 2019 86 % der Bevölkerung in Deutschland das Internet. Die Anzahl der Nutzer/innen ist in den letzten 15 Jahren kontinuierlich gewachsen, auch wenn sich die Wachstumsrate abschwächt. Nach wie vor gilt, dass das Merkmal „Alter" bei der Nutzung des Internets einen großen Einfluss hat. Jüngere Nutzergruppen sind bis zu 99 % im Internet aktiv. Aber auch bei den Über-70-Jährigen sind mehr als 52 % online (Initiative D21 2019). Dies entspricht etwa 7 Mio. Menschen in dieser Altersklasse in Deutschland (ARD ZDF 2019, S. 12) Diese Gruppe hat in den vergangenen Jahren erheblich aufgeholt. Neben dem Alter spielen auch Bildungsabschluss und der Ort, wo man lebt, eine Rolle bei der Internetnutzung: Je höher der Bildungsabschluss, desto mehr Menschen nutzen das Internet. Je größer der Ort, desto mehr Menschen sind online. Im Gegenschluss bedeutet dies, dass Menschen mit einem geringen Bildungsabschluss nur zu 64 % das Internet nutzen und die Bevölkerung auf dem Land mit 84 % ebenfalls die geringsten Nutzerzahlen aufweist (Initiative D21 2019, S. 14).

    Die Nutzung des Internets über mobile Geräte wie Smartphones und Tablets hat erheblich zugenommen. 74 % aller Menschen in der Bundesrepublik nutzen das Internet über solche Geräte. Während bei jüngeren Zielgruppen die meisten das Internet auch mobil nutzen, sind die Diskrepanzen bei älteren deutlicher: Bei den Über-70-Jährigen sind es immerhin noch 32 %, die auch mobil im Internet unterwegs sind. Bei den 60–69-Jährigen sind es schon doppelt so viele (64 %), auch wenn im Gegensatz 81 % dieser Altersgruppe das Internet nutzen (Initiative D21 2019, S. 12).

    Ebenfalls hat die Nutzungsdauer in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen: 2018 betrug sie im Schnitt 196 Minuten täglich. Das ist ein Anstieg von fast 50 Minuten zum Jahr davor. Seit Anfang des Jahrzehnts hat sie sich fast verdreifacht. Der Anteil der täglichen Internetnutzung steigt kontinuierlich stark an: Mittlerweile sind 71 % der Bevölkerung täglich online. Zum Vorjahr ist dies eine Zunahme um 14 %. Menschen, die mobil das Internet nutzen, sind noch länger aktiv: 2018 waren sie im Durchschnitt 240 Minuten täglich online (ARD, ZDF 2019, S. 4).

    Bei der Nutzung von Social Media dominiert WhatsApp: 76 % der Bevölkerung nutzt diesen Messenger in der täglichen Kommunikation. Mit deutlichem Abstand folgen Facebook (genutzt von 35 % der Bevölkerung) und Instagram (von 21 % der Bevölkerung genutzt). Mit weiterem deutlichem Abstand folgen dann Snapchat, Twitch, XING, Twitter, LinkedIn und TikTok. Diese Dienste werden jeweils von zwischen 6 % und 8 % der Bevölkerung genutzt, der noch recht junge Dienst TikTok von 2 % (ARD, ZDF 2019, S. 12).

    Befragt dazu, welche Aktivitäten im Internet dominieren, nutzen die meisten Deutschen das Internet zur Information (94 %) und zur Kommunikation (86 %). Es folgen das Erledigen von praktischen Dingen (77 %), Lesen und Schauen politischer Inhalte (71 %) und das Hören von Musik bzw. Schauen von Videos (71 %). Abgeschlagen ist die Nutzung des Internets zum Spielen (30 %) und zum Veröffentlichen eigener Inhalte (25 %) (Pokorny 2019). Auch die Nutzung von Internet- und Videotelefonie hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. 2019 hat mehr als die Hälfte (55 %) der 16–74 Jahre alten deutschen Bevölkerung entsprechende Dienste genutzt (Eurostat 2019). Im Zuge der Corona-Krise 2020 dürften diese Zahlen weiter nach oben geschnellt sein.

    Fasst man die Ergebnisse zusammen, dann wird deutlich, dass sich die Nutzung des Internets in Deutschland flächendeckend durchgesetzt hat. Selbst in der Altersgruppe der Über-70-Jährigen – die zur wichtigsten Spenderzielgruppe in Deutschland gehört – ist mehr als die Hälfte im Internet erreichbar. Dieses Phänomen überrascht wenig, da viele der heute über 70-Jährigen noch in ihrer aktiven Berufstätigkeit mit dem Internet konfrontiert wurden und sich entsprechende Kenntnisse angeeignet haben. Darüber hinaus entdecken auch viele Ältere die Vorteile, die ihnen die Kommunikation über digitale Kanäle bieten – vom Einkaufen und der Recherche von Informationen bis hin zum Kontakt mit Kindern, Enkeln und Urenkeln. Davon auszugehen, dass Ältere nicht über das Internet erreicht werden können, ist heute ein Fehlschluss und entspricht kaum noch der Realität.

    Nach wie vor spielen auch Bildungsabschluss, Einkommen und der Wohnort eine Rolle bei der Internetnutzung. Es sind diejenigen mit höherem Einkommen und Bildungsabschluss und diejenigen, die in der Stadt wohnen, fast alle im Internet anzutreffen. Allerdings gleichen sich über die Jahre auch hier die Nutzer/innenzahlen an: Menschen mit einem geringeren Bildungsabschluss, niedrigerem Einkommen und auf dem Land wohnend holen auf. Auf eine Nutzung des Internets und die damit mögliche Kommunikation können immer weniger Menschen verzichten.

    Was aus den Zahlen ebenfalls deutlich wird: Die Mehrzahl der Deutschen nutzt das Internet mobil. Wer dies heute in seiner Kommunikationsstrategie nicht berücksichtigt, erreicht einen Teil der Bevölkerung nicht mehr. Die meisten Menschen in Deutschland werden das Internet über verschiedene Endgeräte nutzen – je nachdem, wo und in welcher Situation sie sich gerade befinden. Jede Online-Kommunikationsstrategie muss deshalb heute schon Anwendungen für mobile Nutzung berücksichtigen – und die Kommunikationsangebote entsprechend anpassen.

    Bei Social Media lohnt sich ein differenzierterer Blick: Ein Großteil der Kommunikation läuft zwar noch über Facebook, aber Messengerdienste wie WhatsApp haben die klassischen Anwendungen schon überholt. Und Social Media hat sich ausdifferenziert: Natürlich nutzt eine größere Gruppe Facebook, aber spezielle Zielgruppen sind hier schon nicht mehr zu finden: Die ganz Jungen sind zu anderen Diensten wie TikTok abgewandert, die etwas Älteren nutzen eher Instagram und im beruflichen Kontext sind LinkedIn und XING längst der Standard (Beisch et al. 2019) – und auch deren Potenziale sind bisher für das Fundraising kaum erschlossen.

    Interessant für Organisationen der Zivilgesellschaft ist, wie viele Menschen sich für Inhalte interessieren und sich vor allen Dingen informieren wollen. Hier sind Non-Profit-Organisationen und soziale Projekte vielen Unternehmen weit überlegen: Denn gute Geschichten gibt es in diesem Sektor genug. Viele müssen nicht mühsam erst entwickelt werden. Sie sind vielfach vorhanden und müssen „nur" eingesammelt werden. Hier deutet sich eine Entwicklung an, die Non-Profit-Organisationen in den nächsten Jahren auch leisten müssen: Von einer Organisation, die von sich erzählt zu einer Medienorganisation, die vor allen Dingen Geschichten für ihr Auditorium erzählt – und die so spannend sind, dass die Rezipienten immer wieder kommen.

    Zusammengefasst zeigen die Daten der Internetnutzung, dass nicht nur fast die gesamte deutsche Bevölkerung, sondern im Grunde auch die meisten Menschen weltweit, über das Internet erreicht werden können. Und es stehen nicht nur die Tools zur Verfügung, die die Kommunikation ermöglichen. Darüber hinaus wollen sich Menschen im Internet informieren. Alles drei sind sehr gute Voraussetzungen, digitale Kommunikation nicht nur einzusetzen, sondern über das Internet gezielt auf die eigenen Zielgruppen zuzugehen, sie anzusprechen, zu begeistern – und einzuladen, langfristig mitzugehen und gemeinsam die Welt ein Stück besser zu machen.

    1.3 Storytelling

    Es klang schon an: Das Erzählen von Geschichten wird immer wichtiger. Denn entscheidend für den Erfolg einer Online-Kommunikation ist, dass Menschen wiederkehren und sich immer wieder mit Ihren Inhalten beschäftigen. Je mehr sie dies tun, desto besser verankern Sie sich im Hirn der potenziellen Förderer und desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer Unterstützung. Ein Mensch, der zufällig auf einer Internetseite vorbeikommt, weil er vielleicht irgendetwas im Internet gesucht hat, wird kaum beim ersten Mal direkt spenden. Aber wenn es gelingt, Interesse zu wecken und eine Beziehung aufzubauen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit auf Unterstützung.

    Eine gute Möglichkeit hierfür ist das Erzählen von Geschichten. Geschichten bestehen immer mindestens aus den folgenden Bestandteilen:

    Personen – die Hauptperson, eventuell ein Gegenspieler und manchmal auch noch andere

    einer Herausforderung oder einem Konflikt, den die Hauptperson lösen muss

    einer dramaturgischen Abfolge in mindestens drei Schritten

    Personen im Storytelling

    Jede Geschichte hat eine Hauptperson. Die Hauptperson ist aktiv und handelt. Sie löst den Konflikt oder bewältigt die Herausforderung (manchmal scheitert sie auch). Auf jeden Fall gibt es immer jemanden, der aktiv ist.

    Neben der Hauptperson gibt es manchmal einen Gegenspieler. Bei Stars Wars ist Darth Vader der Gegenspieler von Luke Skywalker. Er verkörpert nicht nur die dunkle Seite der Macht, sondern muss auch überwunden werden. Während in Filmen und Romanen Gegenspieler oft Menschen sind, können es bei Non-Profit-Organisationen auch Umstände sein, die die Hauptperson herausfordern. Armut, Hunger, Ungerechtigkeit, Chancenlosigkeit und vieles anderes bildet dann einen strukturellen Gegenspieler, gegen den die Hauptperson antritt. In diesem Fall handelt der Gegenspieler nicht; er stellt eine Struktur dar, die der Hauptperson Widerstand leistet.

    Neben Hauptperson und Gegenspieler können in den Geschichten noch weitere Personen auftreten. Häufiger gibt es Mentoren, die die Hauptperson in die Lage versetzen, sich der Herausforderung zu stellen. Was wäre Luke Skywalker ohne Obi-Wan Kenobi?

    Mentoren handeln nicht direkt in der Geschichte, sie unterstützen die Hauptperson und versetzen sie in die Lage, ihre Aufgabe anzugehen. Sie machen die Hauptperson fit und stehen mit gutem Rat zur Seite.

    Dann können auch noch Verbündete auftreten, die sich mit der Hauptperson auf die Reise machen. Sie sind diejenigen, die mit Abenteuer bestehen und die die Hauptperson braucht, um das Ziel zu erreichen. Häufig haben sie Fähigkeiten und Kenntnisse, die die der Hauptperson ergänzen.

    Konzeptionell ist zu entscheiden, wer welche Rolle übernimmt. Wer ist in Ihren Geschichten die Hauptperson? Welche Rolle übernehmen Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bzw. übernimmt Ihre Organisation? Und vor allen Dingen: Welche Rolle haben Fördernde? Haben sie keine Rolle in Ihren Geschichten, verstehen sie nicht, was ihr Beitrag sein soll, und warum sie spenden sollten. Sind sie hingegen Teil der Geschichte, sind sie in einen größeren Zusammenhang eingebunden und verstehen, welche Rolle sie haben sowie ihren Beitrag zum Gelingen der Geschichte.³

    Die Herausforderung der Story

    Neben den Akteuren der Geschichte spielt der Konflikt oder die Herausforderung eine zentrale Rolle im Storytelling. Ohne Konflikt oder Herausforderung gibt es keine Geschichte. Denn die Hauptperson ist vor die Ausgabe gestellt, diese Herausforderung zu lösen. Bei der Lösung schauen wir zu oder sind selbst involviert. Hieraus ergibt sich die Spannung der Geschichte. Fehlt diese, ist es für uns keine Geschichte.

    Konflikte und Herausforderungen können unterschiedlich konstruiert sein. Im klassischen Storytelling – wenn man sich beispielsweise erfolgreiche Hollywood-Filme oder Romane anschaut – gibt es einen Gegenspieler zur Hauptperson, der überwunden werden muss. Bei Robin Hood ist es der Sheriff von Nottingham, in Herrn der Ringe ist es Sauron. Man kann allerdings auch Geschichten erzählen, in denen die Hauptperson eine strukturelle Herausforderung überwinden muss. Dies kommt bei Non-Profit-Organisation deutlich häufiger vor: Die Protagonisten kämpft dann gegen Hunger, Ausbeutung, schlechte Ausgangsbedingungen für Kinder und junge Menschen oder gegen ein verkrustetes Schulsystem. Die strukturellen Herausforderungen sind so vielfältig wie die Zwecke von Organisationen und Missionen, die erfüllt werden sollen.

    Der Vorteil bei der zweiten Variante ist, dass einer der Gegenspieler nicht als Person auftritt. Das macht es etwas einfacher, da man sich nicht an einzelnen Personen abarbeiten muss. Allerdings leiden manchmal auch die Geschichten. Denn sie sind weniger griffig und es stellt sich immer wieder die Frage, warum die strukturellen Herausforderungen überhaupt bestehen, wenn niemand daran Interesse hat. Zur Mobilisierung von Förderinnen und Förderern ist es einfacher, wenn der Gegenspieler – genauso wie mögliche Opfer – personalisiert werden. Das muss dann nicht immer ein Mensch sein. Eine Organisation wie ein Unternehmen oder ein Staat eignen sich hierfür auch.

    Dramaturgie im Storytelling

    Schließlich hat jede Geschichte auch eine Dramaturgie. Diese besteht aus mindestens drei Schritten: der Exposition (der Ausgangssituation), dem Hauptteil und dem Ende. Vogler (2018) unterscheidet darüber hinaus 12 Schritte, in denen typischerweise Geschichten erzählt werden. Dabei umfasst jeder der drei Akte jeweils 4 Schritte.

    In der Exposition wird die Ausgangssituation geschildert: Die Hauptperson hat einen Alltag, bevor die Geschichte beginnt. Dann bricht ein Ereignis über ihn oder sie hinein bzw. jemand erscheint, der den Protagonisten zum Abenteuer ruft. Mit dem Hauptteil beginnt das Abenteuer. Die Hauptperson macht sich auf den Weg, um die Herausforderung zu lösen oder den Konflikt auszufechten. Hierbei gibt es unterschiedliche Ereignisse und manchmal werden ein Mentor und Verbündete benötigt, um zum Ergebnis zu kommen. Mit dem Erreichen des Ziels – dem Spannungshöhepunkt – endet dieser Teil. Am Schluss kommt die Hauptperson als veränderte Person zurück und die Geschichte löst sich auf.

    Diese Dramaturgie ist für alle Menschen universell gültig, denn in allen Kulturen wurden und werden Geschichten in ähnlicher Weise erzählt. In dieser Logik verstehen wir die Zusammenhänge intuitiv. Aufgrund des Spannungsbogens – wir wollen wissen, ob die Hauptperson ihr Ziel erreicht – und der emotionalen Entlastung am Ende der Geschichte zieht uns eine gut erzählte Geschichte in ihren Bann und fesselt uns emotional. Es existieren neurophysiologische Untersuchungen, die zeigen, dass Menschen während einer Geschichte ähnliche kognitive Prozesse durchmachen wie beim eigenen Erleben.

    Deswegen sind Geschichten vielen anderen Formen der Kommunikation überlegen: Wir verstehen sie intuitiv und ziehen hieraus dieselben Schlüsse wie aus etwas, das wir selbst erlebt haben. Wir nutzen Geschichten, um uns über Situationen zu verständigen und wir transportieren in Geschichten Werte. Deshalb erzählen wir uns im Alltag ständig Geschichten und jeder kann Geschichten erzählen, weil er oder sie dies jeden Tag macht. Vielleicht ist es etwas ungewohnt, über das Erzählen von Geschichten nachzudenken, aber wenn man sich ein wenig beobachtet, kann man erkennen, wie Geschichten im Alltag funktionieren, und dass sie auch sehr kurz sein können. Experten schaffen es, Geschichten in drei Sätzen zu erzählen. Weniger als drei Sätze sind nicht möglich, da es für jeden der drei Akte einen Satz braucht.

    Narrative im Storytelling

    Im traditionellen Fundraising werden häufig Opfer-Narrative genutzt: Spenden werden für ein unverschuldet in Not geratenes Kind oder Tier gesammelt. Emotional wird hierbei Mitleid erzeugt. Gleichzeitig wird eine soziale Norm der Solidarität aktiviert, die besagt, dass Menschen und Tieren in Not geholfen werden muss. Im jüdisch-christlichen Kulturraum ist die mit den Begriffen „Barmherzigkeit und „Nächstenliebe verbunden. In anderen Kulturräumen besteht diese Norm ebenfalls. Sie ist in allen größeren Kulturen als Norm bekannt und aktiv und verhindert ein Auseinanderfallen von Gesellschaften.

    Diese Narrative spielen online eine weniger große Rolle. Die Gründe hierfür sind bisher nicht erforscht, aber man kann annehmen, dass folgende Aspekte hierbei wichtig sind:

    Bilder, die Leid darstellen, führen eher zur Reaktanz: Statt zu spenden, ziehen sich potenzielle Förder/innen aus der Situation zurück, da sie die Bilder nicht ertragen (Keller 2008).

    Im Gegensatz zu vielen anderen Medien wird das Internet meistens intentional genutzt. Wenn man sich mit etwas beschäftigen will, werden Werbung und andere Formen der Unterbrechung ausgeblendet oder als störend empfunden. Dies trifft auch auf Spendenappelle zu.

    Im Internet wird eine andere, jüngere Zielgruppe erreicht. Diese reagiert aufgrund persönlicher Erfahrungen anders. Haben ältere Zielgruppen noch selbst Leid und Not in Kriegs- und Nachkriegszeit erfahren (die „besten" Spender/innen sind deutlich über 70), gilt dies für die nächsten Generationen nicht mehr. Sie können deshalb auch weniger gut über Opfer-Narrative angesprochen werden.

    Häufiger sind Organisationen im Internet erfolgreich, wenn Sie andere Geschichten erzählen. Gemeinsam die Welt zu retten und sie gezielt zu verändern ist eine Haltung, die besser zu jüngeren Zielgruppen passt. Geschichten von Veränderungen zu erzählen, die sich auf eine gemeinsam geteilte Mission beziehen, kann eine erfolgreichere Strategie sein als das Erzählen von Opfern, denen dringend geholfen werden muss.

    Im Fundraising und damit auch in der Online-Kommunikation sind Geschichten ein zentrales Werkzeug, um Beziehungen zu schaffen, Verständnis zu erzeugen und Werte zu vermitteln. Dabei wirken Geschichten stärker als rationale Erklärungen und Beschreibungen. Und selbst wenn man Geschichten und rationale Erklärungen mischt, sinkt die Bereitschaft zum Spenden. Deshalb ist es wichtig, Geschichten einen zentralen Raum in der Fundraising-Kommunikation einzuräumen.

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