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Die venezianische Seherin: Historischer Roman
Die venezianische Seherin: Historischer Roman
Die venezianische Seherin: Historischer Roman
eBook328 Seiten3 Stunden

Die venezianische Seherin: Historischer Roman

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Über dieses E-Book

Venedig, um das Jahr 1400...

Ein zufälliges Treffen von Catrina und Ricardo, dem Straßenjungen, in Venedig ist schnell vergessen. Sie treffen nach Jahren wieder aufeinander, und die Verhältnisse haben sich grundlegend geändert. Nun muss Ricardo im Auftrag des Dogen einen Serienmörder suchen. Catrina will ihm trotz ihrer Blindheit helfen.

SpracheDeutsch
HerausgeberAlfred Bekker
Erscheinungsdatum19. Mai 2024
ISBN9798224388110
Die venezianische Seherin: Historischer Roman
Autor

Alfred Bekker

Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

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    Buchvorschau

    Die venezianische Seherin - Alfred Bekker

    Alfred Bekker, W.A.Hary

    Die venezianische Seherin: Historischer Roman

    UUID: a7618a7f-b2d8-4dbe-9c4f-db6f2aa56504

    Dieses eBook wurde mit Write (https://writeapp.io) erstellt.

    Inhaltsverzeichnis

    Die venezianische Seherin: Historischer Roman

    Copyright

    Catrina und Ricardo: Die venezianische Seherin 1

    1

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    Die blinde Nonne: Die venezianische Seherin 2

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    Micheles dunkler Fluch: Die venezianische Seherin 3

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    15

    Epilog

    Die venezianische Seherin: Historischer Roman

    W.A.Hary, Alfred Bekker

    Venedig, um das Jahr 1400...

    Ein zufälliges Treffen von Catrina und Ricardo, dem Straßenjungen, in Venedig ist schnell vergessen. Sie treffen nach Jahren wieder aufeinander, und die Verhältnisse haben sich grundlegend geändert. Nun muss Ricardo im Auftrag des Dogen einen Serienmörder suchen. Catrina will ihm trotz ihrer Blindheit helfen.

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Bathranor Books, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author

    © dieser Ausgabe 2024 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

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    Alles rund um Belletristik!

    Catrina und Ricardo: Die venezianische Seherin 1

    von Wilfried A. Hary & Alfred Bekker

    nach einem Exposé von Alfred Bekker

    ––––––––

    Venedig, um das Jahr 1400...

    Ein zufälliges Treffen von Catrina und Ricardo, dem Straßenjungen, in Venedig ist schnell vergessen. Sie treffen nach Jahren wieder aufeinander, und die Verhältnisse haben sich grundlegend geändert. Nun muss Ricardo im Auftrag des Dogen einen Serienmörder suchen. Catrina will ihm trotz ihrer Blindheit helfen.

    1

    Es gibt Dinge in Leben eines Menschen, die sich in sein Gedächtnis einbrennen wie mit sprichwörtlicher Säure. Dinge, die man niemals mehr vergessen kann. Dinge, die einen für das ganze Leben prägen, ob bewusst oder unbewusst. Und dies sind nicht nur die schlimmsten Dinge. Nicht unbedingt jedenfalls. Auch nicht die schönsten. Es sind vor allem Dinge, Begebenheiten und Ereignisse, die sich erst viel später vielleicht als von besonderer Bedeutung erweisen.

    Wie ihre erste Begegnung mit Ricardo.

    Man muss vorausschicken, dass beide damals wirklich wahre Welten trennten. Sie als die zwölfjährige Tochter aus dem angesehenen Haus des zwar kleinen aber dennoch feinen Wollhändlers – und Ricardo, der Straßenjunge, der alles tun musste, um einfach nur zu überleben. Eben auch Dinge tun, die man nicht tun sollte. Wie beispielsweise Diebstahl. Und dann noch als Opfer ausgerechnet den angesehenen und einflussreichen Glasbrenner Giuseppe D‘Andrea auszuwählen. Um möglicherweise Folgen heraufzubeschwören, die unabsehbar waren. Um auch als Kind vielleicht mit schlimmster Strafe rechnen zu müssen, falls man dabei erwischt wurde im Jahre des Herrn 1387 in der nicht nur für Venezianer heiligen Lagunenstadt Venetia, auch Venedig genannt ...

    Gewisse Gleichaltrige nannten die zwölfjährige Catrina gern auch „dürre Ziege". Was sie allerdings persönlich eher als Kompliment empfand. Zeigte es doch auch, dass man deutlich wahrgenommen wurde. In diesem schwierigen Alter sicherlich nicht ganz so unbedeutend.

    Zumal Catrina wusste, dass Gleichaltrige nur dann permanent mit so etwas geärgert wurden, wenn sie sich daraufhin empfindlich zeigten, also darauf eingingen. Das galt auch schon im Jahre des Herrn 1387 so. Wenn man jedoch darüber lachte, so wie Catrina, wiederholte sich das meist nicht mehr so oft. Dann wurde „die dürre Ziege" in Ruhe gelassen, und man ärgerte dafür andere. Wobei es ja nun wirklich keinen Menschen gab und gibt, den man nicht mit irgendetwas zu ärgern versuchte. Die einen, weil sie angeblich zu dürr, so wie Catrina, andere gar, weil sie angeblich zu dick, zu groß, zu klein, zu spitznasig, zu wuschelköpfig waren und dergleichen mehr. Man musste es einfach nur tapfer ignorieren oder eben sogar darüber lachen.

    An diesem Tag trotzdem schon wieder. Natürlich von jener kleinen Gruppe, die so tat, als würde sie aus angehenden Königinnen bestehen. Die selbsternannte Oberprinzessin drangsalierte dabei besonders gern Gleichaltrige, tatkräftig unterstützt von ihren wenigen Anhängerinnen, die wie Anhängsel von ihr wirkten, weil sie diese stets und ständig im Schlepptau hatte. Zumindest drangsalierte sie jene, mit denen sie es tun konnte. Und jetzt hatte sie es doch tatsächlich bei Catrina erneut versucht, obwohl sie eigentlich hätte wissen müssen, dass es nutzlos war.

    Jedenfalls weitgehend nutzlos, denn ausgerechnet diesmal änderte Catrina einfach einmal spontan ihre Taktik, um solchen Unbilden zu begegnen. Anstatt zu lachen nämlich wie über einen lustigen Scherz, stolzierte sie als genau jene „dürre Ziege" an ihnen vorbei, so hochnäsig es gerade noch ging, um nicht über die eigenen Füße zu stolpern.

    Es war ja die falsche Richtung. Aber Catrina konnte sich halt diese Gelegenheit nicht verkneifen. Sie musste es ihnen sozusagen zeigen. Was für sie als Zwölfjährige tatsächlich von annähernd fundamentaler Bedeutung sein mochte.

    So geschah es eben, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes vom Weg abkam und in jenen Grenzbereich geriet, vor dem ihr besorgter Vater sie mindestens einmal pro Tag eindringlich warnte. Denn hier verkehrten jene, denen es nicht ganz so gut ging wie ihr. Hier herrschten andere Verhältnisse, im wahrsten Sinne des Wortes. Hier wagten sich die Ärmsten der Armen hin, um zu betteln und auch um zu rauben. Wenn nicht Schlimmeres geschah, was Catrina in diesem Alter noch längst nicht wissen durfte.

    Kein Wunder also, wenn sie sich täglich diese Warnungen anhören musste. Woran sie sich für gewöhnlich auch gern hielt. Außer eben diesmal, wo sie sich nun wirklich diese Gelegenheit für einen besonders provokanten Auftritt nicht entgehen lassen durfte.

    Mit vollem Erfolg, denn die kleine Schar gaffte sich schier die Augen aus. Sie konnten wohl nicht glauben, dass jemand es wagen würde, sich ihrer Übermacht zu stellen und doch tatsächlich sich ganz deutlich über sie zu erheben.

    Zumindest so lange Catrina in Sichtweite blieb. Aber sobald der Abstand groß genug war, begann sie dennoch zu rennen. Sie waren trotzdem die Übermacht, und aus Erfahrung wusste Catrina, dass sie nicht nur so tun konnten wie verwöhnte Prinzessinnen, sondern leider auch wie übelster Abschaum. Falls die Wut und der Zorn sie übermannten. Und damit war ja nun in diesem Fall wirklich zu rechnen.

    Deckung fand Catrina in einer schmalen Seitengasse, in der es auch am hellsten Tag dunkel genug blieb, um nicht sogleich gesehen werden zu können.

    Und sie hatte sich nicht geirrt: Ihre Verfolgerinnen kamen zornbebend herbeigerannt, vermuteten jedoch, sie sei längst weiter gelaufen und verloren keine unnötige Zeit, um vielleicht auch noch in dieser schmalen, unbedeutenden Seitengasse nachzusehen, in der es dermaßen nach Schmutz und Unrat stank, dass es Catrina schier den Atem raubte.

    Sie blieb tapfer. Sie hielt es aus. Wenigstens bis sie sicher sein konnte, dass ihre Verfolgerinnen nicht zurückkamen, um hier nachzusehen. Immerhin kannten sie ja ebenfalls die immer wieder angemahnten Gefahren, denen man hier begegnen konnte, und waren sicherlich längst wieder auf dem Weg in ihren Bereich, wo sie sich sicherer fühlen durften.

    Erst dann wagte Catrina es, ins Freie zu treten, zurück in das Licht.

    Aber da kam noch jemand herbei gerannt. Nicht minder schnell als sie vorhin. Ein Junge, ungefähr in ihrem Alter, wie es schien. Ziemlich abgerissen wirkend. Also einer dieser berüchtigten Straßenjungen. Einer von denen, die vom Betteln lebte. Und falls das nicht reichte ...

    Catrina jedenfalls verstand schon, bevor sie sah, dass er immer wieder gehetzt einen Blick zurückwarf: Er wurde verfolgt. Er war also eindeutig einer dieser kleinen Diebe, die nicht zum Spaß stahlen, sondern weil sie keine andere Wahl hatten. Und er hatte sich diesmal erwischen lassen, war auf der Flucht vor seinen Häschern und kam dabei ausgerechnet direkt auf sie zu, ohne sie zunächst bewusst wahrzunehmen.

    Catrina fiel ihm erst auf, als er nur noch wenige Schritte von ihr entfernt war. Es erschreckte ihn dermaßen, dass er seine Flucht abbrach, um sie nicht über den Haufen zu rempeln, und knapp vor ihr zum Stehen kam.

    Catrina sah in seine weit aufgerissenen, panikerfüllten Augen – und fühlte so etwas wie Mitleid mit ihm. Anders konnte es nicht sein. Sonst hätte sie ihn nicht gepackt und in diese dunkle Seitengasse hineingestoßen. In Sicherheit nämlich, anstatt ihn festzuhalten und seinen Häschern zu überlassen, wie sie es als wohlerzogene Tochter eines Wollhändlers gelernt hatte, der ebenfalls immer wieder von solchen kleinen Dieben behelligt wurde.

    Er ließ es verdutzt mit sich geschehen. Wohl weil er immer noch unter einer Art Schock stand. Und vor allem kam er nicht sofort wieder aus der Gasse hervorgestürmt, um weiter zu fliehen. Das wäre ihm auch schlecht bekommen, denn seine Verfolger hatten bereits aufgeholt. Immerhin zwei ausgewachsene Männer in der Uniform der Stadtwachen, und sie machten nicht gerade den Eindruck, als wären sie gut gelaunt, mit ihren Knüppeln in den Händen.

    Jetzt wurden sie Catrinas ansichtig und stutzten, denn allein schon an ihrer Kleidung erkannten sie, dass sie nicht in dieses Viertel gehörte. Und dann weinte sie auch noch so herzzerreißend los, dass sie kurz sogar vergaßen, den fliehenden Jungen weiter zu verfolgen.

    „Bitte, so helfe mir doch jemand!"

    „Was ist denn los, Kleine?", fragte einer der beiden keuchend und blieb gemeinsam mit dem anderen stehen.

    „Ich – ich habe mich verlaufen!, behauptete sie. „Ich – ich weiß nicht mehr, wie ich nach Hause komme. Könntet Ihr mich denn nicht ...?

    „Keine Zeit für so etwas, Kleine. Tut mir leid."

    Und schon wollten sie weiterlaufen. Der eine äugte allerdings noch misstrauisch in Richtung dunkler Seitengasse. Anscheinend formte sich in seinem Kopf bereits die Idee, der Flüchtige könnte sich womöglich dort versteckt halten.

    Und schon hörte Catrina die dazu passende Frage: „Ist da soeben ein Straßenjunge an dir vorbeigelaufen, etwa in deinem Alter?"

    Catrina tat überrascht und vergaß vorübergehend sogar, weiter zu weinen, obwohl immer noch dicke Tränen über ihre Wangen kullerten.

    „Nein, da war niemand. Es hat keiner mein Flehen erhört. Bitte, ihr werten Herrn, ich bin Catrina, die Tochter des Wollhändlers. Ich glaube, es ist nicht weit von hier, aber ich habe solche Angst und weiß nicht mehr, in welche Richtung ich gehen muss."

    Der eine vergaß wieder, dass er in der Gasse nachsehen wollte. Stirnrunzelnd sah er das Mädchen an.

    „Es gibt hier in der Nähe nur einen einzigen Wollhändler. Und das ist dein Vater?"

    „So ist es!", bestätigte sie eifrig.

    „Dann bist du hier tatsächlich falsch. Du musst hier einfach nur zurück und über die nächste Brücke gleich links abbiegen. Dann bist du schon fast da. Sicherlich findest du dich dort besser zurecht."

    „Oh, vielen Dank, ihr werten Herrn!, rief sie erleichtert. „Und wenn ich den bösen Jungen sehe, den ihr verfolgt, schreie ich ganz laut um Hilfe. Ja, das werde ich tun!

    „Äh, gut so, Kleine!", meinte der Wachmann irritiert, winkte seinem Kollegen zu, und schon rannten sie weiter.

    Erst als sie nicht mehr zu sehen waren, ging Catrina in die Gasse zurück. Aber der Junge war nicht mehr zu sehen. Sie konnte ihn jedenfalls nicht finden. Also wandte sie sich ab und wollte sich jetzt endlich auf den Weg zurück machen, bevor ihre Eltern sich noch unnötig Sorgen machten ob ihrer Verspätung.

    Doch da zupfte sie jemand am Ärmel. Sie wandte sich erschrocken herum und sah den Jungen wieder. Die Panik war aus seinen Augen verschwunden.

    „Danke!", sagte er.

    „Nichts zu danken, aber an deiner Stelle würde ich jetzt tatsächlich weiterrennen, allerdings in eine andere Richtung."

    „Wollte ich ja, aber die Gasse endet dort hinten. Dort komme ich nicht weiter. Denn die Mauer ist viel zu hoch und zu glatt, um daran emporzuklettern."

    „Na, die beiden Wachmänner sind ja jetzt nicht mehr da. Ich gehe zurück in Richtung Elternhaus. Vielleicht wäre das auch die richtige Richtung für dich?"

    „Nein, wäre es nicht. Man kann ihnen am besten entwischen, wenn man hinter ihnen bleibt."

    „Also, du willst sie jetzt deinerseits verfolgen?", vergewisserte sie sich ungläubig.

    Er lächelte listig.

    „Das ist ja der Trick: Sie suchen vor sich, nicht hinter sich."

    Catrina musste darüber unwillkürlich lachen.

    „Aber sage mal, wie heißt du denn eigentlich?"

    „Ich bin Ricardo."

    „Hast du denn kein Zuhause?"

    „Nein, habe ich nicht. Ich hatte noch nie Eltern. Jedenfalls keine, an die ich mich erinnern könnte."

    „Aber du weißt zu überleben, wie ich sehe."

    „Weil ich keine Wahl habe. Und noch einmal danke für deine Hilfe, Catrina."

    „Du weißt, wie ich heiße?"

    „Nun, du hast denen ja deinen Namen verraten. Das habe ich gehört."

    Abermals musste sie lachen.

    Er blinzelte sie schelmisch an und rannte weiter. Tatsächlich in dieselbe Richtung, in der seine Verfolger verschwunden waren.

    So recht konnte Catrina immer noch nicht glauben, dass dies wirklich die richtige Strategie sein sollte. Kopfschüttelnd wandte sie sich ab und hatte die Begegnung mit Ricardo schon eine halbe Stunde später wieder vergessen.

    Glaubte sie zumindest. Wie hätte sie denn auch nur ahnen können ... Aber niemand kennt wirklich die Zukunft. Catrina jedenfalls nicht. Obwohl das Schicksal schon längst bestimmt hatte, dass ausgerechnet Ricardo dereinst eine besondere Rolle in ihrem zukünftigen Leben spielen würde.

    Noch war es aber längst nicht so weit. Sie war zu diesem Zeitpunkt erst zwölf Jahre alt und lebte noch in sehr behüteten Verhältnissen. Ganz anders als der arme Straßenjunge Ricardo. Ohne auch nur zu ahnen, dass ihr eigenes Glück nicht mehr von allzu langer Dauer sein würde ...

    2

    Ricardo war zwei Jahre älter als Catrina, obwohl beide ungefähr gleich alt aussahen. Aber das wussten zu diesem Zeitpunkt beide nicht. Und es wäre ihnen auch egal gewesen. Weil jeder in seine eigene Welt zurückkehrte nach dieser kurzen und doch so bedeutsamen Begegnung. Das hieß, eigentlich blieb Ricardo einfach in seiner eigenen, in der es jeden Tag um das Überleben für einen weiteren Tag ging. Und er hatte in seinen noch so jungen Jahren bereits weitreichende Erfahrungen mit dem Überleben sammeln müssen, sonst hätte es ihn längst schon nicht mehr gegeben. Also war er auch durchaus berechtigt zuversichtlich, so völlig überzeugt von seiner Strategie, dass er seinen Verfolgern entrinnen konnte.

    Allerdings gab es auch noch mehr Menschen auf den Straßen von Venedig als nur Ricardo, seine Verfolger und auch Catrina. Vor allem einen, der beiden gar nicht aufgefallen war, weil er für sie keine Bedeutung zu haben schien. Eben auch für Ricardo nicht, der tatsächlich der Illusion erlag, es wieder einmal geschafft zu haben, als er seine Häscher nicht mehr zu Gesicht bekam. Als hätten sie sich selbst regelrecht in Luft aufgelöst.

    Eine Illusion, die allerdings nicht allzu lange anhielt. Nur so lange, bis ihm jemand von hinten mit einem Knüppel auf die Schulter klopfte. Ein Knüppel, wie er typisch war für einen der Stadtwache.

    Erschrocken fuhr Ricardo herum. Und es war tatsächlich ein Stadtwächter. Schlimmer noch: Es war einer seiner Häscher, während der andere bereits hinzutrat, um ihm den weiteren Fluchtweg abzuschneiden.

    „Da hat dich also die Kleine tatsächlich gedeckt. Ich hatte gleich so einen Verdacht, dass sie uns nur etwas vormacht", meinte der mit dem Knüppel.

    Er hob ihn von Ricardos Schulter, der erschrocken zusammenzuckte, weil er erwartete, damit geschlagen zu werden. Doch nichts dergleichen geschah.

    Ein weiterer Mann trat hinzu. Hochgewachsen schien er nicht mehr der Jüngste zu sein. Er hatte einen stattlichen Schnurrbart auf der Oberlippe, den er wohl sehr liebte, sonst hätte er nicht so gepflegt gewirkt. Auf seinem Kopf thronte ein Zylinder. Aber auch die übrige Kleidung verriet einen sehr wohlhabenden Herrn aus einflussreichen Kreisen.

    „Oh, verzage nicht, meinte er überaus freundlich zu Ricardo, „aber die beiden hättest du tatsächlich mit deinem Trick überlisten können. Die Verfolger verfolgen, weil sie natürlich dann immer in der falschen Richtung suchen? Ich halte das für genial, allerdings nicht für genial genug, um nicht von mir durchschaut werden zu können. Jedenfalls konnte ich die beiden davon überzeugen, sich hier ihrerseits auf die Lauer zu legen. Gemeinsam mit mir.

    Ricardo sah den Fremden mit geweiteten Augen an und fürchtete längst das Allerschlimmste. Nicht nur, weil er keine Ahnung hatte, um wen es sich bei diesem handelte.

    Da deutete dieser tatsächlich eine höfliche Verbeugung an und schlug dabei sogar die Hacken zusammen.

    „Gestatten, mein Name ist Giuseppe D‘Andrea!"

    „Der berühmte Glasbrenner?", entfuhr es Ricardo voller Panik.

    Der so Bezeichnete nickte lächelnd.

    „Genau der nämlich, den du bestohlen hast! Er schürzte abschätzig die Lippen. „Dabei habe ich mich allerdings gefragt, wieso ein verwahrloster, abgerissener Straßenjunge wie du ausgerechnet in eine Glasbrennerei einbrechen sollte.

    „Ich bin gar nicht eingebrochen. Ich ging einfach so hinein. Am helllichten Tag. Niemand hat mich aufgehalten."

    „Aber wieso bist du dort überhaupt hinein? Als Straßenjunge, wohlgemerkt. Was will denn jemand wie du ausgerechnet in einer Glasbrennerei stehlen? Vielleicht die Geheimnisse der Glasbrennerei gar?"

    „Ihr wisst gar nicht, was ich entwendet habe, glaubt sogar, ich könnte ein Spion sein?", wunderte sich jetzt Ricardo ehrlich.

    Er sah die beiden Stadtwachen an. Diese erwiderten nur grimmig seinen forschenden Blick.

    „Nein, gab der Glasbrenner zu, „das weiß ich nicht. Was du gestohlen hast. Noch nicht jedenfalls. Vielleicht ja tatsächlich Geheimnisse, die nicht für dich bestimmt sind? Sage du es mir also!

    „Könnte ich wirklich Eure Geheimnisse herausgefunden haben in dieser kurzen Zeit in Eurer Brennerei?"

    Der Glasbrenner musste nicht lange überlegen.

    „Nein, das wäre in der Tat eher unwahrscheinlich. Aber sprich endlich: Was sonst gäbe es für einen wie dich in einer Glasbrennerei zu stehlen?"

    „Ihr vermisst also in der Tat überhaupt nichts? Wieso sonst würdet Ihr mich danach fragen? Aber warum wolltet Ihr mich dennoch so unbedingt fangen lassen? Wenn nichts fehlt, habe ich ja gar nichts verbrochen. Oder will man mich nur deshalb in den Kerker werfen, weil ich es gewagt habe, ohne Aufforderung die Glasbrennerei zu betreten? Als handele es sich um heiligen Boden oder so?"

    Der Glasbrenner lachte herzhaft.

    „Du scheinst mir ein ziemlich gewitzter Bursche zu sein. Aber so einfach kommst du mir nicht davon. Natürlich weiß ich, dass du gestohlen hast. Was denn sonst bei deinesgleichen? Nur ist mir immer noch nicht ganz klar, was dies denn sein könnte. Geheimnisse schließe ich jetzt einmal aus, weil diese zu sicher verwahrt sind. Bei uns kann man außerdem noch nicht einmal Essen stehlen, auch nicht

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