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BeiDie '''Dysmorphophobie''' handeltoder es'''körperdysmorphe sichStörung''', umgenannt auch '''Entstellungssyndrom''', ist eine Störung der [[Wahrnehmung]] des eigenen [[Leib]]esKörpers. Die normalpsychologische Grundlage der Körperschemastörung ist das Konzept des [[Körperschema]]s.
 
== Etymologie und Synonyme ==
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Der Ausdruck ist ein [[Gräzismus]], gebildet aus dem [[Altgriechische Sprache|altgriechischen]] ''dys'' ‚schlecht‘ (hier im Sinne von ‚Miss-‘) und ''morphé'' ‚Form‘ (hier im Sinne von ‚gestaltet‘) sowie ''phóbos'' ‚Furcht‘. Er wurde erstmals 1886 von dem Turiner Neurologen [[Enrico Morselli]] (1852–1929) verwendet.<ref>Enrico Morselli: ''Sulla dismorfofobia e sulla tafefobia.'' Band VI. Bollettino Accademia delle Scienze, Mediche di Genova 1886. S. 110–119.</ref> Die [[ICD-10]] hat diesen Ausdruck übernommen.
 
Synonyme sind ''Missgestaltsfurcht'', ''Körperdysmorphekörperdysmorphe Störung'' bzw. englisch ''Body Dysmorphic Disorder'' (nach [[DSM-IV]]-TR), ''Körperbildstörung'' bzw. ''Body Image Disturbance'' oder auch ''Thersites-Komplex''.
 
Eine weitere klinische Störung ist die „muskeldysmorphe„[[Muskeldysmorphie|muskeldysmorphe Störung“Störung]]“, die oft als Unterform der körperdysmorphen Störung gesehen wird. Oft wird sie aber auch in Verbindung mit Essstörungen gebracht, da viele kognitive und behaviorale Mechanismen ähnlich zu sein scheinen.<ref>R. Olivardia, H.G. Pope Jr., J.I. Hudson: ''Muscle Dysmorphia in Male Weightlifters: A Case-Control Study''. In: ''American Journal of Psychiatry'', 157, 2000, S. 1291–1296.</ref><ref>S.B. Murray, E. Rieger, S.W. Touyz, Y. De la Garza Garcia: ''Muscle Dysmorphia amd the DSM-V Conundrum: Where Does it belong?'' A Review Paper. In: ''International Journal of Eating Disorders'', 43 (6), 2010, S. 483–491.</ref>
Diese Symptomatik wird oft als ''Adonis-Komplex'' bezeichnet.<ref>Harrison G. Pope, Katherine A. Phillips, Roberto Olivardia: ''Der Adonis-Komplex. Schönheitswahn und Körperkult bei Männern.'' dtv, München 2001, ISBN 3-423-24249-3.</ref> Auch die Ausdrücke ''Körperdysmorphie'' bzw. ''body dysmorphia'' oder ''Muskeldysmorphie'' bzw. ''muscle dysmorphia'' finden für die männliche Form bis heute Verwendung.<ref>C. G. Pope, H. G. Pope, W. Menard, C. Fay, R. Olivardia, K. A. Phillips: ''Clinical features of muscle dysmorphia among males with body dysmorphic.'' In: ''Body Image.'' Band 2, 2005, S. 395–400.</ref><ref>G. Kanayama, S. Barry, J. I. Hudson, H. G. Pope Jr.: ''Body image and attitudes toward male roles in anabolic-androgenic steroid users.'' In: ''American Journal of Psychiatry.'' Band 163, 2006, S. 697–703.</ref>
Der Unterschied zur körperdysmorphen Störung besteht darin, dass bei der [[Muskeldysmorphie]] nicht einzelne Körperteile als entstellt wahrgenommen werden, sondern sich der wahrgenommene Makel auf die gesamte [[Muskulatur]] bezieht: Betroffene gehen davon aus, zu klein und schmächtig zu sein. Darin besteht nun auch der Unterschied zur klassischen Essstörung, dabei der die Betroffenen denken, zu dick zu sein, und an Körpermasse verlierenvermindern wollen, anstatt zunehmensie wollenzu vermehren.<ref>R. Olivardia: ''Mirror, Mirror on the Wall, Who’s the Largest of Them all? The Features and Phenomenology of Muscle Dysmorphia''. In: ''Havard Rev Psychiatry'', 9 (5), 2001, S. 254–259</ref><ref>C.G. Pope, H.G. Pope, W. Menard, C. Fay, R. Olivardia, K.A. Phillips: ''Clinical Features of muscle dysmorphia among males with body dysmorphic disorder''. In: ''Body Image'', 2, 2005, S. 395–400.</ref>
 
== Definitionen ==
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Price (1999)<!-- Literatureintrag?--> definiert: „Ein verändertes Körperbild liegt vor, wenn individuelle und soziale Copingstrategien zur Veränderung der Körperrealität, des Körperideals und der Körperrepräsentation durch Verletzung, Erkrankung oder Behinderung oder soziale [[Stigmatisierung]] unwirksam oder überfordert werden.“
 
Das DSM-IV nennt die folgenden drei Kriterien, nach denen eine ''Body Dysmorphic Disorder'' angenommen werden kann:<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Ulrike Buhlmann, Heide Glaesmer, Ricarda Mewes, Jeanne M. Fama, Sabine Wilhelm |Titel=Updates on the prevalence of body dysmorphic disorder: A population-based survey |Sammelwerk=Psychiatry Research |Band=178 |Nummer=1 |Datum=2010-06 |DOI=10.1016/j.psychres.2009.05.002 |Seiten=171–175}}</ref>
 
* A: Beschäftigung mit einem eingebildeten Schönheitsfehler. Wenn eine leichte körperliche Anomalie vorhanden ist, ist die Sorge der Person deutlich übertrieben.
* B: ''Eines der folgenden Kriterien trifft zu.''
** B1: Die Beschäftigung mit dem Schönheitsfehler verursacht klinisch signifikanten Stress, oder
** B2: Beeinträchtigung in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.
* C: Die Beschäftigung mit dem Schönheitsfehler ist nicht besser durch eine andere psychische Störung erklärbar (z. B. Unzufriedenheit mit der Körperform und -größe bei [[Anorexia nervosa]]).
 
== Häufigkeit ==
Eine Studie aus 2009, die über 2.500 [[Repräsentativität|repräsentativ]] ausgewählte Deutsche im Alter von 14 bis 93 Jahren befragte, ermittelte eine [[Prävalenz]] von 2,0 % bei Frauen und 1,5 % bei Männern bezogen auf die ''Body Dysmorphic Disorder'' nach den DSM-IV-Kriterien. Nur bezogen auf die Kriterien A und B (ohne Ausschluss anderer psychischer Störungen) liegt die Häufigkeit bei 5,6 % für Frauen und 2,5 % für Männer.<ref name=":0" /> Eine [[systematische Übersichtsarbeit]] aus 2016 ermittelte eine Prävalenz von 1,9 % in der allgemeinen erwachsenen Bevölkerung (2,1 % bei Frauen, 1,6 % bei Männern).<ref>{{Literatur |Autor=David Veale, Lucinda J. Gledhill, Polyxeni Christodoulou, John Hodsoll |Titel=Body dysmorphic disorder in different settings: A systematic review and estimated weighted prevalence |Sammelwerk=Body Image |Band=18 |Datum=2016-09 |DOI=10.1016/j.bodyim.2016.07.003 |Seiten=168–186}}</ref>
 
== Ursachen ==
 
Die genauen Ursachen für die Entstehung der körperdysmorphen Störung sind unbekannt. Es wird mittlerweile angenommen, dass sowohl biologische als auch soziokulturelle Faktoren hierbei eine Rolle spielen könnten. Vor allem im angelsächsischen Wissenschaftsbetrieb wird die körperdysmorphe Störung ebenso wie u.&nbsp;a. [[Hypochondrie]], [[Trichotillomanie]] und [[Anorexia nervosa]] zu den [[Zwangspektrumstörung|Zwangsspektrumserkrankungen]] ''(Obsessive Compulsive Spectrum Disorders)'' gezählt. Die Ursachen seien daher ähnlich wie bei der [[Zwangsstörung]].<ref>Michele Fornaro, Filippo Gabrielli, Claudio Albano et al.: [http://www.annals-general-psychiatry.com/content/8/1/13 ''Obsessive-compulsive disorder and related disorders: a comprehensive survey.''] In: ''Annals of General Psychiatry'', 2009, 8, S. 13.</ref>
 
In jüngster Zeit wird ein Zusammenhang zwischen der Nutzung [[Soziale Medien|sozialer Medien]] und der Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper bzw. damit zusammenhängend die Entwicklung einer körperdysmorphen Störung diskutiert. Insbesondere der häufige visuelle Vergleich mit anderen, als besser aussehend wahrgenommenen Personen („Aufwärtsvergleich“) könnte die Entwicklung von Symptomen begünstigen, die den Symptomen der körperdysmorphen Störung ähneln, und zudem zur Aufrechterhaltung der Symptome beitragen. Während Frauen möglicherweise mehr Zeit in sozialen Medien verbringen und dort auch häufiger visuelle Vergleiche durchführen und daher stärker betroffen sein könnten, kann auch bei Männern eine negative Auswirkung auf die eigene Körperwahrnehmung im Zusammenhang mit sozialen Medien festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf die Muskulatur.<ref>{{Literatur |Autor=Francesca C. Ryding, Daria J. Kuss |Titel=The use of social networking sites, body image dissatisfaction, and body dysmorphic disorder: A systematic review of psychological research. |Sammelwerk=Psychology of Popular Media |Band=9 |Nummer=4 |Datum=2020-10 |ISSN=2689-6575 |DOI=10.1037/ppm0000264 |Seiten=412–435}}</ref>
 
== Symptome ==
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Die Betroffenen leiden wegen dieser Einschätzung ihres Aussehens oft unter zwanghaften Gedanken, die bis zu mehrere Stunden am Tag andauern können. Weiterhin zeigen sie oftmals sogenannte ritualisierte Verhaltensweisen: Überprüfen des Erscheinungsbildes in Spiegeln oder anderen reflektierenden Oberflächen, Vergleichen des eigenen Aussehens mit dem von anderen Personen, Auftragen von Makeup oder anderen Kosmetikartikeln.
 
Viele der Betroffenen haben keine oder nur eine geringe Krankheitseinsicht, sondern sind fest davon überzeugt, enorm un[[Attraktivität|attraktiv]] zu sein.
 
Der Dopingforscher Luitpold Kistler hat darauf hingewiesen, dass die Krankheit auch bei [[Bodybuilding|Bodybuildern]] auftritt, die trotz objektiv enormer Muskelmasse vermeintliche Defizite an sich feststellen würden:<ref name="Kistler">Frieder Pfeiffer: [http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,459177,00.html ''Irgendwann macht es halt bumm''.] [[Spiegel Online]], 20. Januar 2007. Interview mit Anabolika-Forscher Luitpold Kistler; abgerufen am 4. Februar 2009.</ref>
 
{{Zitat|Diese Menschen haben ein gestörtes Selbstbild. Wenn ein 140 Kilogramm schwerer, muskelbepackter Mann, der zehn Kilogramm abnimmt, nicht mehr aus dem Haus heraus gehtherausgeht, weil er denkt, er wäre zu dünn – dann ist er krank.}}
 
Auch [[Selbstverletzendes Verhalten]] (SVV) ist häufiges Symptom für Störungen in der Wahrnehmung hinsichtlich des eigenen Körpers.
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Dysmorphophobie kann den Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben zur Folge haben, in Extremfällen auch eine vollständige [[soziale Isolation]]. Die [[Komorbidität]] mit der [[Soziale Phobie|sozialen Phobie]] ist sehr hoch. Eine Studie aus dem Jahr 1997 ergab, dass bei Personen, die sowohl unter einer körperdysmorphen Störung als auch unter einer sozialen Phobie litten, der Störungsbeginn der sozialen Phobie in allen Fällen vor dem Störungsbeginn der körperdysmorphen Störung lag.<ref>Sabine Wilhelm et al.: ''Prevalence of body dysmorphic disorder in patients with anxiety disorders.'' In: ''Journal of Anxiety Disorders.'' Band 11, Nr. 5, 1997, S. 499–502, [[doi:10.1016/S0887-6185(97)00026-1]]</ref>
 
Eine weitere Folge kann der Wunsch nach einer [[Schönheitsoperation|kosmetischen Korrektur]] der angeblichen Defizite sein.<ref>Theo K. Bouman et al.: ''Cosmetic Professionals Awareness of Body Dysmorphic Disorder.'' In: ''Plastic & Reconstructive Surgery.'' Band 139, Nr. 2, 2017, S. 336–342, [[doi:10.1097/PRS.0000000000002962]], [http://journals.lww.com/plasreconsurg/Fulltext/2017/02000/Cosmetic_Professionals__Awareness_of_Body.16.aspx Volltext]<!--doi=defekt--></ref>
 
== Behandlung ==
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* [[Idealbild]]
* [[Schönheitsoperation]]
* [[MuskeldysmorphieZönästhesie]]
 
== Literatur ==
 
* {{Literatur|Autor=Stefan Brunhoeber,|Titel=Kognitive MelanieVerhaltenstherapie Brunhoeberbei körperdysmorpher Störung
|Titel=Kognitive Verhaltenstherapie bei körperdysmorpher Störung
|TitelErg=Ein Therapiemanual [mit CD-ROM]
|Verlag=Hogrefe
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== Weblinks ==
* [http://www.koerperdysmorphestoerung.de/ koerperdysmorphestoerung.de]
* ''Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik'': [https://lexikon.stangl.eu/8123/dysmorphophobie/ Dysmorphophobie]
 
== Einzelnachweise ==