„Bildungssystem in Frankreich“ – Versionsunterschied

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=== {{Anker|Vorschule und Grundschule}}Vorschule und Grundschule (École maternelle und École élémentaire) ===
[[Datei:Ecole - Salle de Classe 2.jpg|mini|Klassenraum der Grundschule]]
Die Vorschule ([[école maternelle]] (Vorschule) wird von 97 % der Kinder in Frankreich besucht. Sie umfasst maximal vier Jahrgangsstufen und ist seit 2019 für Kinder ab drei Jahren Pflicht.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.education.gouv.fr/la-loi-pour-une-ecole-de-la-confiance-5474 |titel=La loi pour une École de la confiance |hrsg=Website des französischen Bildungsministeriums. |sprache=fr |abruf=2020-12-20 |sprache=fr}}</ref> Ihr Besuch ist in öffentlichen Schulen gratis und der Unterricht ganztägig; optionale Betreuungsangebote für die Randzeiten sowie die mittägliche Verpflegung sind jedoch kostenpflichtig. Alter der Vorschüler: 2½ bis 6 Jahre. Die Vorschule ist eine Einrichtung mit Betreuungs-, Erziehungs- und Bildungsfunktion. Letztere steht stärker im Vordergrund, als dies in den Kindergärten in anderen, zum Beispiel deutschsprachigen Ländern der Fall ist. Es existiert ein nach nationalen Richtlinien des Bildungsministeriums festgelegtes Curriculum, das zwar nicht verbindlich ist, durch das die École maternelle aber als Vorbereitung auf die Grundschule gilt. Die Lehrer werden von der staatlichen Schulbehörde, ''Éducation nationale'', ausgebildet und angestellt. Auch die Schulleiter sind Lehrer.
 
Die ''école élémentaire'' ([[Grundschule]] (école élémentaire) dauert in Frankreich fünf Jahre. Die Schuljahre heißen: CP (''cours préparatoire'' im ersten Jahr), CE1 und CE2 (''cours élémentaire 1/2'' im 2. bzw. 3. Jahr) sowie CM1 und CM2 (''cours moyen 1/2'' im 4. bzw. 5. Jahr). Alter der Grundschüler: 6 bis 11 Jahre. In der Klasse 1 und 2 findet die Erziehungs-, in Klasse 3 bis 5 eine Übungsphase statt. Schon ab der ersten Klasse wird im Sinne der Europäisierung eine Fremdsprache unterrichtet. Diese muss nicht Englisch sein.
 
Die ''école maternelle'' und die ''école élémentaire'' müssen nicht zwangsweise getrennt geführt werden. Sie können in kleineren Gemeinden als Einheit organisiert werden, werden dann aber als ''école primaire'' bezeichnet<ref>{{Internetquelle |url=https://www.service-public.fr/particuliers/vosdroits/N54 |titel=École primaire (maternelle et élémentaire) |abruf=2024-07-12 |hrsg=www.service-public.fr |sprache=fr}}</ref>.
 
=== Sekundarstufe I (Collège) ===
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Im Anschluss an die Grundschule besuchen alle Schüler vier Jahre lang das [[Collège]], eine [[Mittelschule]] ohne Leistungsdifferenzierung. Sie erhalten dabei Unterricht in Französisch, Mathematik, zwei modernen Fremdsprachen, Geschichte-Geographie-Gemeinschaftskunde, Bio- und Geowissenschaft (sciences de la vie et de la terre), Physik-Chemie, Technologie, Kunst, Musik und Sport. Es besteht je nach Schule außerdem die Möglichkeit, eine Regionalsprache, Latein oder Griechisch zu erlernen. Am Ende des Collège unterziehen sich die Schüler einer Prüfung, durch die sie ein Abschlusszeugnis erwerben, das ''Diplôme national du brevet''.
 
Die übliche Sprachenfolge im Fremdsprachensektor der Sekundarstufe I und II ist Englisch von der fünften Klasse an (rund 90 Prozent) und Spanisch von der siebten Klasse an (57 Prozent). Deutsch als zweite Fremdsprache wird von ca. 15 Prozent der Schüler erlernt; zuletzt ging die Zahl der Deutschschüler zurück. Im Süden ist der Deutschunterricht seltener als im Norden oder Osten Frankreichs.<ref>{{Internetquelle |autor=DER SPIEGEL |url=https://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/europa-diese-fremdsprachen-lernen-schueler-a-1046284.html |titel=Europa: Diese Fremdsprachen lernen Schüler - DER SPIEGEL |sprache=de |abruf=2020-12-21 |sprache=de}}</ref><ref>{{Internetquelle |url=https://www.schule-bw.de/faecher-und-schularten/sprachen-und-literatur/franzoesisch/informationen-zum-fach/bilingual/newsletter/quoi-de-neuf-2018/deutschunterricht-in-frankreich.html |titel=Deutschunterricht in Frankreich / Französischunterricht in Deutschland |sprache=de |abruf=2020-12-21 |sprache=de}}</ref> Weitere Sprachen, die als zweite Fremdsprache gelernt werden, sind z. B. Niederländisch und Italienisch. Eine besondere Rolle können in bestimmten Gegenden die [[Regionalsprache]]n spielen. Dabei bestehen von Region zu Region erhebliche Unterschiede: Während [[Okzitanische Sprache|Okzitanisch]] von relativ wenigen Schülern belegt wird und nur an einer begrenzten Zahl von Schulen unterrichtet wird,<ref>https://disciplines.ac-toulouse.fr/langues-vivantes/occitan/cicle-1-e-2/contactes, aufgerufen am 24. März 2022.</ref> gilt z.&nbsp;B. die Position des Korsischen im Unterrichtswesen [[Korsika]]s als weitgehend konsolidiert. Im Schuljahr 2020/21 besuchten 45 % aller korsischen Kinder in der Grundschule den zweisprachigen französisch-korsischen Schulzweig, der von rund zwei Drittel der Primarschulen vorgehalten wird; 98 % der Schüler im ersten Jahr der Mittelschule (Collège) lernten Korsisch, und noch in der letzten Klasse vor dem Abitur belegten es 15 % aller korsischen Schüler. Bei der Unterrichtung der Regionalsprachen ist die Didaktik darauf eingestellt, dass Schüler mit muttersprachlichen Kompetenzen und solche mit geringen oder gar keinen Kenntnissen der Regionalsprache zusammentreffen.<ref>https://www.journaldelacorse.corsica/articles/1201/enseignement-la-langue-corse-en-danger, aufgerufen am 24. März 2022.</ref>
 
=== Sekundarstufe II (Lycée), beruflich und allgemeinbildend ===
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* ''Baccalauréat professionnel'' mit über 50 Fachrichtungen von Kunststoffgießerei über Automechanik bis Einzelkaufmann.
 
Die beruflichen Abiturformen sollen aufgewertet werden. Im Jahr 2017 hatte Frankreich eine Abiturquote von 79 %; gleichzeitig brechen 61 % eines Jahrgangs ihr gewähltes Erststudium ab.<ref>{{Literatur |Autor=Martin Villinger |Hrsg=Deutsch-Französisches Institut |Titel=Bildungsreform in Frankreich |Sammelwerk=Aktuelle Frankreich-Analysen |Nummer=33 |Datum=2018 |Online=https://www.dfi.de/pdf-Dateien/Veroeffentlichungen/afa/afa33.pdf |Format=PDF |KBytes=}}</ref> Mehr Möglichkeiten einer Fächerwahl nach Interessen und Neigungen soll das verbessern. Die Prüfungen werden entzerrt.<ref>{{Internetquelle |url=https://meinfrankreich.com/baccalaureat/ |titel=Schulreform: Das Baccalauréat 2021 |werk=Mein Frankreich |datum=2018-03-26 |abruf=2020-12-21 |sprache=de-DE |offline=ja1 |abruf=2020-12-21}}</ref>
 
=== Inklusion ===
Seit 2005 sind alle schulischen Einrichtungen verpflichtet, Kinder mit Handicap aufzunehmen, auf der Grundlage des Gesetzes zur „Rechts- und Chancengleichheit“. So werden beeinträchtigte Schüler je nach Grad ihrer Behinderung unterschiedlich integriert. Bei einer leichten wird das Kind ganz in den Regelunterricht eingebunden, bei Bedarf erhält es Unterstützung durch eine Begleitperson. Bei schwereren Behinderungen wird es möglich, für diese Schüler gesonderte Klassen an einer normalen Schule einzurichten. Die Förderschule, welche in Frankreich als medizinisch-soziale Einrichtung gilt, bleibt die Ausnahme. Welche Einrichtungen infrage kommen, entscheidet eine außerschulische Kommission unter Einbeziehung der Eltern. Das integrative Modell überwiegt gegenüber dem inklusiven: Es gibt Sonderunterricht in den Schulen, Hin- und Herfahren zwischen der Schule und der Behinderteneinrichtung für das Kind, Begleitpersonen ohne Ausbildung. Ihre Aufgaben werden nur ungenau konzipiert.<ref>{{Literatur |Autor=Philippe Miet und Bruno Gaurier |Hrsg=KAS |Titel=Frankreich größtenteils vom medizinischen Modell geprägt |Hrsg=KAS |Sammelwerk=Auf dem Weg zur Inklusion |Datum=2012 |Online=https://www.kas.de/de/einzeltitel/-/content/auf-dem-weg-zur-inklusion}}</ref>
 
=== Schulreformpläne ===
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Die französische Bildungspolitik unter dem sozialistischen Präsidenten [[François Hollande]] und der Ministerin [[Najat Vallaud-Belkacem]] strebte eine egalitäre Reform des Collège an, die sich gegen spezielle Fremdsprachenregelungen richtete, die angeblich nur einer elitären Minderheit nützten. Diese Reform stieß wegen der befürchteten gravierenden Folgen z. B. für [[Deutsch als Fremdsprache]] oder Latein im französischen Schulsystem auf erheblichen Widerstand unter den französischen Deutschlehrern sowie in Deutschland. Unter Macron wurde dies 2017/18 zurückgenommen.
 
Die Regierung [[Emmanuel Macron|Macrons]] plant eine umfassende Bildungsreform.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.zeit.de/politik/ausland/2017-08/bildungsreform-frankreich-schule-gerechtigkeit/komplettansicht |titel=Wie konnten sie so verblöden? |hrsg=Die Zeit |abruf=2020-12-20}}</ref> So wurden bereits die Grundschulklassen verkleinert und die Schulpflicht mit 3 Jahren eingeführt.<ref>{{Literatur |Autor=Martin Villinger |Hrsg=Deutsch-Französisches Institut |Titel=Bildungsreform in Frankreich |Sammelwerk=Aktuelle Frankreich-Analysen |Nummer=33 |Datum=2018 |Online=https://www.dfi.de/pdf-Dateien/Veroeffentlichungen/afa/afa33.pdf |Format=PDF |KBytes=}}</ref> Bildungsminister [[Jean-Michel Blanquer]] hat 2019 sein Reformmodell ''Für eine Schule des Vertrauens'' vorgestellt.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.arte.tv/de/videos/090177-000-A/frankreichs-umstrittene-schulreform/ |titel=Frankreichs umstrittene Schulreform |sprache=de |abruf=2020-12-20 |sprache=de}}</ref> Danach sollen die Schulleiter zu Vorgesetzten der Lehrkräfte erhoben und die Inklusion eingeführt werden. Das politische Ziel liegt im Kampf gegen den wachsenden [[Fundamentalismus]].<ref>{{Literatur |Autor=Michaela Wiegel, Paris |Hrsg=FAZ.NET |Titel=Islamismus in Frankreich: Kleingruppen gegen Fundamentalismus |Datum=2019-10-15 |Online=https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/frankreich-implementiert-eine-neue-schulpolitik-gegen-islamismus-16431369.html |Abruf=2020-12-21}}</ref> Der [[Mord an Samuel Paty|Mord am Geschichtslehrer Samuel Paty]] setzte im Oktober 2020 ein bedrohliches Zeichen. Die nachfolgenden Minister [[Pap Ndiaye]] und seit 2023 der sehr junge [[Gabriel Attal]] bemühten sich um eine Fortsetzung (Verbot der [[Abaya]] an Schulen).<ref>{{Internetquelle |url=https://www.stern.de/news/frankreich-bekommt-34-jahre-alten-bildungsminister-33669726.html |titel=Frankreich bekommt 34 Jahre alten Bildungsminister |datum=2023-07-20 |sprache=de |abruf=2023-12-12}}</ref> Eine politische Wende Macrons zu den Konservativen hin bedeutete die Ankündigung im Januar 2024, mit der neuen Bildungsministerin [[Amélie Oudéa-Castéra|Amélie Outréa-Castéra]] würden nationale und republikanische Werte wieder obligatorisch als „zivile Wiederaufrüstung“ hervorgehoben: Auswendiglernen der [[Marseillaise|Nationalhymne]], mehr Staatsbürgerkunde, gleiche Schuluniformen für alle, Pflichtfach Theaterspielen.<ref>{{Literatur |Titel=Große Pressekonferenz des Präsidenten: Macron will mit konservativen Ideen bei Franzosen punkten |Sammelwerk=Der Spiegel |Datum=2024-01-17 |ISSN=2195-1349 |Online=https://www.spiegel.de/ausland/emmanuel-macron-buhlt-um-konservative-waehler-a-db1d40ba-4544-4e37-8562-b6bda102bd39 |Abruf=2024-01-20}}</ref>
 
Bei den [[PISA-Studien]], zuletzt 2015, 2018 und 2022, hat Frankreich zunehmend schlechter abgeschnitten. Die Probleme liegen in mittelmäßigen Ergebnissen und großen sozialen Unterschieden.<ref>{{Internetquelle |autor=Redaktion |url=https://www.news4teachers.de/2016/12/der-grosse-pisa-verlierer-die-studie-ist-fuer-frankreich-mal-wieder-eine-klatsche-und-der-sieger-heisst-erneut-singapur/ |titel=Der große PISA-Verlierer: Die Studie ist für Frankreich mal wieder eine Klatsche (und der Sieger heißt erneut: Singapur) |werk=News4teachers |datum=2016-12-07 |sprache=de-DE |abruf=2021-04-14 |sprache=de-DE}}</ref>
 
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