Pareidolie

Phänomen, in Dingen und Mustern vermeintliche Gesichter und Vertrautes zu erkennen
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Pareidolie (altgriechisch παρά para, deutsch ‚daneben‘, ‚vorbei‘ und εἴδωλον eídolon, deutsch ‚Form‘, ‚Erscheinung‘, ‚(Trug-)Bild‘, ‚Schattenbild‘, theologisch auch ‚Götzenbild‘) bezeichnet das Phänomen, in Dingen und Mustern vermeintliche Gesichter und vertraute Wesen oder Gegenstände zu erkennen. Sie ist eine Variante der Clustering-Illusion.

Das Marsgesicht
Steinkopf in Marcahuasi

Beispiele

Bekannte Beispiele für Pareidolien sind unter anderem vorbeiziehende Wolken, deren Formen an alltägliche Dinge erinnern, aber auch Landschaftsformationen, wie zum Beispiel das „Marsgesicht“ in der Cydonia-Region des Mars oder die Steinköpfe in Marcahuasi. Die Flecken des Erdmondes rufen ebenfalls Gestaltensehen hervor, wie das Mondgesicht oder den „Hasen im Mond“. Die NASA veröffentlichte 2014 Aufnahmen des Chandra Observatoriums, in denen die Betrachter der Aufnahmen des Objekts PSR B1509-58 eine Hand wahrnehmen können.

Ursache

Pareidolien sind das Resultat bewusst oder unbewusst hervorgerufener Fehldeutungen durch das menschliche Gehirn: Dieses neigt dazu, diffuse und scheinbar unvollständige Wahrnehmungs­bilder und -strukturen zu komplettieren und vertrauten Mustern und Formen anzugleichen. Dabei scheinen die Art und Gestalt der Trugbilder von der Erwartung des Gehirns abzuhängen.

Pareidolien unterscheiden sich von Apophänien und insbesondere von Halluzinationen dadurch, dass sie zum einen willentlich gesteuert werden können, und zum anderen auch dann nicht verschwinden, wenn man das vermeintliche Gesicht/Objekt angestrengt beobachtet. Des Weiteren kann insbesondere eine natürliche Pareidolie (Wolke, Landschaftsformation etc.) in der Regel von mehreren Personen gleichzeitig wahrgenommen werden.

Apophänie

Die Apophänie ist eine Unterform der Pareidolie und etwas eingegrenzter als diese. So beschränkt sie sich auf deren Aspekt, in eine Zufallsstruktur etwas „hineinzusehen“. Demgegenüber beinhaltet die Pareidolie auch die (aktiv) „gesuchten“ Wahrnehmungen.

Pareidolie in der Kunst

Bereits im 15. Jahrhundert sprach Leonardo da Vinci davon, wie verwitterte, fleckige oder nasse Mauern ihn inspirierten und regte an, der Betrachter solle Berge, Ruinen, Figuren und ganze Schlachten bei ihrem Anblick erfinden.[1] Denselben kreativen Impuls nutze auch der englische Landschaftsmaler Alexander Cozens mit seiner Blot-Methode. Seine Zeichenschüler sollten Tinte über ein zerknittertes Papier laufen lassen – und sich von der Struktur, die sich aus dieser Technik ergab, Landschaften herausarbeiten. Auch der deutsche Arzt Justinus Kerner nutzte im 19. Jahrhundert die Pareidolie für seine „Klecksographie“ – in zufällig entstandenen Tintenklecksen „fand“ er Gestalten, meist geisterhafte Wesen, die er manchmal mit wenigen Federstrichen deutlicher hervorhob.

Literatur

  • Christian Scharfetter: Allgemeine Psychopathologie. Eine Einführung. 6., überarb. Aufl., Thieme, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-13-158726-8 (22 Seiten, Taschenb.).
  • Oliver Grasmück: Eine Marienerscheinung in Zeiten der Diktatur – Der Konflikt um Peñablanca, Chile: Religion und Manipulation unter Pinochet. (= Religionsgeschichtliche Versuche Und Vorarbeiten. Bd. 56) De Gruyter, Berlin/New York 2009, ISBN 978-3-11-022054-4, S. 92 (709 Seiten, gebd. Ausg.).
  • Douglas Bernstein, Louis Penner, Alison Clarke-Stewart, Edward Roy: Psychology. 8. Aufl., Cengage Learning, Boston 2007, ISBN 978-0-618-87407-1, LCCN 2007933487, S. 177 (englisch; 760 Seiten, gebd. Ausg.).
  • Heinz A. Pachernegg: Pareidolie. Geheimnisvolles in Wald und Holz Bildband, 1. Aufl., September 2017, ISBN 978-3-903144-20-0, 140 Seiten
Commons: Pareidolie – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Pareidolie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. E.H. Gombrich: Kunst & Illusion - Zur Psychologie der bildlichen Darstellung. 2. Auflage. Phaidon Verlag, Berlin 1967, ISBN 978-0-7148-9317-4, S. 386.