Irma Rothbart

ungarische Ärztin und Übersetzerin
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Irma Rothbart (geboren 1896 in Budapest, gestorben 1967 in Zagreb) war eine Ärztin und Übersetzerin, die zwischen Ungarn, Österreich, der Sowetunion und Jugolawien gelebt hat.

Sie wuchs als Tochter des Unternehmers Jakob Rothbart und seiner Frau Janka (geb. Rosenwald) im vielsprachigen Temesvar (Königreich Ungarn) auf. Erst studierte sie Ungarisch und Deutsch, aufgrund von Erfahrungen mit Verletzten des Ersten Weltkriegs wechslte sie von der Philologie zur Medizin. 1918 kam sie in Budapest in Kontakt mit radikalen Intellektuellen rund um Béla Balász, György (Georg) Lukácz und Károly (Karl) Mannheim und wurde Mitglied der ungarischen kommunistischen Jugendorganisation. Sie war Gründungsmitglied der Zeitschrift Internacionále (1919), dem offiziellen theoretischen Organ der ungarischen kommunistischen Partei Ungarische Kommunistische Partei. Als im März 1919 die ungarische Räterepublik gegründet wurde, arbeitete sie unter Lukácz im Volkskommissariat für Unterrichtswesen und wurde Leiterin der Abteilung für Propaganda unter Jugarbeitern, hielt Referate auf den Kongressen des "Landesverbands der Jugarbeiter", in dem Kontext fuhr sie mit einer Delegation der Ungarischen Kommunistischen Partei zum Begräbnis von Rosa Luxemburg nach Berlin[1][2].

Nach dem Zusammenbruch der Räterepublik wurde sie verhaftet, konnte aber nach Wien flüchten. Dort arbeitete sie im Wiener Sekretariat der Kommunistischen Jugendinternationale, 1920 heiratete sie den aus Jugoslawien stammenden Schriftsteller Ervin Sinkó. [1]. Sie setzte ihr Studium der Medizin fort und wurde 1926 als Ärztin promoviert. Zusammen mit ihrem Mann zog sie nach Jugoslawien, in die Nähe des Orts Prigrevica nahe Apatin in der Vojvodina, wo Sinkó herkam. Das Paar blieb dortbis 1932, wo sie als prominente Kommunisten von der Polizei observiert wurden.

1932 zogen sie mit einem Zwischenaufenthalt in Zürich nach Wien, wo sie dank einer Erbschaft eine Zusamtzausbildung zur Röntgenologin absolvierte. Nebenbei übersetzte sie Prosatexte ihres Mannes ins Deutsche unter dem Pseudonym Klára Kertész. Aus Angst vor Verfolgung zogen sie nach dem Reichstagsbrand in Berlin von Wien nach Paris, wo Irma Sinkó keine Arbeitserlaubnis bekam und von "oft grotesken Gelegenheitsarbeiten" arbeitete. Nach vergeblichen Versuchen ihres Mannes, einen Verlag zu finden, kamen sie in Kontakt mit Romain Rolland, Nobelpreisträger von 1915 [2] und zogen schließlich auf seine Empfehlung hin nach Moskau. Während ihr Mann auf die Publikation seines umfangreichen Romans über die ungarische Räterepublik ("Die Optimisten") hoffte, arbeitete Irma Sinkó erst als Sekretärin, später auch als Ärztin. Die großen Erwartungen, die sie auf die Sowjetunion gesetzt hatten, wurden bald enttäuscht, erst, als das Recht auf Abtreibung annulliert wurde und bald machten sich die Verfolgungen der Stalin-Zeit bemerkbar.

1938 wurden sie aus der UdSSR ausgewiesen, was dem Paar das Leben rettete. Sie blieben für kurze Zeit in Paris und übersiedelten bald nach Jugoslawien, wo sie sich in Sarajewo niederließen. Mit der Gründung eines unabhängigen kroatischen Staates war Irma Rothbart-Sinkó als Jüdin gefährdet, sie floh in den westlichen Teil Bosniens und ließ sich in einer Kommune in Drvar nieder - für 61 Tage. In dieser Zeit führte sie ein Tagebuch, das 1987 veröffentlicht wurde. Sie arbeitete dort als Ärztin und in der illegalen kommunistischen Partei. Ihren Mann traf sie in der kroatischen Stadt Knin wieder, dort wurden beide im November 1942 von italienischen Faschisten festgenommen und in ein Konzentrationslager, erst auf der Insel Brač, dann auf Rab eingesperrt, wo sie im Widerstand aktiv waren. Nach der Niederlage Italiens organisierten sie die Flucht aus dem Lager und schlossen sich den Partisanen an. Irma Rothbar-Sinkó wurde Leiterin des Partisanen-Spitals der Jugoslawischen Befreiungsarmee, sie war 2. Leutnant und bekam den Orden de la Merit. Ihre ganze Familie wurde – mit Ausnahme ihrer Mutter Johanna – im Holocaust ermordet.

Nach dem Krieg lebte Irma Rothbart-Sinkó in Zagreb und arbeitete vorwiegend als literarische Übersetzerin. Publikaitonen gehören die Übersetzungen der Werke ihres Manns Ervin Sinkó und stand mit ihm die vielen schwierigen Hindernisse bis zur Veröffentlichung seiner Werke durch. Die weibliche Hauptperson im Roman ihres Mannes "Die Optimisten" ist weitgehend nach ihr gestaltet. 1967 starb Ervin Sinkó und Irma widmete sich systematisch seinem Nachlass, den sie der Jugoslawischen Akademie für Wissenschaft und Kunst in Zagreb übergab. Kurz nach Erledigung dieser Arbeit beging sie am 27. Mai 1967 Selbstmord.

  1. Andreas F. Kelletat: Verheddert im Netzwerk der Genossen. Ervin Sinkó und seine Übersetzerin Irma Rothbart im Pariser und Moskauer Exil der 1930er Jahre. In: Irene Weber Henking, Pino Dietiker, Marina Rougemont (Hrsg.): Translation und Exil 1933-1945 II. Netzwerke des Übersetzens. Frank & Timme Verlag für wissenschaftliche Literatur, Berlin 2023, ISBN 978-3-7329-0964-3.
  2. Irma Rothbart-Sinkó (1896-1967). In: Historical Materialism. Abgerufen am 3. Juli 2024 (amerikanisches Englisch).