Zensur in der Sowjetunion

Unterdrückung der Rede im marxistisch-leninistischen eurasischen Land
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Als Zensur in der Sowjetunion wird die Kontrolle der sowjetischen Behörden sowie der Kommunistischen Partei über den Inhalt und die Verbreitung von Druckwerken, Musikstücken, dramaturgischen Werken, Werken darstellender Kunst, Fotografien, Radio- und Fernsehübertragungen bezeichnet, die mit dem Ziel der Einschränkung oder dem Verbot von Gedanken und Nachrichten erfolgte, die für die Macht der sowjetischen Organe gefährlich und deshalb unerwünscht waren.

Die Zensur kontrollierte alle offiziellen Kanäle zur Verbreitung von Informationen: Bücher, Zeitschriften, Radio, Fernsehen, Kino, Theater usw.[1] Die Zensur wurde durch die Abgabe der Werke an spezielle staatliche Institutionen ausgeübt, deren oberste Behörde die Hauptverwaltung der Angelegenheiten der Literatur und des Verlagswesens (Glawlit) war.[2] Gleichfalls häufig kamen die Verbreitung von Falschinformationen und die Selbstzensur vor.

Die Zensur in der UdSSR hatte primär einen ideologischen Charakter. Historiker zeigten, dass die sowjetische Zensur Szenen von Gewalt nicht filterte, sofern diese mit den ideologischen Vorgaben konform waren. Dies betraf beispielsweise die Zurschaustellung der Vernichtung der Feinde der Sowjetmacht.[3][4]

Schwerpunkte der sowjetischen Zensurtätigkeit waren:

  • sogenannte „antisowjetische Propaganda“, inklusive aller Werke, die nicht mit der Richtung der ideologischen Vorgaben übereinstimmten, auch wenn das politische System in der UdSSR nicht direkt angegriffen wurde
  • militärische und wirtschaftliche Geheimnisse einschließlich der Informationen über die Orte von Gefängnissen und Zwangsarbeitslagern
  • negative Informationen über den Stand der Dinge in der Sowjetunion (beispielsweise Katastrophen, wirtschaftliche Probleme, Konflikte zwischen Nationalitäten, negative soziale Erscheinungen und dergleichen)

Kurz gesagt sollten alle Informationen, die unangenehme Allusionen auf die Realität darstellten, gefiltert werden.

Die Mehrheit der Historiker hebt den totalitären Charakter der sowjetischen Zensur hervor und unterstellt den zensierenden Organen eine Kontrolle im Interesse der in der Sowjetunion alleinherrschenden kommunistischen Partei.[5][6] [7] Russische Bürgerrechtler behaupten, dass die Praktik der Zensur die internationalen Beziehungen der UdSSR nachhaltig störte.[8] [9]

Es existieren verschiedene Ansichten hinsichtlich der Zensur wissenschaftlich-technischer Informationen. Der ehemalige hochrangige Glawlit-Mitarbeiter Wladimir Solodin behauptet, dass die Zensur niemals technische und wissenschaftliche Literatur kontrollierte, doch eine Reihe von Wissenschaftlern führt aus, dass Verbote und Zensur im Bereich der Wissenschaften wie Kernphysik, Psychologie, Soziologie, Kybernetik, Biologie und Genetik üblich waren.[10][11][12] Abgesehen davon waren die Werke einzelner Autoren unabhängig von ihrer Form und ihrem Inhalt verboten.[13]

Nach Auffassung des Spezialisten für Informationssicherheit N. W. Stoljarow gab es in der UdSSR unnötig viele Staatsgeheimnisse und die verbotene Verbreitung von Institutsgeheimnissen in der Öffentlichkeit kam deshalb ebenso häufig vor. Die daraus resultierende ausufernde Geheimhaltung führte dann dazu, dass die wissenschaftlichen Institute nicht mehr in der Lage waren, seriöse, kritische Analysen zu liefern.[14]

Geschichte

historische Vorläufer

 
Ein Beispiel für die Zensur im russischen Zarenreich ist diese Ausgabe des Buches „Erinnerungen aus meinem Leben“ von N. I. Gretscha (1886). Die Zensoren ersetzten unliebsame Textpassagen durch Punkte.

Ein Verbot von Lektüre kam gleichzeitig mit den ersten Büchern zur Zeit der Christianisierung der Kiewer Rus auf. Die erste erhalten gebliebene „Liste schädlicher Bücher“ datiert in das Jahr 1073 zurück.[15]

Die eigentliche Zensur entstand in Russland in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit dem Erscheinen des Buchdrucks. Zuerst auf religiöse Themen beschränkt, dehnte sich die Zensurtätigkeit später auch auf weltliche Themen aus.

Im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts bestand im russischen Zarenreich faktisch ein Staatsmonopol für den Druck von Büchern.[16][17] „Epoche des Zensurterrors“ oder „Finstere Sieben Jahre“ heißen die letzten Jahre der Regierungszeit von Zar Nikolaus I. (1848 - 1855). Der Autor Arlen Bljum schrieb, dass viele Gemeinsamkeiten zwischen den Methoden der Zensur in dieser Periode und denen der kommunistischen Zensur bestanden.[7]

Ein besonders scharfer Kritiker der russischen Zensoren im 19. Jahrhundert war der Schriftsteller Michail Jewgrafowitsch Saltykow-Schtschedrin. Ungeachtet dieser Hindernisse, erschienen in den Jahren von 1901 bis 1916 in Russland 14000 Zeitschriften, davon allein 6000 in Sankt Petersburg und Moskau. Wie Professor Pawel Reifman schrieb, war die Zensur im vorrevolutionären Russland streng, in der Sowjetunion erreichte sie jedoch einen bis dahin unbekannten Einfluss und wurde allumfassend und allmächtig.[18]

Die Einführung der Zensur in Sowjetrussland und ihre Begründung

Eine harte Zensur wurde von den Bolschewiki bald nach ihrer Machtergreifung am 25. Oktoberjul. / 7. November 1917greg. in Russland eingeführt. Druckereien wurden unter die Kontrolle der neuen Machthaber gestellt und der Druck von sogenannten "bürgerlichen Zeitungen“ unterbunden. Lenin erläuterte dazu: „Wir haben bereits früher erklärt, das die bourgeoisen Zeitungen geschlossen werden, sobald wir die Macht in den Händen halten. Die Existenz solcher Zeitungen zu dulden, hieße damit aufzuhören Sozialisten zu sein.“[19]

Bereits am 27. Oktoberjul. / 9. November 1917greg. beschloss der Rat der Volkskommissare (Sownarkom) das "Dekret über die Presse“, das die Schließung der Zeitungen vorsah, die zum Ungehorsam gegenüber der neuen Regierung aufforderten, "Unruhe durch die Veröffentlichung von Falschinformationen stifteten“ und die zu "Handlungen verbrecherischen Charakters aufriefen“.[20]

Zu Lenin in Opposition stehende Bolschewiken verglichen das Dekret bei seiner Bekanntmachung mit der zaristischen Zensurvorschrift von 1890 und wiesen auf die inhaltliche Ähnlichkeit beider Regelungen hin.[21] Auf der Grundlage des "Dekretes über die Presse“ wurden von Oktober 1917 bis zum Juni 1918 470 oppositionelle Zeitungen verboten und eingestellt.[22]

Am 4. Novemberjul. / 17. November 1917greg. nahm das Allrussische Zentrale Exekutivkomitee mit seiner Mehrheit die Resolution der bolschewistischen Fraktion zur Unterstützung der Pressepolitik des Sownarkom an. Am 6. Novemberjul. / 19. November 1917greg. rief die Gewerkschaft der Drucktechniker, die von oppositionellen Menschewiki geleitet wurde, zu einem allgemeinen Proteststreik gegen die Schließung von Zeitungen auf. Dieser fand jedoch nicht stand, da die Mehrheit der russischen Drucktechniker den Aufruf nicht unterstützte.[21]

Am 8. November 1917 beschloss der Sownarkom ein Dekret "Über das Monopol zum Druck von Bekanntmachungen“, das den Druck neuer Bekanntmachungen der kommunistischen Regierung ausschließlich durch staatseigene Zeitungen vorsah. [23] Durch dieses Dekret verloren die privat betriebenen Zeitungen viele Leser und gerieten in finanzielle Probleme.

Am 28. Januar 1918 verabschiedete der Sownarkom das Dekret "Über die revolutionären Pressetribale" nach dem für "konterrevolutionäre Tätigkeiten“ Strafen vom Verbot der Zeitung bis hin zum Verlust der politischen Rechte und Freiheitsentzug verhängt wurden.[1] Die Tribunale hatten die Möglichkeit das Erscheinen von Zeitungsausgaben zu verhindern, wenn diese "Falschinformationen verbreiteten“. [24] Die Pressetribunale existierten bis zum Mai 1918.[21]

Am 4. März 1918 nahm der Sownarkom den Beschluss "Über die Kontrolle der Kinounternehmen“ an, der die bis dahin privaten Kinos den lokalen Sowjets unterstellte. Ab August 1919 wurden alle Foto- und Filmstudios verstaatlicht.[25]

In den Jahren 1918 bis 1919 konfiszierte man alle privaten Druckmaschinen und verstaatlichte die Papierindustrie, sodass ohne die Erlaubnis der Regierung und der Kommunistischen Partei keine Zeitung mehr erscheinen konnte. Die juristische Grundlage dieses Zustands wurde in der Verfassung der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR) von 1918 gelegt, in der gemäß dem Konzept des Klassenkampfes die Meinungsfreiheit nur den sozialen Klassen der Arbeiter und Bauern garantiert wurde, jedoch nicht den übrigen Klassen der russischen Gesellschaft.

Die in der RSFSR und später der Sowjetunion regierende Kommunistische Partei verkündete „die sozialpolitische und ideelle Einheit der Gesellschaft“[26]. Ideologischer Pluralismus wurde prinzipiell abgelehnt:

“ленинская партия… непримиримо выступает против любых взглядов и действий, противоречащих коммунистической идеологии.”

„[Die] Leninsche Partei […] tritt unversöhnlich gegenüber beliebigen Ansichten und Taten auf, die der kommunistischen Ideologie widersprechen.“

А. М. Румянцев (Red.): Научный коммунизм. Словарь, Lemma Социально-политическое и идейное единство общества

In der 3. Auflage der Großen Sowjetischen Enzyklopädie (1969-1978) war unter dem Lemma "Zensur" zu lesen:

“Конституция СССР в соответствии с интересами народа и в целях укрепления и развития социалистического строя гарантирует гражданам свободу печати. Государственный контроль установлен с тем, чтобы не допустить опубликования в открытой печати и распространения средствами массовой информации сведений, составляющих государственную тайну, и др. сведений, которые могут нанести ущерб интересам трудящихся.”

„Die Verfassung der UdSSR garantiert den Bürgern entsprechend den Interessen des Volkes und zur Festigung und Entwicklung der sozialistischen Ordnung die Freiheit der Presse. Die staatliche Kontrolle wird eingerichtet, damit nicht durch die Veröffentlichung von Informationen, die Staatsgeheimnisse darstellen, und deren Verbreitung in den Massenmedien den Interessen der Werktätigen Schaden zugefügt wird.“

Nach Ansicht des Historikers Alexander Nekritsch bestand das Ziel der sowjetischen Zensur darin, „ein neues kollektives Gedächtnis des Volkes zu entwickeln; die Erinnerung an die wirklichen Ereignisse zu reinigen und all das aus dieser reinen Vergangenheit auszuschließen, was nicht mit ihr übereinstimmte oder direkt den historischen Ansprüchen der Kommunistischen Partei entgegentrat.“ [27]

Militärische Zensur und Politkontrolle der OGPU

Im Zusammenhang mit dem Beginn des Russischen Bürgerkriegs trat in den von der Roten Armee kontrollierten Gebieten die militärische Zensur in Erscheinung, die für die Kontrolle aller in Bezug zu militärischen Angelegenheiten stehenden Themen verantwortlich war. Anfangs Sache des Revolutionären Militärrats und des Volkskommissars für Post- und Telegrafiewesen, wurde der Tätigkeitsbereich der Militärzensur 1921 an die Geheimpolizei Tscheka (später OGPU) übergeben.[28]

Am 21. Juni 1918 bestätigte der Vorsitzende des Revolutionären Militärrates der Republik Leo Trotzki, das „eine Militärzensur von Zeitungen, Zeitschriften und aller Werke hauptberuflicher Pressemitarbeiter“ existierte und das „ein Verzeichnis von Informationen, die einer vorläufigen Sichtung [durch die Militärzensur] unterliegen“ definiert wurde. Eine „Instruktion der Militärzensoren“ wurde ausgearbeitet und es erfolgte die Gründung der Zensurabteilung des Revolutionären Militärrates. Am 23. Dezember 1918 wurde eine neuer „Leitfaden der Militärzensur“ herausgegeben. Im Rahmen dieser Anweisung entstanden die Zensurabteilungen in den Verbänden der Roten Armee. Der „Leitfaden der Militärzensur“ wurde jährlich präzisiert und verbessert.[21]

Am 10. August 1920 verabschiedete der Revolutionäre Militärrat ein Dokument, demzufolge alle Redaktionen von Zeitungen, Zeitschriften, Fotografen usw. verpflichtet wurden „zwei Korrekturfahnenexemplare an die Militärzensur abzugeben und das in der Zeitspanne von der Abgabe bei der Militärzensur alle vermutlich mit der Veröffentlichung verbundenen Pressematerialien (mit Ausnahme von Formularen, Handelsbüchern u. ä.) bis zu ihrer Publikation mit Genehmigung durch die Militärzensur einem vorläufigen Veröffentlichungsverbot unterliegen. [...] Es ist vorgeschrieben, das alle neuen Filme vor ihrer Auslieferung an die Kinos durch einen Vertreter der Militärzensur zur Probe angesehen werden müssen.“[22] Gemäß der Zuständigkeiten der Militärzensur wurde die Kontrolle der Post, Zeitungen und Telegrafie an die Geheimpolizei Tscheka übertragen. Die vollständige Übergabe aller Funktionen der Militärzensur an die Tscheka war im August 1921 abgeschlossen.[21][29]

Am 21. Dezember 1921 wurde im Rahmen der OGPU eine Abteilung für Politkontrolle eingerichtet, deren Aufgabenbereich in der Zensur der Post und der telegrafischen Korrespondenz lag. Die Vollmachten dieser Abteilung waren umfangreicher als die der kurz zuvor abgeschafften militärischen Zensur: Außer der Überprüfung und der Beschlagnahme von Briefen und Telegrammen führten die Mitarbeiter dieser Abteilung Kontrollen von Druckereien und Buchhandlungen durch, sichteten nach Sowjetrussland importierte und zu exportierende Drucksachen, Tonträger und Filme. Ab dem 8. März 1922 wurde die Überwachung der Tätigkeit von Kinos und Theatern eingeführt.[30] Die Politkontroll-Abteilung leitete zuerst B. E. Etingof, der später von I. S. Surta abgelöst wurde.[31]

Weiterhin machten die Mitarbeiter der Politkontrolle bei der Betrachung ihrer Arbeit den Vorschlag, die überflüssigen Zuständigkeiten von Glawlit und des “Hauptkomitees zur Kontrolle des Schauspiels und des Repertoires“ (Glawrepertkom) für literarische Werke abzuschaffen. Beispielsweise wurde auf Hinweis dieser Abteilung der OGPU ein Sammelband von Erzählungen Boris Andrejewitsch Pilnjaks mit dem Titel “Смертельное манит“ (deutsch: “Todbringendes lockt“) konfisziert, der bereits durch die Zensur gegangen war.[32]

Im August 1922 überprüften die Mitarbeiter der Politkontrolle 135.000 von 300.000 Paketen und alle 285.000 Briefe , die von der RSFSR in das Ausland geschickt wurden.[33]

Die Zensur nach dem Bürgerkrieg

Nach dem Ende des Bürgerkriegs und der Verkündung der Neuen Ökonomischen Politik entstanden in der RSFSR viele neue Verlage, Zeitungen und Zeitschriften, die eine neue unabhängige Presse bildeten. Die parteitreue Sowjetpresse erlebte in dieser Zeit ihre „schwerste Krise“.[22] Zeitgleich fand eine öffentliche Diskussion zwischen den Demokratisierung und Pressefreiheit für das gesamte politische Spektrum verlangenden Anhängern Gawril Iljitsch Mjasnikows und den Anhängern Lenins statt.

Lenins Antwort auf die Forderungen Mjasnikows lautete wie folgt:

“Свобода печати в РСФСР, окружённой врагами всего мира, есть свобода политической организации буржуазии и её вернейших слуг — меньшевиков и эсеров. Это факт неопровержимый. Буржуазия (во всём мире) ещё сильнее нас и во много раз. Дать ей ещё такое оружие, как свобода политической организации (свободу печати, ибо печать есть центр и основа политической организации), значит облегчать дело врагу, помогать классовому врагу. Мы самоубийством кончать :не желаем и потому этого не сделаем.”

„Die Pressefreiheit in der von Feinden aus aller Welt umschlossenen RSFSR ist eine Freiheit von der politischen Organisation der Bourgoisie und ihrer treuesten Diener - der Menschewiki und der Sozialrevolutionäre. Das ist ein unwiderlegbarer Fakt. Das Bürgertum (in der ganzen Welt) ist um ein Vielfaches stärker als wir. Dem Bürgertum auch noch solche Waffen wie eine Liberalisierung des politischen Systems (Die Pressefreiheit ist ein Zentrum und eine Grundlage der politischen Organisation.) in die Hand zu geben heißt, die Tätigkeit des Feindes zu erleichtern, dem Klassenfeind zu helfen. Wir würden Selbstmord begehen. Das wollen wir nicht und deswegen werden wir das nicht machen.“

Ленин: Wiedergegeben in Жирков: История цензуры в России XIX—XX вв. Учебное пособие

Außer dem in Russland berühmten Satz über das, „[...] was [im Sinne des Begriffes Medien] am bedeutendsten ist aus allen Künsten ... das Kino“, äußerte sich Lenin in demselben Gespräch mit dem Volkskommissar für das Bildungswesen (Narkompros) Anatoli Wassiljewitsch Lunatscharski über die Zensur der Filme:

“Конечно, цензура всё-таки нужна. Ленты контрреволюционные и безнравственные не должны иметь место.”

„Natürlich ist die Zensur trotzdem notwendig. Streifen, die konterrevolutionär und unmoralisch sind, dürfen keinen Platz haben.“

Ленин: Wiedergegeben in Жирков: История цензуры в России XIX—XX вв. Учебное пособие

Lenin forderte strengere Zensurbestimmungen sowie die Ausbürgerung einer großen Gruppe von Literaten, Philosophen und anderen Wissenschaftlern und Künstlern, die von den Bolschewisten als Feinde der Sowjetmacht angesehen wurden. (→Philosophenschiff) Mjasnikow wurde im Mai 1923 verhaftet und verschwand mitsamt seiner Anhängerschaft von der politischen Bühne in der Sowjetunion.

Die Zentralisierung der Zensur

Im Laufe der 1920er Jahre wurden die vereinzelten Organe der sowjetischen Zensur zentralisiert. Aus ihnen ging im Ergebnis mehrerer Umorganisationen Glawlit, die Hauptverwaltung der Angelegenheiten der Literatur und des Verlagswesens hervor. Das in diesen Jahren entwickelte Zensursystem erwies sich als derart effektiv, das es nahezu unverändert bis zum Zerfall der Sowjetunion Bestand hatte.

In dieser Periode wurden die Zensurbestimmungen weiter verstärkt. Um antisowjetische Werke bereits während ihrer Entstehung zu entdecken, wurden getarnte Mitarbeiter der Glawlit in das Umfeld sowjetischer Schriftsteller eingeschleust. Eines der ersten Opfer der neuen Zensurbehörde wurde der Schriftsteller Michail Bulgakow.[34] Die Veröffentlichung von Informationen über die sowjetischen Konzentrationslager, Zugunglücke, Berichte über Sitzungen der Jugendkommission, “Informationen über Streiks, antisowjetische Massenaktionen, Manifestationen, Unruhen und Aufruhre” und Ähnliches wurde untersagt. Die Repertoires von Theatern, Vorlesungen in Dorfklubs und sogar einfache Wandzeitungen standen unter der Kontrolle der Glawlit.[25]

1925 wurden Berichte über Selbstmorde und Fälle von Geisteskrankheit im Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit und Hunger untersagt, man durfte nicht „über den Verschmutzungsgrad des Brotes mit Rüsselkäfern, Milben und anderen Schädlingen schreiben, um Panik zu vermeiden [...] und eine böswillige Berichterstattung über diese Tatsachen zu verhindern.“[35]

1929 schrieb die Glawlit vor, die Durchführung von Tanzveranstaltungen genehmigungspflichtig zu machen: „Ab dem gegenwärtigen Zeitpunkt ist die Durchführung einer Tanzveranstaltung von der Gublit [Abt. der Glawlit] und der zuständigen Verwaltung für politische Erziehung zu genehmigen.“[35]

Gosisdat

Nach Ansicht russischer Historiker spielte die Periode von 1919 bis 1921 eine bedeutende Rolle bei der Entstehung der sowjetischen Zensur, weil in diesem Zeitraum der erste Versuch einer Zentralisierung unternommen wurde. Die Verlagsabteilungen des Allrussischen Zentralen Exekutivkomitees (WZIK), der Moskauer und Petrograder Sowjets und weiterer Räte wurden zum Staatlichen Verlag der RSFSR (Gosisdat) vereinigt. Am 21. Mai 1919 wurde der Zusammenschluss per Verordnung des WZIK festgelegt. Zum Direktor des Gosisdat wurde Wazlaw Borowski ernannt. Der Gosisdat wurde eine staatliche Behörde und hatte die Zensurgewalt über alle Verlagszweige bis zum Auftreten der Glawlit inne.[36][37] Die Zensurabteilung im Gosisdat nannte sich Politdienst. Sie wurde von Nikolai Metschejakow geleitet, der in der Folgezeit zum ersten Direktor des Glawlit wurde.[38]

Die Schaffung der Glawlit

Datei:1920 nikolai metschejakow.jpg
Nikolai Metschejakow war der erste Leiter der sowjetischen Zensurbehörde Glawlit

Am 6. Juni 1922 wurde per Dekret des Sownarkom der RSFSR die Glawlit als untergeordnete Behörde des Volkskommissars für das Bildungswesen mit dem Ziel geschaffen, „alle Zensurorgane der Druckindustrie zu vereinigen“.[22] Formal war die Glawlit bis 1946 dem Narkompros und später dem Ministerrat der UdSSR unterstellt, faktisch wurde aber die Zensur durch die Kommunistische Partei ausgeübt.[22] Die Kandidatur der Direktoren der Glawlit wurde durch das Zentralkommitee der KPdSU auf den Vorschlag des Vorsitzenden der parteiinternen Presse- und Verlagsabteilung hin bestätigt.[25] Nach der Gründung der UdSSR war die Glawlit in folgenden Ebenen organisiert: Neben der für die gesamte Sowjetunion als Oberbehörde zuständigen Unions-Glawlit existierte ein Netz von örtlichen Unterbehörden. Die einzige Sowjetrepublik, die keine lokale Glawlit-Behörde besaß, war die RSFSR. Für sie war die Unions-Glawlit zuständig.

Am 9. Februar 1923 wurde in der Organisationsstruktur der Glawlit das bereits erwähnte Hauptkomitee zur Kontrolle des Schauspiels und des Repertuars (Glawrepertkom) geschaffen.[7]

Unter der Geheimhaltungsstufe “Streng Geheim” wurde 1925 eine erste Version eines Verzeichnisses ”von geheimen Informationen deren Verbreitung mit Ziel des Schutzes der politisch-ökonomischen Interessen der UdSSR verhindert werden muss” erstellt. Der Text dieser ersten Liste hatte 16 Seiten und enthielt 96 Stichpunkte.[22] Außer diesem Verzeichnis wurden Rundschreiben mit Hinweisen auf zu zensierende Informationen erstellt. Ihre Zahl wuchs schnell. In der Version des Dokuments, die in den letzten Jahren der Sowjetunion verwendet wurde, existierten 213 Abschnitte. In jedem dieser Abschnitte waren durchschnittlich 5 bis 6, manchmal bis zu 12 Stichpunkte enthalten.[39]

Weiter entstand das Verb “salitowat” als Tätigkeitsbegriff für die Erlangung der Publikationserlaubnis bei den Zensoren der Glawlit. Der Historiker Arlen Bljum schrieb:

“Без разрешительной визы органов Главлита не могло появиться ни одно печатное произведение, имеющее хотя бы оттенок вербального смысла, — вплоть до почтовой марки, визитной карточки, спичечной наклейки и пригласительного билета.”

„Ohne den Konzessionsschein der Organe der Glawlit konnte kein Druckwerk erscheinen, das zumindest die Nuance eines verbalen Sinnes hatte - bis hin zu Briefmarken, Visitenkarten, Streichholzschachteln und Einladungen.“

Аrlen Bljum: Sowjetische Zensur in der Epoche des totalen Terrors

Ausgenommen von der Kontrolle der Glawlit (d.h. von jeglicher Zensur mit Ausnahme von Militärpersonen) waren Veröffentlichungen der kommunistischen Partei, der Kommunistischen Internationale (Komintern), Veröffentlichungen des Gosisdat, die Zeitung Iswestija und die wissenschaftlichen Arbeiten von Angehörigen der Akademie der Wissenschaften.[22] Weiter wurden von der vorläufigen Zensur die Publikationen des Instituts für wissenschaftliche Informationen über Gesellschaftswissenschaften (INION)[40] der Akademie der Wissenschaften der UdSSR und hinsichtlich gewisser Informationen eine Reihe von Zeitschriften ausgenommen.[39]

Am 7. März 1927 stellte der Chef der Glawlit Pawel Iwanowitsch Lebedew-Poljanski[41] im Organisationsbüro des Zentralkomitees der kommunistischen Partei den schriftlichen Bericht über die Arbeit seiner Behörde vor. In ihm wurde besonders deutlich das Selbstverständnis der Glawlit hervorgehoben[32]:

“[…] В области художественной литературы, по вопросам искусства, театра и музыки ликвидировать литературу, направленную против советского строительства[…] Литературу по вопросам философии, социологии, ярко идеалистического направления не разрешать, пропуская лишь в ограниченном тираже классическую литературу и научного характера[…] Можно и должно проявлять строгость по отношению к изданиям со вполне оформившимися буржуазными художественными тенденциями литераторов. Необходимо проявлять беспощадность по отношению к таким художественно-литературным группировкам[…]”

„[…] Auf dem Gebiet der Belletristik, der Bücher über Kunst, das Theater und die Musik, diejenige Literatur, die gegen den sowjetischen Aufbau gerichtet ist, abzuschaffen […] Literatur über Philosophie, Soziologie in der die idealistische Richtung vertreten wird mit Ausnahme von beschränkten Auflagen der Klassiker und wissenschaftlicher Werke nicht zu erlauben […] Man kann und muss Strenge in Bezug auf die Veröffentlichungen von bürgerlichen Literaten walten lassen, die durchaus die Formalitäten der Zensur einhalten. Man muss Erbarmungslosigkeit gegenüber solchen künstlerisch-literarischen Gruppierungen zeigen […]“

Am 13. April 1928 wurde per Verordnung des Sownarkom die Hauptverwaltung für Angelegenheiten der künstlerischen Literatur und der Künste (Glawiskusstwo) geschaffen. Ihre Aufgabengebiete überschnitten sich derart häufig mit denen des Glawrepertkom, das am 26. Februar 1929 das Sownarkom der RSFSR eine Anordnung “Über die Abgrenzung der Funktionen von Glawrepertkom und Glawiskusstwo” erließ, in der dem Glawrepertkom die Aufgabe „der politischen Kontrolle des Repertoires der Schauspielbetriebe“ ohne Einmischung „in die eine oder andere Interpretation oder den Stil der Aufführungen“ zugewiesen wurde.[7]

Entstehung des Rundfunks

Praktisch zeitgleich mit dem Aufkommen regelmäßiger Rundfunksendungen in der UdSSR wurde 1924 auch ein System zur Zensur dieser Sendungen eingeführt. Es wurde 1927 endgültig über eine Anordnung von der Aktiengesellschaft[A 1] “Radioperedatschi” (dt. Rundfunksendung) festgelegt, entsprechend der alle Sendungen einen im Voraus überprüften und von der Zensur genehmigten Text haben sollten.[42]

1928 wurde die Arbeit von “Radioperedatschi” als ineffizient eingeschätzt und die Gesellschaft daraufhin liquidiert. Per Beschluss des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei wurde das Unionskomitee für den Rundfunk unter der Leitung des Narkompotschtel am 10. September 1931 gegründet. Im Januar 1933 wurde es in Unionskomitee zur Erstellung und Sendung von Rundfunkübertragungen (Gosteleradio) per Dekret des Sownarkom umbenannt und stellte das staatliche Pendant zum Verlag Gosisdat für das Medium Rundfunk dar.

Die Einrichtung der Spezchran

Zu Beginn der 1920er Jahre wurde eine Kampagne zur Beseitigung “ideefremder” Literatur aus den Beständen der russischen Bibliotheken ins Leben gerufen. Federführend bei der Durchführung dieser Kampagne war unter anderem Lenins Frau Nadeschda Konstantinowna Krupskaja.[7]

Zunächst wurden die Bücher einfach zerstört (→Biblioklasmus), aber ab 1926 wurden in den großen Bibliotheken sogenannte Abteilungen zur speziellen Aufbewahrung (Spezchran) geschaffen, in die per Verfügung der Zensurorgane diejenigen Bücher und Periodika unterbracht wurden, zu denen man nur bei Erhalt einer speziellen Ausnahmegenehmigung der Zensur Zugang erlangen konnte. In der im November 1926 erlassenen “Bestimmung über die Spezchran in den Bibliotheken” wurde festgelegt, welche Literatur in diese geheimen Bestände aufzunehmen war:

  1. Literatur, die in der UdSSR erschienen war und aus dem allgemeinen Gebrauch entfernt wurde
  2. Im Exil entstandene russische Literatur, die eine wissenschaftliche oder politische Bedeutung hatte
  3. Werke, die von anderen Behörden den öffentlichen Bibliotheken zur speziellen Aufbewahrung übergeben wurden

Die ersten Spezchran entstanden in den größten Bibliotheken auf der Grundlage der unbedeutenden Bestände der noch bis zur russischen Revolution existierenden “geheimen Abteilungen” aus der Zarenzeit. Der Umfang der sowjetischen Spezchran war im Gegensatz dazu einfach gigantisch. In einigen befanden sich bis 1987 bis zu einer halben Million Bücher und Periodika. [7]

Die Zusammensetzung der Literatur, die den Spezchran zugeführt wurde, veränderte sich ständig und wurde detailliert dokumentiert. Der Einlieferung in die Spezchran unterlagen die Werke von verfolgten Schriftstellern. Einer besonders voreingenommenen Bewertung wurden die im Ausland gedruckten Werke unterzogen. Zur Menge der der allgemeinen Nutzung vorenthaltenen Drucksachen gehörten mehr als 400 führende westliche politische Zeitungen und alle Werke der russischen Emigranten unabhängig von ihrem Inhalt.[10]

Beliebige ausländische Literatur konnte in zwei große Kategorien eingeteilt werden: Literatur für die allgemeine Benutzung, die in Geschäften, Bibliotheken und ähnlichen Einrichtungen verfügbar war und Literatur, die nur innerhalb der Spezchran benutzt werden konnte. Für die Literatur in den Spezchran existierten vier unterschiedliche Zugriffsniveaus, die mit Geheim 1, Geheim 2, Geheim 3 und Geheim 4 bezeichnet wurden. Diese Zugriffsniveaus wurden für den gesamten Inhalt einer Spezchran-Abteilung festgelegt. So hatte bespielsweise die Spezchran der in Leningrad befindlichen Bibliothek der Akademie der Wissenschaften der UdSSR das Zugriffsniveau Geheim 4. Das Zugriffsniveau Geheim 1, das de facto den Vollzugriff auf alle Inhalte sämtlicher Spezchran bedeutete, hatten nur Mitglieder des ZK der Kommunistischen Partei, Angehörige der Staatssicherheitsorgane, Mitarbeiter der Lenin-Bibliothek und Angehörige des INION. Mit jeweils niedrigeren Zugriffsniveaus reduzierte sich der Umfang der in der Spezchran erhältlichen Literatur. Unter der Kategorie Geheim 4 war nur noch rund ein Viertel aller zum eingeschränkten Gebrauch vorgesehenen Literatur verfügbar.[10] Um 1965 befanden sich in der Spezchran der Akademie der Wissenschaften der UdSSR 24433 Exemplare.[43]

Der Vermerk über das Zugriffsniveau auf die Spezchran wurde vom Zensor der Spezchran in die Benutzerkartei eingetragen. Ab dem 10. Juni 1938 wurden dafür Stempel in Form eines Sechsecks benutzt, die als “Scheiben” bezeichnet wurden.[44] Eine “Scheibe” bedeutete dabei Zugriffsniveau Geheim 4, weitere “Scheiben” jeweils höhere Zugriffsniveaus.[45][46]

 
Das Gebäude der ehemaligen Lenin-Bibliothek (heute Russische Staatsbibliothek) beinhaltete eine Spezchran mit den besonders geheimgehaltenen Büchern der speziellen Literaturforschung in der Sowjetunion

Die spezielle Literaturforschung, deren Bestand sich in der Spezchran der Lenin-Bibliothek befand, unterteilte diesen in folgene Gruppen:[47]

Darüber hinaus wurde in dieser Spezchran auch wissenschaftliche Literatur über Themen der Biologie, Kernphysik, Soziologie, Kybernetik und Genetik aufbewahrt. Außerdem wurden die Bestände stetig durch Literatur ergänzt, die der Bibliothek von verschiedenen Behörden unter dem Geheimhaltungsgrad “Nur für den Dienstgebrauch” zur Aufbewahrung überlassen wurden. Hauptsächlich handelte es sich um technische Literatur oder um wirtschaftliche Statistiken.

Der Schutz staatlicher Geheimnisse

Bis 1921 wurden in Sowjetrussland keine Versuche unternommen, die Vorschriften zur Bearbeitung und Aufbewahrung geheimer Dokumente zu vereinheitlichen. Am 13. Oktober 1921 wurde per Dekret des Sownarkom das “Verzeichnis geheimer nicht zur Verbereitung in der Öffentlichkeit vorgesehener Informationen” bestätigt. Die geheimzuhaltenden Dokumente wurden in Informationen militärischer Natur und ökonomischer Natur untergliedert. Am 20. August 1922 bestätigte das Sekretariat der Kommunistischen Partei die “Verordnung über die Aufbewahrung und den Transport von Verschlusssachen”. In diesem Dokument wurde erstmals die Schaffung geheimer Abteilungen in allen staatlichen Behörden für die Organisation und Führung geheimer Akten vorgesehen.[48]

Am 24. April 1926 wurde vom Sownarkom die Schaffung eines “Verzeichnis von Dokumenten, deren Inhalt speziell zu schützende staatliche Geheimnisse sind” bestätigt. Die Dokumente wurden in drei Gruppen aufgeteilt: militärische Informationen, wirtschaftliche Informationen und Informationen anderen Inhalts. Außerdem wurden drei Geheimhaltungsstufen eingeführt: “streng geheim”, “geheim” und “nicht bekannt zu machen”.[14] Im Juni 1926 gab eine Spezialabteilung der OGPU das “Verzeichnis der Gegenstände streng geheimer, geheimer und nicht bekannt zu machender Korrespondenz” heraus. Dieses war noch detaillierter als das Dokument des Sownarkom und unterteilte die Inhalte bereits in vier Gruppen: militärische Informationen, finanzwirtschaftliche Informationen, politische Informationen (auch die Interna der Kommunistischen Partei) und sonstige Informationen.[48]

Am Ende der 1920er Jahre hatte man die Vereinheitlichung der Zusammensetzung der geheimen Behörden durchgeführt und es wurde eine standardisierte Nomenklatur der Dienststellen der geheimen Partikel in den staatlichen Institutionen und Behörden definiert. In den größten Volkskommissariaten wurden geheime Abteilungen geschaffen, in den übrigen geheime Dienststellen - die in dem kleineren Maßstab dieser Behörden auch so etwas wie Abteilungen darstellten. Die Struktur der geheimen Abteilungen war wie folgt gegliedert: ein Büro für die Verschlusssachenbearbeitung, ein Schreibmaschinenbüro, ein Stenografiebüro, eine Kontrollgruppe, eine Gruppe für die Dokumentenverteilung sowie das Büro für Zugangsberechtigungen und Auskünfte.[14]

1929 wurde die “Instruktion der örtlichen Organe der OGPU zur Kontrolle des Zustandes der geheimen Abteilungen und der Durchführung der Geschäftsführung der Institutionen und Behörden” in die Praxis übernommen. Dadurch wurde die Kontrolle der Geheimhaltungsvorschriften den untergeordneten Abteilungen der OGPU auferlegt.[14]

Die Zensur in der Periode von 1930 bis 1950

Diese Periode in der Entwicklung der sowjetischen Zensur wird von dem Historiker Arlen Bljum als “Epoche des totalen Terrors”[49] oder von Gennadi Schirkow als die Phase der “totalen Zensur der kommunistischen Partei“ bezeichnet[22]. Diese Jahre wurden durch das vielschichtige System der Zensur geprägt, von der Selbstzensur bis hin zur Kontrolle der kommunistischen Partei über den staatlichen Zensurapparat. In dieser Zeit wurden nicht nur beliebige Werke verfolgter Schriftsteller, sondern sogar jegliche Erwähnung ihrer Autoren verboten. (→Damnatio memoriae) Ganze Wissenschaftszweige, besonders im Bereich der Geisteswissenschaften sowie der Darstellenden und Bildenden Künste, waren während dieser Zeit in der Sowjetunion de jure nicht existent.

Die Zensur in der Zeit bis zum Beginn des Deutsch-Sowjetischen Krieges

 
 
Einer der Anführer des Kampfbundes zur Befreiung der Arbeiterklasse war Alexander Maltschenko. Sein Bild wurde nach seiner Verhaftung im Jahr 1929 aus der aus dem Jahr 1897 stammenden Fotografie der Gruppe von Lenins Kampfgenossen entfernt.[50]
unzensiertes Bild
Bild nach der Bearbeitung durch Zensoren
Der Volkskommissar für Staatsicherheit Nikolai Iwanowitsch Jeschow der auf dieser im Jahr 1937 entstandenen Aufnahme rechts neben Stalin zu sehen ist, wurde später verhaftet und hingerichtet. Sein Bild wurde daraufhin aus der Fotografie herausretuschiert.[50]

Am 5. September 1930 verabschiedete das Politbüro des ZK der KPdSU einen Beschluss über “die Befreiung des zentralen Apparats der Glawlit von der Tätigkeit der vorläufigen Durchsicht des gedruckten Materials”. Statt dessen wurde die Institution der Glawlit-Bevollmächtigten bei den staatlichen und gesellschaftlichen Verlagen, Radiosendern, Telegrafieagenturen, Postämtern und bei den Zollämtern geschaffen. Diese Glawlit-Bevollmächtigten unterstanden der Weisungsbefugnis der Glawlit, waren aber Mitarbeiter jener Institutionen, in denen sie ihre Arbeit verrichteten.[25] Ab 1931 hafteten die Glawlit-Bevollmächtigten für unautorisierte Veröffentlichungen von “antisowjetischem oder die sowjetische Wirklichkeit verzerrendem” Material. Eine unautorisierte Veröffentlichung wurde als ein Verbrechen eingestuft.[51]

Im Jahr 1930 fanden die ersten Säuberungen statt und genau wie die Trotzkisten wurden die ersten Forschungen auf dem Gebiet der Informationstheorie durch die Sowjetmacht verboten. Die Leitung des Kommunistischen Instituts für Journalistik (KISCH), zu der der Journalist Michail Semjonowitsch Gus und der Regisseur Alexander Lwowitsch Kurs gehörten, wurde als “Importeur bourgeoiser Zeitungsmeldungen” diffamiert. [22][52]

Zu Beginn der 1930er Jahre war in der UdSSR die Erwähnung von Hungersnöten (→Kollektivierung,→Holodomor), Naturkatastrophen und sogar von schlechtem Wetter untersagt. In derselben Zeit wurde es ebenso verboten, Informationen über Äußerungen von Antisemitismus zu veröffentlichen. Der Antisemitismus in der Zeit vor der Russischen Revolution wurde ausschließlich so dargestellt, als sei er ausschließlich von der zaristischen Regierung provoziert worden. Die im Jahr 1937 in einem Sammelband erschienene Erzählung “Gambrinus” von Alexander Iwanowitsch Kuprin wurde deshalb nur gekürzt veröffentlicht.

In dieser Zeit wurde auch die in den 1920er Jahren moderne pädagogische Fachrichtung Pädologie (Untersuchung des Verhaltens und der Entwicklung von Kindern) als “nichtmarxistisch” verworfen. Daraufhin wurden alle Bücher über Pädologie aus den Bibliotheken und dem Buchhandlungen entfernt, ebenso alle bibliografischen Materialien, die diese Bücher referenzierten. Sie wurden bis 1987 in den von der Glawlit geführten Listen der verbotenen Bücher aufgeführt.

Am 6. Juli 1931 veröffentlichte der Sownarkom eine neue Bestimmung über die Glawlit. Wie Gennadi Schirkow feststellte, „war es das erste Mal in der Praxis des Staates, der sich selbst noch als sozialistisch bezeichnete, das gleichzeitig und öffentlich eine vorläufige Zensur und eine Nachzensur eingeführt wurde.“[22] Im selben Jahr wurde der Journalist Boris Bolin zum neuen Leiter der Glawlit ernannt. Er befürwortete die Zusammenfassung aller Arten der Zensur (Militärzensur, die Zensur ausländischer Schriftstücke und politisch-ideologische Zensur) sowie die Vereinigung aller regionalen Glawlit-Behörden zu einer zentralen Institution für die gesamte Sowjetunion, die dem Sownarkom untergeordnet war.

Im Jahr 1933 begann die Verschärfung der Militärzensur. Im Januar 1933 beschloss der Sownarkom die “Verordnung über die Verstärkung des Schutzes von Militärgeheimnissen”, die die Bildung eines vom Sownarkom bevollmächtigten Instituts zum Schutz von Militärgeheimnissen in der Presse vorsah. Die “Verordnung über den Bevollmächtigten des Sownarkom für den Schutz von Militärgeheimnissen in den Abteilungen der Militärzensur” wurde im November 1933 verabschiedet. Der Bevollmächtigte des Sownarkom, der gleichzeitig der Direktor der Glawlit der RSFSR war, hatte die Verantwortung für den Schutz von Militärgeheimnissen in der Presse auf dem Territorium der gesamten UdSSR inne. Glawlit-Direktor Bolin sah die Hauptaufgabe seiner Behörde in der vorläufigen Zensur von Drucksachen.[53][54]

Von 1933 bis 1935 verringerte sich aufgrund der Weisung “Über die Ordnung, Komplettierung, Aufbewahrung und die Beschlagnahme von Buchbeständen in den Bibliotheken” des Volkskommissars für Bildung die Anzahl der aus den Bibliotheken entfernten Bücher etwas.[13] Doch dann wurde die Säuberung der Bibliotheken erneut intensiviert. Nach von Arlen Bljum rechierchierten Abrechnungsdokumenten hatte man allein im Juli 1935 „aus 1078 Leningrader Bibliotheken und Buchhandlungen durch 500 überprüfte Kommunisten rund 20.000 Bücher beschlagnahmt, die in Müllverbrennungsanlagen vernichtet wurden.“[55]

Literatur

  • Т. М. Горяева: Политическая цензура в СССР. 1917-1991 гг.; Verlag «Российская политическая энциклопедия» (РОССПЭН) Moskau, 2002; ISBN 5-8243-0279-0
  • Т. М. Горяева (Ed.): История советской политической цензуры. Документы и комментарии; Verlag «Российская политическая энциклопедия» (РОССПЭН) Moskau, 1997; ISBN 5-86004-121-7
  • Арлен Викторович Блюм: Рукописи не горят?..К 80-летию основания Главлита СССР и 10-летию его кончины; Zeitschrift «Звезда», Ausgabe 6, 2002 — Мoskau; S. 201-211
  • Александр Фёдоров: Права ребенка и проблема насилия на российском экране; Издательство Кучма, Таганрог 2004; ISBN 5-98517-003-9 ( PDF )
  • Олег Лапин: В погоне за рейтингами; Zeitschrift «Телецентр» Ausgabe 4 (29), 2008, Moskau ( online)
  • Алла Латынина: «Пережиток Средневековья» или элемент культуры ?; Zeitschrift «Новый мир» Ausgabe 10 2008, Moskau ( online )
  • Геннадий Васильевич Жирков: История цензуры в России XIX—XX вв. Учебное пособие.; АСПЕКТ ПРЕСС Moskau 2001; ISBN 5-7567-0145-1 ( online )
  • Арлен Викторович Блюм: Советская цензура в эпоху тотального террора. 1929—1953; Академический проект Sankt Petersburg, 2000; ISBN 5-7331-0190-3 ( online )
  • К. В. Лютова: Отдел спецфондов в 60-80 гг.; Спецхран библиотеки Академии Наук — Издательский отдел БАН Sankt Petersburg 1999
  • Autorenkollektiv: История книги. Работы отдела редких книг; Verlag «Книга» Moskau, 1978 (PDF)
  • Молчанов, Леонид Алексеевич: Газетная пресса России в годы революции и Гражданской войны (окт. 1917 - 1920 гг.);Издатполиграфпресс 2002; ISBN 5-85405-013-7, ( online )
  • А. М. Румянцев (Red.): Научный коммунизм. Словарь; Политиздат Moskau, 1983
  • Александр Колпакиди. Михаил Серяков: Щит и меч; Olma Media Group Moskau 2002; ISBN 5765414974
  • Alexander Nikolajewitsch Jakowlew (Ed.): Власть и художественная интеллигенция. Документы ЦК РКП(б) - ВКП(б), ВЧК - ОГПУ - НКВД о культурной политике. 1917-1953; Verlag Материк Moskau 2002; ISBN 5-85646-040-5

Einzelnachweise

  1. a b Горяева: История советской политической цензуры. Документы и комментарии
  2. Блюм: Рукописи не горят?..К 80-летию основания Главлита СССР и 10-летию его кончины, S. ??
  3. Фёдоров: Права ребенка и проблема насилия на российском экране, S. ??
  4. Лапин: В погоне за рейтингами; S. ??
  5. Латынина: «Пережиток Средневековья» или элемент культуры ?, S.??
  6. Жирков: Партийный контроль над цензурой и ее аппаратом, S. ??
  7. a b c d e f Блюм: Система тотального контроля, S. ?? Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „Bljum“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  8. Международный пакт о гражданских и политических правах, Ст. 19
  9. Хроника текущих событий. Выпуск 45
  10. a b c Лютова: Отдел спецфондов в 60-80 гг. in Спецхран библиотеки Академии Наук
  11. Колчинский Э. И.: Несостоявшийся «союз» философии и биологии (20-30-е гг.); Репрессированная наука : Сборник. — Наука, 1991. — С. 34-70.
  12. Бабков В. В.: Медицинская генетика в СССР; Вестник РАН. — Наука, 2001. — № 10. — С. 928-937.
  13. a b Мазурицкий А. М. Влияние Главлита на состояние библиотечных фондов в 30-е годы XX века. «Библиотеки и ассоциации в меняющемся мире: новые технологии и новые формы сотрудничества». Научно-техническая библиотека Киевского политехнического института имени Денисенко (июнь 2000). — Материалы 7 Международной конференции Крым-2000. Проверено 26 марта 2009.
  14. a b c d Организация защиты государственной тайны в России (online)
  15. Н. А. Кобяк: Списки отреченных книг (статья в Словаре книжников и книжности Древней Руси)
  16. Авторское право: Учебное пособие
  17. Autorenkollektiv: История книги. Работы отдела редких книг; Verlag «Книга» Moskau, 1978 (PDF)
  18. Павел Семёнович Рейфман: Из истории русской, советской и постсоветской цензуры. Курс лекций по истории литературы; Библиотека Гумер 2003. (online)
  19. Ленин, Владимир Ильич: Сочинения. изд-е 4-е. Т. 26 стр. 253.
  20. Декреты Советской власти; Политиздат Moskau, 1957
  21. a b c d e Молчанов: Газетная пресса России в годы революции и Гражданской войны (окт. 1917 - 1920 гг.)
  22. a b c d e f g h i j Жирков: История цензуры в России XIX—XX вв. Учебное пособие
  23. Декрет СНК РСФСР от 08.11.1917 о государственной монополии на печатание объявлений
  24. Декрет СНК РСФСР о Революционном трибунале печати (28 января 1918)
  25. a b c d А. Суров: Краткий обзор цензурной политики советского государства (1999)
  26. Lemma: Социально-политическое и идейное единство общества in Научный коммунизм. Словарь, Под редакцией академика А. М. Румянцева. — 4. — М.: Политиздат, 1983
  27. Некрич, Александр Моисеевич: Отрешись от страха; Нева : журнал. — М.: 1995. — № 6.
  28. Константин Мильчин: Что наша жизнь?.. Цензура. (deutsch: Was ist unser Leben ? ... Zensur.); Русский журнал (6 декабря 2002)
  29. Клепиков Н. Н.: Становление органов политической цензуры на Европейском Севере РСФСР/СССР в 1920—1930-е гг.
  30. Колпакиди, Серяков: Щит и меч; S. 357-358
  31. Олег Борисович Мазохин: Образование, развитие сил и средств экономических подразделений ВЧК-ОГПУ; ФСБ, 18 февраля 2005.
  32. a b Яковлев (Ed.): Власть и художественная интеллигенция.
  33. Александр Николаевич Яковлев: Artikel Сумерки in Zeitung Народная воля № 159-160, Минск, 2007
  34. siehe Ende der Kurzgeschichte Hundeherz (aufgerufen am 09.08.2009)
  35. a b А. Суетнов: Тур вокруг цензуры. Недальняя история, Zeitschrift Журналистика и медиарынок, Ausgabe 09/2006
  36. Геннадий Васильевич Жирков: Советская цензура периода диктата Государственного издательства: 1919—1921 г.г. in История цензуры в России XIX—XX вв. Учебное пособие, Аспект пресс Moskau 2001; ISBN 5-7567-0145-1 (online)
  37. А. В. Соколов: Тотальная цензура. Опыт Советского Союза in Общая теория социальной коммуникации: Учеб­ное пособие.; Verlag В. А. Михайлова Sankt Petersburg 2002; ISBN 5-8016-0091-4 (online)
  38. Biografie von Nikolai Metschejakow
  39. a b Александр Добровольский. Министерство непечати // Московский комсомолец : газета. — 2006. Интервью с Владимиром Симаньковым (online)
  40. Пивоваров Ю. С. Рецензия на книгу «Мой XX век. Воспоминания» (online)
  41. Biografie von Pawel Iwanowitsch Lebedew-Poljanski
  42. Политический контроль советского радиовещания Эхо Москвы (11 октября 2008). (Abgerufen am 27. März 2009)
  43. Н. В. Махотина, О. П. Федотова: Фонд литературы ограниченного распространения ГПНТБ СО РАН: предпосылки к исследованию (PDF)
  44. М. Д. Дворкина: Библиотека до 1931 года и после… (Из истории Государственной общественно-политической библиотеки, 1921-1941 гг.); Государственная общественно-политическая библиотека Moskau (online)
  45. С. Джимбинов: Эпитафия спецхрану?.. in Zeitschrift Новый мир, Nr. 5 1990 (online)
  46. В.Г. Мосолов: Alma mater; Государственная общественно-политическая библиотека Moskau (online)
  47. Надежда Васильевна Рыжак: Цензура в СССР и Российская государственная библиотека in Доклад на Международной конференции «Румянцевские чтения-2005», (online)
  48. a b Сергей Чертопруд: Зарождение и становление системы защиты государственной тайны в Советском Союзе с 1918 по 1930 год. Агентура.ру. Проверено 11 апреля 2009. (online)
  49. Арлен Викторович Блюм: Советская цензура эпохи большого террора, Zeitschrift Индекс/Досье на цензуру, Ausgabe 2 1997
  50. a b David King: The Commissar Vanishes; Metropolitan Books 1997; ISBN 0805052941
  51. Александр Данилов: Главукрцензура 2000, Zeitschrift еженедельник Nr. 383 (Nr. 39 / 2007)
  52. Андрей Алексеев: Замечание об истории социологии «с человеческим лицом», Zeitschrift Телескоп, Sankt Petersburg, Ausgabe 3 2008 (PDF)
  53. А. И. Кондратенко: Партийное имя профессора — Борис Волин, (online)
  54. Протокол заседания Политбюро № 145, 1933 г. (online)
  55. Блюм: Советская цензура в эпоху тотального террора. 1929—1953

Anmerkungen

  1. Im russischen Original des Textes steht tatsächlich der Begriff “Aktiengesellschaft“.

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