Merkmale Der Wortgrenze in Den Altitalischen Sprachen PDF
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Jürgen Untermann
To cite this article: Jürgen Untermann (1968) Merkmale der Wortgrenze in den altitalischen
Sprachen, Word, 24:1-3, 479-490, DOI: 10.1080/00437956.1968.11435549
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9 B. Terracini, StEtr, III (1929), 230-248; G. Porru, AL, II (1940-1941), 95, schreibt
die Aufhebung der Gegensatze zwischen jJ, f und xv dem voridg. Substrat zu.
10 Für die Frage, wie lange -i neben -e bestanden hat, fehlen ausreichend frühe und
sichere Zeugnisse (vgl.jedenfalls tremonti im Salierlied und wohl auch dederi statt
dedëre CIL. 12 37).-Für -o kommen die Medialendungen -sound -(n)to als Beispiele in
Frage; letztere ist nur in der durch -r erweiterten Form belegt (-tur, aber ven. -to);
erstere erscheint in erweiterter (utarus CIL.I2 1702 u.a.) und unerweiterter Form (-re),
ist aber nicht vor dem 2.Jhdt. belegt.
11 Sommer, Handbuch, S. 142-144, M. Niedermann, Historische Lautlehre des
Lateinischen (Heidelberg, 1953), S. 43-47, J. Whatmough, Orbis, IV (1955), 331, E.
Campanile, SSL, 1 (1961), 18.
F.II-16*
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16 Vgl. vor ail cm A. Maniet, L'Ant. Class, XXIII (1954), 109-114; M. Duran te, RLing,
IV (1958), 93.
17 Über das Lateinische hinaus geht das Umbrische lediglich durch die Spirantisierung
von intervokalischem d zu d (geschrieben q oder rs).
18 F•v''l' 'Veneri' (Vetter, Handbuch der italischen Dialekte, 1. Band, [Heidelberg,
1953], Nr. 182, Potenza), vwfw8''7'' 'Numerï' (Vettcr Nr. 196, Messina); im Gegensatz
dazu vvf'<fi'f' (A. de Franciscis, O. Parlangèli, G!i !ta/ici del Bruzio nei documenti
epigrafici [Neapcl, 1960], S. 28 f., 49, Tiriolo), das offenbar stimmloses s enthâlt.
Vermutlich hat die Synkope in verschiedenen Stadien der Entwicklung stattgefunden, in
Ti riolo vor der Sonorisierung (dann -ms-> -mps- wie ursprüngliches -ns- > -nts-), in
Potenza und Messina danach (dann mz, nz und allcnfalls mdz, ndz); anders Parlangèli,
a.a.O., S. 51, der eine Entwicklung -mps->mbz->-mz- annimmt; eine solche Sonori-
sierung ist aber der dentalen Gruppe -nts- unbekannt; >•vÇ'l' wird kaum eine Vorstufe
*ventsei voraussetzen, sondern aus *venezei synkopiert sein.
19 z hat hier den Lautwert [z], den es ais aus dem Griechischen rezipierter
Zusatzbuchstabe des klassischen lateinischen Alphabets besitzt.
zo Erschiipfend behandelt von H. Benediktsson, NTS, XIX (1960), 157-295.
21 Ausgenommen vor -m und in der Endung des N.Sg. der Gentilnamen, wo -ios
nicht wie sonst zu -is sondern zu -ies (geschrieben -ifs, -ies) wird.
22 Unsichere Spuren wcrden besprochen bei R. von Planta, Grammatik der oskisc!r-
umbrischen Dialekte, Band l (Strassburg, 1892), S. 237-247; J. W. Poultney, The bron::e
tables of !guvium (Baltimore, 1959), S. 44 f.
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4.1 Verfolgen wir nun noch einmal die Lautgeschichte der italischen
Sprachen, wie sie sich nach dem soeben Gesagten darbietet.
4.11 Der erste Akt der inneritalischen Lautentwicklung ist die Auf-
nahme eines Phonems f ais Realisierung stimmhafter Spiranten, die
ihrerseits aus den idg.Mediae Aspiratae hervorgegangen sind. Diese
stimmhaften Spiranten werden aber nicht über ali, sondern nur am Wortan-
fang durch If/ ersetzt; im Wortinneren andert sich zuniichst nichts.
Zusammen mit der Stimmhaftigkeit ist vielleicht auch die Opposition
zwischen labialer, dentaler und labiovelarer Artikulation aufgehoben
worden. Die italischen Sprachen erhalten damit ein positives Merkmal
für den Wortanfang.33
4.12 Das niichste Ereignis betrifft nicht nur den Anfang, sondern auch
das Ende des Wortes: nur in ersten und letzten Wortsilben behalten die
fünf ererbten Kurzvckale des grundsprachlichen Lautbestands ihre
Selbstiindigkeit. In den dazwischen liegenden Wortsilben hi:iren sie auf,
phonologisch relevant zu sein; sie werden bi osse Begleitphiinomene der
Silbenstruktur und der umgebenden Konsonanten. Die Endstufc der
31 Viel zu früh Porzig, a.a.O. (Anm. 6), S. 179, 189, der entgegen der Evidenz der
Münzen davon ausgeht, dass das Osk.-Umbr. ebenso früh inlautendes f gehabt habcn
müsse wie das Faliskische; vgl. darüber R. Lazzeroni, SSL, IV (1964), 12.-Vgl. auch
die allgemeinen Erwiigungen bei Moorhouse, AJPh, LXI (1940), 311 f., 327 f.
32 Vielleicht darf man die ungekliirte Fragc der nicht-spirantischen Vertretungen von
Mediae Aspiratae in einigen umbr. Wortern von hier aus noch einmal aufgreifen (habe-
statt *hafe-, hondu < *ghomdha-t6d, ambretuto < *am-bher-e- oder ambhr-ei-).
33 Zu solchen phonetischen Verdeutlichungen der Wortgrenze vgl. allgemein P.
Kretschmer, Glotta, I (1909), 47 f.; zum Lat.-wenn auch mit anderen Anschauungen
über die Entwicklung im Einzelnen-Sommer, Krit. ErllÏuterungen, S. 55 und Martinet
in dem oben (Anm. 2) genannten Aufsatz; zu iihnlichen Erscheinungen im Romanischen:
R. A. Hall Jr., Language, XL (1964), 551-556; R. J. di Prieto, Orbis, XV (1966), 68-72.
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Entwicklung, der vollige Schwund von Binnensilbenvokalen, wird im
Lateinischen gelegentlich, im Oskischen verhiiltnismiissig oft erreicht.34
4.13 Der dritte Vorgang verschafft den Wortgrenzen selbst eine
grossere Deutlichkeit: an den W ortgrenzen bleibt der stimmlose Sibilant
jsj erhalten; im Osk.-Umbrischen wird er in bestimmten Umgebungen
zum stimmlosen Spiranten f lm W ortinneren behiilt er seine Stimmlosig-
keit nur in stimmloser Umgebung; sonst wird er stimmhaft, und zwar im
Osk. zu stimmhaften z, im Umbr. und Lat. zu r.
4.2 Damit ist der Hohenpunkt der Entwicklung erreicht, die den
altitalischen Sprachen zu ihren Wortgrenzkennzeichen verholfen hat. In
der Folgezeit, wohl etwa vom 4. Jahrhundert ab, wird diese Errungen-
schaft allmiihlich wieder abgebaut.
4.21 Schon zu Beginn der umfangreicheren schriftlichen Überlieferung
hat das Osk.-Umbrische kurze Vokale auch in wortschliessenden Silben bis
auf wenige Reste (vgl.Anm.21) beseitigt.
4.22 Ebenfalls zu Beginn der voll überschaubaren Sprachgeschichte
sind im Lateinischen -ai und -oi in Endsilben zu -ei reduziert.
4.23 Spiitestens um 300 werden im Oskischen die stimmhaften Spiran-
ten im W ortinneren durch das bis dahin auf die W ortgrenze beschriinkte
Phonem f ersetzt.
4.24 Yom ausgehenden 3. Jahrhundert an fallen im Lateinischen die
Grenzen zwischen den Endsilben -es und -is einerseits und -os und -us
andererseits.
4.25 Um die gleiche Zeit, vielleicht auch etwas spiiter, wird im Um-
brischen wortauslautendes jsj nach Vokal stimmhaft und schliesslich
durch r ersetzt.35
4.26 In der lateinischen Sprachgeschichte liisst sich diese Entwicklung
in der Kaiserzeit weiterverfolgen, sie endct - lange verdeckt durch die
hochsprachliche Orthographie-mit dem volligcn Verfall der Wortendun-
gen in spiitantiker Zeit.36
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A B c Il A B c Il A B c Il usw.
An dieser Fuge galt es, zwei gleich wichtige Einheiten der sprachlichen
Kette vor Einbussen ihrer Klarheit zu schützen. Diesen Schutz übernah-
men die Sonderregelungen für die wortbegrenzenden Phoneme.
5.3 Der Abbau der Wortgrenzmerkmale betrifft fast ausschliesslich das
W ortende: die semantische Basis erhiilt ein immer grosseres Gewicht, die
syntaktische Bezugsangabe wird in zunehmendem Umfang aus der
W orteinheit herausgenommen und anderen Zeichen-Priipositionen,
Pronomina, W ortstellung-übertragen.
37 Hier wiire weiter zu fragen, unter welchen Bedingungen und in welcher zeitlichen
Abfolge die lat.Sprache Praeverbien zur semantischen Basis rechnete (früh ais ein-
heitlich aufgefasst: conde re, probus; erst spiit ais ein Wort verstanden: confiee re, aurifex).
Eine genauere Erorterung würde hier jedoch zu weit führen.
38 Das gilt auch für einsilbige Worter: Mit dieser Doppelfunktion hiingt wohl
zusammen, dass die lat.Sprache für autonome Worter ais Mindestumfang eine pro-
sodisch lange Lautfolge (cor ist bei Plautus noch ais Lange gemessen) verlangt, also
eine zweimorige Einheit: vgl.Kurylowicz, L'Accentuation des langues indo-européennes
(Wroclaw, 1958), S. 382.
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6 Anhangsweise noch ein W ort zum Akzent: bekanntlich schliesst man
aus der Binnensilbenschwachung im Lateinischen auf eine Periode der
lat.Sprachgeschichte, in der jedes Wort auf der ersten Silbe betont wurde. 39
Diese Periode sei dann spatestens im 3. Jahrhundert v.Chr. durch die
Akzentuierung nach dem "Dreisilbengesetz" abgelost worden, und man
hat mancherlei Hypothesen über Ursache und Verlauf dieses Umschwungs
aufgestellt. 40
6.1 Auch für diese Frage wird man beachten müssen, dass nicht nur der
W ortanfang sondern auch das W ortende eine Sonderstellung einnimmt.
Ein einseitig beherrschender Anfangsakzent wird dadurch von vornherein
unwahrscheinlich und die Betonung nach dem Dreisilbengesetz hort auf,
eine grundlegende Ânderung darzustellen: es ist eben die Sch!ussilbe, nach
der sich das Dreisilbengesetz orientiert; auch das Dreisilbengesetz ist
somit ein-freilich mittelbares-W ortgrenzphanomen. 41
6.2 Beachten wir weiter, dass bei der Betonung nach dem Dreisil-
bengesetz ausdrücklich bezeugt ist, dass die Akzentstelle die Stelle der
grossten Tonhohe im Wort ist,42 dann offnen sich weitere Wege, seine
Wirksamkeit mit der im Lautbild sichtbar werdenden Hervorhebung der
ersten und letzten Wortsilben in Einklang zu bringen. Man kann sich
vorstellen, dass in drei- und mehrsilbigen Wortern die Zweipoligkeit des
Nachdrucks, der den wortbegrenzenden Elementen zukam, sich einerseits
in einem grosseren Stimmdruck an den W ortgrenzen und andererseits in
einer Tonkurve ausserte, die beide Pole verband und deren Verlauf den
Regeln des Dreisilbengesetzes gehorchte. Diese Tonkurve und ihre
Verlaufsregel konnen dagewesen sein, ais die wortbegrenzenden Silben
ihren Schwerpunktcharakter noch voll besassen und-sei es beide, sei es
eine von ihnen43_durch besonderen Druck hervorgehoben werden konn-
ten. Die Tonkurve war damais freilich ein bi osses Korrelat des Wortrhyth-
mus und ohne eigenen Zeichenwert. Diesen konnte sie aber in der um das
Jahr 300 v.Chr. beginnenden Entwicklung erhalten, in der das Wort im
Lateinischen immer mehr seine Zweipoligkeit aufgab und zu einem
zentralisierten Gebilde wurde, das nach einem zentralen Akzent verlangte.
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