Quelltext der Seite Axiomatische Homologie

Der Begriff der Homologietheorie stammt aus der [[Algebraische Topologie|algebraischen Topologie]] und charakterisiert axiomatisch die Weise, wie beispielsweise die [[Singuläre Homologie]] oder die Bordismustheorien [[Topologischer Raum|topologischen Räumen]] [[abelsche Gruppe]]n zuordnen (Homologiegruppen, siehe [[Homologietheorie]]). Unter dem Begriff '''Axiomatische Homologie''' fasst man die Untersuchung derjenigen Homologietheorien zusammen, die die '''Eilenberg-Steenrod-Axiome''' erfüllen.

== Eilenberg-Steenrod-Axiome ==
=== Funktoren und natürliche Transformationen ===
Es seien <math>H_n</math> für alle <math>n\in\mathbb{Z}</math> [[Funktor (Mathematik)|Funktoren]] ''von'' der [[Kategorientheorie|Kategorie]] der topologischen Raumpaare (d. h. Paaren von topologischen Räumen <math>(X,A)</math>, so dass <math>A\subset X</math>) ''in'' die Kategorie der abelschen Gruppen. Für eine Abbildung <math>f</math> sei dabei <math>H_{\,n\,}(f)</math> abkürzend mit <math>f_*</math> bezeichnet. Dabei ist eine Abbildung <math>f</math> von einem Raumpaar <math>(X,A)</math> in ein Raumpaar <math>(Y,B)</math> eine stetige Abbildung von <math>X</math> nach <math>Y</math>, so dass <math>f(A) \subset B</math>.
Weiterhin sei für jedes <math>n\in\mathbb{Z}</math> eine [[natürliche Transformation]] <math>\partial_n</math> von dem Funktor <math>H_n</math> zu dem Funktor <math>H_{n-1}\circ P</math> definiert, wobei <math>P</math> derjenige Funktor von der Kategorie der Raumpaare in sich selbst ist, der jedem Raumpaar <math>(X,A)</math> das Raumpaar <math>(A,\varnothing)</math> zuordnet. Jedem Raumpaar <math>(X,A)</math> ordnet <math>\partial_n</math> also einen Homomorphismus <math>H_n(X,A)\rightarrow H_{n-1}(A)</math> zu. Hier und im Folgenden bezeichnet <math>A</math> verkürzend das Raumpaar <math>(A, \varnothing)</math>. Ausgeschrieben bilden diese Bedingungen die ersten drei Eilenberg-Steenrod-Axiome:

1) Wenn <math>f\colon (X,A)\rightarrow (X,A)</math> gleich der Identität ist, so ist auch <math>f_*\colon H_n(X,A)\rightarrow H_n(X,A)</math> gleich der Identität

2) Für zwei Abbildungen <math>f\colon (X,A)\rightarrow (Y,B)</math> und <math>g\colon (Y, B) \rightarrow (Z, C)</math> gilt <math>(g\circ f)_* = g_*\circ f_*</math>

3) <math>\partial_n\circ f_* = (f|A)_*\circ\partial_n</math>

=== Weitere Axiome ===
Die mehr inhaltlich-topologischen Axiome, die direkt am Modell der [[Singuläre Homologie|singulären]] und [[Simpliziale Homologie|simplizialen Homologie]] gestaltet wurden, sind die folgenden drei:

4) Exaktheits-Axiom: Es existiert eine [[Exakte Folge|lange exakte Sequenz]] von Gruppen:

::<math> \cdots \rightarrow H_n(A) \rightarrow H_n(X) \rightarrow H_n(X,A) \rightarrow H_{n-1}(A) \rightarrow H_{n-1}(X) \rightarrow H_{n-1}(X,A) \cdots ,</math>

Die Abbildungen <math>H_n(A) \rightarrow H_n(X)</math> und <math>H_n(X) \rightarrow H_n(X,A)</math> sind dabei jeweils von den entsprechenden Inklusionen induziert. Die Abbildung <math>H_n(X,A) \rightarrow H_{n-1}(A)</math> ist durch die natürliche Transformation <math>\partial_n</math> definiert.

5) Homotopie-Axiom: Es seien <math>f,g \colon (X,A) \rightarrow (Y,B)</math> zwei stetige Abbildung, die [[Homotopie|homotop]] sind. Dann sind die beiden induzierten Gruppenhomomorphismen <math>f_*,g_* \colon H_n(X,A)\rightarrow H_n(Y,B)</math> identisch.

6) [[Ausschneidungssatz|Ausschneidungsaxiom]]: Sei <math>(X,A)</math> ein Raumpaar und <math>B\subset A</math>, so dass der [[Abschluss (Topologie)|Abschluss]] von <math>B</math> enthalten ist im [[Innerer Punkt|Inneren]] von <math>A</math>. Dann ist die von der Inklusion induzierte Abbildung <math>H_n(X - B,A - B)\rightarrow H_n(X,A)</math> ein [[Isomorphismus]].

Eine Familie von Funktoren und natürlichen Transformationen, die die oben genannten Axiome erfüllen, nennt man ''Homologietheorie'' oder auch ''verallgemeinerte Homologietheorie''. Dreht man alle Pfeile um in den Axiomen, betrachtet man also kontravariante Funktoren <math>H^n</math>, so erhält man die Axiome für eine ''Kohomologietheorie''.

=== Dimensionsaxiom ===
Klassisch nahm man zu den genannten Axiomen noch das sogenannte Dimensionsaxiom hinzu:

7) Es gilt 

::<math>H_m(pt) =  \begin{cases} G & m=0\\
0 & \mbox{sonst}\end{cases}</math> 

für eine abelsche Gruppe <math>G</math>.

Erst dann wurde eine Familie von Funktoren und natürlichen Transformationen eine Homologietheorie genannt. So geschah es auch im Buch ''Foundations of Algebraic Topology'' von [[Samuel Eilenberg|Eilenberg]] und [[Norman Steenrod|Steenrod]] von 1952, wo diese Axiome erstmals behandelt wurden. Zur damaligen Zeit waren nur Homologietheorien bekannt, die das Dimensionsaxiom erfüllten. Später wurden jedoch noch andere Beispiele entdeckt, wie unter Beispiele noch ausgeführt wird. Allgemein nennt man die Homologiegruppen eines Punktes die ''Koeffizienten'' einer Homologietheorie.

== Folgerungen ==
=== Einfache Folgerungen ===
Direkte Folgerungen sind, dass <math>H_n(X,X) = 0</math> für alle <math>X</math> und <math>n</math> nach [[Ausschneidungssatz]] und <math>H_n(X,A) \cong H_n(Y,B)</math> für <math>(X,A)</math> [[Homotopieäquivalenz|homotopieäquivalent]] zu <math>(Y,B)</math>. Daraus folgt auch <math>H_n(X,A) = 0</math> wenn die Inklusionsabbildung <math>A\subset X</math> eine [[Homotopieäquivalenz]] ist.

=== Mayer-Vietoris-Sequenz ===
Ein sehr praktisches Hilfsmittel ist die sogenannte Mayer-Vietoris-Sequenz, die man per [[Diagrammjagd]] aus Ausschneidungs- und Exaktheitsaxiom beweisen kann. Diese besagt, dass für einen Raum <math>X</math>, zwei abgeschlossene Teilmengen <math>A</math> und <math>B</math>, so dass die Vereinigung des Inneren von <math>A</math> mit dem Inneren von <math>B</math> gleich <math>X</math> ist, und einer Teilmenge <math> C \subset A \cap B </math> folgende Sequenz [[Exakte Folge|exakt]] ist:

::<math> \cdots \rightarrow H_n(A\cap B, C) \rightarrow H_n(A,C)\oplus H_n(B,C) \rightarrow H_{n}(X,C) \rightarrow H_{n-1}(A\cap B, C)</math>

::<math>\rightarrow H_{n-1}(A,C)\oplus H_{n-1}(B,C) \cdots \,</math>

Eine einfache Anwendung ist, dass <math>H_n(Y \coprod Y) \cong H_n(Y) \oplus H_n(Y)</math>, wozu man einfach in der Sequenz <math>X = Y\coprod Y</math> und die zwei Kopien von <math>Y</math> mit <math>A</math> bzw. <math>B</math> bezeichnet (der Schnitt ist leer, also auch <math>C</math>).

Bemerkung: Die Mayer-Vietoris-Sequenz gilt für Homologietheorien <math>H</math>, wenn die Inklusionen <math>(A,A \cap B) \rightarrow (X,B), (B,A \cap B) \rightarrow (X,A)</math> Isomorphismen auf den Homologiegruppen von <math>H</math> induzieren. Das ist insbesondere bei der obigen Voraussetzung wegen des Ausschneidungs-Axioms der Fall.

=== Einhängungsisomorphismus ===
[[Bild:Einhaengung.PNG|thumb|Wahl von A, B und C]]
Mit Hilfe der Mayer-Vietoris-Sequenz kann man auch beweisen, dass der Einhängungsisomorphismus <math>H_{n+1}(SY,pt) \cong H_n(Y,pt)</math> gilt, wobei <math>SY</math> die [[Einhängung]] von <math>Y</math> bezeichnet und <math>pt</math> einen Punkt in <math>Y</math>. Dazu setzt man in der Mayer-Vietoris-Sequenz <math>X = SY, A</math> und <math>B</math> wie in der Zeichnung und <math>C</math> gleich einem Punkt im Schnitt von <math>A</math> und <math>B</math>. Die Teilräume <math>A</math> und <math>B</math> sind beide homotopieäquivalent zu einem Punkt, ihr Schnitt <math>A\cap B</math> zu <math>Y</math>. Die exakte Sequenz wird so zu:

::<math> \cdots \rightarrow H_n(Y, pt) \rightarrow 0 \rightarrow H_{n}(SY,pt) \rightarrow H_{n-1}(Y, pt) \rightarrow 0 \cdots \,</math>

Daran sieht man den geforderten Isomorphismus.

=== Homologie der Sphären ===
Nimmt man nun an, dass zusätzlich das Dimensionsaxiom gilt, kann man damit die Homologie der [[Topologische Sphäre|Sphäre]] berechnen. Die <math>S^0</math> besteht nur aus zwei Punkten. Es gilt daher nach Ausschneidungssatz <math>H_0(S^0,pt) = H_0(pt) = G</math> und <math>H_n(S^0,pt) = 0</math> für n>0. Nach dem Einhängungsisomorphismus gilt induktiv nun <math>H_n(S^n,pt) = G</math> und <math>H_i(S^n, pt) = 0</math> für <math>i\neq n</math>, da die Einhängung der (n-1)-Sphäre die n-Sphäre ist. Wenn man jetzt die exakte Sequenz für das Paar <math>(S^n, pt)</math> betrachtet, bekommt man, dass für <math>H_i(S^n) = G</math> für <math>i=0</math> und <math>i=n</math> und <math>0</math> sonst für <math>n>0</math>. Für <math>n=0</math> bekommt man direkt <math>H_i(S^0) = H_i(pt)\oplus H_i(pt)</math>, was gleich <math>G\oplus G</math> ist für <math>i=0</math> und <math>0</math> sonst. 
Man kann zeigen, dass man nun die Homologie von jedem endlichen [[CW-Komplex]] mit Hilfe der [[Zelluläre Homologie|zellulären Homologie]] berechnen kann. Man bekommt also für endliche CW-Komplexe bei Homologietheorien, die das Dimensionsaxiom erfüllen, die gleichen Ergebnisse wie bei der [[Singuläre Homologie|singulären Homologie]].

== Eilenberg-Steenrod-Eindeutigkeitssatz ==
Die historische Situation 1945, als Eilenberg und Steenrod die oben genannten Eilenberg-Steenrod-Axiome erstmals veröffentlichten, war die, dass es mehrere Vorschläge gab, wie man die Homologie eines Raumes definieren konnte, die alle ähnliche Eigenschaften hatten und die zumindest auf den meisten Räumen die gleichen Gruppen ausrechneten. Das prominenteste Beispiel ist sicherlich die singuläre Homologie. Weitere Beispiele sind die heute fast vergessene Vietoris-Homologie und auf der Kohomologieseite die [[Čech-Kohomologie]]. Eilenberg und Steenrod wollten diese Theorien auf eine gemeinsame Basis stellen und zeigen, dass sie auf einer großen Klasse von Räumen die gleichen Gruppen ausrechnen.

Um ihren Eindeutigkeitssatz genau zu formulieren, müssen wir zunächst eine natürliche Transformation <math>T</math> zwischen zwei Homologietheorien definieren. Diese ist eine [[Kategorientheorie|natürliche Transformation]] zwischen zwei Funktoren <math>h</math> und <math>H</math>, die beide eine Homologietheorie bilden, die mit dem [[Verbindungshomomorphismus]] verträglich ist. Das heißt, dass für jedes Raumpaar <math>(X,A)</math> und jedes <math>n</math> gelten muss, dass das Diagramm
:<math>\begin{array}{ccc}
  H_n(X,A)                       & \xrightarrow{\ T\ } & h_n(X,A)\\
  \downarrow\scriptstyle\partial &                     & \downarrow\scriptstyle\partial\\
  H_{n-1}(A)                     & \xrightarrow{\ T\ } & h_{n-1}(A)
\end{array}</math>
kommutiert.

Der Eindeutigkeitssatz von Eilenberg und Steenrod besagt nun, dass jede natürliche Transformation zweier Homologietheorien, die ein Isomorphismus auf allen Sphären ist, auch ein Isomorphismus auf allen endlichen [[CW-Komplex]]en ist.

Diesen Satz kann man unter der zusätzlichen Annahme, dass die beiden Homologietheorien das sogenannte Milnor- oder [[Wedge-Produkt (Topologie)|Wedge]]-Axiom 

:<math>H_n(\bigvee_{i\in I}X_i, pt) = \bigoplus_{i\in I} H_n(X_i, pt)</math>

erfüllen, noch verschärfen. Dann gilt nämlich, dass unter den gleichen Bedingungen die natürliche Transformation ein Isomorphismus auf allen CW-Komplexen ist. Fordert man zusätzlich noch, dass Abbildungen, die auf allen [[Homotopiegruppe]]n <math>\pi_n(X)</math> Isomorphismen induzieren, auch auf allen Homologiegruppen <math>H_n(X,pt)</math> Isomorphismen induzieren, ist die natürliche Transformation sogar ein Isomorphismus auf allen topologischen Räumen.

== Reduzierte Homologietheorien ==
Es stellt sich heraus, dass es für viele Zwecke nützlich ist, den Basispunkt in eine Homologietheorie einzubeziehen, ohne generell relative Gruppen zu definieren. Dies ist besonders nützlich, wenn man Homologiegruppen mit [[Homotopiegruppe]]n vergleicht. Diese ''reduzierten Homologietheorien'' lassen sich wie folgt axiomatisch beschreiben.

Es seien <math>\tilde{H}_n</math> für jedes <math>n\in\mathbb{Z}</math> Funktoren von der [[Kategorientheorie|Kategorie]] der topologischen Räume in die Kategorie der abelschen Gruppen. Weiterhin gebe es natürliche Transformationen <math>\sigma_n\colon \tilde{H}_n \rightarrow \tilde{H}_{n+1}\circ\Sigma</math>, wobei <math>\Sigma</math> der [[Einhängung]]sfunktor auf der Kategorie der [[Punktierter topologischer Raum|punktierten topologischen Räume]] ist. Es sollen folgende Axiome gelten:

1) Jede punktierte Abbildung <math>f\colon X\rightarrow Y</math> induziert eine lange exakte Sequenz

::<math> \cdots \rightarrow \tilde{H}_n(X) \rightarrow \tilde{H}_n(Y) \rightarrow\tilde{H}_n(Cf) \rightarrow \tilde{H}_n(\Sigma X) \rightarrow \tilde{H}_n(\Sigma Y) \rightarrow \tilde{H}_n(\Sigma Cf) \cdots</math>

Hierbei bezeichnet <math>Cf</math> den [[Abbildungskegel]] von f. 

2) Sind zwei Abbildung <math>f,g\colon X\rightarrow Y</math> homotop, so gilt <math>\tilde{H}_n(f)=\tilde{H}_n(g)</math>.

3) Die natürliche Transformation <math>\sigma_n\colon \tilde{H}_n(X) \rightarrow \tilde{H}_{n+1}(\Sigma X)</math> ist für alle n und X ein Isomorphismus.

Man kann zeigen, dass jede Homologietheorie <math>H_n</math> mittels <math>\tilde{H}_n(X) = H_n(X,pt)</math> eine reduzierte Homologietheorie definiert. Andersherum definiert eine reduzierte Homologietheorie <math>\tilde{H}_n</math> mittels <math>H_n(X,A) = \tilde{H}_n(Ci)</math> eine Homologietheorie, wobei <math>i\colon A\rightarrow X</math> die Inklusion bezeichnet.

Da im Fall der singulären Homologie die reduzierte Homologie eines Punktes gleich null ist, bezeichnet man hier die Homologie der 0-Sphäre <math>\tilde{H}_n(S^0)</math> als die Koeffizienten.

== Beispiele ==
=== Singuläre Homologie ===
{{Hauptartikel|Singuläre Homologie}}

Das grundlegendste und wichtigste Beispiel für eine Homologietheorie ist die singuläre Homologie mit Koeffizienten in einer Gruppe G. Sie war die erste bekannte Homologietheorie, die auf allen topologischen Räumen definiert ist.
Wie im entsprechenden Artikel ausgeführt, erfüllt sie alle Eilenberg-Steenrod-Axiome, einschließlich des Dimensionsaxioms. Die singuläre Homologie erfüllt weiterhin auch das Milnor-Axiom und die Bedingung, dass Isomorphismen auf Homotopiegruppen Isomorphismen auf Homologiegruppen induzieren.

=== Bordismustheorien ===
Die einfachste [[Bordismustheorie]] ist die des unorientierten Bordismus. Sie wurde Mitte der fünfziger Jahre von [[René Thom]] entwickelt. 

Zwei kompakte, unberandete [[Mannigfaltigkeit]]en M und N heißen ''bordant'',  wenn es eine berandete Mannigfaltigkeit W gibt, so dass <math>\partial W \cong M\amalg N</math>. Man kann zeigen, dass diese Relation eine [[Äquivalenzrelation]] ist. Die Äquivalenzklassen heißen ''Bordismusklassen''. Mittels der [[Disjunkte Vereinigung|disjunkten Vereinigung]] und dem [[Kartesisches Produkt|kartesischen Produkt]] kann man Addition und Multiplikation auf den Bordismusklassen definieren. Sie bilden somit einen Ring. Ein Beispiel für zwei bordante Mannigfaltigkeiten ist die n-[[Sphäre_(Mathematik)|Sphäre]] und die [[leere Menge]], die mittels der (n+1)-dimensionalen Vollkugel bordant sind. Beispiele für Mannigfaltigkeiten, die nicht bordant zur leeren Menge sind, sind der Punkt und der 2-dimensionale [[Reeller projektiver Raum|reell projektive Raum]] <math>\mathbb{R}P^2</math>.

Eine «''singuläre p-Mannigfaltigkeit'' M in einen topologischen Raum X» ist ein Paar (M, f), wobei f eine Abbildung von M nach X und M eine p-dimensionale Mannigfaltigkeit ist. Zwei solche singuläre Mannigfaltigkeiten (M,f) und (N,g) heißen ''bordant'', falls sie bordant über eine Mannigfaltigkeit W sind und eine Abbildung F von W nach X existiert, die eingeschränkt auf M und N die Abbildungen f bzw. g ergibt. Die von den singulären p-Mannigfaltigkeiten erzeugte abelsche Gruppe, aus der die Bordismusrelation herausgeteilt ist, bezeichnet man mit <math>MO_p(X)</math>. Ähnlich kann man auch relative Gruppen <math>MO_p(X,A)</math> definieren. Diese bilden eine Homologietheorie. Die Koeffizienten, d. h. die Homologie von einem Punkt, sind hier genau der oben erwähnte Bordismusring. Der <math>\mathbb{R}P^2</math> zeigt, dass <math>MO_2(pt)</math> nicht null ist und der unorientierte Bordismus somit nicht das Dimensionsaxiom erfüllt.

Versieht man die Mannigfaltigkeiten mit Zusatzstrukturen, wie beispielsweise einer [[Orientierung (Mathematik)|Orientierung]] oder einer [[fastkomplexe Struktur|fastkomplexen Struktur]], bekommt man viele weitere Beispiele für Bordismustheorien.

=== Stabile Homotopietheorie ===
Die [[Homotopiegruppe]]n <math>\pi_n(X)</math> eines Raumes bilden keine reduzierte Homologietheorie. Sie erfüllen zwar offensichtlich das Homotopieaxiom, aber der [[Freudenthalscher Einhängungssatz|Freudenthalsche Einhängungssatz]] garantiert nur in einem bestimmten Bereich den Einhängungsisomorphismus. Auch macht die lange exakte Sequenz Schwierigkeiten.

Mittels des [[Freudenthalscher Einhängungssatz|Freudenthalschen Einhängungssatzes]] kann man jedoch die Homotopiegruppen verwenden, um eine reduzierte Homologietheorie zu bekommen. Nach dem Einhängungssatz bekommt man Homomorphismen <math>\pi_{n+k}(\Sigma^k X)\rightarrow \pi_{n+k+1}(\Sigma^{k+1} X)</math>, die für k>N für ein geeignetes N Isomorphismen sind. Hierbei bezeichnet <math>\Sigma^k</math> die k-te [[Einhängung]]. Man definiert die stabilen Homotopiegruppen <math>\pi_n^{stab} = \pi_{n+N+1}(\Sigma^{N+1} X)</math>. Der Einhängungsisomorphismus ist jetzt per Definition gültig und auch die Existenz einer langen exakten Sequenz kann man zeigen.

Die Koeffizienten der stabilen Homotopietheorie sind die ''stabilen Homotopiegruppen der [[Topologische Sphäre|Sphäre]]'', da die k-te Einhängung der 0-Sphäre die k-Sphäre ergibt. Diese sind äußerst schwer zu berechnen und nur teilweise bekannt, obgleich große Anstrengungen in diese Richtung unternommen wurden.

== Spektren ==
{{Hauptartikel|Spektrum (Topologie)}}
Ein ''Spektrum'' <math>\underline{E}</math> ist eine Folge von punktierten Räumen <math>E_n</math> mit Abbildungen <math>e_n\colon \Sigma E_n \rightarrow E_{n+1}</math>. Alternativ kann man auch die [[Adjunktion (Kategorientheorie)|adjungierten]] Abbildungen <math>e_n'\colon E_n \rightarrow \Omega E_{n+1}</math> angeben. Hierbei steht <math>\Omega E_{n+1}</math> für den [[Schleifenraum]] von <math>E_{n+1}</math>, d. h. die punktierten Abbildungen von der <math>S^1</math> nach <math>E_{n+1}</math> versehen mit der [[kompakt-offene Topologie|kompakt-offenen Topologie]]. Ist <math>e_n'</math> eine Homotopieäquivalenz für jedes n, so nennt man <math>\underline{E}</math> ein Omega-Spektrum.

Es besteht eine sehr enge Verbindung zwischen Spektren und Homologie- und Kohomologietheorien. Definiert man

::<math>\tilde{H}_n^E(X) = \varinjlim [\pi_n(E_0 \wedge X) \rightarrow \pi_{n+1}(\Sigma E_0 \wedge X) \rightarrow \pi_{n+1}(E_1 \wedge X) \rightarrow \cdots],</math>

so kann man zeigen, dass dieses <math>\tilde{H}_n^E</math> eine reduzierte Homologietheorie bildet. Das <math>\varinjlim</math> steht hierbei für den [[Kolimes|direkten Limes]] und das <math>\wedge</math> für das [[Smash-Produkt]]. Andererseits kann man jede reduzierte Homologietheorie auf diese Weise durch ein Spektrum [[Darstellbarkeit (Kategorientheorie)|darstellen]].

Für ein Omega-Spektrum <math>\underline{E}</math> ist <math>\tilde{H}^n_E(X) = [X, E_n]</math> eine reduzierte Kohomologietheorie. Nach dem Brownschen Darstellungssatz lässt sich jede reduzierte Kohomologietheorie auf diese Weise darstellen.

Das darstellende Spektrum <math>\underline{H}</math> für sowohl die [[singuläre Homologie]] als auch die [[singuläre Kohomologie]] mit Koeffizientengruppe G besteht aus den [[Eilenberg-MacLane-Raum|Eilenberg-MacLane-Räume]]n <math>K(G,n)</math>. Dies sind CW-Komplexe, die als n-te [[Homotopiegruppe]] G haben und deren sonstige Homotopiegruppen alle verschwinden. Da <math>\Omega K(G,n)</math> immer ein <math>K(G, n-1)</math> ist, kann man immer eine Homotopieäquivalenz <math>\Omega K(G,n) \rightarrow K(G, n-1)</math> finden, was <math>\underline{H}</math> zu einem Omega-Spektrum macht.

== Literatur ==
* [[Samuel Eilenberg]] & [[Norman Steenrod]]: ''Foundations of Algebraic Topology.'' Princeton University Press, 1964 (erstes Lehrbuch mit den Eilenberg-Steenrod-Axiomen)
* Allen Hatcher: ''[https://pi.math.cornell.edu/~hatcher/AT/ATpage.html Algebraic Topology].'' Cambridge University Press, 2002, ISBN 0521795400 (allgemeine Einführung in die algebraische Topologie)
* Robert M. Switzer: ''Algebraic Topology - Homology and Homotopy'' Springer, 2000, ISBN 3540427503 (geht ausführlich auf die Theorie der verschiedenen verallgemeinerten Homologie- und Kohomologietheorien und die der Spektren ein)

== Weblinks ==
* [https://encyclopediaofmath.org/wiki/Vietoris_homology Vietoris-Homologie]
[[Kategorie:Homologietheorie]]
[[Kategorie:Algebraische Topologie]]