„Hypallage“ – Versionsunterschied

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Die '''Hypallage''' [{{IPA|hypalaˈgeː, hyˈpalage}}] (von griechisch ὑπαλλαγή „Verwechslung“) ist eine ''[[rhetorische Figur]],'' die dadurch gekennzeichnet ist, dass der (gemeinte) inhaltliche Bezug eines Wortes von seinem (formulierten) [[grammatisch]]en Bezug abweicht, genauer gesagt der [[Semantik#Die_Semantik_natürlicher_Sprachen_(linguistische_Semantik)|semantische]] vom [[syntaktisch]]en Bezug. Damit ist die Beziehung zwischen den Wörtern einer Aussage quasi „verschoben“, sodass die Aussage [[Mehrdeutigkeit#Eine_Bedeutung_beabsichtigt,_eine_andere_steht_da|doppeldeutig]] wird. Bei [[Idiomatisierung|idiomatisierten]] Hypallagen wird diese Doppeldeutigkeit im alltäglichen Sprachgebrauch häufig nicht wahrgenommen.
Die '''Hypallage''' [{{IPA|hypalaˈgeː, hyˈpalage}}] (von {{grS|ὑπαλλαγή}} ''Verwechslung'') ist eine [[rhetorische Figur]], die dadurch gekennzeichnet ist, dass der (gemeinte) inhaltliche Bezug eines Wortes von seinem (formulierten) [[grammatisch]]en Bezug abweicht, genauer gesagt der [[Semantik#Die Semantik natürlicher Sprachen (linguistische Semantik)|semantische]] vom [[syntaktisch]]en Bezug. Damit ist die Beziehung zwischen den Wörtern einer Aussage quasi „verschoben“, sodass die Aussage [[Mehrdeutigkeit#Eine Bedeutung beabsichtigt, eine andere steht da|doppeldeutig]] wird. Bei [[Idiomatisierung|idiomatisierten]] Hypallagen wird diese Doppeldeutigkeit im alltäglichen Sprachgebrauch häufig nicht wahrgenommen.


Die häufigste Form der Hypallage ist die Zuordnung eines [[Attribut (Grammatik)#Attribute_beim_Substantiv|attributiven]] Adjektivs zum falschen Substantiv, die gewollt oder unfreiwillig komisch wirken kann. Auch wenn Grammatiken und Stillehren von solchen „reitenden Artilleriekasernen“ abraten und sie wegen eigentlich regelwidriger Bezugnahme als „falsche Fügungen“ bezeichnen,<ref name="Heuer">Walter Heuer/Max Flückiger/Peter Gallmann: ''Richtiges Deutsch. Vollständige Grammatik und Rechtschreiblehre,'' 32.&nbsp;Auflage, Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2017, S.&nbsp;503&nbsp;f.</ref> tritt diese Form der Hypallage auch im schriftlichen Sprachgebrauch auf.
Die häufigste Form der Hypallage ist die Zuordnung eines [[Attribut (Grammatik)#Attribute beim Substantiv|attributiven]] Adjektivs zum falschen Substantiv, die gewollt oder unfreiwillig komisch wirken kann. Auch wenn Grammatiken und Stillehren von solchen „reitenden Artilleriekasernen“ abraten und sie wegen eigentlich regelwidriger Bezugnahme als „falsche Fügungen“ bezeichnen,<ref name="Heuer">Walter Heuer/Max Flückiger/Peter Gallmann: ''Richtiges Deutsch. Vollständige Grammatik und Rechtschreiblehre,'' 32.&nbsp;Auflage, Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2017, S.&nbsp;503&nbsp;f.</ref> tritt diese Form der Hypallage auch im schriftlichen Sprachgebrauch auf.


== Hypallage, [[Enallage]] und [[Metonymie]] ==
== Hypallage, [[Enallage]] und [[Metonymie]] ==
Das Wort ''Hypallage'' wird auch als Bezeichnung für die Enallage und die Metonymie genutzt; die Definitionen variieren:<ref>https://wortwuchs.net/stilmittel/enallage/</ref>
Das Wort ''Hypallage'' wird auch als Bezeichnung für die Enallage und die Metonymie genutzt; die Definitionen variieren:<ref>https://wortwuchs.net/stilmittel/enallage/</ref>


* Bei der ''Enallage'' [{{IPA|ɛnʔalaˈgeː, ɛnˈʔalage}}] (von [[griechische Sprache|griechisch]] ἐναλλαγή „Vertauschung“) führt die grammatische Zuordnung des [[Attribut (Grammatik)|Attributes]] zu einem Wort oder Wortbestandteil, zu dem es inhaltlich nicht gehört. ''Herders Conversations-Lexicon'' (1854) bezeichnet die Enallage als Vertauschung von Wörtern der gleichen Wortklasse auch als ''Heterosis'' und unterscheidet davon die von Wörtern unterschiedlicher Wortklassen als ''Allöosis''.<ref>[http://www.zeno.org/Herder-1854/A/Enallage Herders Conversations-Lexicon 1854]</ref> ''Wahrigs Deutsches Wörterbuch'' sieht jedoch wenig Unterschied zwischen Hypallage und Enallage: Dort wird die Enallage als „Verschiebung der Beziehung von Wörtern zueinander“ definiert, die Hypallage als „Veränderung der Beziehungen von Wörtern zueinander, Veränderung und Vertauschung von Satzteilen“.<ref>https://educalingo.com/de/dic-de/hypallage</ref>
* Bei der ''Enallage'' [{{IPA|ɛnʔalaˈgeː, ɛnˈʔalage}}] (von altgriechisch ἐναλλαγή ''Vertauschung'') führt die grammatische Zuordnung des [[Attribut (Grammatik)|Attributes]] zu einem Wort oder Wortbestandteil, zu dem es inhaltlich nicht gehört. ''Herders Conversations-Lexicon'' (1854) bezeichnet die Enallage als Vertauschung von Wörtern der gleichen Wortklasse auch als ''Heterosis'' und unterscheidet davon die von Wörtern unterschiedlicher Wortklassen als ''Allöosis''.<ref>[http://www.zeno.org/Herder-1854/A/Enallage Herders Conversations-Lexicon 1854]</ref> ''Wahrigs Deutsches Wörterbuch'' sieht jedoch wenig Unterschied zwischen Hypallage und Enallage: Dort wird die Enallage als „Verschiebung der Beziehung von Wörtern zueinander“ definiert, die Hypallage als „Veränderung der Beziehungen von Wörtern zueinander, Veränderung und Vertauschung von Satzteilen“.<ref>https://educalingo.com/de/dic-de/hypallage</ref>


* ''Hypallage'' kommt auch als gleichbedeutend mit ''Metonymie'' vor.<ref>https://www.duden.de/rechtschreibung/Hypallage</ref> Die Bezeichnung ''Hypallage'' für ''Metonymie'' findet sich beispielsweise bei [[Cicero]].<ref>Gerd Ueding, Bernd Steinbrink: ''Grundriß der Rhetorik. Geschichte – Technik – Methode.'' 2. Auflage. Metzler, Stuttgart 1986, Seite 272. ISBN 3-476-00557-7.</ref> Im Deutschen ist die Abgrenzung deutlicher als im Lateinischen, denn die Metonymie ersetzt gewisse Wörter durch Wörter mit verwandten Bedeutungen, während die Hypallage Beziehungen zu nicht gemeinten Wörtern eines Satzes enthält.
* ''Hypallage'' kommt auch als gleichbedeutend mit ''Metonymie'' vor.<ref>[[Gero von Wilpert]]: ''Sachwörterbuch der Literatur'' (= ''Kröners Taschenausgabe'', Band 231). 4., verbesserte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 1964, S. 288.</ref> Die Bezeichnung ''Hypallage'' für ''Metonymie'' findet sich beispielsweise bei [[Cicero]].<ref>Gerd Ueding, Bernd Steinbrink: ''Grundriß der Rhetorik. Geschichte – Technik – Methode.'' 2. Auflage. Metzler, Stuttgart 1986, Seite 272. ISBN 3-476-00557-7.</ref> Im Deutschen ist die Abgrenzung deutlicher als im Lateinischen, denn die Metonymie ersetzt gewisse Wörter durch Wörter mit verwandten Bedeutungen, während die Hypallage Beziehungen zu nicht gemeinten Wörtern eines Satzes enthält.


== Beispiele ==
== Beispiele ==
* [[Vergil]], ''[[Georgica]]'' IV, 429f.: {{laS|cum Proteus consueta petens e fluctibus antra / ibat […]}} – „als [[Proteus (Mythologie)|Proteus]]“ seine gewohnte Grotte aufsuchte und aus den Fluten stieg […]“. Das [[Partizip]] ''consueta'' drückt grammatisch aus, dass die Grotte sich daran gewöhnt hat, dabei ist es eigentlich Proteus.<ref>E. Adelaide Hahn: ''Source of Vergilian Hypallage.'' In: ''The Vergilian Digest'' 1957, No. 3, S. 12 ff., hier S. 12.</ref>
=== Fehlbezug des Adjektivs bei [[Komposition_(Grammatik)|Komposita]] ===
* Vergil, [[Aeneis]], VI, 286: Von den Toten in der [[Unterwelt]]: ''Ibant obscuri sola sub nocte per umbram'' – „Dunkel gingen sie in einsamer Nacht durch den Schatten“. Hier liegt eine doppelte Hypallage vor, da sich semantisch ''dunkel'' auf den Schatten und ''einsam'' auf die Toten bezieht.<ref>Sonia Branca-Rosoff und Thomas Zinsmaier: ''Hypallage.'' In: [[Gert Ueding]] (Hrsg.): ''[[Historisches Wörterbuch der Rhetorik]]'', Bd. 4, Max Niemeyer, Tübingen 1998, Sp. 106-110, hier Sp. 107.</ref>
Bei diesem Typus, der nach einer Stilblüte aus der preußischen Militärkanzleisprache auch ''reitende Artilleriekaserne'' genannt wird, bezieht sich das Adjektiv semantisch auf das Erstglied des Kompositums (Artillerie) statt auf das Grundwort (Kaserne) oder den Gesamtbegriff. Neben bewusst lächerlichen Bildungen wie ''fünfköpfiger Familienvater'' oder ''heißer Würstchenverkäufer'' gehören diesem Typus auch [[Alltagssprache|alltagssprachliche]] Fügungen wie ''goldenes Hochzeitspaar'' oder ''kalte Speisenkarte'' an, aber auch unauffällige und [[Standarddeutsch|standardsprachlich]] anerkannte Fügungen:
* [[Paul Valéry]], ''Le cimetière marin'' (1920): {{frS|«Ou tant de marbre est tremblant sur tant d’ombre}} („Wo so viel [[Marmor]] auf so viel Schatten zittert“) – gemeint sind eigentlich die sich bewegenden Schatten der Blätter auf dem an sich unbeweglichen Marmor.<ref>Sonia Branca-Rosoff und Thomas Zinsmaier: ''Hypallage.'' In: Gert Ueding (Hrsg.): ''Historisches Wörterbuch der Rhetorik,'' Bd. 4, Max Niemeyer, Tübingen 1998, Sp. 106-110, hier 109.</ref>
* [[akute Belastungsreaktion]] (für ''Reaktion auf akute Belastung'')
* „die schlanke Baukunst der [[Gotik]]“. Gemeint ist nicht, dass die Baukunst selbst schlank wäre, sondern die gotischen Bauten sind es.<ref>[[Hadumod Bußmann]] (Hrsg.): ''Lexikon der Sprachwissenschaft.'' 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2002, ISBN 3-520-45203-0, S. 285.</ref>
* [[Bürgerliches Gesetzbuch]] (für ''Buch der bürgerlichen Gesetze'')
* [[chronisches Erschöpfungssyndrom]] (für ''Syndrom chronischer Erschöpfung'')
* [[Deutsche Sprachwelt]] (für ''Welt der deutschen Sprache'')
* erweiterte Vorstandssitzung (für ''Sitzung des erweiterten Vorstands'')
* [[Sankt Andreasberg]] (für ''Sankt-Andreas-Berg'' – nicht der Berg ist heilig, sondern der [[Hl. Andreas]])
* Schwarzer Johannisbeersaft (Saft der [[Schwarze Johannisbeere|Schwarzen Johannisbeere]])
* Schwarzer Johannisbeertrester ([[Tresterbrand|Tresterschnaps]] aus Schwarzen Johannisbeeren, der im Gegensatz zu Schwarzem Johannisbeersaft keine dunkle Farbe hat, sondern klar ist)
* [[übertragbare Einzelstimmgebung]] (Bezeichnung für ein Wahlverfahren mit übertragbaren Einzelstimmen)
* [[virtuelle Speicherverwaltung]] (für ''Verwaltung des virtuellen Speichers'')
* [[weibliche Genitalverstümmelung]] (für ''Verstümmelung weiblicher Genitalien'')

=== Fehlbezug des Adjektivs bei attributivem Genitiv oder partitiver Apposition ===
Bei diesem Typus bezieht sich das Adjektiv semantisch nicht auf das nachfolgende Substantiv, sondern auf das davon abhängige Genitivattribut bzw. die davon abhängige partitive Apposition:
* „in baldiger Erwartung Ihrer Antwort“ (für ''in Erwartung Ihrer baldigen Antwort'')
* eine gute Flasche Wein (für ''eine Flasche guten Weins'')
* [[Frühe Stätten der Christenheit]] (für ''Stätten der frühen Christenheit'' – eine erfolgreiche Hörfunkreihe und Buchpublikation aus den 1950er Jahren)

=== [[Ellipse (Sprache)|Elliptischer]] Fehlbezug des Adjektivs ===
Insbesondere bei diesem Typus ist die [[Sprachökonomie|sprachökonomische]] Motivation bei der Bildung von Hypallagen erkennbar:
* [[Deutscher Sprachpreis]] (für ''Preis für die Pflege der deutschen Sprache'')
* [[diskrete Mathematik]] (für ''Mathematik diskreter Mengen'')
* [[elektrischer Verbraucher]] (für ''Verbraucher elektrischer Energie'')
* [[humanitäre Katastrophe]] (für ''Katastrophe in humanitärer Hinsicht'')
* kalte Temperaturen (für ''als kalt empfundene Temperaturen'')
* kostenlose Bestellung (für ''Bestellung einer kostenlosen Leistung'')
* der mutmaßliche Mörder (für ''der Mann, der hier mutmaßlich gemordet hat'')
* [[öffentliches Recht]] (Rechtsordnung, die das Verhältnis zwischen der öffentlichen Gewalt und den Bürgern regelt)
* plastischer Chirurg (für ''Chirurg, der [[Plastische Chirurgie|plastische Operationen]] durchführt'')
* die schlanke Baukunst der Gotik (für ''die Kunst der Gotik, schlanke Gebäude zu bauen'')
* [[Ständiger Diakonat]] (Bezeichnung für das Amt des Ständigen Diakons)
* stehende Ovationen (für ''Ovationen, die im Stehen erbracht werden'' – Bezeichnung für stürmischen Beifall, bei dem sich das Publikum von den Plätzen erhebt)
* [[Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft]] (für ''Verband der Stifter für die Deutsche Wissenschaft'')

=== Missverständlicher Bezug von Pronomen ===
* „Er starb an vergifteten Feigen, die er besonders gerne aß.“<ref>Plakat mit Bildern aller Päpste mit Kurzbiographien, deutsche Fassung (die italienische Fassung ist in Ordnung), ohne Jahr, gekauft 1989, Verlag Memmo Caporilli, Rom, über [[Benedikt XI.]], gestorben [[1304]]</ref> (das Relativpronomen „die“ bezieht sich semantisch nur auf „Feigen“, aber grammatisch auf „vergiftete Feigen“)

=== Andere Beispiele ===
* ein eingebildeter Kranker (für ''ein eingebildet Kranker'' – Bezeichnung für [[Hypochonder]], also Menschen, die weder eingebildet noch krank sind, sondern sich ihre Krankheit nur einbilden; nach der [[Komödie]] „[[Der eingebildete Kranke]]“ von [[Molière]])
* gute Bekannte (für ''gut Bekannte''), nahe Verwandte (für ''nah Verwandte'')
* „Ich lade euch am 1.&nbsp;April ein zur Feier meines Geburtstags.“ (für ''Ich lade euch zur Feier meines Geburtstags am 1.&nbsp;April ein'' – nicht die Einladung findet am 1.&nbsp;April statt, sondern die Geburtstagsfeier)
* internationale Experten (für ''Experten aus mehreren Ländern''), internationale Gäste (für ''Gäste aus dem Ausland'')
* mindestens haltbar bis … (für ''haltbar bis mindestens …'')
* Vorspiegelung falscher Tatsachen (für ''Vorspiegelung nicht existierender Sachverhalte als Tatsachen'' – §263 [[Strafgesetzbuch (Deutschland)|StGB]])
* Im [[Latein]]ischen findet sich auch die – im [[deutsche Sprache|Deutschen]] meist nicht nachahmbare – Verschiebung der Verkleinerungsform ([[Diminutiv]]) vom Substantiv auf das Adjektiv, zum Beispiel ''barbatuli iuvenes'' (Cicero: Ad Att. 1,14,5 – „ein bisschen bärtige Jugendliche“ statt „bärtige Jüngelchen“).

== Verwandtes ==
* an jedem ersten Sonntag des Monats (Vermengung/Kontamination von ''am ersten Sonntag jedes Monats'' und ''an jedem ersten Sonntag im Monat'')
* die Rote-Kreuz-Schwester, die Rotes-Kreuz-Schwester (für ''die Rotkreuzschwester'')<ref>https://grammis.ids-mannheim.de/fragen/3034</ref>
* der Weiße-Haus-Sprecher, der Weißes-Haus-Sprecher (für ''der Sprecher des Weißen Hauses'')
* „Wenn deine Augen eine Frau erblicken, so schlage sie nieder.“ (doppeldeutige Übersetzung einer alten Mönchsregel – „sie“ kann sich sowohl auf die „Augen“ als auch auf die „Frau“ beziehen)


== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Hadumod Bußmann]] (Hrsg.): ''Lexikon der Sprachwissenschaft.'' 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2002, ISBN 3-520-45203-0, S. 285.
* [[Heinrich Lausberg]]: ''Elemente der literarischen Rhetorik.'' Hueber, München 1963, § 315, 324, Seite 102, 105.
* [[Heinrich Lausberg]]: ''Elemente der literarischen Rhetorik.'' Hueber, München 1963, § 315, 324, Seite 102, 105.
* Sonia Branca-Rosoff und Thomas Zinsmaier: Hypallage. In: [[Gert Ueding]] (Hrsg.): ''[[Historisches Wörterbuch der Rhetorik]]'', Bd. 4, Max Niemeyer, Tübingen 1998, Sp. 106-110.


== Weblinks ==
== Weblinks ==

Version vom 12. Mai 2021, 13:10 Uhr

Die Hypallage [hypalaˈgeː, hyˈpalage] (von Vorlage:GrS Verwechslung) ist eine rhetorische Figur, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der (gemeinte) inhaltliche Bezug eines Wortes von seinem (formulierten) grammatischen Bezug abweicht, genauer gesagt der semantische vom syntaktischen Bezug. Damit ist die Beziehung zwischen den Wörtern einer Aussage quasi „verschoben“, sodass die Aussage doppeldeutig wird. Bei idiomatisierten Hypallagen wird diese Doppeldeutigkeit im alltäglichen Sprachgebrauch häufig nicht wahrgenommen.

Die häufigste Form der Hypallage ist die Zuordnung eines attributiven Adjektivs zum falschen Substantiv, die gewollt oder unfreiwillig komisch wirken kann. Auch wenn Grammatiken und Stillehren von solchen „reitenden Artilleriekasernen“ abraten und sie wegen eigentlich regelwidriger Bezugnahme als „falsche Fügungen“ bezeichnen,[1] tritt diese Form der Hypallage auch im schriftlichen Sprachgebrauch auf.

Hypallage, Enallage und Metonymie

Das Wort Hypallage wird auch als Bezeichnung für die Enallage und die Metonymie genutzt; die Definitionen variieren:[2]

  • Bei der Enallage [ɛnʔalaˈgeː, ɛnˈʔalage] (von altgriechisch ἐναλλαγή Vertauschung) führt die grammatische Zuordnung des Attributes zu einem Wort oder Wortbestandteil, zu dem es inhaltlich nicht gehört. Herders Conversations-Lexicon (1854) bezeichnet die Enallage als Vertauschung von Wörtern der gleichen Wortklasse auch als Heterosis und unterscheidet davon die von Wörtern unterschiedlicher Wortklassen als Allöosis.[3] Wahrigs Deutsches Wörterbuch sieht jedoch wenig Unterschied zwischen Hypallage und Enallage: Dort wird die Enallage als „Verschiebung der Beziehung von Wörtern zueinander“ definiert, die Hypallage als „Veränderung der Beziehungen von Wörtern zueinander, Veränderung und Vertauschung von Satzteilen“.[4]
  • Hypallage kommt auch als gleichbedeutend mit Metonymie vor.[5] Die Bezeichnung Hypallage für Metonymie findet sich beispielsweise bei Cicero.[6] Im Deutschen ist die Abgrenzung deutlicher als im Lateinischen, denn die Metonymie ersetzt gewisse Wörter durch Wörter mit verwandten Bedeutungen, während die Hypallage Beziehungen zu nicht gemeinten Wörtern eines Satzes enthält.

Beispiele

  • Vergil, Georgica IV, 429f.: lateinisch cum Proteus consueta petens e fluctibus antra / ibat […] – „als Proteus“ seine gewohnte Grotte aufsuchte und aus den Fluten stieg […]“. Das Partizip consueta drückt grammatisch aus, dass die Grotte sich daran gewöhnt hat, dabei ist es eigentlich Proteus.[7]
  • Vergil, Aeneis, VI, 286: Von den Toten in der Unterwelt: Ibant obscuri sola sub nocte per umbram – „Dunkel gingen sie in einsamer Nacht durch den Schatten“. Hier liegt eine doppelte Hypallage vor, da sich semantisch dunkel auf den Schatten und einsam auf die Toten bezieht.[8]
  • Paul Valéry, Le cimetière marin (1920): französisch «Ou tant de marbre est tremblant sur tant d’ombre („Wo so viel Marmor auf so viel Schatten zittert“) – gemeint sind eigentlich die sich bewegenden Schatten der Blätter auf dem an sich unbeweglichen Marmor.[9]
  • „die schlanke Baukunst der Gotik“. Gemeint ist nicht, dass die Baukunst selbst schlank wäre, sondern die gotischen Bauten sind es.[10]

Literatur

Wiktionary: Hypallage – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Metonymie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Walter Heuer/Max Flückiger/Peter Gallmann: Richtiges Deutsch. Vollständige Grammatik und Rechtschreiblehre, 32. Auflage, Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2017, S. 503 f.
  2. https://wortwuchs.net/stilmittel/enallage/
  3. Herders Conversations-Lexicon 1854
  4. https://educalingo.com/de/dic-de/hypallage
  5. Gero von Wilpert: Sachwörterbuch der Literatur (= Kröners Taschenausgabe, Band 231). 4., verbesserte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 1964, S. 288.
  6. Gerd Ueding, Bernd Steinbrink: Grundriß der Rhetorik. Geschichte – Technik – Methode. 2. Auflage. Metzler, Stuttgart 1986, Seite 272. ISBN 3-476-00557-7.
  7. E. Adelaide Hahn: Source of Vergilian Hypallage. In: The Vergilian Digest 1957, No. 3, S. 12 ff., hier S. 12.
  8. Sonia Branca-Rosoff und Thomas Zinsmaier: Hypallage. In: Gert Ueding (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 4, Max Niemeyer, Tübingen 1998, Sp. 106-110, hier Sp. 107.
  9. Sonia Branca-Rosoff und Thomas Zinsmaier: Hypallage. In: Gert Ueding (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 4, Max Niemeyer, Tübingen 1998, Sp. 106-110, hier 109.
  10. Hadumod Bußmann (Hrsg.): Lexikon der Sprachwissenschaft. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2002, ISBN 3-520-45203-0, S. 285.