„Tonnenideologie“ – Versionsunterschied

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Als '''Tonnenideologie''' wird abwertend eine [[Produktionsplanung]] bezeichnet, die ausschließlich einfache, messbare und summierbare Größen vorgibt, ohne dass [[Nachfrage]], [[Nutzen (Wirtschaft)|Nutzen]] oder [[Qualität]] eine Rolle spielen.
Als '''Tonnenideologie''' wird abwertend eine [[Produktionsplanung]] bezeichnet, die ausschließlich einfache, messbare und summierbare Größen vorgibt, ohne dass [[Nachfrage]], [[Nutzen (Wirtschaft)|Nutzen]] oder [[Qualität]] eine Rolle spielen. Die „Tonnenideologie“ wird in der [[Wirtschaftswissenschaft]] als Beispiel für [[Goodharts Gesetz]] besprochen.


== Zentralverwaltungswirtschaft ==
== Zentralverwaltungswirtschaft ==
Der Begriff wurde zur Beurteilung der [[Zentralverwaltungswirtschaft]]en geprägt. Die [[Planwirtschaft]] in den [[Realsozialismus|Sozialistischen Staaten]] legte in den [[Fünfjahrplan|Mehrjahresplänen]] detailliert fest, welche Produkte in welchen Mengen produziert werden sollten.
Der Begriff wurde zur Beurteilung der [[Zentralverwaltungswirtschaft]]en geprägt. Er leitet sich aus den [[Tonnage]]vorgaben für die Schwerindustrie im Rahmen der [[Planwirtschaft]] in [[Realsozialismus|sozialistischen Staaten]] ab, bei der in [[Fünfjahresplan|Fünfjahresplänen]] detailliert festgelegt wurde, welche Produkte in welchen Mengen produziert werden sollten. Weiters wird die Bezeichnung auch auf eine Forderung [[Josef Stalin]]s zurückgeführt; dieser hatte gefordert, dass die [[Sowjetunion]] bei den produzierten Waren die USA in der Tonnage überholen müsse.<ref>Birgit Wolf: ''Sprache in der DDR. Ein Wörterbuch''. de Gruyter, Berlin 2000, ISBN 3-11-016427-2, Stichwort „Tonnenindeologie“, S. 225.</ref>


Die Planung und auch die Kontrolle der [[Planerfüllung]] wurden unter anderem jeweils nach Gewicht oder Anzahl der produzierten Produkte erstellt. Aus den [[Tonnage]]vorgaben der Schwerindustrie leitet sich der Begriff selbst ab. Die Qualität der Produkte spielte hierbei keine Rolle. Als ein Grund für eine Planung anhand der Mengen statt anhand zusätzlicher qualitativer Faktoren wird die Überforderung der Planungsbehörden mit der Menge der benötigen Detailinformationen genannt.<ref>Werner Lachmann: Volkswirtschaftslehre 2: Anwendungen, 2. Auflage, 2003, ISBN 3540202196, Seite 55, [http://books.google.de/books?id=VzRPv7DaQdUC&pg=PA55&lpg=PA55&dq=Tonnenideologie&source=bl&ots=ejToZzMZgR&sig=vtZVfxGPB7ZBiVj6k-2KXTV6-kk&hl=de&sa=X&ei=YmUGUOfuG-nZ4QSY2632CA&ved=0CF0Q6AEwCTgK#v=onepage&q=Tonnenideologie&f=false online]</ref>
Die Vorgaben zur [[Planerfüllung]] und auch deren Kontrolle orientierten sich unter anderem an Gewicht oder Anzahl der produzierten Produkte, die Qualität der Produkte spielte hierbei jedoch keine Rolle. Als Folge dieser willkürlichen [[Anreiz]]setzung kam es zu Qualitätsmängeln, Fehlsteuerungen und falschen Investitionsstrategien. Ein Grund, der für diese Planung ausschließlich nach Mengen ohne Berücksichtigung zusätzlicher qualitativer Faktoren genannt wird, ist die Überforderung der Planungsbehörden mit der für den menschlichen Geist nicht erfassbaren Menge der benötigten Detailinformationen.<ref>[[Werner Lachmann]]: ''Volkswirtschaftslehre'', Bd. 2: ''Anwendungen''. Springer, Berlin, 2. Auflage 2003, ISBN 3-540-20219-6, S. 55.</ref> Hilfsmittel wie der Computer waren zur damaligen Zeit nicht leistungsfähig genug, Produktionsmengen einer Volkswirtschaft zu berechnen.


Als Symbol dieser Tonnenideologie werden in der Literatur die [[Sowjetunion|sowjetische]] [[Stachanow-Bewegung]] und die Hennecke-Bewegung in der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] genannt.<ref>John Dornberg: ''Deutschlands andere Hälfte. Profil und Charakter der DDR''. Molden, Wien 1969, S. 171.</ref> Die Hennecke-Bewegung war nach dem Bergmann [[Adolf Hennecke]] benannt, der am 13.&nbsp;Oktober 1948 in einer gut vorbereiteten Schicht 24,4 Kubikmeter Kohle förderte und damit die damals geltende [[Arbeitsnorm]] mit 387 Prozent deutlich [[Planübererfüllung|übererfüllte]].
Die Bezeichnung wird auf eine Forderung [[Josef Stalin]]s zurückgeführt, der gefordert hatte, die Sowjetunion müsse gemessen in der Tonnage der produzierten Waren, die USA überholen. <ref>Birgit Wolf: Sprache in der DDR:Ein Wörterbuch, 2000, ISBN 3-11-016427-2, , Stichwort "Tonnenindeologie, Seite 225</ref>


Als Symbol dieser Tonnenideologie wird in der Literatur die [[Stachanow-Bewegung]] in der [[Sowjetunion]] bzw. die [[Hennecke-Bewegung]] in der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] genannt<ref>Ralf Geissler: Sozialistischer Wettbewerb - Maßstab für die Haltung zum Volkseigentum?, 2002, ISBN 3638108287, Seite 12, [http://books.google.de/books?id=IgcLF3N1NwsC&pg=PA12&lpg=PA12&dq=Hennecke-Bewegung++Tonnenideologie&source=bl&ots=N4B5YKvgOR&sig=DcmHUpgwFMlLtJOdSOSHi7Xd1qs&hl=de&sa=X&ei=smEGUK6GF-jT4QSVubHrCA&ved=0CDEQ6AEwAA#v=onepage&q=Hennecke-Bewegung%20%20Tonnenideologie&f=false online]</ref><ref>John Dornberg: Deutschlands andere Hälfte: Profil und Charakter der DDR, 1969, Seite 171</ref>. Die Hennecke-Bewegung war nach [[Adolf Hennecke]] benannt, der am 13. Oktober 1948 in einer gut vorbereiteten Schicht 24,4 Kubikmeter Kohle förderte und die [[Arbeitsnorm]] mit 387 Prozent erfüllte. Da die reine Orientierung auf Quantität in Produktionsprozessen auf eine Vernachlässigung der Qualität hinauslaufen kann, wurde auch die Steigerung der Qualität propagiert. So wurde z.&nbsp;B. im Juli 1949 in der SBZ auch auf Initiative von [[Luise Ermisch]] der Wettbewerb um den Titel ''Brigade der besten Qualität'' ausgerufen.
Nachdem in Produktionsprozessen bei einer reinen Orientierung auf Quantität das Risiko einer Vernachlässigung der Qualität besteht, wurde in der DDR auch eine Steigerung der Qualität propagiert. So wurde z.&nbsp;B. im Juli 1949 in der [[SBZ]] auch auf Initiative von [[Luise Ermisch]] der Wettbewerb um den Titel ''Brigade der besten Qualität'' ausgerufen.

Folge dieser willkürlichen [[Anreiz]]setzung waren Qualitätsmängel und Fehlsteuerungen sowie eine falsche Investitionsstrategie.


== Politisches Schlagwort ==
== Politisches Schlagwort ==
In der politischen Auseinandersetzung dient der Begriff der Tonnenideologie vielfach als [[politisches Schlagwort]]. Mit der Verwendung wird der jeweiligen Gegenseite vorgeworfen, Qualität zu Gunsten von Menge zu vernachlässigen.
In der politischen Auseinandersetzung dient der Begriff der Tonnenideologie vielfach als [[politisches Schlagwort]]. Mit der Verwendung wird der jeweiligen Gegenseite vorgeworfen, Qualität zu Gunsten von Quantität zu vernachlässigen.


== Quellen ==
== Quellen ==
* [http://www.bpb.de/publikationen/OY8Z90,2,0,Wirtschaft_in_beiden_deutschen_Staaten_(Teil_2).html Burghard Ciesla: Wirtschaftliche Entwicklung und Lebenslage in der DDR, Bundeszentrale für politische Bildung]
* Burghard Ciesla: [http://www.bpb.de/publikationen/OY8Z90,2,0,Wirtschaft_in_beiden_deutschen_Staaten_(Teil_2).html ''Wirtschaftliche Entwicklung und Lebenslage in der DDR.''] In: ''bpb.de.'' Bundeszentrale für politische Bildung, 24.&nbsp;Dezember 2002.


== Einzelnachweise ==
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[[Kategorie:Wirtschaft (DDR)]]
[[Kategorie:Wirtschaft (DDR)]]
[[Kategorie:Sozialismus]]
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Aktuelle Version vom 7. Dezember 2023, 01:29 Uhr

Ein Nagel von einer Tonne Gewicht kann einen Produktionsplan für Nägel genauso erfüllen wie eine Tonne kleiner Nägel, ist aber nutzlos

Als Tonnenideologie wird abwertend eine Produktionsplanung bezeichnet, die ausschließlich einfache, messbare und summierbare Größen vorgibt, ohne dass Nachfrage, Nutzen oder Qualität eine Rolle spielen. Die „Tonnenideologie“ wird in der Wirtschaftswissenschaft als Beispiel für Goodharts Gesetz besprochen.

Zentralverwaltungswirtschaft

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Der Begriff wurde zur Beurteilung der Zentralverwaltungswirtschaften geprägt. Er leitet sich aus den Tonnagevorgaben für die Schwerindustrie im Rahmen der Planwirtschaft in sozialistischen Staaten ab, bei der in Fünfjahresplänen detailliert festgelegt wurde, welche Produkte in welchen Mengen produziert werden sollten. Weiters wird die Bezeichnung auch auf eine Forderung Josef Stalins zurückgeführt; dieser hatte gefordert, dass die Sowjetunion bei den produzierten Waren die USA in der Tonnage überholen müsse.[1]

Die Vorgaben zur Planerfüllung und auch deren Kontrolle orientierten sich unter anderem an Gewicht oder Anzahl der produzierten Produkte, die Qualität der Produkte spielte hierbei jedoch keine Rolle. Als Folge dieser willkürlichen Anreizsetzung kam es zu Qualitätsmängeln, Fehlsteuerungen und falschen Investitionsstrategien. Ein Grund, der für diese Planung ausschließlich nach Mengen ohne Berücksichtigung zusätzlicher qualitativer Faktoren genannt wird, ist die Überforderung der Planungsbehörden mit der für den menschlichen Geist nicht erfassbaren Menge der benötigten Detailinformationen.[2] Hilfsmittel wie der Computer waren zur damaligen Zeit nicht leistungsfähig genug, Produktionsmengen einer Volkswirtschaft zu berechnen.

Als Symbol dieser Tonnenideologie werden in der Literatur die sowjetische Stachanow-Bewegung und die Hennecke-Bewegung in der DDR genannt.[3] Die Hennecke-Bewegung war nach dem Bergmann Adolf Hennecke benannt, der am 13. Oktober 1948 in einer gut vorbereiteten Schicht 24,4 Kubikmeter Kohle förderte und damit die damals geltende Arbeitsnorm mit 387 Prozent deutlich übererfüllte.

Nachdem in Produktionsprozessen bei einer reinen Orientierung auf Quantität das Risiko einer Vernachlässigung der Qualität besteht, wurde in der DDR auch eine Steigerung der Qualität propagiert. So wurde z. B. im Juli 1949 in der SBZ auch auf Initiative von Luise Ermisch der Wettbewerb um den Titel Brigade der besten Qualität ausgerufen.

Politisches Schlagwort

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In der politischen Auseinandersetzung dient der Begriff der Tonnenideologie vielfach als politisches Schlagwort. Mit der Verwendung wird der jeweiligen Gegenseite vorgeworfen, Qualität zu Gunsten von Quantität zu vernachlässigen.

Einzelnachweise

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  1. Birgit Wolf: Sprache in der DDR. Ein Wörterbuch. de Gruyter, Berlin 2000, ISBN 3-11-016427-2, Stichwort „Tonnenindeologie“, S. 225.
  2. Werner Lachmann: Volkswirtschaftslehre, Bd. 2: Anwendungen. Springer, Berlin, 2. Auflage 2003, ISBN 3-540-20219-6, S. 55.
  3. John Dornberg: Deutschlands andere Hälfte. Profil und Charakter der DDR. Molden, Wien 1969, S. 171.