„Tributylzinn-Verbindungen“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Tributylzinn-Verbindungen V1.svg|miniatur|hochkant=1.4|Allgemeine Struktur von Tributylzinn-Verbindungen. R kann ein Organyl-Rest (Alkyl-Rest, Aryl-Rest, Arylalkyl-Rest etc.), ein Wasserstoff oder ein Halogen sein.]]
[[Datei:Tributylzinn-Verbindungen V1.svg|miniatur|hochkant=1.4|Allgemeine Struktur von Tributylzinn-Verbindungen. R kann unter anderem ein Organyl-Rest (Alkyl-Rest, Aryl-Rest, Arylalkyl-Rest etc.), ein Wasserstoff oder ein Halogen sein.]]


'''Tributylzinn-Verbindungen''' (abgekürzt ''TBT'' für {{enS|''Tributyltin''}}) sind [[zinnorganische Verbindungen]] mit drei [[Butylgruppe]]n.
'''Tributylzinn-Verbindungen''' (abgekürzt ''TBT'' für {{enS|Tributyltin}}) sind [[zinnorganische Verbindungen]] mit drei [[Butylgruppe]]n. Verwandte Verbindungen sind die Stoffgruppen der [[Monobutylzinn-Verbindungen]] und [[Dibutylzinn-Verbindungen]] sowie das [[Tetrabutylzinn]].


== Darstellung ==
== Darstellung ==
Tributylzinnverbindungen werden ausgehend von [[Zinntetrachlorid]] und [[Butylmagnesiumbromid]] hergestellt. Diese Reaktionen kann nicht selektiv zur dreifachen Substitution geführt werden, daher entsteht zunächst [[Tetrabutylzinn]]. Die Reaktion wird in [[Diethylether]] am Rückfluss durchgeführt oder, im industriellen Bereich in [[Toluol]] mit einem geringen Zusatz an Diethylether, der für die [[Grignard-Reaktion]] notwendig ist.<ref>{{Literatur |Autor=Alwyn George Davies |Titel=Organotin chemistry |Verlag=VCH |Ort=Weinheim ; New York |Datum=1997 |ISBN=978-3-527-29049-9 |Seiten=28}}</ref>
Triorganozinnhalogenide lassen sich aus Tetraorganozinnverbindungen durch [[elektrophile Substitution]] herstellen:
:<math>\mathrm{ SnR_4 + \ SnCl_4 \ \xrightarrow[]{} \ \ SnCl_3R + \ SnClR_3}</math>
:<math>\mathrm{ SnR_4 + \ X_2 \ \xrightarrow[]{} \ \ RX + \ SnXR_3 \ \ X_2 = Cl_2, Br_2 \ der \ I_2}</math>
:<math>\mathrm{ SnR_4 + \ HX \ \xrightarrow[]{} \ \ RH + \ SnXR_3 \ \ X = Cl \ oder \ Br}</math>
:<math>\mathrm{ R=organischer \ \ Rest}</math>


Die Umsetzung von Tetrabutylzinn und Zinntetrachlorid zu [[Tributylzinnchlorid]] verläuft über die [[Kocheshkov-Umlagerung]]. Diese basiert darauf, dass Halogenatome und Organylreste zwischen Zinnverbindungen ausgetauscht werden. Die Austausch eines ersten Restes (siehe Gleichung) findet schon bei Raumtemperatur statt, während das Reaktionsgemisch für einen weiteren Austausch auf über 200 °C erhitzt werden muss. Liegen die Edukte im Verhältnis 3:1 vor, wird Tributylzinnchlorid in guter Ausbeute erhalten.<ref>{{Literatur |Autor=Alwyn G. Davies |Titel=Organotin chemistry |Verlag=VCH |Ort=Weinheim |Datum=1997 |ISBN=978-3-527-29049-9 |Seiten=127}}</ref>
Aus diesen Triorganozinnhalogeniden lässt sich das Hydrid durch Reaktion mit [[Reduktionsmittel]]n wie [[Lithiumaluminiumhydrid]] gewinnen:
:<math>\mathrm{ SnBu_4 + \ SnCl_4 \ \xrightarrow[]{} \ \ SnCl_3Bu + \ SnClBu_3}</math>

Tributylzinnchlorid ist die Ausgangsverbindung zur Herstellung der meisten anderen Tributylzinnverbindungen. Die Hydrolyse ergibt bei niedrigen Temperaturen (0 °C bis 5 °C) Tributylzinnhydroxid. Bei Erwärmung reagiert dieses unter Wasserabspaltung zu Bis(tributylzinn)oxid.<ref>{{Literatur |Autor=Alwyn G. Davies |Titel=Organotin chemistry |Verlag=VCH |Ort=Weinheim |Datum=1997 |ISBN=978-3-527-29049-9 |Seiten=138}}</ref>

[[Carbonsäureester]] des Tributylzinns können durch Umsetzung von [[Tributylzinnhydroxid]] oder [[Bis(tributylzinn)oxid]] mit einer entsprechenden [[Carbonsäuren|Carbonsäure]] hergestellt werden.<ref>{{Literatur |Autor=Alwyn George Davies |Titel=Organotin chemistry |Verlag=VCH |Ort=Weinheim ; New York |Datum=1997 |ISBN=978-3-527-29049-9 |Seiten=155}}</ref> So ergibt die Umsetzung von Bis(tributylzinn)oxid mit [[Methacrylsäure|Methracrylsäure]] in [[Benzol]] das [[Tributylzinnmethacrylat|Tributylzinnmethracrylat]].<ref>{{Literatur |Autor=J. C. Montermoso, T. M. Andrews, L. P. Marinelli |Titel=Polymers of tributyltin acrylate esters |Sammelwerk=Journal of Polymer Science |Band=32 |Nummer=125 |Datum=1958-11 |DOI=10.1002/pol.1958.1203212525 |Seiten=523–525}}</ref>

[[Tributylzinnhydrid]] kann durch Reduktion von Tributylzinnchlorid mit [[Lithiumaluminiumhydrid]] gewonnen werden:<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Alwyn G. Davies |Titel=Organotin chemistry |Verlag=VCH |Ort=Weinheim |Datum=1997 |ISBN=978-3-527-29049-9 |Seiten=194-195}}</ref>
:<math>\mathrm{ 2 \ R_3SnCl + \ LiAlH_4 \ \xrightarrow[]{} \ \ 2 \ R_3SnH + \ LiAlH_2Cl_2 }</math>
:<math>\mathrm{ 2 \ R_3SnCl + \ LiAlH_4 \ \xrightarrow[]{} \ \ 2 \ R_3SnH + \ LiAlH_2Cl_2 }</math>
Eine technisch wichtige Methode ist die Reduktion von Tributylzinnchlorid oder Bis(tributylzinn)oxid mit [[Natriumborhydrid]] in [[Ethanol]].<ref name=":0" />


== Verwendung ==
== Verwendung ==
Tributylzinn-Verbindungen wurden in der Vergangenheit (seit den 1970er Jahren) in [[Fouling (Schiffbau)|Antifouling-Anstrichen]] für Schiffsrümpfe und als [[Biozid]]e z.&nbsp;B. in [[Holzschutzmittel]]n, [[Silikonfuge|Silikondichtstoffen]], [[Dachbahn]]en und für Textilien verwendet.<ref name="UBA-TBT" /> 1996 wurden in Deutschland 3000&nbsp;[[Tonne (Einheit)|Tonnen]] [[Tributylzinnoxid]] (TBTO) hergestellt, davon aber weniger als 150&nbsp;Tonnen verwendet und mehr als 95 % exportiert. Bei der Herstellung von Kunststoffen werden sie als Katalysatoren und Stabilisatoren eingesetzt.<ref name="UBA-TBT" /> TBT-Verbindungen sind aber aufgrund der [[Ökotoxizität]] in den meisten Ländern stark eingeschränkt oder verboten.<ref name="Rüdel"/><ref name="Europa.EU"/><ref name="Eur-Lex"/> In Deutschland sind trisubstituierte zinnorganische Verbindungen seit Juni 2010 in Verbraucherprodukten verboten.<ref name="Oekotest" />
Tributylzinn-Verbindungen wurden in der Vergangenheit (seit den 1970er Jahren) in [[Fouling (Schiffbau)|Antifouling-Anstrichen]] für Schiffsrümpfe und als [[Biozid]]e z.&nbsp;B. in [[Holzschutzmittel]]n, [[Silikonfuge|Silikondichtstoffen]], [[Dachbahn]]en und für Textilien verwendet.<ref name="UBA-TBT" /> Für Antifouling-Anwendungen wird insbesondere [[Bis(tributylzinn)oxid]] eingesetzt, sowie Copolymere aus [[Methacrylsäuremethylester|Methylmethacrylat]] und [[Tributylzinnmethacrylat]].<ref>{{Literatur |Autor=Iwao Omae |Titel=Organotin antifouling paints and their alternatives |Sammelwerk=Applied Organometallic Chemistry |Band=17 |Nummer=2 |Datum=2003-02 |DOI=10.1002/aoc.396 |Seiten=81–105}}</ref>


1996 wurden in Deutschland 3000&nbsp;Tonnen [[Bis(tributylzinn)oxid]] hergestellt, davon aber weniger als 150&nbsp;Tonnen verwendet und mehr als 95 % exportiert. Bei der Herstellung von Kunststoffen werden sie als Katalysatoren und Stabilisatoren eingesetzt.<ref name="UBA-TBT" /> TBT-Verbindungen sind aber aufgrund der [[Ökotoxizität]] in den meisten Ländern stark eingeschränkt oder verboten.<ref name="Rüdel" /><ref name="Europa.EU" /><ref name="Eur-Lex" /> In der [[Europäische Union|EU]] sind trisubstituierte zinnorganische Verbindungen seit Juni 2010 in Erzeugnissen verboten.<ref name="Eur-Lex" /> Antifouling-Produkte, die Tributylzinnverbindungen enthalten, inklusive Tributylzinnmethacrylat und Bis(tributylzinn)oxid, werden (Stand 2021) trotz Verbot weiter produziert und in vielen Ländern verkauft.<ref>{{Literatur |Autor=Russell G. Uc-Peraza, Ítalo B. Castro, Gilberto Fillmann |Titel=An absurd scenario in 2021: Banned TBT-based antifouling products still available on the market |Sammelwerk=[[Science of The Total Environment]] |Band=805 |Datum=2022-01 |DOI=10.1016/j.scitotenv.2021.150377 |Seiten=150377}}</ref>
Durch die [[Nahrungskette]] können TBT-Verbindungen in den menschlichen oder tierischen Organismus gelangen und dort [[hormon]]elle Störungen hervorrufen, die zur [[Unfruchtbarkeit]] führen können. In Meeresgebieten mit hohem Schifffahrtsaufkommen sind durch das TBT der Schiffsanstriche bei zahlreichen Tierarten fortpflanzungsunfähige [[Imposex]]e entstanden, d.&nbsp;h. bei Weibchen bildeten sich äußere Geschlechtsorgane von Männchen. Diese Formen machen bis zu 90 % einer Population aus, die Effekte sind irreversibel und die betroffenen Arten dadurch zum Teil vom Aussterben bedroht. Wegen des Eingreifens dieser Umweltchemikalien in den Hormonhaushalt sind sie so genannte [[endokriner Disruptor|endokrine Disruptoren]].


TBT-Derivate werden auch als [[Stabilisator (Chemie)|Stabilisatoren]] in [[Kunststoff]]en und im [[Druckereiwesen]] eingesetzt und können daher auch in bedruckten [[Textilien]], Outdoorjacken und den bis 2002 ausgegebenen 10-Euro-[[Geldschein]]en<ref>[[Ökotest]]-Artikel, Februar 2002: ''Euro-Scheine und -Münzen''</ref><ref>{{cite web |publisher=[[Europäische Zentralbank]] |date=2007-12-20 |accessdate=2013-06-14 |title=Umweltauswirkungen der Euro-Banknoten|url=http://www.ecb.int/euro/banknotes/html/environment.de.html |archiveurl=https://web.archive.org/web/20130626103551/http://www.ecb.int/euro/banknotes/html/environment.de.html |archivedate=2013-06-26}}</ref><ref>Oliver Reiser: [http://www.chemie-im-alltag.de/articles/0049/index.html ''Giftige Euroscheine?''] (Organozinnverbindungen in 10-Euro-Scheinen). Chemie im Alltag, chemie-im-alltag.de – Bespricht den Inhalt des Ökotest-Artikels.</ref> auftreten.
TBT-Derivate werden auch als [[Stabilisator (Chemie)|Stabilisatoren]] in [[Kunststoff]]en und im [[Druckereiwesen]] eingesetzt und können daher auch in bedruckten [[Textilien]], Outdoorjacken und den bis 2002 ausgegebenen 10-Euro-[[Geldschein]]en<ref>[[Ökotest]]-Artikel, Februar 2002: ''Euro-Scheine und -Münzen''</ref><ref>{{cite web |publisher=[[Europäische Zentralbank]] |date=2007-12-20 |accessdate=2013-06-14 |title=Umweltauswirkungen der Euro-Banknoten|url=http://www.ecb.int/euro/banknotes/html/environment.de.html |archiveurl=https://web.archive.org/web/20130626103551/http://www.ecb.int/euro/banknotes/html/environment.de.html |archivedate=2013-06-26}}</ref><ref>Oliver Reiser: [http://www.chemie-im-alltag.de/articles/0049/index.html ''Giftige Euroscheine?''] (Organozinnverbindungen in 10-Euro-Scheinen). Chemie im Alltag, chemie-im-alltag.de – Bespricht den Inhalt des Ökotest-Artikels.</ref> auftreten.

== Umweltgefahren ==
[[Datei:Atlantic Dogwhelk (Nucella lapillus) - Utsira, Norway 2021-08-06.jpg|mini|Nordische Purpurschnecke, eine durch Tributylzinnverbindungen gefährdete Art]]
Tributylzinnverbindungen greifen in den Hormonhaushalt von Lebewesen ein und sind so genannte [[endokriner Disruptor|endokrine Disruptoren]]. Durch die Verwendung von Tributylzinnverbindungen als Schiffsanstriche bei zahlreichen Tierarten fortpflanzungsunfähige [[Imposex]]e entstanden, d.&nbsp;h. bei Weibchen bildeten sich äußere Geschlechtsorgane von Männchen. Diese Effekte betreffen insbesondere Meeresschnecken der Teilordnung [[Neuschnecken]] (Neogastropoda), wo Fälle bei 195 Arten nachgewiesen wurden. Der erste Nachweis stammt aus dem Jahr 1970 an [[Nordische Purpurschnecke|Nordischen Purpurschnecken]] (''Nucella lapillus'') aus Großbritannien. Schon geringe Mengen der Verbindungen führen zu einer verminderten Fruchtbarkeit der weiblichen Exemplare, größere Mengen führen zur vollständigen Unfruchtbarkeit oder sogar zum Tod, was zu erheblichen Populationsrückgängen geführt hat. Die Bildung der Imposexe basiert vermutlich auf einer Zunahme der Bildung von [[Testosteron]] bei weiblichen Tieren, die durch die Tributylzinnverbindungen induziert wird.<ref>{{Literatur |Autor=Alessandra Pagliarani, Fabiana Trombetti, Vittoria Ventrella |Titel=Biochemical and Biological Effects of Organotins |Verlag=Bentham Science Publishers |Datum=2012 |ISBN=978-1-60805-265-3 |Seiten=75-76 |Online=https://books.google.com/books?id=S7yYKRZZLe0C&newbks=0&hl=de |Abruf=2024-05-06}}</ref>


== Sicherheitshinweise ==
== Sicherheitshinweise ==
TBT-Verbindungen sind hoch[[toxisch]]e Verbindungen. Sie können von Menschen über kontaminierte Meerestiere oder Wein aufgenommen werden. Aufgrund ihrer [[Lipophil]]ie können TBT-Verbindungen auch direkt über die Haut in den Körper gelangen.<ref name="UBA-TBT" /> Tributylzinn-Verbindungen sind als „[[Liste prioritärer Stoffe im Bereich der Wasserpolitik|prioritärer gefährlicher Stoff]]“ in Anhang X der europäischen [[Richtlinie 2000/60/EG (Wasserrahmenrichtlinie)]] aufgeführt.<ref>{{EU-Richtlinie|2000|60|titel=des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik|konsolidiert=2014-11-20 |abruf=2024-02-28}}. Anhang X.</ref> Die Giftigkeit von Organozinnverbindungen hängt stark von der Anzahl der Alkylsubstituenten ab. Tetraalkylzinn-Verbindungen weisen die niedrigste Toxizität auf. Ansonsten steigt die Toxizität von einem über zwei zu drei Substituenten an, sodass Tributylzinn-Verbindungen im Vergleich mit anderen butyl-substituierten Zinnverbindungen am giftigsten sind.<ref>{{Literatur |Autor=Ayanda Olushola Sunday, Baba Abdullahi Alafara, Olutona Godwin Oladele |Titel=Toxicity and speciation analysis of organotin compounds |Sammelwerk=Chemical Speciation & Bioavailability |Band=24 |Nummer=4 |Datum=2012-01 |DOI=10.3184/095422912X13491962881734 |Seiten=216–226 }}</ref>
TBT-Verbindungen sind hoch[[toxisch]]e Verbindungen. Sie können von Menschen über kontaminierte Meerestiere oder Wein aufgenommen werden. Aufgrund ihrer [[Lipophil]]ie können TBT-Verbindungen auch direkt über die Haut in den Körper gelangen.<ref name="UBA-TBT" />


== Vertreter ==
== Vertreter ==
* [[Allyltributylzinn]]
* [[Tributylzinnacetat]] (TBTA)
* [[Tributylzinnacetat]] (TBTA)<ref group="S">{{Substanzinfo|Name= Tributylzinnacetat |CAS=56-36-0|Wikidata= Q27236451|ECHA-ID=|EG-Nummer=|ZVG=|PubChem= 16682741}}</ref>
* [[Tributylzinnbenzoat]] (TBTB)
* [[Tributylzinnacrylat]]
* [[Tributylzinnbenzoat]] (TBTB)<ref group="S">{{Substanzinfo|Name= Tributylzinnbenzoat |CAS=4342-36-3|Wikidata= Q27275993|ECHA-ID=|EG-Nummer=|ZVG=|PubChem= 16682834}}</ref>
* [[Tributylzinnchlorid]] (TBTC)
* [[Tributylzinnchlorid]] (TBTC)
* [[Tributylzinnfluorid]] (TBTF)
* [[Tributylzinnfluorid]] (TBTF)
* [[Tributylzinnhydrid]] (TBTH)
* [[Tributylzinnhydrid]] (TBTH)
* [[Tributylzinnlaurat]] (TBTL)<ref group="S">{{Substanzinfo|Name= Tributylzinnlaurat |CAS=3090-36-6|Wikidata= Q27253690|ECHA-ID=|EG-Nummer=|ZVG=|PubChem= 16683295}}</ref>
* [[Tributylzinnlaurat]] (TBTL)
* [[Tributylzinnmethacrylat]] (TBTM)
* [[Tributylzinnmethacrylat]] (TBTM)
* [[Tributylzinnoxid]] (TBTO)
* [[Bis(tributylzinn)oxid]] (TBTO)
* [[Vinyltributylzinn]]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references>
<references>
<ref name="Oekotest">
{{Internetquelle|url=http://www.oekotest.de/cgi/index.cgi?artnr=104123&action=Z|titel=Glossar: Eintrag ''Zinnorganische Verbindungen''|werk=Oekotest|zugriff=2014-09-05|archiv-url=https://web.archive.org/web/20140905212827/http://www.oekotest.de/cgi/index.cgi?artnr=104123&action=Z|archiv-datum=2014-09-05}}
</ref>
<ref name="UBA-TBT">Umweltbundesamt (Hrsg.): ''TBT – Zinnorganische Verbindungen – Eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme.'' 2003 ([http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/2245.pdf PDF-Datei]).</ref>
<ref name="UBA-TBT">Umweltbundesamt (Hrsg.): ''TBT – Zinnorganische Verbindungen – Eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme.'' 2003 ([http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/2245.pdf PDF-Datei]).</ref>
<ref name="Rüdel">Heinz Rüdel, Jürgen Steinhanses, Josef Müller, Christa Schröter-Kermani: ''Retrospektives Monitoring von Organozinnverbindungen in biologischen Proben aus Nord- und Ostsee – sind die Anwendungsbeschränkungen erfolgreich?'' In: ''[[Umweltwissenschaften und Schadstoff-Forschung]].'' 21, Nr. 3, 2009, S. 282–291.</ref>
<ref name="Rüdel">Heinz Rüdel, Jürgen Steinhanses, Josef Müller, Christa Schröter-Kermani: ''Retrospektives Monitoring von Organozinnverbindungen in biologischen Proben aus Nord- und Ostsee – sind die Anwendungsbeschränkungen erfolgreich?'' In: ''[[Umweltwissenschaften und Schadstoff-Forschung]].'' 21, Nr. 3, 2009, S. 282–291.</ref>
<ref name="Europa.EU">{{Internetquelle|url=http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=URISERV:l24256 |titel=EUR-Lex - l24256 - EN - EUR-Lex Schutz des Meeres und der Lebensmittelkette vor den Auswirkungen zinnorganischer Verbindungen |autor= |werk=eur-lex.europa.eu | sprache=de |datum=2003-04-14 |zugriff=2016-01-27}}</ref>
<ref name="Europa.EU">{{EU-LegisSum|l24256|Schutz des Meeres und der Lebensmittelkette vor den Auswirkungen zinnorganischer Verbindungen |datum=2003-04-14 |abruf=2016-01-27}}</ref>
<ref name="Eur-Lex">''ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION vom 28. Mai 2009 zur Änderung der Richtlinie 76/769/EWG des Rates hinsichtlich der Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung von zinnorganischen Verbindungen zwecks Anpassung ihres Anhangs I an den technischen Fortschritt'' (2009/425/EG). Amtsblatt der Europäischen Union L138, S. 11–13, 4. Juni 2009 ({{EUR-Lex-Rechtsakt|reihe=L|jahr=2009|amtsblattnummer=138|anfangsseite=11|endseite=13|format=PDF|titel=PDF}})</ref>
<ref name="Eur-Lex">{{CELEX|32009D0425|''Entscheidung der Kommission vom 28. Mai 2009 zur Änderung der Richtlinie 76/769/EWG des Rates hinsichtlich der Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung von zinnorganischen Verbindungen zwecks Anpassung ihres Anhangs I an den technischen Fortschritt'' (2009/425/EG)}}. In: ''[[Amtsblatt der Europäischen Union]].'' L, Nr. 138, 4. Juni 2009, S. 11–13. Später ersetzt durch die [[REACH-Verordnung]], nachdem der Text der ''Entscheidung 2009/425/EG'' in den Anhang XVII (Nr. 20) der REACH-Verordnung übertragen worden war.</ref>
</references>
</references>

== Anmerkungen ==
<references group="S" />


[[Kategorie:Stoffgruppe]]
[[Kategorie:Stoffgruppe]]
[[Kategorie:Zinnorganische Verbindung| Dibutylzinn-Verbindungen]]
[[Kategorie:Alkylzinnverbindung| DibutylzinnVerbindungen]]
[[Kategorie:Gefährliche Chemikalie nach dem Rotterdamer Übereinkommen]]
[[Kategorie:Gefährliche Chemikalie nach dem Rotterdamer Übereinkommen]]
[[Kategorie:Beschränkter Stoff nach REACH-Anhang XVII, Eintrag 20]]
[[Kategorie:Beschränkter Stoff nach REACH-Anhang XVII, Eintrag 30]]

Aktuelle Version vom 3. August 2024, 15:42 Uhr

Allgemeine Struktur von Tributylzinn-Verbindungen. R kann unter anderem ein Organyl-Rest (Alkyl-Rest, Aryl-Rest, Arylalkyl-Rest etc.), ein Wasserstoff oder ein Halogen sein.

Tributylzinn-Verbindungen (abgekürzt TBT für englisch Tributyltin) sind zinnorganische Verbindungen mit drei Butylgruppen. Verwandte Verbindungen sind die Stoffgruppen der Monobutylzinn-Verbindungen und Dibutylzinn-Verbindungen sowie das Tetrabutylzinn.

Tributylzinnverbindungen werden ausgehend von Zinntetrachlorid und Butylmagnesiumbromid hergestellt. Diese Reaktionen kann nicht selektiv zur dreifachen Substitution geführt werden, daher entsteht zunächst Tetrabutylzinn. Die Reaktion wird in Diethylether am Rückfluss durchgeführt oder, im industriellen Bereich in Toluol mit einem geringen Zusatz an Diethylether, der für die Grignard-Reaktion notwendig ist.[1]

Die Umsetzung von Tetrabutylzinn und Zinntetrachlorid zu Tributylzinnchlorid verläuft über die Kocheshkov-Umlagerung. Diese basiert darauf, dass Halogenatome und Organylreste zwischen Zinnverbindungen ausgetauscht werden. Die Austausch eines ersten Restes (siehe Gleichung) findet schon bei Raumtemperatur statt, während das Reaktionsgemisch für einen weiteren Austausch auf über 200 °C erhitzt werden muss. Liegen die Edukte im Verhältnis 3:1 vor, wird Tributylzinnchlorid in guter Ausbeute erhalten.[2]

Tributylzinnchlorid ist die Ausgangsverbindung zur Herstellung der meisten anderen Tributylzinnverbindungen. Die Hydrolyse ergibt bei niedrigen Temperaturen (0 °C bis 5 °C) Tributylzinnhydroxid. Bei Erwärmung reagiert dieses unter Wasserabspaltung zu Bis(tributylzinn)oxid.[3]

Carbonsäureester des Tributylzinns können durch Umsetzung von Tributylzinnhydroxid oder Bis(tributylzinn)oxid mit einer entsprechenden Carbonsäure hergestellt werden.[4] So ergibt die Umsetzung von Bis(tributylzinn)oxid mit Methracrylsäure in Benzol das Tributylzinnmethracrylat.[5]

Tributylzinnhydrid kann durch Reduktion von Tributylzinnchlorid mit Lithiumaluminiumhydrid gewonnen werden:[6]

Eine technisch wichtige Methode ist die Reduktion von Tributylzinnchlorid oder Bis(tributylzinn)oxid mit Natriumborhydrid in Ethanol.[6]

Tributylzinn-Verbindungen wurden in der Vergangenheit (seit den 1970er Jahren) in Antifouling-Anstrichen für Schiffsrümpfe und als Biozide z. B. in Holzschutzmitteln, Silikondichtstoffen, Dachbahnen und für Textilien verwendet.[7] Für Antifouling-Anwendungen wird insbesondere Bis(tributylzinn)oxid eingesetzt, sowie Copolymere aus Methylmethacrylat und Tributylzinnmethacrylat.[8]

1996 wurden in Deutschland 3000 Tonnen Bis(tributylzinn)oxid hergestellt, davon aber weniger als 150 Tonnen verwendet und mehr als 95 % exportiert. Bei der Herstellung von Kunststoffen werden sie als Katalysatoren und Stabilisatoren eingesetzt.[7] TBT-Verbindungen sind aber aufgrund der Ökotoxizität in den meisten Ländern stark eingeschränkt oder verboten.[9][10][11] In der EU sind trisubstituierte zinnorganische Verbindungen seit Juni 2010 in Erzeugnissen verboten.[11] Antifouling-Produkte, die Tributylzinnverbindungen enthalten, inklusive Tributylzinnmethacrylat und Bis(tributylzinn)oxid, werden (Stand 2021) trotz Verbot weiter produziert und in vielen Ländern verkauft.[12]

TBT-Derivate werden auch als Stabilisatoren in Kunststoffen und im Druckereiwesen eingesetzt und können daher auch in bedruckten Textilien, Outdoorjacken und den bis 2002 ausgegebenen 10-Euro-Geldscheinen[13][14][15] auftreten.

Nordische Purpurschnecke, eine durch Tributylzinnverbindungen gefährdete Art

Tributylzinnverbindungen greifen in den Hormonhaushalt von Lebewesen ein und sind so genannte endokrine Disruptoren. Durch die Verwendung von Tributylzinnverbindungen als Schiffsanstriche bei zahlreichen Tierarten fortpflanzungsunfähige Imposexe entstanden, d. h. bei Weibchen bildeten sich äußere Geschlechtsorgane von Männchen. Diese Effekte betreffen insbesondere Meeresschnecken der Teilordnung Neuschnecken (Neogastropoda), wo Fälle bei 195 Arten nachgewiesen wurden. Der erste Nachweis stammt aus dem Jahr 1970 an Nordischen Purpurschnecken (Nucella lapillus) aus Großbritannien. Schon geringe Mengen der Verbindungen führen zu einer verminderten Fruchtbarkeit der weiblichen Exemplare, größere Mengen führen zur vollständigen Unfruchtbarkeit oder sogar zum Tod, was zu erheblichen Populationsrückgängen geführt hat. Die Bildung der Imposexe basiert vermutlich auf einer Zunahme der Bildung von Testosteron bei weiblichen Tieren, die durch die Tributylzinnverbindungen induziert wird.[16]

Sicherheitshinweise

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TBT-Verbindungen sind hochtoxische Verbindungen. Sie können von Menschen über kontaminierte Meerestiere oder Wein aufgenommen werden. Aufgrund ihrer Lipophilie können TBT-Verbindungen auch direkt über die Haut in den Körper gelangen.[7] Tributylzinn-Verbindungen sind als „prioritärer gefährlicher Stoff“ in Anhang X der europäischen Richtlinie 2000/60/EG (Wasserrahmenrichtlinie) aufgeführt.[17] Die Giftigkeit von Organozinnverbindungen hängt stark von der Anzahl der Alkylsubstituenten ab. Tetraalkylzinn-Verbindungen weisen die niedrigste Toxizität auf. Ansonsten steigt die Toxizität von einem über zwei zu drei Substituenten an, sodass Tributylzinn-Verbindungen im Vergleich mit anderen butyl-substituierten Zinnverbindungen am giftigsten sind.[18]

Einzelnachweise

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  1. Alwyn George Davies: Organotin chemistry. VCH, Weinheim ; New York 1997, ISBN 978-3-527-29049-9, S. 28.
  2. Alwyn G. Davies: Organotin chemistry. VCH, Weinheim 1997, ISBN 978-3-527-29049-9, S. 127.
  3. Alwyn G. Davies: Organotin chemistry. VCH, Weinheim 1997, ISBN 978-3-527-29049-9, S. 138.
  4. Alwyn George Davies: Organotin chemistry. VCH, Weinheim ; New York 1997, ISBN 978-3-527-29049-9, S. 155.
  5. J. C. Montermoso, T. M. Andrews, L. P. Marinelli: Polymers of tributyltin acrylate esters. In: Journal of Polymer Science. Band 32, Nr. 125, November 1958, S. 523–525, doi:10.1002/pol.1958.1203212525.
  6. a b Alwyn G. Davies: Organotin chemistry. VCH, Weinheim 1997, ISBN 978-3-527-29049-9, S. 194–195.
  7. a b c Umweltbundesamt (Hrsg.): TBT – Zinnorganische Verbindungen – Eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme. 2003 (PDF-Datei).
  8. Iwao Omae: Organotin antifouling paints and their alternatives. In: Applied Organometallic Chemistry. Band 17, Nr. 2, Februar 2003, S. 81–105, doi:10.1002/aoc.396.
  9. Heinz Rüdel, Jürgen Steinhanses, Josef Müller, Christa Schröter-Kermani: Retrospektives Monitoring von Organozinnverbindungen in biologischen Proben aus Nord- und Ostsee – sind die Anwendungsbeschränkungen erfolgreich? In: Umweltwissenschaften und Schadstoff-Forschung. 21, Nr. 3, 2009, S. 282–291.
  10. Schutz des Meeres und der Lebensmittelkette vor den Auswirkungen zinnorganischer Verbindungen. Zusammenfassung der Gesetzgebung. In: EUR-Lex. Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 14. April 2003, abgerufen am 27. Januar 2016.
  11. a b Entscheidung der Kommission vom 28. Mai 2009 zur Änderung der Richtlinie 76/769/EWG des Rates hinsichtlich der Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung von zinnorganischen Verbindungen zwecks Anpassung ihres Anhangs I an den technischen Fortschritt (2009/425/EG). In: Amtsblatt der Europäischen Union. L, Nr. 138, 4. Juni 2009, S. 11–13. Später ersetzt durch die REACH-Verordnung, nachdem der Text der Entscheidung 2009/425/EG in den Anhang XVII (Nr. 20) der REACH-Verordnung übertragen worden war.
  12. Russell G. Uc-Peraza, Ítalo B. Castro, Gilberto Fillmann: An absurd scenario in 2021: Banned TBT-based antifouling products still available on the market. In: Science of The Total Environment. Band 805, Januar 2022, S. 150377, doi:10.1016/j.scitotenv.2021.150377.
  13. Ökotest-Artikel, Februar 2002: Euro-Scheine und -Münzen
  14. Umweltauswirkungen der Euro-Banknoten. Europäische Zentralbank, 20. Dezember 2007, archiviert vom Original am 26. Juni 2013; abgerufen am 14. Juni 2013.
  15. Oliver Reiser: Giftige Euroscheine? (Organozinnverbindungen in 10-Euro-Scheinen). Chemie im Alltag, chemie-im-alltag.de – Bespricht den Inhalt des Ökotest-Artikels.
  16. Alessandra Pagliarani, Fabiana Trombetti, Vittoria Ventrella: Biochemical and Biological Effects of Organotins. Bentham Science Publishers, 2012, ISBN 978-1-60805-265-3, S. 75–76 (google.com [abgerufen am 6. Mai 2024]).
  17. Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik in der konsolidierten Fassung vom 20. November 2014, abgerufen am 28. Februar 2024. Anhang X.
  18. Ayanda Olushola Sunday, Baba Abdullahi Alafara, Olutona Godwin Oladele: Toxicity and speciation analysis of organotin compounds. In: Chemical Speciation & Bioavailability. Band 24, Nr. 4, Januar 2012, S. 216–226, doi:10.3184/095422912X13491962881734.
  1. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu Tributylzinnacetat: CAS-Nummer: 56-36-0, EG-Nummer: 200-269-6, ECHA-InfoCard: 100.000.245, GESTIS-Stoffdatenbank: 490055, PubChem: 16682741, ChemSpider: 10439863, Wikidata: Q27236451.
  2. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu Tributylzinnbenzoat: CAS-Nummer: 4342-36-3, EG-Nummer: 224-399-8, ECHA-InfoCard: 100.022.182, GESTIS-Stoffdatenbank: 490429, PubChem: 16682834, ChemSpider: 21170562, Wikidata: Q27275993.
  3. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu Tributylzinnlaurat: CAS-Nummer: 3090-36-6, EG-Nummer: 221-434-9, ECHA-InfoCard: 100.019.486, PubChem: 16683295, ChemSpider: 17615835, Wikidata: Q27253690.