„Geistliches Lied“ – Versionsunterschied

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Ein '''geistliches Lied''' ist ein [[Lied]] mit christlich-religiösem Inhalt.
Ein '''geistliches Lied''' ist ein [[Lied]] mit christlich-religiösem Inhalt.


Als durch die [[Kirchgemeinde|Gemeinde]] gesungenes '''Kirchenlied''' ist das geistliche Lied in den meisten christlichen [[Konfession]]en ein fester Bestandteil des [[Gottesdienst]]es. Das gemeinsame Singen ist in vielen [[Liturgie]]n die Antwort der Gemeinde auf Predigt oder Gebet, ist selbst Gebet und Dank, dient der Pflege der [[Gemeinschaft]], aber vor allem der [[Verinnerlichung]] der [[Glaube]]nsinhalte.
Als durch die [[Kirchgemeinde|Gemeinde]] gesungenes '''Kirchenlied''' ist das geistliche Lied in den meisten christlichen [[Konfession]]en ein fester Bestandteil des [[Gottesdienst]]es. Das gemeinsame Singen ist in vielen [[Liturgie]]n die Antwort der Gemeinde auf Predigt oder Gebet, ist selbst Gebet und Dank, dient der Pflege der [[Gemeinschaft]], aber vor allem der [[Verinnerlichung]] der [[Glaube (Religion)|Glaubensinhalte]].


Ursprünglich integraler Bestandteil der Liturgie, entwickelte sich das geistliche Lied vom [[Hymne]]n- und [[Psalm]]engesang über das strophische Gemeindelied [[Choral]] und das Lied zur [[Lektüre]] und privaten [[Andacht]] bis hin zum an zeitgenössische Singformen angelehnten Lied ([[Neues Geistliches Lied]]). Bis zu [[Luther]] wurde das Kirchenlied im europäischen Zusammenhang allerdings nur begrenzt verwendet und hatte zudem keine liturgische Funktion.
Ursprünglich integraler Bestandteil der Liturgie, entwickelte sich das geistliche Lied vom [[Hymne]]n- und [[Psalm]]engesang über das strophische Gemeindelied [[Choral]] und das Lied zur [[Lektüre]] und privaten [[Andacht]] bis hin zum an zeitgenössische Singformen angelehnten Lied ([[Neues Geistliches Lied]]). Bis zu [[Luther]] wurde das Kirchenlied im europäischen Zusammenhang allerdings nur begrenzt verwendet und hatte zudem keine liturgische Funktion.


Ab der Reformationszeit wurden die im [[Gottesdienst]] verwendeten Lieder thematisch zunehmend dem Verlauf der Liturgie angepasst. Im [[Volksgesang]] des katholischen Gottesdienstes entwickelte sich ab dem 18. Jahrhundert das [[Messlied]]. Die bekanntesten Beispiele für ganze [[Liederzyklus|Zyklen]] von 8 bis 10 Messliedern sind die [[Deutsche Messe|Deutschen Messen]] von Schubert und von Michael Haydn.
Ab der Reformationszeit wurden die im [[Gottesdienst]] verwendeten Lieder thematisch zunehmend dem Verlauf der Liturgie angepasst. Im [[Volksgesang]] des katholischen Gottesdienstes entwickelte sich ab dem 18. Jahrhundert das [[Messlied]]. Die bekanntesten Beispiele für ganze [[Liederzyklus|Zyklen]] von 8 bis 10 Messliedern sind die [[Deutsche Messe (Schubert)|Deutschen Messen]] von Schubert und von Michael Haydn.


Die Lehre vom Kirchenlied ist die [[Hymnologie]].
Die Lehre vom Kirchenlied ist die [[Hymnologie]].


== Begriffsbestimmung ==
== Begriffsbestimmung ==

Ein ''geistliches Lied'' ist ein Lied, dessen Text einen [[Christentum|christlich]]-religiösen Inhalt hat. ''Kirchenlied'' im weiteren Sinne ist das von einer christlichen [[Kirchgemeinde|Gemeinde]] im [[Gottesdienst]] regelmäßig gesungene [[Lied]]. Im engeren Sinne werden nur einstimmige, [[Strophe|strophische]] Lieder in [[Volkssprache]] als Kirchenlieder bezeichnet (nicht z. B. der [[Gregorianischer Choral|Gregorianische Choral]]). Diese Abgrenzung kann allerdings zu Ergebnissen führen, die künstlich wirken:
Ein ''geistliches Lied'' ist ein Lied, dessen Text einen [[Christentum|christlich]]-religiösen Inhalt hat. ''Kirchenlied'' im weiteren Sinne ist das von einer christlichen [[Kirchgemeinde|Gemeinde]] im [[Gottesdienst]] regelmäßig gesungene [[Lied]]. Im engeren Sinne werden nur einstimmige, [[Strophe|strophische]] Lieder in [[Volkssprache]] als Kirchenlieder bezeichnet (nicht z. B. der [[Gregorianischer Choral|Gregorianische Choral]]). Diese Abgrenzung kann allerdings zu Ergebnissen führen, die künstlich wirken:
* Es gab und gibt Traditionen, in denen der Gemeindegesang [[Mehrstimmigkeit|mehrstimmig]] ausgeführt wird.
* Es gab und gibt Traditionen, in denen der Gemeindegesang [[Mehrstimmigkeit|mehrstimmig]] ausgeführt wird.
* Es gibt Lieder in der Tradition des Kirchenlieds im engeren Sinne, die jedoch nur eine einzige Strophe besitzen.
* Es gibt Lieder in der Tradition des Kirchenlieds im engeren Sinne, die jedoch nur eine einzige Strophe besitzen.
* Viele Gesangbücher enthalten heute Gemeindelieder in [[Fremdsprache]]n (im [[Evangelisches Gesangbuch|Evangelischen Gesangbuch]] z. B. das italienische ''[[Laudato si]]'').
* Viele Gesangbücher enthalten heute Gemeindelieder in [[Fremdsprache]]n (im [[Evangelisches Gesangbuch|Evangelischen Gesangbuch]] z. B. das italienische ''[[Laudato si (Lied)|Laudato si]]'').


Es gibt durchaus geistliche Lieder, die (zunächst) keine Kirchenlieder sind, etwa, weil sie nur zur privaten Andacht, in geistlichen Spielen, auf Prozessionen, in außerkirchlichen Konzerten oder Ähnlichem gebräuchlich sind.
Es gibt durchaus geistliche Lieder, die (zunächst) keine Kirchenlieder sind, etwa, weil sie nur zur privaten Andacht, in geistlichen Spielen, auf Prozessionen, in außerkirchlichen Konzerten oder Ähnlichem gebräuchlich sind.
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== Geschichte ==
== Geschichte ==
=== Europäischer Kontinent ===
=== Europäischer Kontinent ===
''Hauptartikel: [[Geschichte des geistlichen Liedes auf dem europäischen Kontinent]]''
{{Hauptartikel|Geschichte des geistlichen Liedes auf dem europäischen Kontinent}}


Gesungen wurde in den christlichen Gemeinden von Anfang an. Als Quellen der christlichen Musik gelten die jüdische Tradition des Psalmensingens und die Musik der [[Hellenismus|hellenistischen]] [[Spätantike]]. In den ersten Jahrhunderten entwickelte sich eine Vielzahl christlicher [[Ritus|Riten]] mit jeweils eigenen Gesangstraditionen. Die Vereinheitlichung unter [[Gregor der Große|Gregor I.]] (Papst von 590 bis 604) führte zur allgemeinen Durchsetzung des römischen Ritus und des so genannten [[Gregorianischer Choral|Gregorianischen Chorals]] in der katholischen (westlichen) Kirche. Während der gottesdienstliche [[Gesang]] offiziell [[Chor (Musik)|Chor]] ([[Choralschola|Schola]]) und Geistlichen vorbehalten war, entwickelten sich im späten Mittelalter erste geistliche Lieder in [[Volkssprache]]n, welche zum Beispiel in [[Geistliches Spiel|geistlichen Spielen]] und zu [[Prozession]]en gesungen wurden.
Gesungen wurde in den christlichen Gemeinden von Anfang an. Als Quellen der christlichen Musik gelten die jüdische Tradition des Psalmensingens und die Musik der [[Hellenismus|hellenistischen]] [[Spätantike]]. In den ersten Jahrhunderten entwickelte sich eine Vielzahl christlicher [[Ritus|Riten]] mit jeweils eigenen Gesangstraditionen. Die Vereinheitlichung unter [[Gregor der Große|Gregor I.]] (Papst von 590 bis 604) führte zur allgemeinen Durchsetzung des römischen Ritus und des so genannten [[Gregorianischer Choral|Gregorianischen Chorals]] in der katholischen (westlichen) Kirche. Während der gottesdienstliche [[Gesang]] offiziell [[Chor (Musik)|Chor]] ([[Choralschola|Schola]]) und Geistlichen vorbehalten war, entwickelten sich im späten Mittelalter erste geistliche Lieder in [[Volkssprache]]n, welche zum Beispiel in [[Geistliches Spiel|geistlichen Spielen]] und zu [[Prozession]]en gesungen wurden.


Im Sinne einer Stärkung der Gemeindebeteiligung im Gottesdienst nahmen [[Reformator]]en den zunächst unbegleiteten [[Gemeindegesang]] in ihre [[Gottesdienstordnung]]en auf. [[Thomas Müntzer]] (1489-1525) begann, bekannte gregorianische Gesänge ins Deutsche zu überführen. [[Martin Luther]] (1483–1546) dichtete schließlich zahlreiche neue [[Deutsche Sprache|deutsche]] Kirchenlieder, welche durch [[Flugblatt|Flugblätter]] und bald auch kleine [[Gesangbuch|Gesangbücher]] eine hohe Verbreitung erreichten und noch heute zum Kern des [[Protestantismus|protestantischen]] Kirchenliedgutes gehören. Von Luthers Anhängern wurden seine Lieder auch als Kampfmittel gegen die katholische Liturgie benutzt. Auch innerhalb der reformatorischen [[Täuferbewegung]] entstanden neue Kirchenlieder, die später im [[Ausbund (Gesangbuch)|Ausbund]] abgedruckt wurden.
Im Sinne einer Stärkung der Gemeindebeteiligung im Gottesdienst nahmen [[Reformator]]en den zunächst unbegleiteten [[Gemeindegesang]] in ihre [[Agende|Gottesdienstordnungen]] auf. [[Thomas Müntzer]] (1489–1525) begann, bekannte Stücke des [[Gregorianischer Choral|gregorianischen Gesangs]] ins Deutsche zu überführen. [[Martin Luther]] (1483–1546) dichtete schließlich zahlreiche neue [[Deutsche Sprache|deutsche]] Kirchenlieder, die durch [[Flugblatt|Flugblätter]] und bald auch kleine [[Gesangbuch|Gesangbücher]] eine hohe Verbreitung erreichten und noch heute zum Kern des [[Protestantismus|evangelischen]] Kirchenliedgutes gehören. Von Luthers Anhängern wurden seine Lieder auch als Kampfmittel gegen die katholische Liturgie benutzt. Auch innerhalb der reformatorischen [[Täufer]]bewegung entstanden neue Kirchenlieder, die später unter anderem im [[Ausbund (Gesangbuch)|Ausbund]] abgedruckt wurden.


In der [[Reformierte Kirche|Reformierten Kirche]] wurden Kirchenlieder nur unter strengen Auflagen zugelassen. So entstand eine eigenständige Tradition von Psalmbereimungen in ein- und mehrstimmigem [[Satz (Komposition)|Satz]].
In den [[Reformierte Kirchen|Reformierten Kirchen]] wurden Kirchenlieder nur unter strengen Auflagen zugelassen. So entstand eine eigenständige Tradition von Psalmbereimungen in ein- und mehrstimmigem [[Satz (Komposition)|Satz]].


Das protestantische Kirchenlied erreichte im Früh- und Hochbarock einen neuen Höhepunkt. Dichter wie [[Martin Behm]], [[Paul Gerhardt]], [[Johann Heermann (Kirchenlieddichter)|Johann Heermann]], [[Joachim Neander]], [[Georg Neumark]], [[Martin Rinckart]], [[Gregor Ritzsch]], [[Michael Schirmer]], [[Johann Wilhelm Simler]] und viele andere verfassten geistliche Texte von bleibender literarischer Bedeutung, welche von führenden Komponisten wie [[Johann Crüger]], [[Johann Georg Ebeling]] und [[Heinrich Schütz]] vertont wurden. Auf katholischer Seite sind insbesondere die Dichtungen aus der Feder von [[Angelus Silesius]] und [[Friedrich Spee]] bedeutsam und auch heute noch bekannt.
Das protestantische Kirchenlied erreichte im Früh- und Hochbarock einen neuen Höhepunkt. Dichter wie [[Martin Behm]], [[Paul Gerhardt]], [[Johann Heermann (Kirchenlieddichter)|Johann Heermann]], [[Joachim Neander]], [[Georg Neumark]], [[Martin Rinckart]], [[Gregor Ritzsch]], [[Michael Schirmer (Kirchenlieddichter)|Michael Schirmer]], [[Johann Wilhelm Simler]] und viele andere verfassten geistliche Texte von bleibender literarischer Bedeutung, die von führenden Komponisten wie [[Johann Crüger]], [[Johann Georg Ebeling]] und [[Heinrich Schütz]] vertont wurden.

Auch von der [[Gegenreformation]] wurde die Bedeutung des volkssprachlichen Kirchenlieds erkannt. Katholische Gesangbücher wie die von [[Nikolaus Beuttner]] (Graz 1602) – eine Sammlung vornehmlich vorreformatorischer geistlicher Volkslieder und Wallfahrtsrufe – und [[David Gregor Corner]] (Nürnberg 1625) sind frühe Beispiele für das Wirken katholischer Gelehrter in von der Reformation geprägten Regionen und den Einsatz des Kirchenlieds als Instrument der [[Rekatholisierung]]. Auf katholischer Seite sind insbesondere die Dichtungen aus der Feder von [[Angelus Silesius]] und [[Friedrich Spee]] bedeutsam und auch heute noch bekannt.


Auch der [[Pietismus]] führte zu einer Flut von geistlichen Liedern für den häuslichen Gottesdienst. Das wichtigste pietistische Gesangbuch, das 1704 erschienene [[Freylinghausensche Gesangbuch]], umfasste in zwei Bänden ungefähr 1500 Lieder. [[Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf]], Gründer der [[Herrnhuter Brüdergemeine]], hat etwa 2000 geistliche Lieder gedichtet. Mit [[Aufklärung]] und [[Wiener Klassik|Klassik]] ging das künstlerische Interesse am Kirchenlied drastisch zurück. Die Anzahl der gebräuchlichen [[Melodie]]n sank stetig, Melodien wurden geglättet und vor allem [[Rhythmus (Musik)|rhythmisch]] vereinfacht. Neue Texte hatten meist belehrenden Charakter und waren sprachlich nicht anspruchsvoll. Erst in der Romantik kam es zu [[Restauration (Geschichte)|restaurativen]] Strömungen. Neue Kirchenlieder entstanden allerdings eher als Chorsätze, weniger für den Gemeindegesang. Bestehende Kirchenlieder wurden übersetzt und global verbreitet. So fanden an der Wende zum 20. Jahrhundert [[White Gospel|missionarisch-kämpferische Lieder]] aus der amerikanischen [[Erweckung]]sbewegung Eingang in einige europäische Gesangbücher.
Auch der [[Pietismus]] führte zu einer Flut von geistlichen Liedern für den häuslichen Gottesdienst. Das wichtigste pietistische Gesangbuch, das 1704 erschienene [[Freylinghausensche Gesangbuch]], umfasste in zwei Bänden ungefähr 1500 Lieder. [[Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf]], Gründer der [[Herrnhuter Brüdergemeine]], hat etwa 2000 geistliche Lieder gedichtet. Mit [[Aufklärung]] und [[Wiener Klassik|Klassik]] ging das künstlerische Interesse am Kirchenlied drastisch zurück. Die Anzahl der gebräuchlichen [[Melodie]]n sank stetig, Melodien wurden geglättet und vor allem [[Rhythmus (Musik)|rhythmisch]] vereinfacht. Neue Texte hatten meist belehrenden Charakter und waren sprachlich nicht anspruchsvoll. Erst in der Romantik kam es zu [[Restauration (Geschichte)|restaurativen]] Strömungen. Neue Kirchenlieder entstanden allerdings eher als Chorsätze, weniger für den Gemeindegesang. Bestehende Kirchenlieder wurden übersetzt und global verbreitet. So fanden an der Wende zum 20. Jahrhundert [[White Gospel|missionarisch-kämpferische Lieder]] aus der amerikanischen [[Erweckung]]sbewegung Eingang in einige europäische Gesangbücher.
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=== Englischer Kulturraum ===
=== Englischer Kulturraum ===
''Hauptartikel: [[Geistliches Lied im englischen Kulturraum]]''
{{Hauptartikel|Geistliches Lied im englischen Kulturraum}}


In der anglikanischen Kirche entwickelte sich, ausgehend von der Musik der [[Römisch-katholische Kirche|katholischen]] und reformierten Kirchen, die Tradition des [[Anglikanischer Gesang|Anglikanischen Gesangs]], in der zunächst nur bereimte [[Psalm]]texte zugelassen waren. Das ''[[Book of Common Prayer]]'', ein [[Gesangbuch]] von Psalmgesängen in englischer Sprache, erschien 1661 in einer bis zum 20. Jahrhundert gültigen Ausgabe und erreichte im gesamten Empire hohe Verbreitung.
In der anglikanischen Kirche entwickelte sich, ausgehend von der Musik der [[Römisch-katholische Kirche|katholischen]] und reformierten Kirchen, die Tradition des [[Anglikanischer Gesang|Anglikanischen Gesangs]], in der zunächst nur bereimte [[Psalm]]texte zugelassen waren. Das ''[[Book of Common Prayer]]'', ein [[Gesangbuch]] von Psalmgesängen in englischer Sprache, erschien 1661 in einer bis zum 20. Jahrhundert gültigen Ausgabe und erreichte im gesamten Empire hohe Verbreitung.
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Für den privaten Gebrauch schufen im 17. Jahrhundert Dichter wie [[John Milton]] (1608–1674), [[Samuel Crossman]] (1624–1683) und [[John Bunyan]] (1628–1688) geistliche Lieder ohne Psalmvorlage. Nach der Freigabe der gottesdienstlichen Verwendung nicht-psalmgebundener Texte durch die [[Church of England]] gab es eine Blüte englischsprachiger Kirchenlieddichtung, deren herausragender Vertreter [[Isaac Watts]] (1674–1748) war.
Für den privaten Gebrauch schufen im 17. Jahrhundert Dichter wie [[John Milton]] (1608–1674), [[Samuel Crossman]] (1624–1683) und [[John Bunyan]] (1628–1688) geistliche Lieder ohne Psalmvorlage. Nach der Freigabe der gottesdienstlichen Verwendung nicht-psalmgebundener Texte durch die [[Church of England]] gab es eine Blüte englischsprachiger Kirchenlieddichtung, deren herausragender Vertreter [[Isaac Watts]] (1674–1748) war.


Zahlreiche Kirchenlieder entstanden als Folge der englischen Erweckungsbewegung in den 1730er Jahren. Lieder von [[Charles Wesley]] (1707–1788), [[John Newton]] (1725–1807) und [[William Cowper (Dichter)|William Cowper]] (1731–1800) erreichten im Methodismus und in den protestantischen Kirchen des englischsprachigen Raums hohe Verbreitung. Auch deutsche Kirchenlieder in englischer Übersetzung hielten ihren Einzug in englische Gesangbücher.
Zahlreiche Kirchenlieder entstanden als Folge der englischen Erweckungsbewegung in den 1730er Jahren. Lieder von [[Charles Wesley]] (1707–1788), [[John Newton]] (1725–1807) und [[William Cowper (Dichter)|William Cowper]] (1731–1800) erreichten im Methodismus und in den protestantischen Kirchen des englischsprachigen Raums hohe Verbreitung. Auch deutsche Kirchenlieder in englischer Übersetzung hielten ihren Einzug in englische Gesangbücher. Eine bekannte Übersetzerin in diesem Zusammenhang war [[Catherine Winkworth]] (1827–1878).


=== US-Amerika ===
=== Vereinigte Staaten ===
''Hauptartikel: [[Geistliches Lied in US-Amerika]]''
{{Hauptartikel|Geistliches Lied in den Vereinigten Staaten}}


Als Kirchenlieder waren in den amerikanischen Kolonien zunächst die Psalmgesänge der [[Puritaner|puritanischen]] und [[Protestantismus|protestantischen]] Einwanderer verbreitet. Angetrieben durch reisende ''[[Singing Masters]]'', welche in lokalen Wochenkursen die elementaren Begriffe des (gottesdienstlichen) Singens nach Noten vermittelten, entstand im 18. Jahrhundert mit der ''[[First New England School]]'' eine originär amerikanische [[Vierstimmiger Satz|vierstimmige]] [[a cappella|A-cappella]]-Gemeindeliedkultur.
Als Kirchenlieder waren in den amerikanischen Kolonien zunächst die Psalmgesänge der [[Puritaner|puritanischen]] und [[Protestantismus|protestantischen]] Einwanderer verbreitet. Angetrieben durch reisende ''[[Singing Masters]]'', welche in lokalen Wochenkursen die elementaren Begriffe des (gottesdienstlichen) Singens nach Noten vermittelten, entstand im 18. Jahrhundert mit der ''[[First New England School]]'' eine originär amerikanische [[Vierstimmiger Satz|vierstimmige]] [[a cappella|A-cappella]]-Gemeindeliedkultur.
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Ortsgebundene ''[[Singing School]]s'' im 19. Jahrhundert führten zur Verbreitung der ''[[Shape Note Music]]'', einer geistlichen vierstimmigen A-cappella-Musik, deren Notenköpfe je nach Stufe in der Tonleiter in unterschiedlicher Form gedruckt waren. Gegenbewegung zur Shape Note Music war die von [[Lowell Mason]] (1792–1872) geprägte ''[[Better Music]]''-Bewegung, welche für einen einstimmigen, durch die [[Orgel]] begleiteten Gemeindegesang eintrat und sich musikalisch an europäischen Maßstäben orientierte.
Ortsgebundene ''[[Singing School]]s'' im 19. Jahrhundert führten zur Verbreitung der ''[[Shape Note Music]]'', einer geistlichen vierstimmigen A-cappella-Musik, deren Notenköpfe je nach Stufe in der Tonleiter in unterschiedlicher Form gedruckt waren. Gegenbewegung zur Shape Note Music war die von [[Lowell Mason]] (1792–1872) geprägte ''[[Better Music]]''-Bewegung, welche für einen einstimmigen, durch die [[Orgel]] begleiteten Gemeindegesang eintrat und sich musikalisch an europäischen Maßstäben orientierte.


Infolge der amerikanischen [[Erweckungsbewegung]]en, insbesondere des ''[[Second Great Awakening]]s'', entstanden ab der Mitte des 19. Jahrhunderts der ''[[Sunday School Song]]'' und das amerikanische [[Evangeliumslied]], die stark durch die damalige amerikanische [[Popularmusik]] und die Musik der amerikanischen ''[[Brass Band]]s'' geprägt sind. Mit Abschaffung der [[Sklaverei]] entstand ein neues Interesse für die religiöse Musik der Schwarzen. [[Negro Spiritual]]s und [[Black Gospel]] erreichten weltweite Verbreitung. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden mit ''[[Contemporary Christian Music]] (CCM)'' und [[Lobpreis und Anbetung]] ''(Praise and Worship Music)'' weitere Traditionen des popularmusikalisch geprägten geistlichen Lieds.
Infolge der amerikanischen [[Erweckungsbewegung]]en, insbesondere des ''[[Second Great Awakening]]s'', entstanden ab der Mitte des 19. Jahrhunderts der ''[[Sunday School Song]]'' und das amerikanische [[Erweckungslied]], die stark durch die damalige amerikanische [[Popularmusik]] und die Musik der amerikanischen ''[[Brassband]]s'' geprägt sind. Mit Abschaffung der [[Sklaverei]] entstand ein neues Interesse für die religiöse Musik der Schwarzen. [[Negro Spiritual]]s und [[Black Gospel]] erreichten weltweite Verbreitung. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden mit ''[[Contemporary Christian Music]] (CCM)'' und [[Lobpreis und Anbetung]] ''(Praise and Worship Music)'' weitere Traditionen des popularmusikalisch geprägten geistlichen Lieds.


== Kirchengesangbuch ==
== Kirchengesangbuch ==
Die meisten Konfessionen haben ein eigenes [[Gesangbuch|Kirchengesangbuch]], teilweise mit besonderen Ausgaben für einzelne Länder oder Regionen. Das katholische Gebet- und Gesangbuch für alle deutschsprachigen Bistümer außer der Schweiz heißt [[Gotteslob]], es erschien erstmals [[Gotteslob (1975)|1975]] und 2013 mit gleichem Titel in völlig neu bearbeiteter Form. Das aktuelle Gesangbuch der evangelischen Kirche ist seit 1993 bzw. 1996 das [[Evangelisches Gesangbuch|Evangelische Gesangbuch]]. Viele Kirchengesangbücher enthalten Lieder aus einer Zeitspanne vom 4. bis zum 20. Jahrhundert, die die unterschiedlichen Musik- und Frömmigkeitsstile dieser Epochen widerspiegeln. Das Kirchengesangbuch enthält neben Kirchenliedern in der Regel auch [[Gebet]]e und [[Agende]]n für [[Gottesdienst]]e.

Die meisten Konfessionen haben ein eigenes [[Gesangbuch|Kirchengesangbuch]], teilweise mit besonderen Ausgaben für einzelne Länder oder Regionen. Das katholische Gebet- und Gesangbuch von 1975 für alle deutschsprachigen Bistümer außer der Schweiz heißt [[Gotteslob]]. Das aktuelle Gesangbuch der evangelischen Kirche ist seit 1993 bzw. 1996 das [[Evangelisches Gesangbuch|Evangelische Gesangbuch]]. Viele Kirchengesangbücher enthalten Lieder aus einer Zeitspanne vom 4. bis zum 20. Jahrhundert, die die unterschiedlichen Musik- und Frömmigkeitsstile dieser Epochen widerspiegeln. Das Kirchengesangbuch enthält neben Kirchenliedern in der Regel auch [[Gebet]]e und [[Agende]]n für [[Gottesdienst]]e.


== Ökumenische Kirchenlieder ==
== Ökumenische Kirchenlieder ==
{{Siehe auch|Arbeitsgemeinschaft für ökumenisches Liedgut}}

Es gibt Bestrebungen in die Richtung eines gemeinsamen Liederbuches für alle christlichen Konfessionen. Realistischer sind jedoch die bereits heute in praktisch allen neueren Gesangbüchern aufgeführten ökumenischen Lieder mit gleichem Text und gleicher Melodie für alle Konfessionen. Diese Lieder sind gewöhnlich mit „ö“ oder „(ö)“ gekennzeichnet. Auch da kann es Probleme geben: die [[Evangelisch-methodistische Kirche]] hat z. B. ein Gesangbuch für den gesamten deutschen Sprachraum, worauf sich bei vielen ökumenischen Liedern die Frage stellt, ob die deutsche, schweizerische, oder österreichische Version des Texts genommen werden soll – die evangelisch-lutherischen, evangelisch-reformierten und katholischen Gesangbücher verwenden jeweils die Version des eigenen Landes.
Es gibt Bestrebungen in die Richtung eines gemeinsamen Liederbuches für alle christlichen Konfessionen. Realistischer sind jedoch die bereits heute in praktisch allen neueren Gesangbüchern aufgeführten ökumenischen Lieder mit gleichem Text und gleicher Melodie für alle Konfessionen. Diese Lieder sind gewöhnlich mit „ö“ oder „(ö)“ gekennzeichnet. Auch da kann es Probleme geben: die [[Evangelisch-methodistische Kirche]] hat z. B. ein Gesangbuch für den gesamten deutschen Sprachraum, worauf sich bei vielen ökumenischen Liedern die Frage stellt, ob die deutsche, schweizerische, oder österreichische Version des Texts genommen werden soll – die evangelisch-lutherischen, evangelisch-reformierten und katholischen Gesangbücher verwenden jeweils die Version des eigenen Landes.


== Kirchenliedbearbeitungen ==
== Kirchenliedbearbeitungen ==
Bekannte Komponisten, die Kirchenlieder in ihren Werken verwendet haben, sind [[Johann Sebastian Bach]], [[Felix Mendelssohn Bartholdy]] und [[Heinrich Schütz]].

Bekannte Komponisten, die Kirchenlieder in ihren Werken verwendet haben, sind [[Johann Sebastian Bach]] und [[Felix Mendelssohn Bartholdy]].

== Literatur ==
* H. Becker u. a. (Hrsg.): ''Geistliches Wunderhorn. Große deutsche Kirchenlieder'', München 2001, ISBN 3-406-48094-2
* Hermann Rieke-Benninghaus: ''Ich bin froh. Lobgesänge'', Dinklage 2005
* Hermann Rieke-Benninghaus: ''Gelobt sei der Herr. Hymnen'', Dinklage 2005
* [[Christoph Albrecht (Komponist)|Christoph Albrecht]]: ''Einführung in die Hymnologie'', Berlin (Ost) 1973, ISBN 3-374-00175-0


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* [[Liste der Kirchenlieder]], [[Liste der Kirchenliederkomponisten]], [[Liste der Kirchenliederdichter]], [[Liste der Kirchenliederübersetzer]]
* [[Liste von Kirchenliedern]], [[Liste von Kirchenliederkomponisten]], [[Liste von Kirchenliederdichtern]], [[Liste von Kirchenliederübersetzern]]
* [[Liste der Kirchenlieder Luthers]]
* [[Liste der Kirchenlieder Luthers]]
* [[Das deutsche Kirchenlied]]
* [[Das deutsche Kirchenlied]]
* [[Neues Geistliches Lied]], [[Liste der Autoren Neuer Geistlicher Lieder]], [[Lobpreis und Anbetung]], [[Sakropop]], [[Gospel]]
* [[Liste von Autoren Neuer Geistlicher Lieder]], [[Lobpreis und Anbetung]], [[Sacropop]], [[Gospel]]
* [[Adventslied]], [[Weihnachtslied]]
* [[Adventslied]], [[Weihnachtslied]]
* [[Gesangbuch|Gesangbücher]]
* [[Gesangbuch|Gesangbücher]]
* [[Kirchenmusik]]
* [[Kirchenmusik]]

* [[Taratil]] (orientalische Kirchenlieder)
== Literatur ==
* Hansjakob Becker und andere (Hrsg.): ''Geistliches Wunderhorn. Große deutsche Kirchenlieder''. C.H. Beck, München 2001, ISBN 3-406-48094-2.
* {{OeML|Kirchenlied|Kirchenlied|PEb}}
* Hermann Rieke-Benninghaus: ''Ich bin froh. Lobgesänge''. Dinklage 2005.
* Hermann Rieke-Benninghaus: ''Gelobt sei der Herr. Hymnen''. Dinklage 2005.
* [[Christoph Albrecht (Komponist)|Christoph Albrecht]]: ''Einführung in die Hymnologie''. Berlin (Ost) 1973, ISBN 3-374-00175-0.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
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{{Wiktionary|Kirchenlied}}
{{Wiktionary|Kirchenlied}}
{{Wikisource|Kirchenlieder}}
{{Wikisource|Kirchenlieder}}
* {{DNB-Portal|4019865-0}}
* [http://www.bibel-gesangbuch.de/gesangbuchstart.htm Bibliographie von protestantischen Kirchengesangbüchern]
* [https://bibel-gesangbuch.de/gesangbuch/ Bibliographie protestantischer Kirchengesangbücher] (private Seite)
* {{HLS|26994}}
* {{HLS|26994|Kirchenlied|Autor=Bernhard Hangartner, [[Andreas Marti]]}}

{{Normdaten|TYP=s|GND=4019865-0}}


[[Kategorie:Liedgattung]]
[[Kategorie:Liedgattung]]
[[Kategorie:Kirchenlied|!]]
[[Kategorie:Kirchenlied|!]]


[[da:Salme]]
[[ja:賛美歌]]
[[ja:賛美歌]]
[[nl:Kerklied]]
[[pt:Hino (canção)]]
[[pt:Hino (canção)]]
[[sv:Geistliche Lieder]]

Aktuelle Version vom 14. November 2024, 17:57 Uhr

Ein geistliches Lied ist ein Lied mit christlich-religiösem Inhalt.

Als durch die Gemeinde gesungenes Kirchenlied ist das geistliche Lied in den meisten christlichen Konfessionen ein fester Bestandteil des Gottesdienstes. Das gemeinsame Singen ist in vielen Liturgien die Antwort der Gemeinde auf Predigt oder Gebet, ist selbst Gebet und Dank, dient der Pflege der Gemeinschaft, aber vor allem der Verinnerlichung der Glaubensinhalte.

Ursprünglich integraler Bestandteil der Liturgie, entwickelte sich das geistliche Lied vom Hymnen- und Psalmengesang über das strophische Gemeindelied Choral und das Lied zur Lektüre und privaten Andacht bis hin zum an zeitgenössische Singformen angelehnten Lied (Neues Geistliches Lied). Bis zu Luther wurde das Kirchenlied im europäischen Zusammenhang allerdings nur begrenzt verwendet und hatte zudem keine liturgische Funktion.

Ab der Reformationszeit wurden die im Gottesdienst verwendeten Lieder thematisch zunehmend dem Verlauf der Liturgie angepasst. Im Volksgesang des katholischen Gottesdienstes entwickelte sich ab dem 18. Jahrhundert das Messlied. Die bekanntesten Beispiele für ganze Zyklen von 8 bis 10 Messliedern sind die Deutschen Messen von Schubert und von Michael Haydn.

Die Lehre vom Kirchenlied ist die Hymnologie.

Begriffsbestimmung

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Ein geistliches Lied ist ein Lied, dessen Text einen christlich-religiösen Inhalt hat. Kirchenlied im weiteren Sinne ist das von einer christlichen Gemeinde im Gottesdienst regelmäßig gesungene Lied. Im engeren Sinne werden nur einstimmige, strophische Lieder in Volkssprache als Kirchenlieder bezeichnet (nicht z. B. der Gregorianische Choral). Diese Abgrenzung kann allerdings zu Ergebnissen führen, die künstlich wirken:

  • Es gab und gibt Traditionen, in denen der Gemeindegesang mehrstimmig ausgeführt wird.
  • Es gibt Lieder in der Tradition des Kirchenlieds im engeren Sinne, die jedoch nur eine einzige Strophe besitzen.
  • Viele Gesangbücher enthalten heute Gemeindelieder in Fremdsprachen (im Evangelischen Gesangbuch z. B. das italienische Laudato si).

Es gibt durchaus geistliche Lieder, die (zunächst) keine Kirchenlieder sind, etwa, weil sie nur zur privaten Andacht, in geistlichen Spielen, auf Prozessionen, in außerkirchlichen Konzerten oder Ähnlichem gebräuchlich sind.

Im Einzelfall ist die Abgrenzung zwischen geistlichen Liedern und Kirchenliedern allerdings oft schwierig, denn

  • mit Blick auf die private Andacht geschriebene geistliche Lieder (z. B. aus der Zeit des Pietismus) fanden häufig später Eingang in kirchliche Gesangbücher
  • ursprünglich nicht für die Gemeinde, sondern z. B. für einen Kirchenchor geschriebene geistliche Lieder wurden später in kirchliche Gesangbücher aufgenommen
  • Kirchenlieder geraten aus dem Gebrauch
  • manche Lieder sind nur in einzelnen, kleinen (z. B. charismatischen) Religionsgemeinschaften gebräuchlich.

Die Verwendung der Bezeichnung „geistliches Lied“ für gesungene religiös-rituelle Musik nichtchristlicher Religionen ist unüblich.

Europäischer Kontinent

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Gesungen wurde in den christlichen Gemeinden von Anfang an. Als Quellen der christlichen Musik gelten die jüdische Tradition des Psalmensingens und die Musik der hellenistischen Spätantike. In den ersten Jahrhunderten entwickelte sich eine Vielzahl christlicher Riten mit jeweils eigenen Gesangstraditionen. Die Vereinheitlichung unter Gregor I. (Papst von 590 bis 604) führte zur allgemeinen Durchsetzung des römischen Ritus und des so genannten Gregorianischen Chorals in der katholischen (westlichen) Kirche. Während der gottesdienstliche Gesang offiziell Chor (Schola) und Geistlichen vorbehalten war, entwickelten sich im späten Mittelalter erste geistliche Lieder in Volkssprachen, welche zum Beispiel in geistlichen Spielen und zu Prozessionen gesungen wurden.

Im Sinne einer Stärkung der Gemeindebeteiligung im Gottesdienst nahmen Reformatoren den zunächst unbegleiteten Gemeindegesang in ihre Gottesdienstordnungen auf. Thomas Müntzer (1489–1525) begann, bekannte Stücke des gregorianischen Gesangs ins Deutsche zu überführen. Martin Luther (1483–1546) dichtete schließlich zahlreiche neue deutsche Kirchenlieder, die durch Flugblätter und bald auch kleine Gesangbücher eine hohe Verbreitung erreichten und noch heute zum Kern des evangelischen Kirchenliedgutes gehören. Von Luthers Anhängern wurden seine Lieder auch als Kampfmittel gegen die katholische Liturgie benutzt. Auch innerhalb der reformatorischen Täuferbewegung entstanden neue Kirchenlieder, die später unter anderem im Ausbund abgedruckt wurden.

In den Reformierten Kirchen wurden Kirchenlieder nur unter strengen Auflagen zugelassen. So entstand eine eigenständige Tradition von Psalmbereimungen in ein- und mehrstimmigem Satz.

Das protestantische Kirchenlied erreichte im Früh- und Hochbarock einen neuen Höhepunkt. Dichter wie Martin Behm, Paul Gerhardt, Johann Heermann, Joachim Neander, Georg Neumark, Martin Rinckart, Gregor Ritzsch, Michael Schirmer, Johann Wilhelm Simler und viele andere verfassten geistliche Texte von bleibender literarischer Bedeutung, die von führenden Komponisten wie Johann Crüger, Johann Georg Ebeling und Heinrich Schütz vertont wurden.

Auch von der Gegenreformation wurde die Bedeutung des volkssprachlichen Kirchenlieds erkannt. Katholische Gesangbücher wie die von Nikolaus Beuttner (Graz 1602) – eine Sammlung vornehmlich vorreformatorischer geistlicher Volkslieder und Wallfahrtsrufe – und David Gregor Corner (Nürnberg 1625) sind frühe Beispiele für das Wirken katholischer Gelehrter in von der Reformation geprägten Regionen und den Einsatz des Kirchenlieds als Instrument der Rekatholisierung. Auf katholischer Seite sind insbesondere die Dichtungen aus der Feder von Angelus Silesius und Friedrich Spee bedeutsam und auch heute noch bekannt.

Auch der Pietismus führte zu einer Flut von geistlichen Liedern für den häuslichen Gottesdienst. Das wichtigste pietistische Gesangbuch, das 1704 erschienene Freylinghausensche Gesangbuch, umfasste in zwei Bänden ungefähr 1500 Lieder. Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, Gründer der Herrnhuter Brüdergemeine, hat etwa 2000 geistliche Lieder gedichtet. Mit Aufklärung und Klassik ging das künstlerische Interesse am Kirchenlied drastisch zurück. Die Anzahl der gebräuchlichen Melodien sank stetig, Melodien wurden geglättet und vor allem rhythmisch vereinfacht. Neue Texte hatten meist belehrenden Charakter und waren sprachlich nicht anspruchsvoll. Erst in der Romantik kam es zu restaurativen Strömungen. Neue Kirchenlieder entstanden allerdings eher als Chorsätze, weniger für den Gemeindegesang. Bestehende Kirchenlieder wurden übersetzt und global verbreitet. So fanden an der Wende zum 20. Jahrhundert missionarisch-kämpferische Lieder aus der amerikanischen Erweckungsbewegung Eingang in einige europäische Gesangbücher.

In den 1920er Jahren begann eine kirchenmusikalische Erneuerungsbewegung. Alte Lieder wurden erneut in Gesangbücher aufgenommen, Melodien in ihre ursprüngliche Fassung zurückgeführt; außerdem entstanden unter Rückgriff auf ältere musikalische Stilelemente neue Gemeindelieder. Ab den sechziger Jahren fanden zunehmend Kirchenlieder in Stilen der Popularmusik Verbreitung (Neues Geistliches Lied). Auch Lieder aus außereuropäischen musikalischen Traditionen, beispielsweise Negro Spirituals, Lieder aus dem Black Gospel oder aus der außereuropäischen Folklore, fanden – meist, aber nicht immer, übersetzt – Eingang in aktuelle Gesangbücher.

Englischer Kulturraum

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In der anglikanischen Kirche entwickelte sich, ausgehend von der Musik der katholischen und reformierten Kirchen, die Tradition des Anglikanischen Gesangs, in der zunächst nur bereimte Psalmtexte zugelassen waren. Das Book of Common Prayer, ein Gesangbuch von Psalmgesängen in englischer Sprache, erschien 1661 in einer bis zum 20. Jahrhundert gültigen Ausgabe und erreichte im gesamten Empire hohe Verbreitung.

Für den privaten Gebrauch schufen im 17. Jahrhundert Dichter wie John Milton (1608–1674), Samuel Crossman (1624–1683) und John Bunyan (1628–1688) geistliche Lieder ohne Psalmvorlage. Nach der Freigabe der gottesdienstlichen Verwendung nicht-psalmgebundener Texte durch die Church of England gab es eine Blüte englischsprachiger Kirchenlieddichtung, deren herausragender Vertreter Isaac Watts (1674–1748) war.

Zahlreiche Kirchenlieder entstanden als Folge der englischen Erweckungsbewegung in den 1730er Jahren. Lieder von Charles Wesley (1707–1788), John Newton (1725–1807) und William Cowper (1731–1800) erreichten im Methodismus und in den protestantischen Kirchen des englischsprachigen Raums hohe Verbreitung. Auch deutsche Kirchenlieder in englischer Übersetzung hielten ihren Einzug in englische Gesangbücher. Eine bekannte Übersetzerin in diesem Zusammenhang war Catherine Winkworth (1827–1878).

Vereinigte Staaten

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Als Kirchenlieder waren in den amerikanischen Kolonien zunächst die Psalmgesänge der puritanischen und protestantischen Einwanderer verbreitet. Angetrieben durch reisende Singing Masters, welche in lokalen Wochenkursen die elementaren Begriffe des (gottesdienstlichen) Singens nach Noten vermittelten, entstand im 18. Jahrhundert mit der First New England School eine originär amerikanische vierstimmige A-cappella-Gemeindeliedkultur.

Ortsgebundene Singing Schools im 19. Jahrhundert führten zur Verbreitung der Shape Note Music, einer geistlichen vierstimmigen A-cappella-Musik, deren Notenköpfe je nach Stufe in der Tonleiter in unterschiedlicher Form gedruckt waren. Gegenbewegung zur Shape Note Music war die von Lowell Mason (1792–1872) geprägte Better Music-Bewegung, welche für einen einstimmigen, durch die Orgel begleiteten Gemeindegesang eintrat und sich musikalisch an europäischen Maßstäben orientierte.

Infolge der amerikanischen Erweckungsbewegungen, insbesondere des Second Great Awakenings, entstanden ab der Mitte des 19. Jahrhunderts der Sunday School Song und das amerikanische Erweckungslied, die stark durch die damalige amerikanische Popularmusik und die Musik der amerikanischen Brassbands geprägt sind. Mit Abschaffung der Sklaverei entstand ein neues Interesse für die religiöse Musik der Schwarzen. Negro Spirituals und Black Gospel erreichten weltweite Verbreitung. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden mit Contemporary Christian Music (CCM) und Lobpreis und Anbetung (Praise and Worship Music) weitere Traditionen des popularmusikalisch geprägten geistlichen Lieds.

Kirchengesangbuch

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Die meisten Konfessionen haben ein eigenes Kirchengesangbuch, teilweise mit besonderen Ausgaben für einzelne Länder oder Regionen. Das katholische Gebet- und Gesangbuch für alle deutschsprachigen Bistümer außer der Schweiz heißt Gotteslob, es erschien erstmals 1975 und 2013 mit gleichem Titel in völlig neu bearbeiteter Form. Das aktuelle Gesangbuch der evangelischen Kirche ist seit 1993 bzw. 1996 das Evangelische Gesangbuch. Viele Kirchengesangbücher enthalten Lieder aus einer Zeitspanne vom 4. bis zum 20. Jahrhundert, die die unterschiedlichen Musik- und Frömmigkeitsstile dieser Epochen widerspiegeln. Das Kirchengesangbuch enthält neben Kirchenliedern in der Regel auch Gebete und Agenden für Gottesdienste.

Ökumenische Kirchenlieder

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Es gibt Bestrebungen in die Richtung eines gemeinsamen Liederbuches für alle christlichen Konfessionen. Realistischer sind jedoch die bereits heute in praktisch allen neueren Gesangbüchern aufgeführten ökumenischen Lieder mit gleichem Text und gleicher Melodie für alle Konfessionen. Diese Lieder sind gewöhnlich mit „ö“ oder „(ö)“ gekennzeichnet. Auch da kann es Probleme geben: die Evangelisch-methodistische Kirche hat z. B. ein Gesangbuch für den gesamten deutschen Sprachraum, worauf sich bei vielen ökumenischen Liedern die Frage stellt, ob die deutsche, schweizerische, oder österreichische Version des Texts genommen werden soll – die evangelisch-lutherischen, evangelisch-reformierten und katholischen Gesangbücher verwenden jeweils die Version des eigenen Landes.

Kirchenliedbearbeitungen

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Bekannte Komponisten, die Kirchenlieder in ihren Werken verwendet haben, sind Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn Bartholdy und Heinrich Schütz.

Commons: Kirchenlied – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Kirchenlied – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikisource: Kirchenlieder – Quellen und Volltexte