„Julius Evola“ – Versionsunterschied

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'''Julius Evola''' (eigentlich ''Baron Giulio Cesare Evola; ''* [[19. Mai]] [[1898]] in [[Rom]]; † [[11. Juni]] [[1974]] ebendort) war ein [[Italien|italienischer]] [[Kulturphilosoph]] und Vertreter des [[Kulturpessimismus]]. Er gilt als Vordenker, Theoretiker und Vertreter des italienischen Faschismus.<ref>[[Roger Griffin]]: ''Völkischer Nationalismus als Wegbereiter und Fortsetzer des Faschismus: Ein angelsächsischer Blick auf ein nicht nur deutsches Phänomen''. / Unterkapitel: ''Das Auftreten eines metapolitischen Faschismus'' in: Heiko Kauffmann, Helmut Kellershohn, Jobst Paul (Hg.): ''Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt - Analysen rechter Ideologie''. Münster, Unrast Verlag 2005, ISBN 3-89771-737-9, S. 41</ref><ref>[[Thomas Pfeiffer (Politikwissenschaftler)|Thomas Pfeiffer]]: ''[http://www.im.nrw.de/sch/doks/vs/tagung.pdf Die Neue Rechte in Deutschland]'' Publikation des [[Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen]], S. 47</ref><ref>Christian Dornbusch, Jan Raabe, David Begrich: ''RechtsRock - Made in Sachsen-Anhalt.'' Magdeburg, [[Landeszentrale für politische Bildung]] Sachsen-Anhalt, 2007, S. 63</ref>
'''Julius Evola''' (eigentlich ''Baron Giulio Cesare Evola; ''* [[19. Mai]] [[1898]] in [[Rom]]; † [[11. Juni]] [[1974]] ebendort) war ein [[Italien|italienischer]] [[Kulturphilosoph]], Vertreter des [[Kulturpessimismus]] und [[Judenfeindlichkeit|Antisemit]]. Er gilt als Vordenker, Theoretiker und Vertreter des italienischen Faschismus.<ref>[[Roger Griffin]]: ''Völkischer Nationalismus als Wegbereiter und Fortsetzer des Faschismus: Ein angelsächsischer Blick auf ein nicht nur deutsches Phänomen''. / Unterkapitel: ''Das Auftreten eines metapolitischen Faschismus'' in: Heiko Kauffmann, Helmut Kellershohn, Jobst Paul (Hg.): ''Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt - Analysen rechter Ideologie''. Münster, Unrast Verlag 2005, ISBN 3-89771-737-9, S. 41</ref><ref>[[Thomas Pfeiffer (Politikwissenschaftler)|Thomas Pfeiffer]]: ''[http://www.im.nrw.de/sch/doks/vs/tagung.pdf Die Neue Rechte in Deutschland]'' Publikation des [[Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen]], S. 47</ref><ref>Jean Cremet, Felix Krebs, Andreas Speit: ''Jenseits des Nationalismus. Ideologische Grenzgänger der „Neuen Rechten“ - Ein Zwischenbericht.'' [[Unrast Verlag]], Münster 1999, ISBN 3-928300-94-6, S. 29-30</ref>


Er unterhielt vom Ende der 1920er Jahre an enge Beziehungen zu [[Benito Mussolini]] und seiner [[Faschismus#Italien (1922-1945)|faschistischen Bewegung]]<ref>„Evola lieferte Mussolini den philosophischen Überbau für sein Gewaltregime, und er tat dies wesentlich fundierter als manche von Hitlers Souffleuren.“ Franziska Hundseder: ''Wotans Jünger. Neuheidnische Gruppen zwischen Esoterik und Rechtsradikalismus.'' [[Heyne-Verlag|Heyne Sachbuch]], München 1998, ISBN 3-453-13191-6, S. 145.</ref> Nach dem Zusammenbruch des Regimes floh er 1943 nach Deutschland, wo er dem [[Zeit des Nationalsozialismus|NS-Regime]] unter anderem als Mitarbeiter der [[Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe]] der [[Schutzstaffel|SS]] zu Diensten war. Im Nachkriegsitalien avancierte er dann zum Vordenker verschiedener [[Neofaschismus|neofaschistischer]] Organisationen.
Er unterhielt vom Ende der 1920er Jahre an enge Beziehungen zu [[Benito Mussolini]] und seiner [[Faschismus#Italien (1922-1945)|faschistischen Bewegung]]<ref>„Evola lieferte Mussolini den philosophischen Überbau für sein Gewaltregime, und er tat dies wesentlich fundierter als manche von Hitlers Souffleuren.“ Franziska Hundseder: ''Wotans Jünger. Neuheidnische Gruppen zwischen Esoterik und Rechtsradikalismus.'' [[Heyne-Verlag|Heyne Sachbuch]], München 1998, ISBN 3-453-13191-6, S. 145</ref>. Nach dem Zusammenbruch des Regimes floh er 1943 nach Deutschland, wo er dem [[Zeit des Nationalsozialismus|NS-Regime]] unter anderem als Mitarbeiter der [[Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe]] der [[Schutzstaffel|SS]] zu Diensten war. Im Nachkriegsitalien avancierte er dann zum Vordenker verschiedener [[Neofaschismus|neofaschistischer]] Organisationen.


Seine Werke werden häufig von [[Rechtskonservatismus|rechtskonservativen]] und [[Rechtsextremismus|rechtsextremistischen]] Gruppen zur Untermauerung ihrer [[Gegenaufklärung|antiaufklärerischen]] und antidemokratischen Positionen angeführt, wenngleich Evola selbst als Vertreter eines rigiden [[Elitarismus]] „Massenbewegungen“ kritisch gegenüberstand, was in Kontrast zumindest zu den Ambitionen einiger neofaschistischer Gruppierungen steht, die sich nun (zu Anfang des 21.&nbsp;Jahrhunderts) teilweise auf ihn berufen.
Seine Werke werden häufig von [[Rechtskonservatismus|rechtskonservativen]] und [[Rechtsextremismus|rechtsextremistischen]] Gruppen zur Untermauerung ihrer [[Gegenaufklärung|antiaufklärerischen]] und antidemokratischen Positionen angeführt, wenngleich Evola selbst als Vertreter eines rigiden [[Elitarismus]] „Massenbewegungen“ kritisch gegenüberstand, was in Kontrast zumindest zu den Ambitionen einiger neofaschistischer Gruppierungen steht, die sich nun (zu Anfang des 21.&nbsp;Jahrhunderts) teilweise auf ihn berufen.
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Heute ist Evola neben [[Savitri Devi]], [[Miguel Serrano]] und [[Jan Udo Holey]] der wichtigste Autor für jene Kreise, die [[Esoterik]] und [[Neonazismus]] miteinander verbinden wollen. Dabei sind seine ins unpersönliche überhöhten Mythologisierungen - aus heutiger rechtsextremer Perspektive - von einer „entlastenden Unverfänglichkeit“.<ref>„Evolas Rassenlehre ist in einer Weise symbolisch überladen, die sie im Gegensatz zu Hitlers biologischem Rassismus unschuldig-naiv wirken lässt.“ [[Friedrich Paul Heller]], [[Anton Maegerle]]: ''Thule. Von den völkischen Mythologien zur Symbolsprache heutiger Rechtsextremisten.'' Schmetterling-Verlag, 3. überarbeitete Auflage, Stuttgart 2007, ISBN 3-89657-092-7, S. 62</ref>
Heute ist Evola neben [[Savitri Devi]], [[Miguel Serrano]] und [[Jan Udo Holey]] der wichtigste Autor für jene Kreise, die [[Esoterik]] und [[Neonazismus]] miteinander verbinden wollen. Dabei sind seine ins unpersönliche überhöhten Mythologisierungen - aus heutiger rechtsextremer Perspektive - von einer „entlastenden Unverfänglichkeit“.<ref>„Evolas Rassenlehre ist in einer Weise symbolisch überladen, die sie im Gegensatz zu Hitlers biologischem Rassismus unschuldig-naiv wirken lässt.“ [[Friedrich Paul Heller]], [[Anton Maegerle]]: ''Thule. Von den völkischen Mythologien zur Symbolsprache heutiger Rechtsextremisten.'' Schmetterling-Verlag, 3. überarbeitete Auflage, Stuttgart 2007, ISBN 3-89657-092-7, S. 62</ref>


Auch in Teilen der [[Neue Rechte|Neuen Rechten]] wird er als wichtiger [[Kulturphilosophie|Kulturphilosoph]] betrachtet. So bezieht sich diese mit ihrer Forderung auf ein „Recht auf Ungleichheit“ auf Evolas offensiver formulierten Ideologiebestandteil des „Rassegedanken als Anti-Universalismus“.<ref>Franziska Hundseder: ''Wotans Jünger'', S. 145</ref> Auch sein Werk ''Revolte gegen die moderne Welt'' wird oft in neurechten Kreisen rezipiert.<ref>„Mit diesem heute wieder vorliegenden Buch ist [Evola] eine Stütze für eine zivilisationsmüde, von Wodka wie Cola angeekelte Neurechte, die ‚Zurück in die Zukunft‘ und zu einer elitären Ordnung wollen“, Ebenda</ref>
Auch in Teilen der [[Neue Rechte|Neuen Rechten]] wird er als wichtiger [[Kulturphilosophie|Kulturphilosoph]] betrachtet. So bezieht sich diese mit ihrer Forderung auf ein „Recht auf Ungleichheit“ auf Evolas offensiver formulierten Ideologiebestandteil des „Rassegedanken als Anti-Universalismus“.<ref>Franziska Hundseder: ''Wotans Jünger'', S. 145</ref> Seine Werke, etwa ''Revolte gegen die moderne Welt'', werden oft in neurechten Kreisen rezipiert und beispielsweise durch den [[Junge Freiheit|Junge-Freiheit]]-Redakteur Stefan Ulbrich neu aufgelegt.<ref>„Mit diesem heute wieder vorliegenden Buch ist [Evola] eine Stütze für eine zivilisationsmüde, von Wodka wie Cola angeekelte Neurechte, die ‚Zurück in die Zukunft‘ und zu einer elitären Ordnung wollen“, Ebenda</ref>

Ferner finden Evolas Werke positiven Anklang im antibürgerlich-elitären, antimodernen Spektrum der [[Schwarze Szene|Schwarzen Szene]] beziehungsweise in deren Musiksubkulturen des [[Dark Wave]] und des [[Neofolk]]<ref>Jan Raabe, Andreas Speit: ''Elitärer Gestus und integraler Traditionalismus: Cavalcare la Tigre''. in: Andreas Speit (Hrsg.): ''Ästhetische Mobilmachung. Dark Wave, Neofolk und Industrial im Spannungsfeld rechter Ideologien''. Unrast Verlag, Münster 2002, ISBN 3-89771-804-9, S. 85-89</ref><ref>[[Christian Dornbusch]], Jan Raabe, David Begrich: ''Antiaufklärerische Innenschau - Darkwave'' in: ''RechtsRock - Made in Sachsen-Anhalt.'' Magdeburg, [[Landeszentrale für politische Bildung]] Sachsen-Anhalt, 2007, S. 62-67</ref>, sowie vereinzelt auch im [[Black Metal]]<ref>Christian Dornbusch, Hans-Peter Killguss: ''Unheilige Allianzen. Black Metal zwischen Satanismus, Heidentum und Neonazismus''. Unrast Verlag, Hamburg/Münster 2005, ISBN 3-89771-817-0, S. 231, 259</ref>.


Für die ansonsten vorherrschende Einschätzung Evolas sei exemplarisch [[Umberto Eco]] genannt, der ihn als „Operetten-Okkultist“ und „faschistischen Guru“ bezeichnet. <ref>[http://www.zeit.de/1995/28/Urfaschismus?page=all ''Urfaschismus''], Vorlesung an der [[Columbia University]] zum 50. Jahrestag der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus, 24. April 1995, erschienen in der [[Die Zeit|ZEIT]], Nr. 28/1995</ref>
Für die ansonsten vorherrschende Einschätzung Evolas sei exemplarisch [[Umberto Eco]] genannt, der ihn als „Operetten-Okkultist“ und „faschistischen Guru“ bezeichnet. <ref>[http://www.zeit.de/1995/28/Urfaschismus?page=all ''Urfaschismus''], Vorlesung an der [[Columbia University]] zum 50. Jahrestag der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus, 24. April 1995, erschienen in der [[Die Zeit|ZEIT]], Nr. 28/1995</ref>

Version vom 8. Oktober 2008, 01:24 Uhr

Julius Evola (eigentlich Baron Giulio Cesare Evola; * 19. Mai 1898 in Rom; † 11. Juni 1974 ebendort) war ein italienischer Kulturphilosoph, Vertreter des Kulturpessimismus und Antisemit. Er gilt als Vordenker, Theoretiker und Vertreter des italienischen Faschismus.[1][2][3]

Er unterhielt vom Ende der 1920er Jahre an enge Beziehungen zu Benito Mussolini und seiner faschistischen Bewegung[4]. Nach dem Zusammenbruch des Regimes floh er 1943 nach Deutschland, wo er dem NS-Regime unter anderem als Mitarbeiter der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe der SS zu Diensten war. Im Nachkriegsitalien avancierte er dann zum Vordenker verschiedener neofaschistischer Organisationen.

Seine Werke werden häufig von rechtskonservativen und rechtsextremistischen Gruppen zur Untermauerung ihrer antiaufklärerischen und antidemokratischen Positionen angeführt, wenngleich Evola selbst als Vertreter eines rigiden Elitarismus „Massenbewegungen“ kritisch gegenüberstand, was in Kontrast zumindest zu den Ambitionen einiger neofaschistischer Gruppierungen steht, die sich nun (zu Anfang des 21. Jahrhunderts) teilweise auf ihn berufen.

Er schrieb umfangreich über Hermetik, Sexualmagie, buddhistische und hinduistische Themen und betätigte sich als Maler, Dichter, Herausgeber und Übersetzer.

Leben und Ideen

Evola erhielt eine strenge katholische Erziehung. Wenig später wandte er sich jedoch vom Katholizismus ab und den Idealen der heidnischen Antike zu. In seinem 1928 erschienenen, diesem Themenkomplex gewidmetem und „schroff antijüdischen und antichristlichen“[5] Buch Imperialismo pagano (dt. Heidnischer Imperialismus), plädiert er für einen hierarchisch aufgebauten Führerstaat, einem sakralen Reich nach dem Vorbilde des antiken Römischen Reiches. Die zugrundeliegende Prämisse „Die Überlegenheit beruht nicht auf der Macht, sondern die Macht auf der Überlegenheit“ bezieht sich auf überweltliche, transzendentale Fähigkeiten, die die Regentschaft des Führers eines solchen Reiches, eines Priester-Königs, legitimieren. Ziel dieser Herrschaft sei es, die Menschen auf dem Weg zur Initiation, d. h. zur „Befreiung“ aus dem „irdischen Jammertal“ zu führen, ihnen das Überweltliche, das Transzendentale erfahrbar zu machen, kurzum: den göttlichen Menschen zu formen.

Evola vertritt in seiner Philosophie eine polare bzw. duale Sicht der Dinge: dem männlich-solar-transzendenten, dem Spirituellen zugewandten sakralisierten Kshatriya-Prinzip, stellt er das weiblich-lunare, dem Spirituellen abgewandte entgegen. So bezeichnet er die dem Römischen Reich in Europa folgenden, sich mit fortschreitender Zeit immer stärker dem Materialismus zuneigenden Gesellschaftsordnungen als lunar-dekadent und daher involutiv, d.h. als vom kulturellen Niedergang gezeichnet und somit dem Untergang geweiht, denn es fehle, aus Evolas Sicht, „das Sakrale der Antike“. Aus diesem Grund lehnt Evola auch die gesamte Moderne und deren Begriffe wie Volk und insbesondere Nation als einer Begrifflichkeit der Französischen Revolution, „dem Ursprung allen demokratischen Übels“, ab. Evola selbst versteht sich als Traditionalist im Sinne René Guénons, auf dessen Werke, wie etwa La crise du monde moderne (1927; deutsch Die Krisis der Neuzeit), Evola vielfach Bezug nimmt. Wie Guénon, geht Evola davon aus, dass die menschliche Rasse im Zeitalter des Kali Yuga lebt, dem dunklen Zeitalter der Hindu-Mythologie.[6] Ebenso heftig wie die rein materialistisch ausgerichteten gesellschaftlichen Strömungen attackiert Evola den in den 1920er Jahren populären Spiritismus nebst weiteren „okkulten“ Begleiterscheinungen sowie die psychoanalytische Methodik von Sigmund Freud oder C. G. Jung im Sinne einer Öffnung zum Unterbewussten hin. Diese würden der wahren Transzendierung des Menschen sogar in noch stärkerem Maße entgegenstehen und seien daher abzulehnen.

Als Hauptwerk Evolas gilt das 1934 erschienene, stark von mythischem Denken geprägte Buch Rivolta contro il Mondo Moderno (deutsch Erhebung wider die moderne Welt bzw. Revolte gegen die moderne Welt). Er greift darin die aus seiner Sicht bestehenden Nachteile aktueller politischer und gesellschaftlicher Strukturen an - insbesondere die von demokratischen Gesellschaften, des Kommunismus, des Nationalsozialismus und italienischen Faschismus. Evola hat sich nie völlig von der Politik einnehmen lassen und vertrat ohne Rücksicht auf die wechselnden Vorlieben Mussolinis seine eigenen Positionen. Trotz anfänglicher Sympathien und nach einem kurzen Vortrags-Intermezzo bei der SS lehnte er später den Nationalsozialismus Deutschlands als Irrweg ab: Dieser war ihm zu modernistisch, die biologistische Ausrichtung war ihm zuwider und seine traditionalistischen Grundsätze sah er im Dritten Reich als verloren an. Gleichwohl bewunderte er die Überlegungen Heinrich Himmlers, einen Ordensstaat der SS einzurichten. Doch auch die SS misstraute schließlich dem „reaktionären Römer“.[7] Mit Alfred Rosenberg hatte Evola radikal antisemitische und antichristliche Vorstellungen gemeinsam, Evola zugunsten eines neuen römischen Imperiums - Rosenberg zugunsten eines nordischen Germanentums.[8]

Evola reklamierte für seinen Begriff der Rasse, er gehe über den der anthropologischen Deutung des Nationalsozialismus hinaus. Im Unterschied zu der rein biologistischen Sicht etwa eines Houston Stewart Chamberlain, dem Evola seelischen Infantilismus vorwarf, interpretierte Evola „Rasse“ in einem „transzendentalen“ Sinne als Kultur, Elite und Aristokratie und forderte einen „Rassismus des Geistes“ und der Seele (dies vor allem in seinem 1938 erschienenen Buch Mito del sangue). Trotzdem war Evola im faschistischen Italien Ende der 1930er Jahre einer der führenden antisemitischen Wortführer, gab die Protokolle der Weisen von Zion heraus und unterstellte dem Judentum, eine der „wahren“ Transzendenz und Spiritualität diametral entgegenstehende Kraft zu bilden. Dass er das Judentum als Rasse und nicht als Religion interpretierte, ersieht man vor allem bei seinen Attacken gegen Albert Einstein, Sigmund Freud, Gustav Mahler, Tristan Tzara und andere Exponenten der modernen Kultur und Wissenschaft, die auch von den Nazis als Belege für deren „Verjudung“ herangezogen wurden.[9] Insbesondere mit seinem 1941 veröffentlichten Werk Sintesi di dottrina della razza, das er kurz darauf unter dem Titel Grundrisse der faschistischen Rassenlehre selbst ins Deutsche übersetzte, stellte sich Evola an die Spitze der italienischen Rassentheoretiker.[10] Nach dem Zusammenbruch des faschistischen Regimes in Italien floh er 1943 ins Deutsche Reich und kooperierte dort u. a. mit der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe, die der SS unterstellt war. 1945 trug er von einem sowjetischen Bombengriff auf Wien eine Verletzung davon, die ihn für den Rest seines Lebens von der Hüfte abwärts lähmte.

Im April 1951 wurde Evola wegen „Verherrlichung des Faschismus“ und wegen „Bildung einer faschistischen Verschwörung“ verhaftet, in einem aufsehenerregenden Prozess jedoch freigesprochen. In der Folgezeit wurde Evola zum Vordenker des radikalen Flügels des neofaschistischen Movimento Sociale Italiano um Giorgio Almirante und Pino Rauti, aus dem die spätere Terrororganisation Ordine Nuovo hervorgehen sollte. Evola bekannte sich offen zu dem Einfluss, den er auf Ordine Nuovo ausgeübt hatte.[11]

Im Verlauf der ideologischen Auseinandersetzungen im Gefolge der 68er-Bewegung bezeichnete Almirante Evola als „Marcuse von rechts“.[12]

In den 1980er Jahren galt Evola unter rechtsextremen italienischen Terroristen der Bewaffneten revolutionären Zellen, die im Londoner Exil lebten, als ideologische Grundlage.[13]

Heute ist Evola neben Savitri Devi, Miguel Serrano und Jan Udo Holey der wichtigste Autor für jene Kreise, die Esoterik und Neonazismus miteinander verbinden wollen. Dabei sind seine ins unpersönliche überhöhten Mythologisierungen - aus heutiger rechtsextremer Perspektive - von einer „entlastenden Unverfänglichkeit“.[14]

Auch in Teilen der Neuen Rechten wird er als wichtiger Kulturphilosoph betrachtet. So bezieht sich diese mit ihrer Forderung auf ein „Recht auf Ungleichheit“ auf Evolas offensiver formulierten Ideologiebestandteil des „Rassegedanken als Anti-Universalismus“.[15] Seine Werke, etwa Revolte gegen die moderne Welt, werden oft in neurechten Kreisen rezipiert und beispielsweise durch den Junge-Freiheit-Redakteur Stefan Ulbrich neu aufgelegt.[16]

Ferner finden Evolas Werke positiven Anklang im antibürgerlich-elitären, antimodernen Spektrum der Schwarzen Szene beziehungsweise in deren Musiksubkulturen des Dark Wave und des Neofolk[17][18], sowie vereinzelt auch im Black Metal[19].

Für die ansonsten vorherrschende Einschätzung Evolas sei exemplarisch Umberto Eco genannt, der ihn als „Operetten-Okkultist“ und „faschistischen Guru“ bezeichnet. [20]

Zitate

  • „Die Idee muss über die Wirklichkeit Gericht sitzen, und nicht umgekehrt. Die Aufgabe der Spekulation ist nicht festzustellen, was besteht, sondern in der unsicheren Welt der Menschen festzulegen, was als Wert gelten muss. Und wenn das nicht der tagtäglichen Wirklichkeit entspricht, darf man es deshalb nicht abstrakt nennen, sondern abstrakt und träge müssen vielmehr der Wille und die Kraft der Menschen genannt werden, die der Idee nicht genügen.“ (Gedanken zu einem Staat als Macht in Critica Fascista, 1. September 1926)
  • „Dieses 'humane' Lebensgefühl, das so typisch für das moderne Abendland ist, bestätigt nur seinen plebejischen und inferioren Aspekt. Das, was den einen eine Scham war - der 'Mensch' - dessen rühmen sich die anderen. Die Antike erhob das Individuum zum Gott, suchte es von der Leidenschaft zu lösen, dem Transzendenten anzugleichen, der freien Höhenluft, sei es in der Komtemplation oder in der Tat; sie kannte Traditionen von nicht-menschlichen Helden und Menschen aus göttlichem Blut. [...] Das 'Menschliche' ist zu überwinden, absolut, ohne Erbarmen. Aber dazu ist nötig, daß die Individuen das Empfinden der inneren Befreiung erlangen. Man muß wissen, daß diese nicht Gegenstand des Durstes sein kann, nicht Gegenstand der heißhungrigen Suche von Seiten der Gefesselten, denen als solchen der Weg dazu versperrt ist. Entweder ist sie eine einfache Sache, die man weder feierlich bekanntgibt, noch beschwatzt, deren man sich gleichsam gar nicht versieht, wie eine natürliche, elementare, unveräußerliche Gegenwart von Erwählten - oder sie ist überhaupt nicht. Je mehr man sie sieht und will, desto mehr entfernt sie sich, denn das Verlangen ist tödlich für sie.“ (aus: Heidnischer Imperialismus)
  • „Man braucht kaum zu erwähnen, daß im Weltkrieg von 1914 bis 1918 die erstere Auffassung den Alliierten, vor allem den Westmächten, eigen war, während die letztere hauptsächlich von den Mittelmächten vertreten wurde. Nach einer bekannten freimaurerischen Parole wurde jener Krieg als eine Art "Kreuzzug der Weltdemokratie gegen den preußischen Militarismus" geführt. Der Liberalismus sah in diesen "imperialistischen" Mächten Mitteleuropas die dunklen Überreste des Mittelalters im Herzen des "fortgeschrittenen" Europas. Hinter dieser Auffassung verbirgt sich jedoch die Wahrheit, auf die wir zu Anfang hingedeutet haben, indem wir sagten, daß der Gegensatz nicht nur zwischen zwei Völkergruppen, sondern auch zwischen zwei Epochen bestand, obwohl natürlich hinsichtlich der Bewertung die Dinge ganz anders lagen. Was im demokratisch-freimaurerischen Jargon als "dunkle Überreste" bezeichnet wurde, bedeutete in Wahrheit das Weiterbestehen von Werten, die dem ganzen traditionsgebundenen, kriegerischen, männlichen und arischen Europa eigen waren, während die "fortgeschrittene Welt" nichts anderes darstellte und darstellt als die Welt des Verfalls und der ethischen und geistigen Schwäche des Abendlandes. Außerdem wissen wir nunmehr sehr wohl, wie "imperialistisch" auf ihre Weise die heuchlerischen Vertreter jener liberalistischen Welt waren und sind: es herrscht auch heute wieder drüben ein Imperialismus von Bürgern und Kaufleuten, welche ungestört die Vorteile eines Friedens genießen wollen, der nicht durch die eigene Kraft, sondern durch Einsatz einer aus allen Weltteilen angeworbenen und bezahlten Söldnertruppe durchzusetzen und zu bewahren ist.“ (aus: Das Zeitalter des soldatischen Ethos, 1941)
  • „Wir rufen auf zu einer entschlossenen, bedingungslosen, integralen Rückkehr zur nordisch-heidnischen Tradition. Wir machen Schluß mit jedem Kompromiß, jeder Schwäche, jeder Nachsicht gegenüber allem, was, von der semitisch-christlichen Wurzel herkommend, unser Blut und unseren Verstand infiziert hat. Ohne Rückkehr zu dieser Tradition gibt es keine Befreiung, keinen wahren Wiederaufbau, ist die Bekehrung zu den wahren Werten des Geistes, der Macht, der Hierarchie und des Imperiums nicht möglich. Das ist die Wahrheit, die keinen Zweifel erlaubt. Anti-Europa, Anti-Semitismus, Anti-Christianismus - das ist unsere Losung.“ (aus: Heidnischer Imperialismus)

Werke

Evola hat ein sehr umfangreiches Werk hinterlassen.

Es besteht aus 25 Büchern, 300 längeren Essays und über 1000 Zeitungs- und Zeitschriftenaufsätzen. Nur ein Teil davon ist ins Deutsche übersetzt worden, einige Aufsätze wurden original in deutscher Sprache geschrieben. Die erste Evola-Bibliographie in Deutschland stammt von Karlheinz Weißmann und ist dem untenstehenden Werk Menschen inmitten von Ruinen angehängt. Eine ausführlichere Bibliographie wurde von der Studiengruppe Kshatriya in Wien 1998 zum 100. Geburtstag Evolas herausgebracht, sie wird jährlich in deren Rundbrief ergänzt.

  • Imperialismo pagano. 1928
    • dt. Ausgabe: Heidnischer Imperialismus. Armanen-Verlag, Leipzig 1933
  • La tradizione ermetica. 1931
    • Die Hermetische Tradition. Von der alchemistischen Umwandlung der Metalle und des Menschen in Gold. Entschlüsselung einer verborgenen Symbolsprache. Ansata-Verlag, Interlaken 1989, ISBN 3-7157-0123-4
  • Il Mistero del Graal e la Tradizione Ghibellina dell'Impero. 1934
    • dt. Ausgabe: Das Mysterium des Grals. O. W. Barth, Planegg 1955; AAGW, Sinzheim 1995
  • Rivolta contro il mondo moderno. 1934 /1951
    • dt. Ausgabe: Erhebung wider die moderne Welt. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1935; Neuübersetzung: Revolte gegen die moderne Welt. Ansata-Verlag, Interlaken 1982, ISBN 3-7157-0056-4
  • Die arische Lehre von Kampf und Sieg. A. Schroll & Co., Wien 1941 (im Original auf Deutsch erschienen)
  • Sintesi di dottrina della razza. 1941
    • dt. Ausgabe: Grundrisse der faschistischen Rassenlehre. Runge, Berlin [1943]
  • Gli uomini e le rovine. 1953
    • Menschen inmitten von Ruinen. Hohenrain-Verlag, Tübingen/Zürich/Paris 1991, ISBN 3-89180-031-2.
  • Introduzione alla magia come scienza dell'Io. 1955
    • dt. Ausgabe: Magie als Wissenschaft vom Ich. Theorie und Praxis des höheren Bewußtseins
    • Band 1: Praktische Grundlegung der Initiation. Ansata-Verlag, Bern 1985, ISBN 3-7157-0072-6; Ludwig, München 1998, ISBN 3-502-20224-9
    • Band 2: Schritte zur Initiation. Ludwig, München 1997, ISBN 3-502-20208-7
  • Metafisica del sesso. 1958
    • dt. Ausgabe: Metaphysik des Sexus. Klett, Stuttgart 1962; überarbeitete Neuausgabe: Die grosse Lust. Fischer-Media, Bern 1998, ISBN 3-85681-406-X
  • L'«Operaio» nel pensiero di Ernst Jünger. 1959
    • dt. Ausgabe: Der „Arbeiter“ im Denken Ernst Jüngers. Le Rune, Mailand 2003
  • Cavalcare la tigre. 1961
    • dt. Ausgabe: Cavalcare la tigre = Den Tiger reiten. Arun, Engerda 1997, ISBN 3-927940-27-5
  • Über das Initiatische. Aufsatzsammlung. AAGW, Sinzheim 1998, ISBN 3-937592-09-1
  • Tradition und Herrschaft. Aufsätze von 1932-1952. San-Casciano-Verlag, Aschau i. Ch. 2003, ISBN 3-928906-06-2

Unkritisch/Apologetisch

Kritisch

Fußnoten

  1. Roger Griffin: Völkischer Nationalismus als Wegbereiter und Fortsetzer des Faschismus: Ein angelsächsischer Blick auf ein nicht nur deutsches Phänomen. / Unterkapitel: Das Auftreten eines metapolitischen Faschismus in: Heiko Kauffmann, Helmut Kellershohn, Jobst Paul (Hg.): Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt - Analysen rechter Ideologie. Münster, Unrast Verlag 2005, ISBN 3-89771-737-9, S. 41
  2. Thomas Pfeiffer: Die Neue Rechte in Deutschland Publikation des Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, S. 47
  3. Jean Cremet, Felix Krebs, Andreas Speit: Jenseits des Nationalismus. Ideologische Grenzgänger der „Neuen Rechten“ - Ein Zwischenbericht. Unrast Verlag, Münster 1999, ISBN 3-928300-94-6, S. 29-30
  4. „Evola lieferte Mussolini den philosophischen Überbau für sein Gewaltregime, und er tat dies wesentlich fundierter als manche von Hitlers Souffleuren.“ Franziska Hundseder: Wotans Jünger. Neuheidnische Gruppen zwischen Esoterik und Rechtsradikalismus. Heyne Sachbuch, München 1998, ISBN 3-453-13191-6, S. 145
  5. Ernst Nolte: Theorien über den Faschismus. Kiepenheuer & Witsch, Köln/Berlin 1967, S. 41
  6. Claus Dettelbacher (2008) Im Maulbeerhain: Die Lehre von den 4 Weltzeitaltern: Einführung in die Spuren der zyklischen Zeit. Rezeption, Schnittstellen, Geschichtsphilosophie - mit ständiger Rücksicht auf Julius Evola. BoD, Norderstedt; ISBN 978-3-8370-6253-3. (Erweiterte Diplomarbeit an der Universität Wien)
  7. Nicolas Goodrick-Clarke (1982) Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus. ISBN 3-937715-48-7; p. 165. und (2002) Black Sun - Aryan Cults, Esoteric Nazism and the Politics of Identity. ISBN 0-8147-3155-4; p. 65 ff.
  8. Fritz Bauer Institut (Hrsg.): „Beseitigung des jüdischen Einflusses...“ Antisemitische Forschung, Eliten und Karrieren im Nationalsozialismus. Campus-Verlag, Frankfurt/New York 1999, ISBN 3-593-36098-5, S. 70
  9. The poisonous Protocols, Umberto Eco im Guardian, 17. August 2002
  10. Hans-Jürgen Lutzhöft, Der nordische Gedanke in Deutschland. 1920-1940. Klett, Stuttgart 1972, ISBN 3-12-905470-7, S. 272
  11. Julius Evola: „Ordine Nuovo übernahm völlig meine Ideen.“ Interview in Elizabeth Antébi: Ave Lucifer. Calmann-Lévy, Paris 1970; zitiert in Evolas Rezeption in Italien, centrostudilaruna.it
  12. Exportartikel Evola von Alfred Schobert, Jungle World, 13. September 2000
  13. Julius Evola - ein Architekt des Terrors, Searchlight Magazine 12/98; deutsch in trend onlinezeitung, 12/98
  14. „Evolas Rassenlehre ist in einer Weise symbolisch überladen, die sie im Gegensatz zu Hitlers biologischem Rassismus unschuldig-naiv wirken lässt.“ Friedrich Paul Heller, Anton Maegerle: Thule. Von den völkischen Mythologien zur Symbolsprache heutiger Rechtsextremisten. Schmetterling-Verlag, 3. überarbeitete Auflage, Stuttgart 2007, ISBN 3-89657-092-7, S. 62
  15. Franziska Hundseder: Wotans Jünger, S. 145
  16. „Mit diesem heute wieder vorliegenden Buch ist [Evola] eine Stütze für eine zivilisationsmüde, von Wodka wie Cola angeekelte Neurechte, die ‚Zurück in die Zukunft‘ und zu einer elitären Ordnung wollen“, Ebenda
  17. Jan Raabe, Andreas Speit: Elitärer Gestus und integraler Traditionalismus: Cavalcare la Tigre. in: Andreas Speit (Hrsg.): Ästhetische Mobilmachung. Dark Wave, Neofolk und Industrial im Spannungsfeld rechter Ideologien. Unrast Verlag, Münster 2002, ISBN 3-89771-804-9, S. 85-89
  18. Christian Dornbusch, Jan Raabe, David Begrich: Antiaufklärerische Innenschau - Darkwave in: RechtsRock - Made in Sachsen-Anhalt. Magdeburg, Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt, 2007, S. 62-67
  19. Christian Dornbusch, Hans-Peter Killguss: Unheilige Allianzen. Black Metal zwischen Satanismus, Heidentum und Neonazismus. Unrast Verlag, Hamburg/Münster 2005, ISBN 3-89771-817-0, S. 231, 259
  20. Urfaschismus, Vorlesung an der Columbia University zum 50. Jahrestag der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus, 24. April 1995, erschienen in der ZEIT, Nr. 28/1995