Finno-ugrische Völker

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Der Begriff finno-ugrische Völker fasst jene Völker, Bevölkerungen oder Menschengruppen zusammen, die in der Geschichte und in der Gegenwart finno-ugrische Sprachen verwendeten und verwenden. Schließt man die sprachlich verwandten samojedischen Völker mit ein, so ist auch von uralischen Völkern oder der uralischen Völkerfamilie die Rede.

Gemeinsame Frühgeschichte der Uralier

In gewissem Sinne haben die finnougrischen Völker eine gemeinsame Frühgeschichte, jedoch ist ihre spätere Geschichte unterschiedlich verlaufen. Die Vorfahren der Uralier (Finnougrier und Samojeden) lassen sich mit den Urbevölkerungen des gesamten nördlichen Osteuropas unter anderem des Wolga- und Ural-Gebietes in Zusammenhang bringen. Jedoch reicht(e) der uralische Einfluss bis nach Sibirien und selbst bei den Jukagiren im Nordosten Eurasiens finden sich Hinweise auf kulturelle und sprachliche Kontakte. Vieles spricht dafür, dass es in großen Teilen Nord-Eurasiens eine Kontinuität uralischer Bevölkerung seit den neolithischen Kulturen des 3. Jahrtausends vor Christus gab. Auf der anderen Seite sind auch Zuwanderungen, Überlagerungen und kulturelle Einflüsse aus den eurasischen Steppen sichtbar. Die bäuerlichen Kulturen der südlichen Uralier Europas expandierten auf Kosten der Jäger-, Sammler-, Rentierzüchter- und Fischerkulturen der nördlichen Uralier (der Vorfahren der Samen und Samojeden) nach Norden. Dieser Prozess, der fast drei Jahrtausende andauerte, setzte sich noch Anfang des 20. Jahrhundert mit der Migration von Komi in die Tundra östlich und westlich des Urals fort.

Die Zeugnisse der alten Uralier bzw. Finnougrier werden von den Archäologen mit Gruppen verwandter (archäologischer) Kulturen in Zusammenhang gebracht. Dazu gehören im 2. Jahrtausend vor Christus die bronzezeitliche Posdnjakowsker-Kultur und Prikasansker-Kultur im Großraum westlich und östlich des Wolga-Flusssystems. Im letzten Jahrtausend vor Christus, bis etwa 300 v. Chr., folgen auf sie die eisenzeitliche Gorodezko-Djakovsker-Kultur und Ananino-Kultur. Aus diesen Kulturen gingen die spätantiken und frühmittelalterlichen Finnougrier hervor, über die Berichte in schriftlichen Quellen des 1. Jahrtausends n. Chr. zu finden sind. Der relativ geschlossene finnougrische Siedlungsraum im mittleren und nördlichen Osteuropa wurde durch die Zuwanderung baltischer, ostslawischer und turksprachiger Bevölkerungsgruppen und die Übernahme ihrer Sprache durch die Alteingessenen aufgelöst. So gesehen können neben den heutigen finnougrischen Völkern, wie den Finnen, Magyaren (Ungarn) und Esten, auch Teile der heutigen Skandinavier, Russen, Balten sowie der Turkvölker des Wolga-Ural-Gebietes als ethnische Nachfahren der antiken Finnougrier gelten.

Die Ostsee-Finnen

Die Ostsee-Finnen sind durch die Grenzlage zwischen den mittel- und nordeuropäischen und osteuropäischen „Kulturräumen“ geprägt worden. Sie standen unter der Herrschaft deutscher Ordensritter, gehörten zu Schweden oder Russland. Eigenstaatlichkeit erreichten die protestantisch beeinflussten Finnen und Esten erst im 20. Jahrhundert. Die Vorfahren der heute weniger als 1000 Liven gaben Livland ihren Namen und sind mehrheitlich in den Letten aufgegangen. Eine Außengruppe der Finnen bilden die Ingrier (Ingermanländer, ingermanländische Finnen). Sie leben in der Oblast Leningrad. Besondere ethnische Gruppen der Esten sind die Võro-sprachigen Süd-Esten und die ihnen sprachlich nahestehenden christlich-orthodoxen Seto (Setu).

Zu den Ostsee-Finnen gehören auch die in der Vergangenheit von der christlich-orthodoxen Tradition geprägten Kleinstvölker der Ischoren, Wepsen, Woten. Die Karelier sind heute eine Minderheit in der zu Russland gehörenden Republik Karelien. Die Süd- oder Twer-Karelier bilden eine Außengruppe. Sie leben im Gebiet Twer nördlich von Moskau.

Die finnischen Völker des östlichen und nördlichen Osteuropa

Die Gründer mehrerer „altrussischer“ Städte (Murom, Rjasan) waren eigentlich Finno-Ugrier. Völker der Wolga-Finnen und die Vorfahren der südlichen Komi bildeten im Mittelalter eigene Fürstentümer wie die Purgasower Rus in der Waldsteppe westlich der Wolga (12./13. Jahrhundert). Erst 1505 fand mit der Auflösung des Fürstentums Groß-Perm (vielleicht das Bjarmland der skandinavischen Überlieferungen) der letzte finno-ugrische Staat in Osteuropa sein Ende. Wichtigen Einfluss übten in der Wolga-Ural-Region stets die Einwanderer aus dem Süden und ihre Reiche aus (Sarmaten, Goten, Hunnen, Chasaren, Wolga-Bulgaren, Tataren). Der Anschluss der von Sprechern wolgafinnischer und permischer Sprachen bewohnten Gebiete an Russland vollzog sich über einen Zeitraum vom 10. bis zum 16. Jahrhundert. Ihr antikolonialer Protest nahm oft religiöse Formen an. Eine Bewegung für nationale Autonomie entstand erst im 20. Jahrhundert. In sowjetischer Zeit wurden nationale Republiken und Gebiete geschaffen, deren Autonomie aber sehr eingeschränkt blieb. Heute bilden sie in den nach ihnen benannten Republiken überall Minderheiten. Zu der genannten Gruppe von Völkern gehören die oft nur Komi genannten Syrjänen, die besondere ethnische Gruppe der Komi-Ischemzen (Sie leben in der Tundra von der Kola-Halbinsel bis Nordwest-Sibirien) und die südlich von ihnen lebenden Komi-Permjaken. Des Weiteren Udmurten, Mari und die beiden ethnischen Gruppen oder Völker der Mordwinen. Die Bessermenen sind eine ethnisch-konfessionelle Gruppe von Muslimen, die udmurtisch sprechen.

Ugren und Samen

Informationen zu den Samen und zu den ugrischen Völkern der Ungarn, Chanten und Mansen sind an entsprechender Stelle zu finden. Siehe auch: Jugorien

Finno-ugrische Bewegung und Gemeinschaft

Seit dem 1. Weltkongress der finno-ugrischen Völker 1992 in Syktywkar (Republik Komi) wird von finno-ugrischen Völkern, Ländern, Regionen gesprochen. In Estland, Finnland, der Russischen Föderation und Ungarn bestehen staatliche und halbstaatliche politische, wissenschaftliche und kulturelle Einrichtungen, die die finno-ugrische Gemeinschaftlichkeit pflegen. Zur finno-ugrischen Bewegung gehören heute auch Vertreter der Völker, die eine samojedische Sprache sprechen. Die Ende des 20. Jahrhunderts entstandene Bewegung des Ethnofuturismus hat die Wiedergeburt und Erneuerung finno-ugrischer Identität zum Ziel.

Liste der finno-ugrischen Völker

Historische Völkerbezeichnungen

  • Merja: lebten in der Gegend um die Stadt Jaroslawl
  • Meschtscheren: lebten im heutigen Mittelrussland, in der Gegend (Meschtschora) um die Stadt Rjasan. Vergleiche hierzu die Eigenbezeichnung der westlich der Wolga lebenden Tataren: Mescher
  • Muroma: gründeten die Stadt Murom
  • Norova: Name verweist auf den gleichnamigen Grenzfluss zwischen Estland und Russland (Narva)
  • Perm und Petschora: Vorfahren der Komi
  • Sawolotschje-Tschuden: lebten zwischen dem Onegasee und der heutigen Republik Komi
  • Tschuden: allgemeine Bezeichnung für Finno-Ugrier, speziell für solche im Nordwesten Russlands (Esten, Wepsen)
  • Wessen (Wes): vermutlich Vorfahren der Wepsen
  • http://www.suri.ee/ Seite des Informationszentrums der Finno-ugrischen Völker (Englisch). Dort finden sich Informationen zu den Kongressen der Finno-ugrischen Völker.
  • http://www.suri.ee/hist2/plen/Julku.html – Kyösti Julku: Die verschiedenen Hypothesen über den Ursprung der finnougrischen Völker

Literatur