Schmelzklebstoff
Schmelzklebstoffe, auch Heißklebestoffe, Heißkleber oder (in der Schweiz) Heissleim genannt, sind lösungsmittelfreie und bei Raumtemperatur mehr oder weniger feste Produkte, die im heißen Zustand auf die Klebefläche aufgetragen werden, und beim Abkühlen die Verbindung herstellen. Diese auch als Hotmelt bekannte Gruppe von Klebstoffen basiert auf verschiedenen chemischen Rohstoffen.
Geschichte
Birken waren die Grundlage des wahrscheinlich ersten Klebstoffs der Menschheitsgeschichte, das aus Birkenrinde durch Trockendestillation gewonnene Birkenpech, ein Schmelzklebstoff, der sowohl Neandertalern als auch dem modernen Menschen (Homo sapiens der Cro-Magnon-Epoche) bei der Herstellung von Werkzeugen diente:
Die Neandertaler verwandten schon vor mindestens ca. 45.000 Jahren, vielleicht aber auch wesentlich früher, das Birkenpech, um Stein und Holz ihrer Waffen und Werkzeuge miteinander zu verbinden.
Der steinzeitliche Mann, der 3340 v. Chr. auf dem Similaun starb und in der Neuzeit als Gletschermumie aufgefunden wurde, Ötzi genannt, befestigte die aus dem Holz des Wolligen Schneeballs gefertigten Schäfte seiner Pfeile mit den Spitzen aus Feuerstein mittels Pflanzenfasern und Birkenpech.
Haftungsprinzip
Adhäsion wird durch Temperaturerhöhung, also Schmelzen erreicht, was eine Verringerung der Viskosität zur Folge hat. Durch die geringe Viskosität kann eine ausreichende Benetzung des Substrats gewährleistet werden.
Kohäsion wird durch das Abkühlen der Schmelze erreicht.
Inhaltsstoffe
Basispolymere
- PA (Polyamide) Applikationstemperatur meist > 200 °C
- PE (Polyethylen) Applikationstemperatur von 140 bis 200 °C
- APAO (amorphe Polyalphaolefine) Applikationstemperatur ~ 170 °C
- EVAC (Ethylenvinylacetat-Copolymere) Applikationstemperatur ~ 150 °C
- TPE-E (Polyester-Elastomere)
- TPE-U (Polyurethan-Elastomere)
- TPE-A (Copolyamid-Elastomere)
- Vinylpyrrolidon/Vinylacetat-Copolymere, Applikationstemperatur ~ 130 °C, wasserlöslich
Harz
- Kolophonium
- Terpene
- Kohlenwasserstoffharze
Stabilisatoren
- Antioxidantien
- primär („Radikalfänger“, z. B. Phenole)
- sekundär (Peroxidzersetzer)
- Metalldesaktivatoren (bilden mit Metallionen Komplexe)
- Lichtschutzmittel
Wachs
- natürlich (Bienenwachs)
- synthetisch (voll-, teilsynthetisch, chemisch verändert)
Nukleierungsmittel
Nukleierungsmittel können zur Modifizierung teilkristalliner Kunststoffe zugegeben werden. Sie sorgen dafür, dass die Kristallbildung bei höherer Temperatur eintritt. Somit lassen sich beispielsweise bei Polypropylen die Taktzeiten um bis zu 30 % reduzieren und die Kristallstruktur optimieren. Nebeneffekt ist eine stärkere Schwindung.
Anwendung
Je nach Anwendungsgebiet werden die Materialien bezüglich der Haftungseigenschaften auf den Substraten, der Verarbeitungstemperatur, der Wärmestandfestigkeit, der chemischen Beständigkeit und der Härte ausgewählt.
Lieferung
Schmelzklebstoffe werden in Granulatform, als Pulver, als Folie oder als Stangen („Kerzen“) angeboten. Haft-Hotmelts, wie man sie u. a. auf Briefumschlägen findet, werden in Blockform geliefert. Hier ist der Hotmelt mit einer Folie umgeben, die sich während des Aufschmelzens mit dem Hotmelt vermischt. Diese Folie hat so gut wie keinen Einfluss auf die Verarbeitung oder die Klebeeigenschaften.
Polyamide-Schmelzklebstoffe werden zum Teil aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt und sind im Prinzip kompostierbar.
Verarbeitung
Die Schmelzpunkte liegen meist im Bereich zwischen 180 und 200 °C. An der Universität Jena wurde ein rein biologischer Schmelzklebstoff entwickelt, der im Gegensatz zu herkömmlichen Schmelzklebern bereits bei maximal 50 Grad verarbeitet werden kann. [1]
Je nach Lieferform/Gebindeform des Klebstoffes kommen unterschiedliche Versorgungssysteme (z. B. Extruder, Tank, Fass-Schmelzanlagen) zum Einsatz.
In der Industrie erfolgt die Applikation durch Temperatur-geregelte Heißleimgeräte mit Heizschläuchen und Auftragsköpfen mit Düsen.
Für den gelegentlichen Gebrauch gibt es einfache Handgeräte mit Regelung durch Kaltleiter. Im Hobbybereich werden meistens Heißklebestangen („Kerzen“) mit einer Heißklebepistole verarbeitet.
Vor- und Nachteile
Vorteile
- lösemittelfrei
- nahezu unbegrenzte Lagerbarkeit
- vergleichsweise niedriger Preis
- Klebstoffreste können durch Aufheizen verflüssigt und von den meisten Oberflächen rückstandsfrei entfernt werden (zur Reinigung der Werkzeuge oder der zu verklebenden Materialien)
- Verklebung verschiedenster Materialien möglich, besonders geeignet für leicht poröse oder fasrige Werkstoffoberflächen
- kann Unebenheiten von verklebten Oberflächen ausgleichen
Einschränkungen
- geringer Temperaturbereich oberhalb der Raumtemperatur für den Einsatz
- mechanisch wenig formbeständig, neigen schon bei relativ geringer statischer Belastung und bei höherer Umgebungstemperatur zum Kriechen
- chemisch wenig beständig
- Klebespalt kann nicht beliebig klein gewählt werden → höhere Klebedicken als bei vielen anderen Klebstoffen
Typische Einsatzbereiche
- Verpackungsindustrie, z. B. Verkleben von Kartons, Briefumschlägen, Beuteln
- Kleidung, z. B. Einkleben von Schulterpolstern in Jacketts (reinigungsfest)
- Ölfilter in KFZ, z. B. Einkleben der Papierrolle im Gehäuse
- Elektrotechnik, z. B. Umspritzen von Bauteilen + Elektroniken als „Gehäuseersatz“ oder von Induktivitäten zur Vermeidung von Pfeifgeräuschen
- Kabeldurchführungen, Dichtungsmuffen, z. B. für Leitungen in Kraftfahrzeugen
- Möbel- und Holzindustrie, Laminiertechnik
- Schuhindustrie
- Windeln, z. B. Verkleben der saugfähigen Vliese in die Hülle
- Teppichindustrie, Teppichrücken mit der Nutzschicht verkleben
- Heimwerker (Schmelzklebepistolen mit Klebstoffkerzen)
- Buchbinden (Anbringen des Umschlags am Buch, alternativ zu Dispersionsklebstoffen) oder alle Seiten miteinander verbinden (Rückenverklebung)
- ↑ Universität Jena entwickelt rein biologischen Schmelzklebstoff (Verarbeitungstemperatur nur 50 Grad) abgerufen am 12. März 2013.