Lithotrophie

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Lithotrophe Cyanobakterien („Blaualgen“) in einem Baggerteich.
Nitrosomonas eutropha, ein Ammoniak oxidierendes lithotrophes Bakterium

Lithotrophie[1][2] bezeichnet bei Lebewesen einen speziellen Stoffwechseltyp: Lithotrophe Organismen sind in der Lage, anorganische Reduktionsmittel für ihren Baustoffwechsel zu verwenden. Für Reduktionen bei der Biosynthese wird bei allen Lebewesen NADPH in NADP+ umgesetzt. Lithotrophe Organismen können NADPH durch anorganische Elektronendonatoren aus NADP+ regenerieren.

Alle anderen Organismen sind organotroph und bei ihrer Biosynthese auf organische Elektronendonatoren beschränkt. Sie bilden NADPH z.B. mit einer Transhydrogenase aus NADP+ und NADH, das aus dem Abbau organischer Verbindungen stammt.

Eine Reihe von lithotrophen Organismen können neben anorganischen Reduktionsmitteln auch organische, meist niedermolekulare organische Verbindungen zur NADPH-Regeneration nutzen. Sie sind fakultativ lithotroph.

Herkunft und Verwendung der Bezeichnung

Das Wort Lithotrophie kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet wörtlich: sich von Steinen ernährend (Vorlage:ELSalt2 lithos „Stein“; Vorlage:ELSalt2 trophe - „Ernährung“), wobei „lithos“/„Stein“ für anorganische Stoffe steht. Das Adjektiv zu „Lithotrophie“ ist „lithotroph“ (lithotrophe Lebewesen, lithotropher Stoffwechsel).

Diversität und Vorkommen lithotropher Organismen

Bei Prokaryoten ist Lithotrophie weit verbreitet. Lithotrophe Organismen finden sich bei Archaeen und Bakterien in unterschiedlichen Familien, oft zusammen mit eng verwandten organotrophen Lebewesen. Bei Eukaryoten findet sich Lithotrophie innerhalb von Organellen, die höchstwahrscheinlich von prokaryotischen Endosymbionten abstammen.

Tabelle 1. Redoxpotentiale E0' von starken (oben) und schwachen (unten) Reduktionsmitteln[3]
Redoxreaktion E'0(V)
CO + H2O → CO2 + 2H+ + 2e- -0,54
H2 → 2H+ + 2e- -0,41
NADPH + H+ → NADP+ + 2 e- + 2 H+ -0,32
H2S → S + 2H+ + 2 e- -0,25
S + 4 H2O → SO42- + 8 H+ + 8 e- -0,23
NO2- + H2O → NO3- + 2 H+ + 2 e- +0,42
NH4+ + 2 H2O → NO2- + 8 H+ + 6 e- +0,44
Fe2+ → Fe3+ + e- +0,78
2 H2O → O2 + 4 H+ + 4 e- +0,86

Lithotrophe Organismen nutzen ganz unterschiedliche anorganische Elektronendonatoren (Tabelle 1). Darunter befinden sich sehr kräftige Reduktionsmittel wie Kohlenstoffmonoxid (CO) und Wasserstoff (H2), die ihre Elektronen unter Energiegewinn auf NADP+ übertragen können. Die in der Tabelle unter NADPH stehenden Elektronendonatoren benötigen dagegen Energie um NADP+ zu reduzieren. Das triff vor allem auf H2O zu, das ohne Energiezufuhr nur äußerste starke Oxidationsmittel reduzieren kann.

Zur Nutzung der unterschiedlichen Elektronendonatoren finden sich bei lithotrophen Organismen nicht nur ganz verschiedene Enzyme und Elektronenüberträger sondern auch ganz unterschiedliche Stoffwechselwege zur Nutzung anorganischer Reduktionsmittel.

Photolithotrophie

Decken lithotrophe Organismen ihren Energiebedarf photosynthetisch aus Licht, handelt es sich um photolithotrophe Organismen.

Eine ausführliche Beschreibung photolithotropher Stoffwechseltypen findet sich unter Phototrophie und Photosynthese.

Chemolithotrophie

Energiestoffwechsel

Abbildung 1: Vereinfachtes Modell der ATP-Bildung durch Oxidation von H2 im Periplasma bei Aquifex aeolicus.[4][5] Links im Bild befindet sich Transmembrankomplex. An seiner Außenseite (oben) entstehen durch die Oxidation von H2 vier Protonen und 4 Elektronen. Diese werden durch den Komplex an die Innenseite an eine Cytochrom-Oxidase übertragen und reduzieren dort ein O2 zu Wasser. Dabei werden 4 H+ verbraucht. Ohne dass H+ nach außen transportiert wird, entsteht ein Membranpotential, der von der ATP-Synthase (rechts) zur Bildung von ATP genutzt wird.

Chemolithotrophe Organismen decken ihren Energiebedarf nicht durch Licht, sondern durch anorganische chemische Reaktionen, nämlich exergonen Redoxreaktionen.

Inwieweit Organismen Energie aus Redoxreaktionen gewinnen können, hängt nicht nur vom Redoxpotential des Elektronendonators ab, sondern auch von dem des Elektronenakzeptors. Je größer die Differenz ist, desto mehr Energie haben die Zellen für ihr Wachstum zur Verfügung.

  • Viele chemolithotrophe Organismen nutzen das kräftige Oxidationsmittel O2 als Elektronenakzeptor. Sie sind aerob.
  • Daneben gibt es eine Reihe anaerober chemolithotropher Archaeen und Bakterien. Sie nutzen beispielsweise die relativ schwachen Oxydationsmittel Sulfat und CO2 als Elektronenakzeptor.

Nahezu alle Organismen benötigen Energie in Form eines elektrisch-chemischen Membranpotentials. Ihre Cytoplasmamembranen sind außen negativ und innen positiv geladen. Außen ist die Konzentration positiv geladener Ionen höher als innen, Kationen sind innen stärker konzentriert. So entsteht eine elektrische Spannung.

Diese Spannung nutzen alle chemolithotrophen Organismen zur Bildung von des für die Biosynthese essentiellen Energielieferanten ATP. Das entsteht durch die endotherme Reaktion

ADP + Phosphat → ATP + ΔH , ΔH ca. 35 kJ/mol[6]

Diese Reaktion wird durch das Enzym ATP-Synthase katalysiert. Seine Funktion ist in Abb. 1 rechts im Bild schematisch erläutert. Der rote Bereich oben ist positiv geladen. Er befindet sich außerhalb der Zelle, im Bild oberhalb der Zellmembran. Von dort fließt ein Strom von H+-Ionen durch die ATP-Synthase in das Zellplasma (im Bild rötlich) und liefert die Energie für die ATP-Bildung.

Lithotrophe Organismen erhalten durch Redoxreaktionen ihr Membranpotenzial aufrecht. Dabei sind H+-produzierende Reaktionen meist auf der Außenseite der Zellmembran lokalisiert, während auf der Innenseite Reaktionen lokalisiert sind, die H+ verbrauchen. Links oben im Bild entsteht H+ aus der Oxidation von Wasserstoff. Links unten im Bild wird H+ verbraucht. Zusammen mit den vier Elektronen, die durch ein Transmembran-Komplex die Membran durchqueren, entsteht nach

4 H+ + O2 + 4 e ↔ 2 H2O

Wasser. Wegen dieser Reaktion, die gewissermaßen eine Knallgasreaktion ist, nennt man Organismen, die Wasserstoff zu Wasser oxidieren auch Knallgasbakterien. Für die Aufrechterhaltung ihres Membranpotentials finden sich bei lithotrophen Stoffwechselwegen ganz unterschiedliche Elektronentransportketten, Co-Enzyme, Cytochrome etc. Die wichtige Rolle der Zellmembranen zeigt sich daran, dass sie oft ähnlich den Thylakoiden stark eingefaltet sind und nicht selten Membranstapel (Foto) aufweisen.[7] Für das Verständnis, wie die Organismen ihr Membranpotential aufrecht erhalten, ist es entscheidend, ob Redoxreaktionen an der Innen- oder Außenseite der Zellmembran stattfinden.[8]

Reduktion von NADP+

Abbildung 2.[9] Prinzip des aeroben Stoffwechsels von Nitrit oxidierenden Bakterien. NxR ist ein Enzymkomplex, an dem die Oxidation von Nitrit zu Nitrat katalysiert. Die bei der Oxidation freiwerdenden Elektronen werden an Cytochromc (cytc) übertragen. Das Cytochromc wird überwiegend an ein Transmembran-Enzym (I) übertragen, an dessen Innenseite OO zu Wasser reduziert wird. Ein kleiner Teil des Cytochromc gelangt in den Transmembrankomplex II. In ihm befindet sich eine Elektronentransportkette, deren Komponenten durch einströmendes H+ soweit reduziert werden, dass im Cytoplasma NADH reduziert werden kann.

Es ist auffällig, dass viele chemolithotrope Organismen in der Lage sind, das vergleichsweise kräftigere Reduktionsmittel NADPH unter Energieaufwand auch mit schwächen Reduktionsmitteln zu regenerieren. Die Energie für die Regeneration von NADPH durch schwächere Reduktionsmittel wird bei einigen dieser Organismen durch ATP geliefert. Dazu dient eine Elektronentransportkette, in unter ATP-Verbrauch die schwach reduzierenden Elektronen auf ein Niveau gebracht werden, mit dem NADP+ zu NADH reduziert werden kann.

Energielieferant für solche Elektronentransportketten ist in den meisten Fällen aber direkt das Membranpotential. Sie funktionieren damit wie reverse Atmungsketten oder umgekehrte Protonenpumpen. NADPH wird durch einströmende Protonen ohne ATP-Verbrauch regeneriert.[10]

Das Prinzip ist in Abb. 2 anhand eines Nitrit oxidierenden Bakteriums erläutert (Abb. 2). Im Bild rechts wird das Membranpotential durch die außen stattfindende Oxidation von Nitrit und die an der Membran-Innenseite stattfindende Reduktion von O2 aufgebaut. Wie in Abb. 1 wird außen H+ generiert und innen verbraucht.
Elektronenüberträger ist dabei ein Cytochrom-Pool. Ein relativ geringer Teil der reduzierten Cytochrome speist ihre Elektronen in einen Enzymkomplex II (im Bild links). In diesem Enzymkomplex werden die Elektronen Schritt für Schritt auf immer schwächere Oxidationsmittel übertragen. Jeder dieser Schritte kostet Energie, die durch von außen nach innen transportierte H+-Ionen geliefert wird. Zum Schluss entsteht ein so kräftiges Reduktionsmittel, dass es zur Regenerierung von NADH dienen kann.

Lithoautotrophie

Viele lithotrophe Organismen können organische Verbindungen auch nicht als Kohlenstoffquelle für ihren Baustoffbedarf nutzen und deshalb auf anorganischen Kohlenstoff, durchweg auf CO2 angewiesen. Diesen reduzieren sie mit Hilfe des lithotroph gebildeten NADPH. Sie sind obligat autotroph, genauer lithoautotroph. Ihr Zellmaterial müssen sie durch Reduktion von CO2 durch NADH oder NADPH produzieren.

Andere, meist fakultativ lithotrophe Organismen können organische Verbindungen als Kohlenstoffquelle verwenden und sind fakultativ heterotroph.

  • Photolithotrophe autotrophe Organismen sind die Primärproduzenten von Biomasse in den meisten Ökosystemen, z.B. Pflanzen und Cyanobakterien. Sie betreiben Photosynthese.
  • Chemolithorophe autotrophe Organismen sind in manchen lichtlosen Biotopen die Primärproduzenten. In der Tiefsee bilden sie beispielsweise die Basis einer Nahrungskette an "Schwarzen Rauchern". Dort produzieren sie Biomasse, die sie aus der Oxidation von vulkanischem H2S gewinnen. Das nennt man gelegentlich Chemosynthese. Chemolithotrophe Organismen sind aber nicht auf lichtlose Biotope beschränkt.

Beispiele für chemolithotrophe Lebewesen

Wasserstoff + Sauerstoff zu Wasser:
2 H2 + O2 → 2 H2O
Schwefelwasserstoff + Sauerstoff zu Schwefelsäure:
H2S + 2 O2 → H2SO4
Wasserstoff + Schwefelsäure zu Schwefelwasserstoff + Wasser:
4 H2 + H2SO4 → H2S + 4 H2O

Der Gegensatz ist Organotrophie: Deckung des Bedarfs von Lebewesen an Reduktionsmitteln aus organischen Stoffen, zum Beispiel bei Tieren, Pilzen, vielen Bakterien.

Einzelnachweise

  1. G. Gottschalk: Bacterial Metabolism. 2. Auflage. Springer, New York 1986.
  2. Hans G. Schlegel: Allgemeine Mikrobiologie. Thieme, Stuttgart/ New York 1981, S. 177.
  3. G. Gottschalk: Bacterial Metabolism. 2. Auflage. Springer, New York 1986, S. 288.
  4. Anne De Poulpiquet, Alexandre Ciaccafava, Saïda Benomar, Marie- Thérèse Giudici-Orticoni, Elisabeth Lojou: Carbon Nanotube-Enzyme Biohybrids in a Green Hydrogen Economy. In: Satoru Suzuki (Hrsg.): Syntheses and Applications of Carbon Nanotubes and Their Composites. 2013, ISBN 978-953-511-125-2.
  5. bip.cnrs-mrs.fr
  6. Peter Karlson: Kurzes Lehrbuch der Biochemie für Mediziner und Naturwissenschaftler. Thieme, 1984.
  7. Heribert Cypionka: Grundlagen der Mikrobiologie. Springer, 2010, ISBN 978-3-642-05095-4.
  8. Alan B. Hooper, Alan A. Dispirito: In Bacteria Which Grow on Simple Reductants, Generation of a Proton Gradient Involves Extracytoplasmic Oxidation of Substrate. In: Microbiological Reviews. June 1985, S. 140–157.
  9. S. Lücker, M. Wagner, F. Maixner, E. Pelletier, H. Koch, E. Spieck u. a.: Nitrospira metagenome illuminates the physiology and evolution of globally important nitrite-oxidizing bacteria. In: PNAS. 107, 2010, S. 13479–13484. doi:10.1073/pnas.1003860107
  10. Genome Sequence of the Chemolithoautotrophic Nitrite-Oxidizing Bacterium Nitrobacter winogradskyi Nb-255. In: Appl. Environ. Microbiol. March 2006 vol. 72 no. 3, S. 2050–2063.

Siehe auch