BFE+

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BFE+

Staatliche Ebene Bund
Stellung Einheit in der Bundespolizei (im Geschäftsbereich des BMI) mit spezieller Ausrichtung
Aufsichtsbehörde Bundesministerium des Innern (Abteilung B)
Gründung Sommer 2015 als Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit plus der Bundespolizei
Bedienstete bis zu 250
Netzauftritt www.bundespolizei.de

Die BFE+ der Bundespolizei (kurz BFE+ BPOL oder umgangssprachlich BFE+) ist eine Einheit spezialisierter Polizeikräfte der deutschen Bundespolizei für die Terrorismusbekämpfung. Die Abkürzung BFE steht für Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit. Die BFE+ wurde ab Sommer 2015 aufgestellt und am 16. Dezember 2015 von Innenminister Thomas de Maizière der Öffentlichkeit vorgestellt.[1]

Aufgaben

Die BFE+ soll die Reaktions- und Durchhaltefähigkeit der Bundespolizei im Falle eines terroristischen Anschlags erhöhen und die GSG 9 vor allem bei zeitlich länger dauernden Terror- und Sonderlagen entlasten. Hierbei sollen die BFE+ die Lücke zwischen GSG 9 und Bundesbereitschaftspolizei schließen. Dazu hat sie den Auftrag, bei besonderen Gefährdungslagen Angreifer zu binden, Unbeteiligte zu schützen und Verletzte zu versorgen. Können Spezialeinheiten wie SEK oder GSG 9 nicht oder nicht rechtzeitig eingesetzt werden, soll die BFE+ eigenständig gegen Täter vorgehen und Notzugriffe ausführen können. Außerhalb solcher Einsätze nimmt sie überwiegend normale Tagesaufgaben der Bundesbereitschaftspolizei wahr.[2]

Geschichte

Die Aufstellung der BFE+ wurde als Folge der diversen terroristischen Ereignisse im Jahre 2015, speziell auch als Folge des Terroranschlags auf das Magazin Charlie Hebdo, initiiert. Das Bundesinnenministerium reflektierte im Sommer 2015 über die deutschen Möglichkeiten zur Abwehr dieser Art terroristischer Angriffe und bewertete die polizeilichen Mittel neu. Der Befund des deutschen Ministeriums lautete, dass die deutschen Polizeiorgane für einen Einsatz gegen militärisch geschulte und ausgerüstete Täter nicht ausreichend gewappnet seien. Die aus dem Bundesgrenzschutz hervorgegangene GSG 9 würde bei einem vergleichbaren Fall schnell an ihre Grenzen stoßen, da sie aus relativ wenigen Beamten besteht, zentral stationiert, und auf Antiterrorkampf, Geiselbefreiung und Bombenentschärfung spezialisiert ist. Im April 2015 richtete das Bundespolizeipräsidium die Arbeitsgruppe „Aufbau einer robusten Einheit bei der Bundespolizei“ ein. Die GSG 9 erhielt resultierend daraus den Auftrag die zukünftigen Mitglieder der neuen BFE+ auszubilden. Die Einheit ging aus den bisher bestehenden Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten der Bundespolizei hervor.[3]

Am 30. Juni 2017 teilte das Bundesministerium des Innern mit, dass der Aufbau der BFE+ vollständig abgeschlossen wurde und die volle Einsatzbereitschaft pünktlich zum G20-Gipfel in Hamburg hergestellt sei.[4]

Organisation

Die Bundespolizei verfügt über fünf BFE+ mit insgesamt rund 250 Polizeivollzugsbeamten. Die erste Einheit mit 50 Beamten wurde innerhalb der Bundespolizeiabteilung Blumberg aufgebaut; in mehreren Phasen erfolgte bis Juni 2017 der weitere Aufbau auf fünf Einheiten.[4] Die fünf BFE+ sind den Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaften (BFHu) der Bundespolizeiabteilungen Uelzen, Blumberg, Bayreuth, Sankt Augustin und Hünfeld angegliedert und bilden innerhalb der Hundertschaften jeweils die dritte Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (neben zwei regulären BFE).[5] Die BFE+ unterscheiden sich von den regulären BFE durch eine zusätzliche Ausbildung der Beamten und eine erweiterte Ausrüstung. Die Zusatzausbildung der BFE-Beamten zu Angehörigen der BFE+ erfolgt in einer achtwöchigen Ergänzungsfortbildung BFE+ durch die GSG 9. Zur schnellen Verlegung der Einheiten können, ebenso wie auch für die BFE, die Hubschrauber des Bundespolizei-Flugdienstes der Bundespolizeidirektion 11 genutzt werden.

Ausrüstung

Neben der Dienstpistole HK P30 tragen die Beamten der BFE+ im Antiterroreinsatz ballistische Westen (kugelsichere Westen) und führen das Sturmgewehr G36C mit.[6] Die BFE+ soll außerdem mit gepanzerten Fahrzeugen ausgestattet werden, um sich zum Beispiel einem Attentäter mit Sprengstoffgürtel annähern zu können.

Medienresonanz

Die ARD weist darauf hin, dass auch bei Terrorlagen der Föderalismus gelte: Polizeieinsätze seien Ländersache. Nicht der Bund, sondern das betroffene Bundesland habe die Einsatzleitung bei einem Terroranschlag. Erst auf Anforderung des jeweiligen Bundeslandes könne die BFE+ aktiv werden.[7]

Die Zeit-Autoren Kai Biermann und Johanna Roth vermuteten, dass die Polizei hier zur Mini-Armee aufgerüstet werden soll. Die Grenzen zwischen Militär und Polizei würden verschwimmen. Die Einsätze, für die die BFE+ trainiert, glichen denen der Bundeswehr. „‚Wie ein Infanteriezug im Orts- und Häuserkampf gehe die neue Einheit vor, sagte ein Beteiligter.“[8]

Kritik

„Durch die neue Einheit bekommt die Polizei insgesamt ein militärischeres Gesicht“, sagte der Polizeiwissenschaftler und Soziologe an der Akademie der Polizei Hamburg, Rafael Behr, gegenüber der Zeit direkt nach der Aufstellung der BFE+[8] und fährt fort:

„Fachleute haben mir übereinstimmend berichtet, dass sie die massive Bewaffnung der neuen Einheit für übertrieben halten“; stärker gepanzerte Fahrzeuge seien sinnvoll, „aber militärische Langwaffen sind überzogen“, so Behr.[8]

Besonders weist Behr auf den sogenannten Spill-over-Effekt der Einheit hin, denn wenn kein Terroranschlag geschehe, würden die Polizisten sicher nicht herumsitzen. „Ich vermute, sie werden verstärkt auch bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität eingesetzt, zum Beispiel bei Razzien. Das ist ein sogenannter Spill-over-Effekt: Wenn man die neue Einheit schon mal hat, nutzt man sie“.[8] Dieser Effekt ist auch von anderen Sondereinheiten bekannt. So begründete nach der Aufstellung des SEK Bremen 1984 der Polizeipräsident Ernst Diekmann den häufigen Einsatz der Einheit bei anderen Lagen damit, dass Geiseldramen und Terroristen-Jagd in Bremen sehr selten seien. „Mogadischu ist ja nicht alle Tage.“ Aber schließlich „dürfen die nicht aus der Übung kommen.“[9]

Im Mai 2016 bemängelten Politiker und Sicherheitsexperten die unzureichende Einsatzbereitschaft der BFE+ bzw. halten diese für nicht geeignet, im Ernstfall zu bestehen. Irene Mihalic, sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen hält die BFE+ für nur bedingt einsatzbereit, da sie zu viele Aufgaben wahrnehmen soll und nicht zeitnahe verlegbar sei. Rolf Tophoven hält die nur achtwöchige Ausbildung der Einheit für unzureichend um den Einsatzanforderungen gerecht zu werden. Ehemalige Offiziere des Bundesgrenzschutzes und der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei kritisieren zudem nicht verfügbare schwere Waffen, Scharfschützengewehre sowie geschützte Fahrzeuge[10]

Bekannte Einsätze

  • Dezember 2015: Der erste bekannte Einsatz der BFE+ Blumberg erfolgte am 22. Dezember 2015 bei der Festnahme eines syrischen Schleusers. Gemeinsam mit der GSG 9 nahmen Beamten der BFE+ den Mann in Strausberg (Brandenburg) fest. Insgesamt waren 52 Beamte am Einsatz beteiligt.[11]
  • Dezember 2015: Einsatz zur Silvesternacht am Brandenburger Tor in Berlin[12]
  • Januar 2016: Italienische Behörden meldeten, dass Ende 2014 drei Frachtschiffe, die ursprünglich zur Verschrottung vorgesehen waren, zur kriminellen Schleusung zweckentfremdet wurden. Die Schiffe mit zusammen 1766 Migranten an Bord wurden von ihren Besatzungen teils mittels Autopilot auf Kurs Italien gesetzt und anschließend im Stich gelassen. Nach vorausgegangenen Ermittlungen erfolgten am 20. Januar 2016 zeitgleich mehrere Zugriffe der türkischen Nationalpolizei an verschiedenen Orten in der Türkei sowie der GSG 9 und BFE+ in sechs deutschen Bundesländern gegen die Schleusergruppe.[13]
  • Juli 2017: G20-Gipfel in Hamburg[14]

Einzelnachweise

  1. De Maizière stellt neue Anti-Terror-Truppe vor. In: n-tv.de. 16. Dezember 2015, abgerufen am 16. Dezember 2015.
  2. Bundespolizei: Heute Anti-Terror-Einheit BFE+ in Blumberg in Dienst gestellt
  3. Svenja Kaiser: Neue Anti-Terror-Einheit nimmt Dienst auf. In: rbb-online.de. 16. Dezember 2015, abgerufen am 16. Dezember 2015.
  4. a b Vollständige Einsatzbereitschaft. Bundesministerium des Innern, Pressemitteilung, 30. Juni 2017, abgerufen am 12. Juni 2017.
  5. Bundespolizei - Bundesbereitschaftspolizei. Abgerufen am 30. August 2017.
  6. Björn Müller: Anti-Terrortruppe „BFE+“ der Bundespolizei – erste Einheit aufgestellt. In: sicherheitspolitik-journalismus.org. 16. Dezember 2015, archiviert vom Original am 23. Dezember 2015; abgerufen am 18. Dezember 2015.
  7. Michael Götschenberg: Ja, die neue Anti-Terror-Einheit ist sinnvoll. In: tagesschau.de. 16. Dezember 2015, archiviert vom Original am 19. Dezember 2015; abgerufen am 17. Dezember 2015.
  8. a b c d Kai Biermann, Johanna Roth: Die Polizei spielt Krieg. In: Zeit Online, 16. Dezember 2015, abgerufen am 29. Dezember 2015.
  9. Mogadischu geübt. In: Der Spiegel. 2. Juli 1984, abgerufen am 17. Dezember 2015.
  10. Anti-Terror-Einheit BFE+ nur bedingt einsatzbereit. In: ZDF.de. Archiviert vom Original am 3. Dezember 2016; abgerufen am 9. Juli 2017.
  11. Haftbefehl wegen Schleusung mit Todesfolge vollstreckt. GSG 9 und neue Einheit BFE+ im Einsatz. In: bundespolizei.de. 22. Dezember 2015, abgerufen am 8. Januar 2016.
  12. ZDF-Magazin „Frontal 21“: Bedingt einsatzbereit – Kritik an neuer Anti-Terror-Einheit BFE+ des Bundes. ZDF Presse, 30. Mai 2016, abgerufen am 8. Juli 2017.
  13. Türkische Nationalpolizei und Bundespolizei: Gemeinsamer Schlag gegen Geisterschiff-Schleuser. In: bundespolizei.de. 20. Januar 2016, abgerufen am 8. Februar 2016.
  14. BPOL-H G20: Abschlussbilanz der Bundespolizeidirektion Hannover – BAO Hanseat nach dem G20-Gipfel 2017 –. In: presseportal.de. Abgerufen am 12. Juli 2017.