Stadtwerke Flensburg

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Koordinaten: 54° 48′ 18,3″ N, 9° 25′ 48,3″ O

Stadtwerke Flensburg GmbH

Logo
Rechtsform GmbH
Gründung 1854
Sitz Flensburg, Deutschland
Leitung Dirk Wernicke (Geschäftsführer); Thorsten Kjärsgaard (Aufsichtsratsvorsitzender)
Mitarbeiterzahl 672 (2021)
Umsatz 701 Mio. € (2021)
Branche Energie
Website www.stadtwerke-flensburg.de
Altes Logo bis 2014

Die Stadtwerke Flensburg betreiben ein Elektrizitäts-, Fernwärme-, Trinkwasser-, Glasfaser- und Industriegasnetz in Flensburg. Sie sind ein Versorgungsunternehmen der Stadt Flensburg mit Sitz am Flensburger Hafen. Zur Liberalisierung des Strommarktes in Deutschland im Jahr 1998 stiegen die Stadtwerke Flensburg in den deutschlandweiten Elektrizitätsverkauf ein.

Netzanbindung an das dänische Stromnetz

Das Netzgebiet der Stadtwerke Flensburg stellt einen Sonderfall im deutschen Energiesystem dar. Wegen der direkten Verbindung zum dänischen Stromnetz auf der 60-kV- und 150-kV-Ebene gehört es technisch zur Regelzone des dänischen Übertragungsnetzbetreibers energinet.dk und nicht zur Regelzone des im Nordwesten Deutschlands zuständigen Übertragungsnetzbetreibers TenneT TSO. Die Verbindung zum deutschen Stromnetz, das eine Phasenverschiebung um 180 Grad gegenüber dem dänischen Stromnetz aufweist, wird durch einen Schrägregeltransformator mit galvanischer Trennung (Kombination aus Längsregelung (i. A. Stufenschalter) und Querregelung (mit einem Phasenschiebertransformator)) hergestellt. Flensburg ist damit eine virtuelle Regelzone in Dänemark, nimmt aber an den Marktregeln in Deutschland teil.[1] Die Stadtwerke Flensburg erhielten zur Marktkommunikation die Marktrollen eines Übertragungsnetzbetreibers und eines Bilanzkoordinators zugeteilt.[2]

Bundesweiter Strom- und Gasanbieter

Die Stadtwerke Flensburg sind ein großer bundesweiter Strom- und Gasanbieter für Privat- und Geschäftskunden. Sie verkaufen 80 Prozent ihres Stromes außerhalb des eigentlichen Absatzgebietes Flensburg und Umgebung.[3]

Mit Flensburg eXtra öko wird auch Ökostrom aus 100 % Wasserkraft angeboten, der vom TÜV-Nord mit dem Umweltschutz-Zertifikat deklariert[4] und mit dem ok-Power-Label signiert ist.[4]

Als Folge der Gaskrise durch den Ukraine-Krieg steigen die Stadtwerke Ende November 2022 aus dem bundesweiten Erdgasvertrieb aus und kündigen alle Verträge außerhalb Schleswig-Holsteins.[5]

Geschichte

1854 begann die Gasversorgung in Flensburg, wobei zuerst Kohlengas aus dem Gaswerk in der Gasstraße erzeugt wurde, ab 1910 in dem Gaswerk in der Batteriestraße. Im Jahr 1963 erfolgte die Umstellung auf Butangaserzeugung. 1982 wurde die alte Stadtgasversorgung stillgelegt. Eine Erdgasversorgung für einzelne Industriekunden gibt es erst seit 1988.

Mit der zentralen Wasserversorgung in Flensburg wurde 1881 begonnen. In den Jahren 1894–1913 erfolgte die Inbetriebnahme des Wasserwerks Ostseebad, welches ab 1970 durch das zweite Wasserwerk Süd ergänzt wurde.

Stadtwerke Flensburg (Eingangsbereich)

1894 begann die Elektrizitätsversorgung in Flensburg mit dem Gleichstrom-Elektrizitätswerk in der Karlstraße. Im Jahr 1913 wurde das heutige Kraftwerk am Strandweg in Betrieb genommen. Seit 1928 arbeitete das Flensburger Kraftwerk mit dem Kraftwerk in Apenrade in Dänemark in der Elektrizitätsversorgung zusammen. Aufgrund der Liberalisierung des Strommarktes und der Beendigung der Stromproduktion in Apenrade wurde die Zusammenarbeit in jüngerer Zeit beendet. Während der Luftangriffe auf Flensburg wurde auch die städtische Versorgungsinfrastruktur beschädigt, so dass sie in Teilen zeitweise ausfiel.

Heizkraftwerk

In der Zeit von 1969 bis 1971 erfolgte eine Umrüstung des Flensburger Kraftwerks zu einem Heizkraftwerk. Während dieser Umbauzeit wurde die Versorgung Flensburgs mit Fernwärme über provisorische mobile Heizzentralen in Flensburger Stadtteilen sichergestellt (vgl. dort). In den Folgejahren wurde das Fernwärmenetz weiter ausgebaut. Seit 1983 erfolgt eine grenzüberschreitende Fernwärme-Versorgung in das nahe Padborg in Dänemark.

Umstellung auf andere Energieträger

Gelände der Stadtwerke Flensburg
Die Stadtwerke in Flensburg gesehen vom Ostufer des Hafens.

Seit 2008 werden neben dem Hauptbrennstoff Steinkohle auch Sekundärbrennstoffe und in geringen Mengen Holzhackschnitzel als Brennstoffe eingesetzt, technisch möglich ist ein Anteil der Ersatzbrennstoffe von bis zu 25 %. Etwa die Hälfte der Sekundärbrennstoffe und Holzhackschnitzel gelten als regenerative Energieträger, dadurch werden rechnerisch 30.000 bis 40.000 t CO2 pro Jahr eingespart. Unter dem Slogan greenco2ncept wollen die Stadtwerke Flensburg bis zum Jahr 2050 CO2-neutral werden.[6]

Mit dem Bau von „Kessel 12“ und „13“ werden vier von fünf Kohlekessel stillgelegt, der letzte verbleibende wird in wenigen Jahren in den Ruhestand gehen können, und damit deutlich früher als der von der Bundesregierung geplante Kohleausstieg im Jahr 2038. Mit den beiden erdgasbetriebenen Kesseln wird die Flensburger Wärmeversorgung dann mit bis zu durch Erdgas abgedeckt, das deutlich weniger CO2 als Kohle emittiert.

Kessel 12

Von 2011 bis 2015 wurde für rund 128 Millionen Euro „Kessel 12“ vom Heizkraftwerk modernisiert. Es war die größte Einzelinvestition der Stadtwerke seit mehr als 25 Jahren. Im April 2016 wurde die Gas- und Dampfturbinenanlage (kurz GuD) mit einem Wirkungsgrad von über 90 % in Betrieb genommen, die zwei alte Kohlekessel mit 80 % ersetzt. Die Anlage hat eine Leistung von rund 75 Megawatt (MW) thermisch und rund 75 MW elektrisch. Ihr Gesamtwirkungsgrad von 92 Prozent liegt rund zehn Prozent über dem alten Gesamtwirkungsgrad des Heizkraftwerks. Mit dem Ersatz von Kohle durch Erdgas wird bei gleicher Energieproduktionsmenge der CO2-Ausstoß um rund 40 Prozent verringert und zusätzliche Variabilität in der Stromproduktion gewonnen. Dadurch wird die begrenzte Steuerbarkeit der erneuerbaren Energieträger kompensiert und kurzfristig immer dann Strom produziert, wenn nicht genügend am Markt vorhanden ist.

Kessel 13

Mit dem Bau von „Kessel 13“, einer weiteren erdgasbetriebenen Kraft-Wärme-Kopplungsanlage (KWK), soll die Modernisierung des Flensburger Heizkraftwerks weitergehen. Die Anlage mit einer Fernwärmeleistung von 89 Megawatt und 97 Megawatt elektrischer Leistung soll im Jahr 2022/23 in Betrieb gehen und zwei weitere Kohlekessel ersetzen. Diese dürften aus technischer Sicht noch bis zu zehn Jahre weiter betrieben werden, werden aber kurz nach der Inbetriebnahme abgeschaltet. Dies wird die CO2-Emissionen bei gleicher Erzeugungsmenge um 40 % senken und jährlich bis zu 120.000 t CO2 einsparen, bei Investitionskosten von rund 108 Millionen Euro[7]. Davon werden durch die Stromerzeugung in 30.000 Betriebsstunden mit der KWK-Förderung[8] vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle über 100 Millionen Euro finanziert[9].

Elektro-Heißwasserkessel

Im Januar 2013 wurde am Standort Batteriestraße ein Elektroden-Heißwasserkessel mit 30 MW Leistung in Betrieb genommen, die Kosten beliefen sich auf 2 Mio. Euro.[10]

Wenn viel Wind weht oder die Sonne scheint, wird auch viel regenerativer Strom ins Netz eingespeist, dann ist durch den Merit-Order-Effekt der Börsenstrompreis günstig oder hat sogar einen negativen Wert.[11] Mit diesem billigen Strom wird das Fernwärmewasser erhitzt, in einem 29 Millionen Liter großen Kessel „zwischengelagert“ und dann zur lokalen Fernwärmeversorgung eingesetzt. Dieses Verfahren wird als Power-to-Heat bezeichnet. In manchen Teilen Deutschlands, insbesondere in Nord-Schleswig-Holstein, müssen während Sturmphasen Windkraftanlagen in der Leistung gedrosselt oder vom Netz genommen werden. Deshalb konnten z. B. 2010 deutschlandweit ca. 150 GWh elektrischer Energie nicht eingespeist werden[12], was etwa 0,4 % der Gesamtwindstromeinspeisung dieses Jahres entspricht. Durch das „Verheizen“ des eigentlich hochwertigen Stromes zu minderwertiger Wärme lässt sich die Zwangsabschaltung von Windkraftanlagen reduzieren, auch wird der Primärenergiebedarf der konventionell betriebenen Kessel reduziert.

Großwärmepumpe

Im September 2022 gab das Unternehmen bekannt, bis 2025 eine Großwärmepumpe in Betrieb nehmen zu wollen, die ihre Wärmeenergie aus dem Fördewasser bezieht. Zusammen mit weiteren Großwärmepumpen soll später damit im Winter 50 % der Wärmeleistung erbracht werden, im Sommer 100 %, somit über das ganze Jahr ca. 70 %. Das Fernwärmenetz soll auf Temperaturen von 60–85 °C abgesnkt werden, um einen COP von drei zu erreichen.[13]

Abwasser-Netz

Im Jahr 2015 gab es von den Stadtwerken ausgehende Bestrebungen das Abwassernetz inklusive Klärwerk und den entsprechenden Mitarbeitern vom Technischen Betriebszentrum zu den Stadtwerken zu verlagern. Bei der Belegschaft vom TBZ und der Stadtratsfraktion DIE LINKE stieß dies auf Ablehnung, weshalb es nicht zu diesem Schritt kam.[14]

Wärmemonopol und Anschlusszwang

Wegen des Monopols werden etwa 98 % aller Flensburger mit Fernwärme aus der aus Kraft-Wärme-Kopplung vom Heizkraftwerk Flensburg versorgt.[15]

Die Kosten dafür haben sich in den letzten 20 Jahren verdreifacht, die Stromkosten demgegenüber „nur“ verdoppelt.[15]

Gegen eine Untersuchung des Bundeskartellamts wehrten sich die Stadtwerke Flensburg durch Klage beim OLG. Nach der gerichtlichen Niederlage wurden die angefragten Daten geliefert und es stellte sich heraus, dass „die Fernwärmepreise 2007/08 deutschlandweit zu den günstigsten gehörten.“[16] Allerdings bezog sich die Sektorenuntersuchung des Bundeskartellamtes nur auf den Preisvergleich durchschnittlicher Erlöse sämtlicher Kunden. Kritiker beanstanden besonders hohe durchschnittliche Erlöse in der Gruppe der Kleinverbraucher, die mit großem Abstand die zahlenmäßig größte Kundengruppe in Flensburg darstellt. Für das Erreichen der vom Bundeskartellamt festgestellten geringen durchschnittlichen Erlöse über alle Kundengruppe, müssen an Großkunden sehr niedrige Wärmekosten berechnet werden. Diese Zweiteilung der Kundengruppen ergibt sich durch den satzungsbedingten Anschluss- und Benutzungszwang der zu einem hohen Anschlussgrad führt. Die jedoch zu einer außergewöhnlich niedrigen Anschlussdichte mit sehr geringem Ausnutzungsgrad der Anschlussleistung und damit zu hohen Kosten führen bei den betroffenen Kleinverbrauchern (EFH, DH, RH). Wie hoch die durchschnittlichen spezifischen Erlöse (€/MWH) in diesem Kundensegment sind, wurde im Rahmen der Sektorenuntersuchung des Bundeskartellamtes nicht untersucht. Kritiker vermuten, dass die zögerliche Herausgabe von Daten auch darin begründet lag, dass man befürchtete die erheblichen Preisunterschiede innerhalb der gleichen Versorgungsstruktur offen legen zu müssen.


Beteiligungen und Gesellschafter

Alleiniger Gesellschafter des Unternehmens ist die Stadt Flensburg.[17]

Die Stadtwerke Flensburg sind an diversen Unternehmen beteiligt. Tochterunternehmen im Alleinbesitz sind die Aktiv Bus Flensburg GmbH (ÖPNV), das AWZ Abfallwirtschaftszentrum Flensburg GmbH, die Flensburger Hafen GmbH und die Flensburger Flughafenbetriebsgesellschaft mbH vom Flugplatz Flensburg-Schäferhaus. Hinzu kommt noch die Minderheitsbeteiligungen kommunalen Off-shore Windpark Borkum Trianel Windkraftwerk Borkum GmbH & Co.KG mit 6 %. Über die Aktiv Bus ist man mit 2,7 % am NSH Nahverkehr Schleswig-Holstein beteiligt.[18]

Zur Konzentration auf das Kerngeschäft wurden in den letzten Jahren Beteiligungen an der TRIGIS GmbH und der Semeco GmbH verkauft. Die Flensburger Förde Energie GmbH und das IT-Consulting-Unternehmen IT-Power GmbH wurden 2015 aufgelöst.

Die Stadtwerke waren über die Förde Bäder GmbH seit 2013 Betreiber des 2010 gebauten Flensburger Campusbades, dies ging Mitte 2019 auf das TBZ über.[19][20]

Commons: Stadtwerke Flensburg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Stadtwerke Flensburg,: Marktkommunikation, Informationen zu den Geschäftsprozessen. Abgerufen am 13. Mai 2020.
  2. Codevergabeportal der Energie Codes und Services GmbH – im Auftrag des BDEW. Abgerufen am 12. Mai 2020.
  3. Joachim Pohl: Stadtwerke: Strom spült Millionen nach Flensburg | shz.de. In: SHZ. 23. Mai 2015, abgerufen am 30. Dezember 2019.
  4. a b Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 22. Mai 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.stadtwerke-flensburg.de, Stadtwerke Flensburg, abgerufen am 7. November 2013.
  5. Stadtwerke Flensburg stellen überregionale Versorgung mit Gas ein. In: NDR. 27. September 2022;.
  6. greenco2ncept (Memento des Originals vom 15. Januar 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.stadtwerke-flensburg.de. Website der Stadtwerke Flensburg. Abgerufen am 28. Januar 2012.
  7. Projekt Kessel 13. 28. Januar 2021, abgerufen am 16. Mai 2021.
  8. BAFA - KWK-Anlagen über 2 MWel. 16. Mai 2021, abgerufen am 16. Mai 2021.
  9. Wayback Machine. 16. Mai 2021, abgerufen am 16. Mai 2021.
  10. Elektrodenheizkessel – Stadtwerke Flensburg nehmen Stromheizung in Betrieb. Website der Stadtwerke Flensburg. Abgerufen am 21. Februar 2013.
  11. Stadtwerke heizen bald mit Gratis-Strom. In: Flensburger Tageblatt, 28. Januar 2012. Abgerufen am 7. März 2017.
  12. Anlagen werden immer öfter abgeschaltet. In: Sonne Wind und Wärme, 2. November 2011. Abgerufen am 28. Januar 2012.
  13. Stadtwerke Flensburg bauen Großwärmepumpe bis 2025. In: Zeitung für kommunale Wirtschaft. 22. September 2022, abgerufen am 27. September 2022 (deutsch).
  14. Joachim Pohl: Stadtwerke: Flensburgs Netze bleiben in verschiedenen Händen | shz.de. SHZ, 26. November 2015, abgerufen am 30. Dezember 2019.
  15. a b Joachim Pohl: Steiler Anstieg bei den Wärme-Kosten | shz.de. SHZ, 4. Juli 2016, abgerufen am 30. Dezember 2019.
  16. Stiftung Warentest: Preise für Fernwärme - Anbieter unter Verdacht - Stiftung Warentest. Abgerufen am 30. Dezember 2019.
  17. https://www.stadtwerke-flensburg.de/fileadmin/_migrated/content_uploads/geschaeftsbericht-swfl-2013_01.pdf
  18. Unsere Töchter & Beteiligungen. Stadtwerke Flensburg, September 2019, abgerufen am 30. Dezember 2019.
  19. Ratsversammlung in Flensburg: TBZ übernimmt das Campusbad | shz.de. Juni 2019, abgerufen am 30. Dezember 2019.
  20. Beschluss der Flensburger Ratsversammlung: Campusbad zukünftig beim TBZ angesiedelt. In: AKOPOL - Arbeitskreis Kommunalpolitik. 28. Juni 2019, abgerufen am 30. Dezember 2019 (deutsch).