Bahnzustandsvektor

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist die aktuelle Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 5. November 2024 um 21:04 Uhr durch KaiMartin (Diskussion | Beiträge) (+ QS Physik).
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Dieser Artikel wurde in die Qualitätssicherung der Redaktion Physik eingetragen. Wenn du dich mit dem Thema auskennst, bist du herzlich eingeladen, dich an der Prüfung und möglichen Verbesserung des Artikels zu beteiligen. Der Meinungsaustausch darüber findet derzeit nicht auf der Artikeldiskussionsseite, sondern auf der Qualitätssicherungs-Seite der Physik statt.
Bahnpositionsvektor, Bahngeschwindigkeitsvektor, andere Bahnelemente

In der Himmelsmechanik sind die Bahnzustandsvektoren (manchmal Zustandsvektoren) einer Umlaufbahn kartesische Vektoren der Position () und Geschwindigkeit (), die gemeinsam mit ihrer Epoche () die Bahn des Objekts in der Umlaufbahn im Raum eindeutig bestimmen.[1]:154

Es gibt mehrere Formen der Bahnzustandsvektoren, zum Beispiel das traditionelle Paar von Position und Geschwindigkeit, Two-line element set (TLE) Satellitenbahnelement oder als Kovarianzmatrix.

Zustandsvektoren sind bezüglich eines Bezugssystems definiert, üblicherweise (aber nicht immer) ein Inertialsystem. Ein beliebtes Bezugssystem für Objekte in Umlaufbahn um die Erde ist das Earth-centered inertial (ECI) ‚erdzentrierte Inertialsystem‘, das folgendermaßen definiert ist:[1]:23

  • Der Koordinatenursprung ist im Massenmittelpunkt der Erde;
  • Die Z-Achse entspricht der Rotationsachse der Erde, positiv nach Norden;
  • Die X/Y-Ebene entspricht der Äquatorebene mit der X-Achse positiv in Richtung des Frühlingspunkts und der Y-Achse so, dass ein Rechtssystem entsteht.

Das ECI Bezugssystem ist nicht ganz genau inertial wegen des langsamen Zyklus der Präzession, deswegen werden üblicherweise Standardepochen wie B1950 oder J2000 verwendet.[2]:24

Je nach Anwendung gibt es viele weitere Bezugssysteme, z. B. um die Sonne, Planeten oder Monde zentriert, das Bezugssystem bezüglich des Baryzentrums und gesamten Drehimpulses des Sonnensystems (International Celestial Reference System) oder bezüglich der Bahn und des Drehimpulses eines Raumfahrzeugs.

Orts- und Geschwindigkeitsvektoren

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Ortsvektor beschreibt die Position eines Körpers im gewählten Bezugssystem, während der Geschwindigkeitsvektor seine Geschwindigkeit im gleichen Bezugssystem zum gleichen Zeitpunkt beschreibt. Diese beiden Vektoren gemeinsam mit dem Zeitpunkt, an dem sie gelten, definieren eindeutig die Trajektorie, wie in Bahnbestimmung gezeigt. Es folgt nämlich aus Newtons allgemeinem Gravitationsgesetz eine Beschleunigung mit dem Einheitsvektor ; wenn das Produkt aus Gravitationskonstante und der Masse im Zentrum der Bahn ist. Dann sind der Ort und die Geschwindigkeit die Anfangsbedingungen einer Differentialgleichung zweiter Ordnung, die eine eindeutige Lösung für hat.

Der Körper muss dabei nicht zwangsläufig im Orbit sein, um die Trajektorie zu bestimmen; er muss sich lediglich bewegen, d. h. nur unter Einfluss der eigenen Trägheit und der Gravitation. Das ist z. B. für ein Raumfahrzeug im suborbitalen Flug der Fall. Agieren andere Kräfte wie Atmosphärenwiderstand oder Schub, müssen diese vektoriell zur Gravitation addiert werden um die zukünftige Geschwindigkeit und den zukünftigen Ort zu berechnen.

Für jeden Körper, der sich im Raum bewegt, ist der Geschwindigkeitsvektor tangential zur Trajektorie. Sei der Einheitsvektor tangential zur Trajektorie, dann gilt

Der Geschwindigkeitsvektor kann vom Ortsvektor durch Differentialrechnung bezüglich der Zeit hergeleitet werden:

Mit dem Zustandsvektor eines Körpers kann man die klassischen oder Keplerschen Bahnelemente bestimmen und umgekehrt. Beide Angaben haben ihre Vorteile. Die Bahnelemente beschreiben zunächst genauer die Größe, Form und Orientierung der Bahn und mit ihnen kann man relativ schnell und einfach den Zustand des Objekts zu einem beliebigen Zeitpunkt bestimmen, solang die Bewegung gut genug als Zweikörperproblem mit nur kleinen Störungen beschrieben ist.

Andererseits ist der Zustandsvektor praktischer zur numerischen Integration, wenn signifikante, beliebige und zeitveränderliche Kräfte wie Atmosphärenwiderstand, Schub und Gravitationsstörungen von dritten Körpern vorhanden sind.

Mit den Zustandsvektoren ( und ) kann der spezifische Drehimpuls einfach aus berechnet werden.

Satelliten in niedriger Erdumlaufbahn erfahren bedeutende Bahnstörungen durch das ungleichmäßige Schwerkraftfeld der Erde, den Strahlungsdruck der Sonne, Gezeitenkräfte des Mondes und Atmosphärenwiderstand. Ähnliches gilt für Satelliten in niedrigen Mondumlaufbahnen. Deshalb sind die Keplerschen Bahnelemente aus dem Zustandsvektor dort nur für einen kurzen Zeitraum gültig und müssen oft neu bestimmt werden. Diese Bahnelemente nennt man oskulierend, weil sie die Umlaufbahn nur an einem bestimmten Zeitpunkt beschreiben.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b Howard Curtis: Orbital Mechanics for Engineering Students. Elsevier, Embry-Riddle Aeronautical University Daytona Beach, Florida 2005, ISBN 0-7506-6169-0 (englisch, nssc.ac.cn [PDF; abgerufen am 8. Januar 2023]).
  2. Guochang Xu, Yan Xu: GPS. 2016, ISBN 978-3-662-50365-2, Coordinate and Time Systems, S. 17–36, doi:10.1007/978-3-662-50367-6_2 (englisch, springer.com [PDF]).