Dieter Hildebrandt
Dieter Hildebrandt (* 23. Mai 1927 in Bunzlau, Niederschlesien) ist ein deutscher Kabarettist, Schauspieler und Buchautor.
Leben
Hildebrandt wurde als Sohn eines Beamten (Oberlandwirtschaftsrat) geboren. Ab 1943 war er Luftwaffenhelfer, kurz vor Kriegsende wurde er noch zur Wehrmacht eingezogen. Im Jahr 1945 wurde seine Familie aus Schlesien vertrieben und ließ sich in Windischeschenbach in der Oberpfalz nieder. In Weiden holte Hildebrandt 1947 das Abitur nach und begann 1950 ein Studium der Literatur- und Theaterwissenschaften sowie der Kunstgeschichte an der Universität München. Hildebrandt hatte begonnen zu promovieren, brach jedoch 1955 ohne Abschluss ab, als sein Doktorvater emeritiert wurde.[1]
Während seines Studiums arbeitete er zur Finanzierung im Kabarett Die Kleine Freiheit als Platzanweiser. Er entdeckte dabei sein Interesse an der Schauspielerei und schloss 1953 die Prüfung der Schauspieler-Genossenschaft ab. 1955 gründete er mit Kommilitonen das Kabarett „Die Namenlosen“, dessen Aufführungen in Schwabing auf seine Skripte zurückgingen. 1956 war er gemeinsam mit Sammy Drechsel an der Gründung der Münchner Lach- und Schießgesellschaft beteiligt. Dort gelang ihm sowohl als Texter als auch als Schauspieler der Durchbruch. 1964 spielte er die Rolle des Doktor Murke in der Verfilmung der satirischen Erzählung Doktor Murkes gesammeltes Schweigen von Heinrich Böll. Das Drehbuch zu diesem Film stammte auch von Dieter Hildebrandt.
Von 1972 bis 1979 moderierte er die ZDF-Sendung Notizen aus der Provinz. Seit 1980 hat er sich mit der Kabarettsendung Scheibenwischer, diesmal in der ARD, einen Namen gemacht. Mit dieser Sendung war er 23 Jahre lang erfolgreich. Der letzte Scheibenwischer mit Dieter Hildebrandt als festem Besetzungsmitglied wurde am 2. Oktober 2003 im Rahmen einer großen Gala gefeiert, an der auch andere bekannte Kabarettisten wie Bruno Jonas teilnahmen.
1985 trat er zusammen mit Werner Schneyder auf Einladung in der Leipziger Pfeffermühle auf. Vorher schrieb er mit ihm mehrere preisgekrönte Kabarettprogramme (u. a.: Talk täglich), die von 1974 bis 1982 durch ganz Deutschland und Österreich tourten.
Nachdem seine erste Frau Irene Mendler, mit der er zwei Töchter hat, im August 1985 nach langem Leiden an Krebs verstarb, heiratete er die Kabarettkollegin und Schauspielerin Renate Küster.
Jugendsünden-Debatte des Focus
In der Ausgabe vom 30. Juni 2007 berichtete das Nachrichtenmagazin Focus, Hildebrandt sei als Mitglied der NSDAP registriert gewesen.[2][3] Hildebrandt erklärte auf Anfrage diverser Medien, von einer Mitgliedschaft bisher nichts gewusst zu haben.[4] Er sei mit seiner HJ-Mitgliedschaft und seiner Zeit bei der Wehrmacht bisher immer offen umgegangen, er habe jedoch nie einen NSDAP-Aufnahme-Antrag unterschrieben. Zum fraglichen Zeitpunkt (Februar 1944) war er Flakhelfer in Oberschlesien. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung sagte er: „In dieser Zeit spielte die Partei keine Rolle mehr. Es ging nur noch darum, dass man als junger Mensch um Gotteswillen nicht in die SS kommt. Wieso sollte ich ausgerechnet am 20. April 1944, an des Führers Geburtstag, noch in die NSDAP eintreten?“[5] In der Ausgabe 08/2007 der Zeitschrift Cicero nahm Hildebrandt ausführlich Stellung zu den Ereignissen zwischen 1943 und 1945 und seiner angeblichen NSDAP-Mitgliedschaft.[6] Dort schrieb er unter anderem: „Als Mitglieder dieser Partei hätten wir keinerlei Vorteile gehabt. In diesen aufgelösten Zeiten gab es ein solches Kalkül überhaupt nicht mehr. Es ging nur noch ums Überleben.“ Allerdings behauptete der Historiker Michael Buddrus vom Institut für Zeitgeschichte, laut Focus, zu dem Ergebnis, dass eine Aufnahme in die Partei ohne eigene Unterschrift unwahrscheinlich sei.[3] Diese Auffassung ist umstritten, zumal es sich um 65 Jahre zurück liegende Zeitgeschichte handelt, als Dieter Hildebrandt nicht mal volljährig, sondern noch ein Teenager war.
Auszeichnungen und Ehrungen
- 1976 Adolf-Grimme-Preis
- 1977 Deutscher Kleinkunstpreis
- 1979 Ernst-Hoferichter-Preis
- 1983 Adolf-Grimme-Preis
- 1983 Deutscher Kritikerpreis
- 1986 Adolf-Grimme-Preis
- 1986 Schillerpreis der Stadt Mannheim
- 1990 Alternativer Georg-Büchner-Preis
- 1993 Civis-Medienpreis
- 1997 Erster Preisträger des neuen Münchhausen-Preises
- 2001 Prix Pantheon Sonderpreis Reif & Bekloppt
- 2001 Wilhelm-Hoegner-Preis
- 2003 Goldener Gong für die Kabarettsendung Scheibenwischer
- 2004 Verleihung des Markgräfler Gutedelpreises
- 2004 erhält er seinen vierten Adolf-Grimme-Preis – als besondere Ehrung für sein Lebenswerk. Die Jury stellte seine großen Verdienste für die politische Bildung und Aufklärung im Fernsehen heraus.
- 2006 Erster Preisträger des Kulturpreises „Die goldene Bake“ des Kulturvereins Strandfolk (Mönkeberg/Schleswig-Holstein)
- 2006 Kleinkunstpreis der Stadt Aschersleben
- 2006 Bayerischer Poetentaler
- 2007 Krefelder Krähe - Ehrenpreis der Kabarettgruppe Die Krähen Krefeld
- 2008 Deutscher Kleinkunstpreis - Ehrenpreis des Landes Rheinland-Pfalz für sein Lebenswerk
Werke (Auswahl)
- Über die Bundesliga. Die verkaufte Haut oder ein Leben im Trainingsanzug. Luzern, Frankfurt am Main 1979. ISBN 3-7658-0295-6
- Stein oder nicht Stein. Hyperion-Verlag, Freiburg im Breisgau 1979. ISBN 3-7786-0206-3
- Spaß ist machbar. Hyperion-Verlag, Freiburg im Breisgau 1980. ISBN 3-7786-0210-1
- Unser Rhein-Main-Donau-Kanal. Heyne-Verlag, München 1983. ISBN 3-453-35631-4
- Was bleibt mir übrig: Anmerkungen zu (meinen) 30 Jahren Kabarett. Kindler, München 1986. ISBN 3-463-40032-4. Als Hörbuch: ISBN 3-933281-06-7.
- Wippchen oder die Schlacht am Metaphernberge. Droemer Knaur, München 1991. ISBN 3-426-73002-2.
- Denkzettel. Kindler, München 1992. ISBN 3-426-60302-0.
- Der Anbieter. Material für ein Gespräch, das so nicht stattgefunden hat. Volk und Welt, Berlin 1994. ISBN 3-353-00998-1.
- Die verkaufte Haut. Ein Comic über Fußballmafia und Politik (mit Dieter Hanitzsch). List, München 1994. ISBN 3-471-77893-4.
- Gedächtnis auf Rädern. Blessing, München 1997. ISBN 978-3-89667-022-9. Als Hörbuch: ISBN 3-89584-553-1.
- Tennis. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1999. ISBN 3-423-20264-5. Als Hörbuch: ISBN 978-3-8312-6176-5.
- Vater unser – gleich nach der Werbung. Blessing, München 2001. ISBN 3-89667-150-2. Als Hörbuch: ISBN 3-89830-351-9.
- Das Krokodil (von Fjodor Dostojewski, Hörbuch gelesen von Dieter Hildebrandt). Litraton, Hamburg 2003. ISBN 3-89469-592-7.
- Ausgebucht. Mit dem Bühnenbild im Koffer. Blessing, München 2004. ISBN 3-89667-267-3. Als Hörbuch: ISBN 3-89830-905-3.
- Goethes weder – weder, Schillers noch – noch. Zwei Weimarer Festvorträge von Prof. Dr. Immanuel Tiefbohrer, gehalten von Dieter Hildebrandt. Litraton, Hamburg 2005. ISBN 3-89469-735-0.
- Elf Freunde müßt ihr sein .... (von Sammy Drechsel, Hörbuch gelesen von Dieter Hildebrandt). Hörcompany, Hamburg 2006. ISBN 3-935036-94-9.
- Dieter Hildebrandt wirft ein. Sachbuch, Inszenierung. Random House Audio, Köln 2006. ISBN 978-3-86604-199-8.
- Ich mußte immer lachen. Dieter Hildebrandt erzählt sein Leben (mit Bernd Schroeder [Bearb.]). Kiepenheuer und Witsch, Köln 2006. ISBN 978-3-462-03730-2. Als Hörbuch: ISBN 978-3-86604-508-8.
- Erlebte Geschichte(n) – Dieter Hildebrandt, Ingo Insterburg und Hanns Dieter Hüsch erzählen (Hörbuch). DAV, Berlin 2006. ISBN 3-89813-531-4.
- Nie wieder achtzig! Blessing, München 2007. ISBN 978-3-89667-331-2. Als Hörbuch: ISBN 978-3-86604-696-2.
- Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort! (Hörbuch mit Roger Willemsen). Random House Audio, Köln 2007. ISBN 978-3-86604-674-0.
- Politiker-Märchen: die schönsten Lügen aus 60 Jahren Bundesrepublik (Hörbuch). Diederichs, München 2009. ISBN 978-3-42435-007-4.
Film und Fernsehen
- 1960: Mein Mann, das Wirtschaftswunder (Drehbuchautor)
- 1962: Streichquartett, TV-Produktion, als Meyer Zwei
- 1964: Doktor Murkes gesammeltes Schweigen, Fernsehfilm, als Doktor Murke
- 1965: Doktor Murkes gesammelte Nachrufe, Fernsehfilm, als Doktor Murke
- 1965: Zwei Girls vom roten Stern
- 1972–1979: Notizen aus der Provinz, Satire-Fernsehsendung
- 1977: Zwei himmlische Töchter (Fluglotse), Fernsehserie
- 1980–2003: Scheibenwischer, TV-Kabarettreihe
- 1983: Kehraus
- 1986: Kir Royal, Fernsehserie, als Fotograf „Herbie Fried“
- 1986: Meier, Regie: Peter Timm
- 1988: Man spricht deutsh
- 1990: Go Trabi Go
- 1992: Wir Enkelkinder
Radio
- Klassik-Pop-et cetera (28. Januar 2006), beim Deutschlandfunk, zum wiederholten Male Moderation von „Klassik-Pop-et cetera“
- Der Anbieter. Zur Plage der Nation. 1995, Hörspiel nach dem gleichnamigen Roman. Produktion SFB, SR. Regie: Lutz Volke. Mit Dieter Hildebrandt als Erzähler und Dr. Knut Schnabel, Dieter Mann als Dr. Walter Wanzek. (Quellen: DRA-Archiv, Hörspiele in der ARD 1995, rbb-Archiv, SR-Archiv)
Einzelnachweise
- ↑ sueddeutsche.de: Ich finde Sex an sich schon komisch, Interview vom 23. Mai 2007
- ↑ Focus Online: Historiker-Streit nach mutmaßlichem NSDAP-Outing, 2. Juli 2007
- ↑ a b Welt Online: Dieter Hildebrandt soll in NSDAP gewesen sein, 30. Juni 2007
- ↑ Menschen bei Maischberger -Das Erste (04-09-07)—erste 12 Minuten der Sendung. Diese Datei ist im Format ".rm" und benötigt das Programm "RealPlayer" um es zu öffnen. RealPlayer ist auf der folgenden Website erhältlich, für PC oder Mac: Alte Versionen von Programmen.
- ↑ Süddeutsche Zeitung vom 2. Juli 2007, Kultur - „Betrügerische journalistische Arbeit“
- ↑ Cicero.de: Ich war dabei! Aber ganz anders, 2007
Weblinks
- Commons: Dieter Hildebrandt – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
- Wikiquote: Dieter Hildebrandt – Zitate
- Literatur von und über Dieter Hildebrandt im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Vorlage:IMDb Name
- dieterhildebrandt.com
- Dieter Hildebrandt bei kabarettlive.de
- Dieter Hildebrandt - Bilder einer Karriere Süddeutsche Zeitung
- Aus Notwehr bin ich Optimist Günter Gaus im Gespräch mit Dieter Hildbrandt, rbb-online, 13. Juni 1996
- Ich finde Sex an sich schon komisch Interview auf sueddeutsche.de vom 23. Mai 2007
- Merkel ist ein bisschen thatcherig Interview auf sueddeutsche.de vom 21. Juni 2007
- WDR 5 Tischgespräch mit Dieter Hildebrandt vom 4. November 2009 als Audiobeitrag
Personendaten | |
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NAME | Hildebrandt, Dieter |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Kabarettist |
GEBURTSDATUM | 23. Mai 1927 |
GEBURTSORT | Bunzlau, Niederschlesien |