Machbuba

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Machbuba
Zeitgenössisches Gemälde um 1840

Machbuba, wohl vom Volk der Oromo, (* vermutlich um 1823 in Äthiopien; † 27. Oktober 1840 in Muskau) war eine durch ihren Lebensweg und ihre Verbindung mit dem berühmten Parkschöpfer, Literaten und Dandy, Fürst Hermann von Pückler-Muskau bis heute bekannte Kindfrau.

Leben

Zum europäischen Gegenstand des fasziniert-empörten Klatsches machte der 52-jährige Fürst sie dadurch, dass er sie 1837 auf einem Kairoer Sklavenmarkt kaufte. Zu dieser Zeit war sie etwa 14 Jahre alt. Er nahm das halbe Kind als Freigelassene auf seine Reisen bis Bagdad und Istanbul mit, lehrte sie Lesen, Schreiben und Italienisch und brachte sie nach Europa. Ihre beiderseitige Zuneigung ist bezeugt.[1] Ihr durchaus liebevoller Briefwechsel ist teilweise erhalten. Er ließ sie auch nicht im Orient oder in Venedig zurück, zu welchem Zweck er sie vermutlich Italienisch gelehrt hatte. Sondern im Gegenteil: Mit der ihm eigenen Keckheit (und wohl auch auf seiner notorischen Suche nach Publicity) stellte er sie – ganz standesgemäß – als „äthiopische Prinzessin“ sogar am kaiserlichen Hof in Wien vor. Seiner Absicht, sie auch mit nach Berlin zu bringen, wirkte seine geschiedene Frau Fürstin Lucie von Pückler-Muskau entgegen.[2] So blieb Machbuba im Schloss in Muskau, also in einem Städtchen, in dem Pückler selber sich ungern lange aufhielt. Bereits in Wien an einem Lungenleiden(?) erkrankt, starb sie schließlich schon 1840 in Muskau, während Pückler in Berlin weilte.

Ihr Bild (oben, in morgenländischem Kostüm, das sie gewöhnlich trug) hängt auf Pücklers Familienschloss Branitz bei Cottbus. Dort ist auch ihre Totenmaske zu sehen. Zahlreiche Geschichten über sie kursieren noch heute, so über ihren Fluchtversuch zum Fürsten nach Berlin (oder einen Suizidversuch?): „Ihre Kleider verhakten sich beim Sprung aus dem Fenster an den eisernen Fensterladenbeschlägen.

Machbubas Grab

Ihr Muskauer Grabstein wurde von Vielen - auch in der DDR-Zeit - bis heute geschmückt; am 23. April 2004 besuchte ihn der äthiopische Botschafter.

Näheres

Hermann von Pückler-Muskau über Machbuba:

Den Charakter dieses originellen Mädchens zu studieren, an dem die Zivilisation noch nichts hatte verderben noch verbessern können, war im Verfolg der Reise eine unerschöpfliche Quelle von Vergnügen für mich, und es tat diesem Studium durchaus keinen Abbruch, dass sein Gegenstand zugleich an Schönheit der Formen die treueste Kopie einer Venus des Tizian war, nur in schwarzer Manier. Als ich sie kaufte und aus Furcht, dass mir ein anderer zuvorkommen möchte, den geforderten Preis sofort auszahlen ließ, trug sie noch das Kostüm ihres Vaterlandes, das heißt nichts als einen Gürtel aus schmalen Lederriemen, mit kleinen Muscheln verziert. Doch hatte der Sklavenhändler ein großes Musselintuch über sie geworfen, das aber vor den Kauflustigen abgenommen wurde und daher der genauesten Beurteilung kein Hindernis in den Weg legte. Wir waren vier oder fünf ‚junge Leute’ und staunten alle über das makellose Ebenmaß des Wuchses dieser Wilden, mit dem sie ein chiffonniertes Charaktergesicht verband, wie ich es gerade liebe, ohne dass dies übrigens auf große Regelmäßigkeit Anspruch hätte machen können.

Zum ‚Skandal‘ um Machbuba

Pücklers Handlung wurde in laufenden Diskursen viel angegriffen: bürgerlich als Allüre eines fürstlichen Dandys, imperialismuskritisch als kolonialistisch, feministisch als frauenfeindlich, sexualpolitisch als Pädophilie.

Die skandalisierenden Untertöne dieses Lebenslaufes waren im Biedermeier eher Gegenstand mitfühlender Betrübnis, im Vormärz dann anti-feudaler Kritik. Lag da nicht [1] „Unzucht mit Minderjährigen“ oder gar [2] Missbrauch als „Lustsklavin“ vor? Unabhängig von Pücklers aristokratisch-liberaler Geste, ein Mädchen aus dem Sklavenhandel zu ziehen, verbunden mit seiner Unfähigkeit, der Folge-Verantwortung zu genügen, ihr eine Lebensperspektive zu eröffnen, sind soziologisch zwei Tatsachen mit zu bedenken, ehe man sein moralisches Urteil fällt:

[1] Ob Machbuba überhaupt wusste, wie alt sie war, und was davon sie dem Fürsten zu sagen beschlossen hat, steht durchaus dahin, und was dieser zu behaupten beschlossen hat (auch gegenüber seiner Lebensgefährtin), muss überhaupt nicht zutreffen. Tendenziell könnte dies alles Machbuba „jünger“ gemacht haben. Im Übrigen: Nach dem Verständnis nicht nur des Orients war Machbuba bereits kein „Kind“ mehr, sondern zumindest auf der Schwelle zur „Frau“; auch Pücklers Mutter war als 15-jährige Komtess Callenberg geehelicht worden und gebar ihn ein Jahr später.

[2] Pückler selbst hatte 1811 mit der Standesherrschaft Muskau eine Bevölkerung von zumeist Lassiten im Stande der Erbuntertänigkeit geerbt, die 1837 erst jüngst aufgehoben worden war, als Muskau nach dem Wiener Kongress 1815 an Preußen gefallen war. Pückler verstand sich von Haus aus also – obwohl ein kosmopolitisch und fortschrittlich gesinnter Geist – durchaus auch altfeudal, als ein Lehnsherr mit Gefolge und einer Fürsorgepflicht, keinesfalls als Vertreter eines Sklaven haltendenkolonialenKapitalismus. Er war also kein „Mädchenhändler“. Auch Machbuba dürfte ihn – nach ihren Briefen – nicht so gesehen haben.

Quellen

Eine befriedigende Machbuba-Biographie wird vielleicht nie erstellt werden können, über ihr afrikanisches Vorleben gibt es überhaupt nur Hörensagen; doch ist auf Kleßmann zu verweisen; ihr Geschick ist in den Monographien über Hermann von Pückler-Muskau immer wieder angesprochen und erörtert worden.

Fußnoten

  1. Ihr Biograph Kleßmann hält sie für sehr ernsthaft und infolgedessen für den Schlüssel des Ganzen.
  2. Hier ist vermutbar, dass die Fürstin opponierte, um nicht – angesichts des Wiener „Präzedenzfalles“ einer Vorstellung beim Kaiserhof – vor dem preußischen Hof blamiert zu werden. Denn ihr Vater war immerhin preußischer Staatskanzler gewesen.

Literatur