Flüchtlingslager

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Auffanglager)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Das Flüchtlingslager Kutupalong (hier im März 2017) gilt als größtes Flüchtlingslager der Welt.
Luftaufnahme vom syrischen Flüchtlingscamp Zaatari in Jordanien im Juli 2013
Flüchtlingslager für Flüchtlinge aus Darfur (Tschad, 2005)
Flüchtlingslager für Flüchtlinge aus Ruanda (Demokratische Republik Kongo, 1994)
Erstaufnahmelager Jenfelder Moorpark

Ein Flüchtlingslager ist ein Lager, in dem Flüchtlinge untergebracht sind. Menschen in Flüchtlingslagern sind vor politischer Verfolgung, Kriegen, Bürgerkriegen, Vertreibung, aber auch vor Umweltkatastrophen und Hungersnöten geflohen (Umweltflüchtlinge).

Flüchtlingslager in Europa

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Deutschland und anderen Ländern Europas gab es nach dem Zweiten Weltkrieg Lager für Flüchtlinge und Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten, für überlebende Juden und andere (zum Teil bezeichnet als DP-Lager (engl.: DP-Camps) für so genannte Displaced Persons, DPs; errichtet in der Regel von Alliierten). Diese verschiedenen Lager dienten als Durchgangsstationen vor der Weiterreise in andere Länder oder vor der Erteilung einer Zuzugsgenehmigung und Integration in die neue Heimat. Außerdem gab es Flüchtlingslager für die große Zahl der Flüchtlinge (zwischen 1949 und 1961 in jedem Jahr mehr als 100.000[1]) aus der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) bzw. aus der DDR. Für jugendliche SBZ/DDR-Flüchtlinge, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, gab es ein spezielles Flüchtlingsjugendlager.

Die heutige Unterbringung von Flüchtlingen in Erstaufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften und Ausreiseeinrichtungen ist in Deutschland Teil des Sachleistungsprinzips des Asylbewerberleistungsgesetzes.

Zentrales Flüchtlings-Durchgangslager Gießen (1950)
seit 1945
bis 1957
bis 1994
  • Zentrales Flüchtlings-Durchgangslager Gießen
ab 1. September 1950 Notaufnahmelager
ab 1986 Bundesnotaufnahmelager
heute Zentrale Aufnahmestelle des Landes Hessen
am 31. März 1963 geschlossen
1953 bis 1978
- 1970
seit 7. Dezember 1955
1937 erbaut als Wohnsiedlung (für Zwangsarbeiter)
ab 1945 Auffanglager
ab 1951 Regierungslager für heimatlose Ausländer
offiziell 1956 aufgelöst, die letzten Bewohner verließen das Lager jedoch erst im Frühjahr 1957

Siehe auch: Flüchtlingsunterkunft (Deutschland)
Siehe auch: Flüchtlingsjugendlager

In Dänemark kamen in den letzten Kriegswochen 250.000 Deutsche an, auf deren Unterbringung man weder von der Wehrmacht noch von der dänischen Zivilverwaltung nach der Kapitulation vorbereitet gewesen wäre. Viele dieser deutschen Flüchtlinge wurden dann in den Flüchtlingslagern in Jütland untergebracht. Zum Beispiel in dem 1945 eingerichteten Flüchtlingslager Oksbøl, das zur Gemeinde Oksbøl, westlich von Silkeborg in Mitteljütland gehörte. Es wurde 1949 aufgelöst.

Heute sind im Zusammenhang mit der Unterbringung von Asylbewerbern insbesondere zu nennen:[2]

  • das Ausreisezentrum Kærshovedgård, ein Lager für alleinstehende, nicht gewollte Migranten
  • das Zentrum für Ausländer Ellebæk, faktisch ein Abschiebegefängnis.

In Liechtenstein besteht ein Aufnahmezentrum in Vaduz; eine weitere, zeitweilige Unterkunft in Triesen wurde am 1. Juli 2016 vom Verein Flüchtlingshilfe Liechtenstein (FHL) in Betrieb genommen.[3]

Flüchtlingslager Wagna, 1914

Siehe auch Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden (BGBl. I Nr. 120/2015).

Zudem bestehen Flüchtlingshaftanstalten in Békéscsaba, Debrecen, Győr, Nyírbátor, Kiskunhalas, Flughafen Budapest.[4][5][6]

Angesichts der großen Zahl von Flüchtlingen auf den Straßen ist es in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass das „Gesetz zur Gestaltung und zum Schutz der öffentlichen Umgebung“ von 2010 und die „Vierte Neufassung der Ungarischen Verfassung“ vom 11. März 2013 unter anderem eine Kriminalisierung der Obdachlosigkeit beinhalteten.[7]

Flüchtlingslager im Mittleren Osten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lager für palästinensische Flüchtlinge

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Nahr al-Bared, 16 km nördlich Tripoli

Die im Palästinakrieg und Sechstagekrieg geflohenen und vertriebenen Palästinenser wurden in 58 Flüchtlingslagern im Westjordanland und Gazastreifen, in Jordanien, Syrien und dem Libanon aufgenommen, wo sie und ihre Nachkommen teilweise bis heute leben und vom Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) versorgt werden. Die Integration der Flüchtlinge in die Bevölkerung wurde auch in den arabischen Staaten teilweise behördlich unterbunden. Die Zelte sind zwischenzeitlich durch feste Bebauung ersetzt worden, der Begriff „Lager“ (als kurzzeitiges Provisorium) ist damit sachlich nicht mehr korrekt. Der Gebrauch dieses Begriffs ist hier mehr politischer Natur, um den ungeklärten Status der Bewohner zu verdeutlichen. Der Unterschied zu politischen Gemeinden ist jedoch, dass das Land nicht den Bewohnern gehört, sondern sich noch immer in staatlichen oder privaten Besitz befindet und nur der UNRWA zur Verwaltung überlassen ist.[10] Es gibt daher auch keine politische Vertretung wie Gemeinderat und Bürgermeister.

Zurzeit bestehende Flüchtlingslager mit Anzahl der Bevölkerung und Jahr der Entstehung (Stand: Juli 2014):[11]

Im Westjordanland befinden sich 19 Flüchtlingslager mit 762.288 registrierten Flüchtlingen.

  • 1948, Aqabat Jaber bei Jericho (S), 6.400
  • 1948, Ein Sultan bei Jericho, 1.900
  • 1949, Far’a zwischen Nablus und dem Jordantal, 7.600
  • 1949, Fawwar bei Hebron (S), 8.000
  • 1949, Jalazoun bei Bir Zait (S), 11.000
  • 1949, Kalandia zwischen Jerusalem und Ramallah, 11.000
  • 1949, Amari bei Ramallah/Al-Bireh, 10.500
  • 1949, Deir Ammar zwischen Ramallah und Nablus, 2.400
  • 1949, Daheishe bei Bethlehem (S), 13.000
  • 1950, Aida bei Betlehem (NW), 4.700
  • 1950, Al-Arroub zwischen Bethlehem und Hebron, 10.400
  • 1950, Askar bei Nablus (NO), 15.900
  • 1950, Balata bei Nablus (O), 23.600
  • 1950, 'Azza (Beit Jibrin), 1.000
  • 1950, Ein Beit al-Ma' (Camp No. 1), 6.750
  • 1950, Tulkarem, 18.000
  • 1952, Nur Shams bei Tulkarem (O), 9.000
  • 1953, Dschenin, 16.000
  • 1965, Shu’fat in Ostjerusalem (N), 11.000

Im Gazastreifen befinden sich 8 Flüchtlingslager mit 1.258.559 registrierten Flüchtlingen.

  • 1948, Al-Shati (Beach camp), 87.000
  • 1950, Bureij, 34.000
  • 1948, Dair al-Balah, 21.000
  • 1948, Dschabaliya bei Gaza (NW), 110.000
  • 1949, Khan Yunis, 72.000
  • 1949, Maghazi, 24.000
  • 1948, Nuseirat bei Gaza (S), 66.000
  • 1949, Rafah, 104.000

In Jordanien befinden sich 10 Flüchtlingslager mit 2.097.338 registrierten Flüchtlingen.

  • 1948, Amman New Camp (Wihdat), 51.500
  • 1948, Jebal al-Hussein, 29.000
  • 1948, Irbid, 25.000
  • 1949, Zarqa, 20.000
  • 1967, Souf, 20.000
  • 1967, Talbieh, 7.000
  • 1968, Baqa’a, 104.000
  • 1968, Jerash, 24.000
  • 1968, Husn, 22.000
  • 1968, Marka, 53.000

Im Libanon befinden sich 12 Flüchtlingslager mit 449.957 registrierten Flüchtlingen.

  • 1948, Bourj el-Barajneh, südlicher Vorort von Beirut, 17.945
  • 1948, Ein el-Hilweh, Vorort von Sidon, 54.116
  • 1948, El-Buss, 2 km südlich Tyros, 11.254
  • 1949, Nahr al-Bared, 16 km nördlich Tripoli, 5.857
  • 1949, Schatila, 9.842 (siehe Massaker von Sabra und Schatila)
  • 1948, Wavel, bei Baalbek, 8.806
  • 1952, Mar Elias, Vorort von Beirut, 662
  • 1954, Mieh Mieh, 4 km östlich Sidon, 5,250
  • 1955, Beddawi, 5 km nördlich Tripoli, 16,500
  • 1955, Burj al-Shemali, 3 km östlich Tyros, 22.789
  • 1956, Dbayeh, 12 km östlich Beirut, 4.351
  • 1963, ar-Raschidiya, südlich Tyros, 31.478

In Syrien befanden sich 2011 9 Flüchtlingslager (davon 3 inoffiziell *) mit 526.744 registrierten Flüchtlingen.

  • 1948, Sbeineh, 22.600
  • 1948, Neirab, 20.500
  • 1948, Dscharamana, 18.658
  • 1949, Khan Eshieh, 20.000
  • 1949, Homs, 22.000
  • 1950, Daraa, 10.000
  • 1950, Hama, 8.000
  • 1950, Chan Dunoun, 10.000
  • 1955-6, Latakia*, 10.000
  • 1957, Yarmouk*, 148.500
  • 1962, Ein El-Tal*, 6.000
  • 1967, Qabr Essit, 23.700

Lager für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit dem Beginn des Kriegs in Syrien 2011 sind mit Stand April 2018 etwa 660.000 Menschen nach Jordanien geflüchtet.[12]

  • Zaatari, rund 80.000 (Stand April 2018)

Flüchtlingslager in Afrika

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Sudan und in Darfur

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit dem Darfur-Konflikt sind in Kenia die Flüchtlingslager Dadaab und Kakuma für Flüchtlinge aus Somalia und dem Sudan sowie in weiteren Ländern Lager aufgebaut worden:

  • Abushok, bei El Fasher in Nord-Darfur
  • Al Salam, bei El Fasher
  • Amboko, im Süden Tschads
  • Azburki, bei El Geneina in West-Darfur
  • Azerni, bei El Geneina
  • Gaga, Tschad
  • Kalma, bei Nyala
  • Mornei, bei El Geneina
  • Sissi, bei El Geneina
  • Tine, Darfur-Grenze in Tschad
  • Zam Zam, bei El Fasher

Westsaharakonflikt

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Nähe von Tindouf, Algerien befinden sich Flüchtlingslager für die seit dem Westsaharakonflikt aus der Westsahara geflohenen Saharauis, außerdem für die Exilregierung der Frente Polisario. Dort lebten in den letzten 30 Jahren bis zu 150.000 Menschen.[13]

Flüchtlingslager in Asien

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Flüchtlingslager in Kabul
Mae La Flüchtlingslager für Flüchtlinge aus Burma in Tak, Thailand (2007)

Aufgrund der zahlreichen Konflikte und Vertreibungen der letzten 40 Jahre leben in Afghanistan mehr als zwei Millionen Menschen als Binnenvertriebene im eigenen Land, darunter Hunderttausende Kinder. In Kabul und Umgebung lebten Ende 2017 schätzungsweise 65.000 Menschen in mehr als 60 Flüchtlingslagern, die in der Vergangenheit durch humanitäre Organisationen unterstützt wurden. 2014 brach die Hilfe jedoch ein, da die EU-Nothilfeagentur ECHO diese als reguläre Slums einstufte.[14][15][16]

Im Iran und Pakistan leben zahlreiche Flüchtlinge aus dem benachbarten Afghanistan in Flüchtlingslagern wie Nasir Bagh in Pakistan.

In Thailand leben viele Flüchtlinge aus den benachbarten Staaten in Lagern nahe der Grenze. Das größte ist das Mae La Lager im Amphoe Tha Song Yang.[17][18]

Flüchtlingslager als Kriegsressource

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den heutigen Kriegen und denen der jüngeren Geschichte können Flüchtlingslager auch eine wichtige Kriegsressource für teilnehmende Gruppen darstellen[19]. Sie können dadurch, dass konstant Gelder und Ressourcen aus dem Ausland in das Kriegsgebiet fließen, zu einem Bestandteil der Kriegsökonomie werden. Davon können Kriegsparteien, welche die Umgebung der Lager kontrollieren, auf folgende Weise profitieren:

  • Die Versorgung der eigenen Truppen mit Nahrung und Medikamenten durch internationale Hilfslieferungen, da selbige üblicherweise auch die Verteilung kontrollieren
  • Einnahmen durch an den Zufahrtsstraßen erhobene Zölle. Einnahmen durch Verkauf der durch internationale Hilfslieferungen in das Lager gekommenen Güter (Nahrungsmittel, Medikamente usw.)
  • Geschütztes Rückzugsgebiet für verwundete Kämpfer
Commons: Flüchtlingslager – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Flüchtlingslager – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. [Flüchtlingszahlen aus 1949–1961 (Link entfernt weil nicht vollständig.)]
  2. Asylpolitik in Dänemark. „Klarmachen: Du bist unerwünscht“. In: tagesschau.de. 27. August 2024, abgerufen am 5. September 2024.
  3. Entlastung schaffen: Zusätzliche Unterkunft für Asylsuchende in Betrieb genommen. In: Volksblatt.li. 9. August 2016, abgerufen am 17. März 2018.
  4. The refugee situation in Hungary. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 29. August 2015; abgerufen am 8. September 2015.
  5. Refugee camps & detention centres in Hungary. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 29. August 2015; abgerufen am 8. September 2015.
  6. Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit. Aktualisierung und Ergänzung des Berichts vom März 2012. Pro Asyl, abgerufen am 8. September 2015.
  7. Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit. Aktualisierung und Ergänzung des Berichts vom März 2012. Pro Asyl, abgerufen am 8. September 2015. Abschnitt „Kriminalisierung von Obdachlosigkeit in Ungarn“, S. 24 ff.
  8. Verzweifelt auf Lesbos – Kinder im Flüchtlingslager. Abgerufen am 25. Dezember 2020.
  9. Nina Horaczek, Interview mit Marcus Bachmann: Interview: Warum Kinder in Europa von Ratten gebissen werden. In: falter.at. 23. Dezember 2020, abgerufen am 25. Dezember 2020.
  10. UNRWA, Homepage
  11. Where we work, unrwa.org
  12. Van der Bellen reist nach Jordanien orf.at, 16. April 2018, abgerufen am 16. April 2018.
  13. www.unhcr.de: UNHCR-Botschafterin spendet für Flüchtlinge aus Westsahara
  14. Flüchtlinge Afghanistan: Jahrzehntelange Flucht & Vertreibung. UNO-Flüchtlingshilfe, abgerufen am 8. Januar 2021.
  15. Bernd Musch-Borowska: Winter in Afghanistan: Hunderttausende Kinder von Kälte bedroht. In: tagesschau.de. 1. Januar 2021, abgerufen am 8. Januar 2021.
  16. Katja Mielke: Immobilisiert: Zur Situation ehemals nomadischer Gruppen in Kabul. Bundeszentrale für politische Bildung, 16. Oktober 2018, abgerufen am 8. Januar 2021.
  17. UNHCR Thailand und Japan Pilot Resettlement Program (Memento vom 28. März 2012 im Internet Archive) (PDF; 272 kB) 25. August 2010.
  18. Müllkinder.
  19. Vergleiche Herfried Münkler: Die neuen Kriege. Rowohlt-Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-499-61653-2.