Dormitio (Kunst)
Dormitio (lat. für „Entschlafung“), Übersetzung aus dem gr. Koimesis, dt. Marientod, bezeichnet in der Kunstgeschichte einen bestimmten Bildtyp, der den Tod Marias im Kreise der Apostel darstellt.
Hintergrund
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die meisten Erzählungen und Bildthemen mit Maria als Hauptperson entbehren jedweder biblischen Grundlage – so auch die Themen des Marientods und der Himmelfahrt. Wahrscheinlich dem 5. oder 6. Jahrhundert entstammt jedoch eine als Transitus Mariae bezeichnete Schriftengruppe, die angebliche Themen ihres Lebens und Sterbens präsentiert. Nach einigen weiteren Jahrhunderten wurden diese legendenhaften Erzählungen in die mittelalterliche Kunst aufgenommen.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Bildtypus der Grablegung Mariens ist erst seit dem Mittelalter bekannt. Die ältesten bekannten Darstellungen in Form von Elfenbeintäfelchen stammen aus der Byzantinischen Kunst des 10./11. Jahrhunderts und wurden wahrscheinlich in Konstantinopel gefertigt. In Westeuropa treten sie etwa 200 Jahre später fast gleichzeitig in romanischen Apsisfresken sowie in der Portalplastik gotischer Kathedralen in Erscheinung. Um 1350 – d. h. während der Pest – wurden sie meist auf Wände gemalt oder fanden Aufnahme in die gemalten oder geschnitzten Bilderzyklen von Altären.
Darstellung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Typische Begleitfiguren der Dormitio-Darstellungen sind die – manchmal aus einer Schriftrolle oder aus Büchern lesenden oder Weihrauch entzündenden – Apostel; von ihnen und einigen anderen Personen wird Maria auf die Kissen des Sterbebettes gelegt. In einigen Darstellungen überreicht Johannes eine Sterbekerze, oder Petrus hält einen Weihwasserwedel. Kurz darauf erfolgen die meist gesondert dargestellte Himmelfahrt und Krönung Mariens.
Entwicklung in der Kunst
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Aus hoch- und spätmittelalterlicher Zeit sind zahlreiche Darstellungen des Todes, der Himmelfahrt und der Krönung Mariens bekannt. In der Frührenaissance jedoch werden die Darstellungen seltener und die großen Künstler der Hoch- und Spätrenaissance widmeten sich anderen Themen. Auch in der Kunst des Barock und des Rokoko kommt das Bildthema kaum noch vor.
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Elfenbein-Einbandtafel des Evangeliars Ottos III., byzantinisch, etwa 997 bis 1000
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Duccio di Buoninsegna: Dormitio/Marientod, 1308/11
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Dormitio-Ikone, 15. Jahrhundert, Polen
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Dormitio, 1475–1477
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2. Hälfte 15. Jhd. Herkunft unbekannt, Arvenholz
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Valentin Bousch: Glasmalerei in der Basilika St-Nicolas (Saint-Nicolas-de-Port), um 1515
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Leopold Kretzenbacher: Sterbekerze und Palmzweig-Ritual beim „Marientod“. Zum Apokryphen in Wort und Bild bei der koimesis, dormitio, assumptio der Gottesmutter zwischen Byzanz und dem mittelalterlichen Westen. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 1999, ISBN 3-7001-2846-0 (Sitzungsberichte der ÖAW/Philosophisch-Historische Klasse; 667).
- Konstantin von Tischendorf: Apocalypses apocryphae Mosis, Esdrae, Pauli, Iohannis item Mariae dormitio. Additis Evangeliorum et actuum Apocryphorum supplementis. Olms, Hildesheim 2001, ISBN 3-487-01182-4 (Nachdr. d. Ausg. Leipzig 1866).
- Gertrud Holzherr: Die Darstellung des Marientodes im Spätmittelalter. Dissertation, Universität Tübingen 1971.