„Karl Carstens“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[gesichtete Version][ungesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Dschungelfan (Diskussion | Beiträge)
Veri2017tas (Diskussion | Beiträge)
Da der Abschnitt „Parteienmitgliedschaften“ behandelt, gehört der Vermerk über die SA-Zeit eigentlich nicht an diese Stelle. Ich habe ihn trotzdem einmal stehen lassen (in veränderter Form). Außerdem war Carstens KEIN Mitglied der NSDAP. In der Ze
Zeile 22: Zeile 22:


== Parteimitgliedschaften ==
== Parteimitgliedschaften ==
Ab 1934 mussten Studenten in den ersten Semestern an der Universität Frankfurt am SA Dienst teilnehmen. So auch Carstens<ref>1. Tim Szatkowski, „Karl Carstens – Eine politische Biographie“. 2007, Böhlau Verlag Köln, Weimar, Wien.</ref>. 1936 war Carstens nach Denunziation eine Studienbeihilfe der Landesschulbehörde Bremen entzogen worden. Nach Aufforderung durch den Präsidenten des Bremer Landgerichts unter Androhung der Nichtzulassung zum Assessorexamen im Jahre 1937 beantragte Carstens die Mitgliedschaft in der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]]. Er verschleppte die Einreichung notwendiger Unterlagen, so dass der Antrag erst nach Kriegsausbruch positiv beschieden wurde<ref>1. Tim Szatkowski, „Karl Carstens – Eine politische Biographie“. 2007, Böhlau Verlag Köln, Weimar, Wien.</ref>; zu einem Zeitpunkt also, an dem Carstens bereits Soldat war und somit nach dem Wehrgesetz nicht aktives Parteimitglied sein konnte<ref>2. Wehrgesetz vom 21. Mai 1935 in: Reichsgesetzblatt. Teil I. Ausgegeben zu Berlin den 22. Mai 1935 (Nr. 52). – bei Tim Szatkowski zitiert.</ref>. Entsprechend entschied die I. Spruchkammer Bremen im Rahmen von Carstens Entnazifizierungsverfahren am 3. Juni 1948, dass eine „praktische Mitgliedschaft in der NSDAP nie bestand“ und er „nach dem Maß seiner Kräfte aktiv Widerstand gegen die Nazi-Gewaltherrschaft“ leistete<ref>1. Tim Szatkowski, „Karl Carstens – Eine politische Biographie“. 2007, Böhlau Verlag Köln, Weimar, Wien.</ref>.
Carstens war seit 1934 Mitglied im Sturm 5/75 der [[Sturmabteilung|SA]]. Von 1940 bis 1945 war er Mitglied der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]].<ref>Siehe [[Liste ehemaliger NSDAP-Mitglieder, die nach Mai 1945 politisch tätig waren]]</ref> Aufgrund seiner Zugehörigkeit zur NSDAP mobilisierte ein Bündnis aus kommunistischen und sozialistischen Organisationen, [[Gewerkschaft]]en und Einzelpersonen –&nbsp;darunter [[Hanne Hiob]]&nbsp;– 1979 eine Demonstration, die Vorläufer des Straßentheaters ''[[Anachronistischer Zug]]'' war.<ref>[http://www.kverlagundmultimedia.de/Archivb/Chronolog_2000/Anachronistischer_Zug_Intervie/anachronistischer_zug_intervie.html ''Wohin zieht der Anachronistische Zug?''] In: ''junge Welt'', 30. Dezember 2000</ref>


Seit 1955 war er Mitglied der [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]].
Seit 1955 war er Mitglied der [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]].

Version vom 5. Februar 2017, 14:29 Uhr

Karl Carstens (1973)
Unterschrift von Karl Carstens

Karl Carstens (* 14. Dezember 1914 in Bremen; † 30. Mai 1992 in Meckenheim) war ein deutscher Politiker (CDU). Er war von 1976 bis 1979 Präsident des Deutschen Bundestages und von 1979 bis 1984 der fünfte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland.

Leben

Carstens wurde in der Fitgerstraße 36 des Bremer Stadtteils Schwachhausen geboren, kurz nachdem sein Vater Carl Carstens, Oberlehrer und Studienrat an der Handelsschule in Bremen (Oberrealschule), in Frankreich gefallen war. Er wohnte einige Jahre mit seiner Mutter im Reihenhaus Busestr. Nr. 67. Seine Patentante war die Bremer Kindermalerin Agnes Sander-Plump.

Nachdem er 1933 das Abitur am Alten Gymnasium in Bremen erlangt hatte, absolvierte Carstens ein Studium der Rechtswissenschaft in Frankfurt am Main, Greifswald, Dijon, München, Königsberg und Hamburg, welches er 1936 mit dem ersten und 1939 mit dem zweiten juristischen Staatsexamen beendete. 1938 schloss er seine Promotion zum Dr. jur. ab. Er wurde Referendar am Landgericht Bremen. Nach der studienbedingten Rückstellung vom Wehrdienst leistete er 1938 eine Wehrübung beim Flak-Regiment 26. Von 1939 bis 1945 nahm er dann als Soldat bei der Flakartillerie am Zweiten Weltkrieg teil. Er wurde in der Flak-Abteilung 407 zum Flugmelder ausgebildet. Nach dem zweiten Staatsexamen lehnte er eine Richterstelle ab und ließ sich 1940 zum Unteroffizier und 1941 zum Wachtmeister der Reserve befördern. 1942 erfolgte die Beförderung zum Leutnant und der Einsatz als Ordonnanzoffizier im Stab der Flak-Abteilung 262 der Luftwaffe. Er erhielt das Eiserne Kreuz II. Klasse und wurde an der Flak-Artillerieschule III in Berlin-Heiligensee tätig.

Als Staatssekretär 1963 im Gespräch mit US-Präsident Kennedy

Nach Kriegsende wurde er in Bremen als Rechtsanwalt zugelassen und begann seine Tätigkeit in der Kanzlei Ahlers & Vogel. Er war zudem vom Juni 1945 bis 1947 ganz oder zeitweise für Bürgermeister und Justizsenator Theodor Spitta tätig und wirkte auch an der Erstellung der Bremer Verfassung mit.[1] 1948 begann Carstens ein Studium an der Yale-Universität in New Haven (Connecticut), welches er 1949 mit dem Grad eines Masters of Laws (LL.M.) beendete.

Von 1949 bis 1954 war er Rechtsberater des Bremer Senats und Bevollmächtigter Bremens beim Bund. Ab 1950 hatte er einen Lehrauftrag an der Universität zu Köln, wo er sich 1952 habilitierte. 1954 trat er dann in den Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik Deutschland ein. Bis 1955 war er Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland beim Europarat in Straßburg und danach im Auswärtigen Amt in Bonn tätig, wo er als Experte für Europafragen zum Stellvertreter des Bundesaußenministers aufstieg und 1958 die Leitung der Abteilung „West I Europa“ übernahm. 1960 erfolgte seine Berufung zum Professor für Staats- und Völkerrecht an der Universität Köln. Von 1970 bis 1972 leitete er das Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Bonn.

Familie

Karl und Veronica Carstens, 1949

Carstens heiratete 1944 Veronica Prior in der Flak-Kaserne in Berlin-Schulzendorf. Veronica Carstens wurde später Fachärztin für Innere Medizin. Die Ehe blieb kinderlos. Das Ehepaar gründete 1982 die Karl und Veronica Carstens-Stiftung mit dem Ziel der Förderung von Naturheilkunde und Homöopathie.

Parteimitgliedschaften

Ab 1934 mussten Studenten in den ersten Semestern an der Universität Frankfurt am SA Dienst teilnehmen. So auch Carstens[2]. 1936 war Carstens nach Denunziation eine Studienbeihilfe der Landesschulbehörde Bremen entzogen worden. Nach Aufforderung durch den Präsidenten des Bremer Landgerichts unter Androhung der Nichtzulassung zum Assessorexamen im Jahre 1937 beantragte Carstens die Mitgliedschaft in der NSDAP. Er verschleppte die Einreichung notwendiger Unterlagen, so dass der Antrag erst nach Kriegsausbruch positiv beschieden wurde[3]; zu einem Zeitpunkt also, an dem Carstens bereits Soldat war und somit nach dem Wehrgesetz nicht aktives Parteimitglied sein konnte[4]. Entsprechend entschied die I. Spruchkammer Bremen im Rahmen von Carstens Entnazifizierungsverfahren am 3. Juni 1948, dass eine „praktische Mitgliedschaft in der NSDAP nie bestand“ und er „nach dem Maß seiner Kräfte aktiv Widerstand gegen die Nazi-Gewaltherrschaft“ leistete[5].

Seit 1955 war er Mitglied der CDU.

Abgeordneter

Carstens spricht als Bundespräsident am 28. Juni 1982 beim Bundesnachrichtendienst

Von 1972 bis 1979 war er Mitglied des Deutschen Bundestages. Hier war er von Mai 1973 bis Oktober 1976 Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Oppositionsführer. Nach der Bundestagswahl 1976 wurde Carstens am 14. Dezember 1976 zum Präsidenten des Deutschen Bundestages gewählt.

Karl Carstens ist 1972 über die Landesliste Schleswig-Holstein und 1976 als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Ostholstein in den Bundestag eingezogen.

Öffentliche Ämter

Karl Carstens mit Hund Ben im Park der Villa Hammerschmidt (1982)
Karl Carstens auf der Veranstaltung „25 Jahre Bundesamt für Zivilschutz“ (1983)

Von Juli 1960 bis Dezember 1966 war er Staatssekretär im Auswärtigen Amt, in der Zeit der Großen Koalition von Dezember 1966 bis 1968 Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung. Von 1968 bis 1969 war er dann als Staatssekretär Chef des Bundeskanzleramtes bei Bundeskanzler Kiesinger.

Bei der Wahl des deutschen Bundespräsidenten 1979 wählte ihn die Bundesversammlung am 23. Mai 1979 zum 5. Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Carstens’ Kandidatur war zuvor wegen seiner früheren NSDAP-Mitgliedschaft kritisiert worden.

Die SPD warf Carstens zudem vor, 1974 vor dem Ausschuss zur Guillaume-Spionageaffäre falsch ausgesagt zu haben, indem er angab, in seiner Zeit als Aufseher über den Bundesnachrichtendienst (BND) Ende der 1960er Jahre habe er nichts über Verbindungen des BND zum Waffenhandel gewusst. Später tauchten von Carstens unterzeichnete Akten auf, die solche Verbindungen belegten. Ein Gericht sah erhebliche Anhaltspunkte für eine Falschaussage.

Er löste Walter Scheel als Bundespräsidenten ab. Während seiner Amtszeit positionierte sich Carstens gegen Forderungen der Friedensbewegung nach einseitiger Abrüstung und lehnte insbesondere deren Bezugnahme auf die Bergpredigt ab.[6]

1983 gab er die Gedicht-Anthologie Deutsche Gedichte heraus. Eine erste Druckauflage wurde wegen vieler editorischer Fehler eingestampft.[7]

Der wandernde Bundespräsident Karl Carstens

Wegen seiner Vorliebe für das Wandern war Carstens während seiner Amtszeit bekannt als „Wanderpräsident“. Er nutzte diese Wanderungen zur Begegnung mit vielen Menschen, von denen er sich streckenweise begleiten ließ und mit denen er unterwegs einkehrte. Aus Altersgründen verzichtete er auf die Kandidatur für eine zweite Amtszeit und schied damit am 30. Juni 1984 aus dem Amt.

Staatsbesuche

Jahr Monat Staaten
1980 April/Mai Irland Irland
Mai Jugoslawien Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien
Juli Portugal Portugal
1981 Januar Osterreich Österreich
März Indien Indien
Juli Vereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich
September/Oktober Spanien 1977 Spanien
Oktober Belgien Belgien (EG und NATO), Agypten 1972 Ägypten, Rumänien 1965 Rumänien
1982 Februar Griechenland Griechenland
April Brasilien Brasilien, Jamaika Jamaika
Mai Danemark Dänemark
Juni Saudi-Arabien Saudi-Arabien
August Schweiz Schweiz
Oktober China Volksrepublik Volksrepublik China, Italien Italien, Vatikanstadt Vatikanstadt
November Sowjetunion Sowjetunion
1983 Januar Frankreich Frankreich (Europarat)
September Jugoslawien Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien
Oktober Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten, Frankreich Frankreich
November Elfenbeinküste Elfenbeinküste, Niger Niger
1984 Februar/März Indonesien Indonesien, Thailand Thailand

Ehrungen (Auszug)

Grab auf dem Riensberger Friedhof
Straßenschild im ehem. Regierungsviertel in Bonn

Tod

Carstens starb in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 1992 in seinem Wohnort Meckenheim bei Bonn an den Folgen eines Schlaganfalls. Er wurde auf dem Riensberger Friedhof in Bremen bestattet (Grabnummer U 612) (→ Lage).

Verschiedenes

Im Jahr 1974 veröffentlichte der Schriftsteller und Nobelpreisträger Heinrich Böll seine Erzählung Die verlorene Ehre der Katharina Blum, die ihm wegen unterstellter Sympathien zum RAF-Terrorismus heftige Kritik von konservativer Seite einbrachte. Auch Carstens äußerte sich, jedoch offensichtlich in Unkenntnis wesentlicher Fakten und des Inhalts des Buches: „Ich fordere die ganze Bevölkerung auf, sich von der Terrortätigkeit zu distanzieren, insbesondere den Dichter Heinrich Böll, der noch vor wenigen Monaten unter dem Pseudonym Katharina Blüm [sic] ein Buch geschrieben hat, das eine Rechtfertigung von Gewalt darstellt.“[12] Dies setzte Carstens zahlreichen spöttischen Attacken aus, der Spiegel zitierte den Satz später sogar in seinem Nachruf.[13] Der Grafiker und Polit-Aktivist Klaus Staeck entwarf auf Bölls Bitte hin infolge dieser Äußerung ein Plakat, auf dem Carstens auf einer Kuh reitend dargestellt war, mit der Überschrift „Professor Carstens reitet für Deutschland“ und dem vollständigen Zitat.[12]

Schriften

  • Der gutgläubige Erwerb von Pfandrechten an Grundstücksrechten. Dissertation, 1938.
  • Grundgedanken der amerikanischen Verfassung und ihre Verwirklichung. Habilitation, 1952/54.
  • Das Recht des Europarates, 1956
  • Politische Führung – Erfahrungen im Dienst der Bundesregierung. 1971.
  • Bundestagsreden und Zeitdokumente. Bonn 1977.
  • Reden und Interviews. 4 Bände, Bonn 1979–1983.
  • Deutsche Gedichte. (Hrsg.) 1983.
  • Erinnerungen und Erfahrungen. 1993.

Literatur

  • Tim Szatkowski: Karl Carstens. Eine politische Biographie. Böhlau-Verlag, Köln/Weimar/Wien 2007, ISBN 978-3-412-20013-8.
  • Daniel Lenski: Von Heuss bis Carstens. Das Amtsverständnis der ersten fünf Bundespräsidenten unter besonderer Berücksichtigung ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenzen. EKF, Leipzig/Berlin 2009, ISBN 978-3-933816-41-2.
Commons: Karl Carstens – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Theodor Spitta: Neuanfang aus Trümmern. Tagebuchaufzeichnungen, Hinweise auf Seite 99, 117, 123, 153, 171, 177, 180, 185, 232, 239, 275, 321, 340, 356, 358, 398, 430, 439, 441, 443, 446, 476, 447, 481, 490, 493, 496, 512
  2. 1. Tim Szatkowski, „Karl Carstens – Eine politische Biographie“. 2007, Böhlau Verlag Köln, Weimar, Wien.
  3. 1. Tim Szatkowski, „Karl Carstens – Eine politische Biographie“. 2007, Böhlau Verlag Köln, Weimar, Wien.
  4. 2. Wehrgesetz vom 21. Mai 1935 in: Reichsgesetzblatt. Teil I. Ausgegeben zu Berlin den 22. Mai 1935 (Nr. 52). – bei Tim Szatkowski zitiert.
  5. 1. Tim Szatkowski, „Karl Carstens – Eine politische Biographie“. 2007, Böhlau Verlag Köln, Weimar, Wien.
  6. Sanfter Kreuzzug. In: Der Spiegel. Nr. 18, 1981 (online).
  7. Edelster Bestand. In: Der Spiegel. Nr. 23, 1983 (online).
  8. a b Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952 (PDF; 6,9 MB)
  9. Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952 (PDF; 6,9 MB).
  10. Herbert Schwarzwälder: Das Große Bremen-Lexikon, Edition Temmen, Bremen, 2003
  11. Deutscher Wanderverband (Hrsg.): „125 Jahre Wandern und mehr“, Michael Imhof Verlag, Petersberg, 2008, ISBN 978-3-86568-221-5, S. 171
  12. a b Klaus Staeck: Er fehlt! In: Berliner Zeitung, 22. Juli 2010
  13. Gestorben: Karl Carstens. In: Der Spiegel. Nr. 24, 1992 (online).