Zum Inhalt springen

Seite:Die Gartenlaube (1873) 142.JPG

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Version vom 27. August 2018, 21:12 Uhr von Fkraus (Diskussion | Beiträge) (Schützte „Seite:Die Gartenlaube (1873) 142.JPG“: Bot: Schütze fertige Seiten ([Bearbeiten=Sperrung für nicht registrierte Benutzer] (unbeschränkt) [Verschieben=Sperrung für nicht registrierte Benutzer] (unbeschränkt)))
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version ansehen (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

ersten des Landes an die Seite stellen durften; er hatte eine Stellung errungen, in der er Tausenden hätte zum Segen werden können. Er war es ihnen nicht geworden, hatte es nicht werden wollen. Da mußte denn wohl sein Andenken die Verurtheilung über sich ergehen lassen, die in diesem Aufathmen nach seinem plötzlichen Tode lag, das durch seine ganze Umgebung, durch all seine Schöpfungen ging, in diesem unausgesprochenen und doch von Allen gefühlten „Gott sei Dank!“

Ob die Erbschaft eines solchen Lebens und dessen, was es seit Jahrzehnten gesäet, wirklich so beneidenswerth war, als es den äußeren Anschein hatte, mochte dahingestellt bleiben. Jedenfalls wälzte schon diese Erbschaft an sich eine Last von Geschäften auf die Schultern des jungen Erben, der er nach dem allgemeinen Urtheil am wenigsten gewachsen war. Er hatte freilich Beamte aller Fächer, Vertreter und Bevollmächtigte genug; aber je mehr sein Vater es verstanden hatte, sie sämmtlich in Abhängigkeit von sich zu erhalten und an seine unbedingte Oberleitung zu gewöhnen, desto mehr fehlte ihnen jetzt die Hand und das Auge des Herrn, fehlte dieser Herr selber. Jetzt sollte der Sohn die Zügel in die Hand nehmen und noch ehe dies geschehen war, mußte auch er das Urtheil oder vielmehr die Verurtheilung über sich ergehen lassen, die in dem Achselzucken seiner sämmtlichen Untergebenen lag. Sie waren bereits einig darüber, daß auf ihn so gut wie gar nicht zu rechnen sei.

In dem Conferenzzimmer war das ganze Beamtenpersonal versammelt, um den nunmehrigen Chef zu erwarten, der sie für diese Stunde herbeschieden hatte. Aber wer die rathlosen, verstörten und zum Theil selbst angstvollen Gesichter der Herren sah, der mußte wohl auf die Idee gerathen, daß hier mehr verhandelt werden sollte, als eine blos formelle Begrüßung und Vorstellung, jetzt, nachdem die ersten Tage der Trauer vorüber waren.

„Das war ein Schlag!“ sagte der Director eben zu Herrn Schäffer, der gleichfalls aus der Residenz eingetroffen war. „Der schlimmste, der uns überhaupt treffen konnte! Wir wußten ja längst, was sie unter einander verabredeten und planten, und das geschieht ja auch überall auf den benachbarten Werken. Man sah es kommen; man hätte seine Maßregeln danach genommen, aber jetzt schon, grade in diesem Augenblick! Das liefert uns auf Gnade und Ungnade in ihre Hände.“

„Hartmann hat seine Zeit gut gewählt!“ fiel der Oberingenieur bitter ein. „Er weiß sehr wohl, was er thut, wenn er allein vorgeht, ohne die anderen Werke. Der Chef todt, sämmtliche Geschäfte in Stockung und Verwirrung, der Erbe unfähig zu jedem energischen Eingreifen – da kommt er mit seinen Forderungen! Ich habe es Ihnen immer gesagt, dieser Hartmann ist uns ein Pfahl im Fleische. Die Leute sind gut und man kann es ihnen nicht verdenken, wenn sie endlich einmal Sicherung ihres Lebens in den Schachten und das Nothwendige für dieses Leben verlangen. Sie haben lange genug unter drückenden Umständen ausgehalten, wie keine der Anderen, und sie hätten auch vernünftige Forderungen gestellt, die man bewilligen könnte. Was sie uns aber unter diesem Führer zudictiren, das übersteigt ja alle Begriffe, das ist ja eine offene Empörung gegen alles Bestehende!“

„Was wird nur der junge Herr thun?“ fragte Wilberg, der unter all den Rathlosen und Aengstlichen der Rathloseste und Aengstlichste war, ziemlich kleinlaut.

„Was er unter den augenblicklichen Umständen thun muß,“ entgegnete Herr Schäffer ernst, „die Forderungen bewilligen.“

„Erlauben Sie, das kann er nicht!“ fuhr der Oberingenieur auf. Das zerreißt alle Disciplin und macht ihn in Jahr und Tag zum ruinirten Mann. Ich wenigstens bleibe nicht auf den Werken, wo das durchgeht.“

Schäffer zuckte die Achseln. „Und doch wird ihm kaum etwas Anderes übrig bleiben. Ich habe Ihnen ja schon gesagt, daß die Dinge bei uns keineswegs so glänzend stehen, als es den Anschein hat. Wir haben Verluste in der letzten Zeit gehabt, sehr bedeutende Verluste; wir haben nach allen Seiten hin Ausfälle decken, Opfer bringen müssen; dann war noch so manche andere Verpflichtung – genug, wir sind einzig auf den augenblicklichen Ertrag der Werke angewiesen. Feiern uns die einige Monate und können wir die für dies Jahr abgeschlossenen Contracte nicht zur Ausführung bringen, dann sind wir – am Ende.“

„Die Leute müssen irgend etwas davon in Erfahrung gebracht haben,“ meinte der Oberingenieur finster, „sonst würden sie es gar nicht wagen, so aufzutreten; aber sie wissen nur zu gut, daß das einmal Bewilligte nicht wieder zurückgenommen werden kann. Hartmann wird Alles aufbieten, es durchzusetzen, und wenn er es unter dem zwingenden Druck der Verhältnisse wirklich durchsetzt – was sagte denn Herr Arthur, als Sie ihm von diesem Stande seiner Angelegenheiten Mittheilung machten?“

Es war eigenthümlich, daß die sämmtlichen Beamten nie von „Herrn Berkow“ oder ihrem Chef sprachen, als sei es ihnen unmöglich, die Person des jungen Herrn mit diesen Bezeichnungen in Verbindung zu bringen; sie nannten ihn noch immer „Herr Arthur“ oder „der junge Herr“, wie sie ihn stets genannt hatten. Bei der letzten Frage richteten sich Aller Augen auf Schäffer.


(Fortsetzung folgt.)



Ein Morgen in Trianon.


Es war an einem schönen Herbsttage des Jahres 1870, als ich mich von Versailles aufmachte, Klein-Trianon, den Lieblingsaufenthalt der Königin Marie Antoinette, zu besuchen. War es die herbstliche Jahreszeit oder das Andenken an die unglückliche Fürstin – ich fühlte mich von einer Art von wehmüthiger Trauer ergriffen und ein dunkler Schleier schien über die mich umgebende Landschaft ausgebreitet. Indem ich das Auge auf jenem Schlößchen, halb im Gebüsch verborgen, ruhen ließ, mußte ich unwillkürlich der Frau gedenken, deren Name durch das Unglück geheiligt und gleichsam mit dem Schmerz identisch geworden ist. Man hat stets den Ausgang dieser Tragödie vor Augen; die endliche Katastrophe derselben ist so traurig und so schrecklich zugleich, daß man in der That sich Gewalt anthun muß, um wenigstens für kurze Zeit sich diesen Betrachtungen zu entziehen und vor dem Auge der Seele noch einmal jene kurze, glückliche Zeit emporsteigen zu sehen, wo es nichts als Feste und Jubel hier gab.

Im Jahre 1774, als Ludwig der Sechszehnte kaum den Thron bestiegen, sagte er eines Tages zu seiner jungen Gemahlin: „Sie lieben die Blumen? Wohlan, ich habe Ihnen ein Bouquet zu überreichen – es ist Klein-Trianon.“ Welch ein Geschenk konnte der jungen Fürstin wohl willkommener sein, ihr, der enthusiastischen Freundin des Landlebens und der Natur?

Klein-Trianon liegt an dem äußersten Ende des Parks von Groß-Trianon und besteht aus einem viereckigen Pavillon römischer Architektur. Dies Miniaturpalais hat nur ein Erdgeschoß und zwei Stockwerke, deren Façaden mit Säulen korinthischer Ordnung geschmückt sind. Der Architekt Gabriel hatte es für Ludwig den Fünfzehnten gebaut, der es in den letzten Jahren seines Lebens zu seinem Lieblingsschlosse erkor. Er ließ es mit einem botanischen Garten umgeben; und hier, inmitten einer damals in Frankreich fast noch unbekannten Flora, pflegte er nach einer in wüsten Orgien verbrachten Nacht in Gemeinschaft mit einem seiner Hofschranzen zu botanisiren.

Trianon wurde der liebste Aufenthalt der jungen Marie Antoinette, die damals noch kinderlos war und den Staatsgeschäften fern stand. Hier konnte sie neue Schöpfungen in’s Leben rufen und schon Vorhandenes vergrößern oder verschönern lassen, hier, in ihrem kleinen Königreich, ein Volk von Gärtnern und Künstlern befehligen, um endlich nach so vielen Anstrengungen und nach Ueberwindung aller Schwierigkeiten ein trautes Daheim zu haben, das sie, in Erinnerung an ihre glückliche Kindheit, ihr kleines Wien nannte. Es lag damals in der Zeitströmung, die Natur von der lästigen Bevormundung und dem steifen Regelzwange der Lenôtre’schen Gartenkunst zu befreien. Das Buch des Engländers Sir Thomas Wathely „Ueber die moderne Gartenkunst“ hatte den ersten Anstoß und die erste Anleitung gegeben, diese neue Geschmacksrichtung zu entwickeln. Seitdem wollte jedes Landhaus einen sogenannten „jardin chinois“ haben. Marie Antoinette war mit dem bisher geleisteten mit nichten zufrieden;

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_142.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)