Karl-Theodor zu Guttenberg
Wie verabschiedet man sich von einem Lebensabschnitt, der geprägt war von Nähe, Fürsorge und gemeinsamem Wachstum? In Mailand zeigte sich mir die Antwort in einer Mischung aus festlicher Euphorie und stiller Melancholie: bei der Abschlussfeier meiner Tochter an der Bocconi Universität.
Heute fällt die Kolumne anders aus. Ich war gestern abgelenkt. Im spätherbstlichen und sonnendurchfluteten Mailand. An den Wochenenden schaltet die italienische Businessmetropole mehrere Gänge zurück, selbst die Touristenhorden wirken phlegmatischer als sonst. Nur die Trambahn quietscht wie immer.
Ich befand mich in einer eher garstigen Ecke der Stadt. Die Palazzi und Kirchen waren seelenlosen Wohnblocks gewichen. Samstägliche Ruhe auch hier. Bis plötzlich vor einem monumental scheußlichen Steingebäude Anarchie ausbrach.
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Karl-Theodor zu Guttenberg wurde bekannt als Bundesminister. Heute ist der ehemalige Politiker Unternehmer, Co-Produzent und Moderator von Dokumentarfilmen und anderen publizistischen Formaten. Er veröffentlicht in englisch- und deutschsprachigen Medien. Seit Juni 2023 ist KT zusammen mit Gregor Gysi Host des Podcasts "Gysi gegen Guttenberg".
Über Karl-Theodor zu Guttenberg
Kleine Rauchbomben detonierten. Konfetti-Kanonen, Schlachtgesänge, dann flogen Korken durch die Luft. Die Urheber des Radaus waren allerdings auffallend gut gekleidet. Sie feierten ihren Studienabschluss an der Bocconi Universität. Manche mit Busladungen voller Familienmitglieder, vom Säugling bis zur klapprigen Urgroßmutter. Alle Absolventen trugen neben den Talaren geflochtene Lorbeerkränze in den Haaren. Cäsarische Siegesgewissheit mit einem Augenzwinkern.
Vorausgegangen war ein Festakt in der großen Aula (für manche ebenfalls eine architektonische Kampfansage). Jedes Zeugnis wurde bejubelt, die Reden waren feinsinnig und liebevoll. Schließlich kollektives Aufschluchzen, als sich die Kandidaten umdrehten und ihren Familien applaudierten.
Im deutschsprachigen Raum war der Studienabschluss lange gleichbedeutend mit der Entgegennahme eines gefühlskalten Verwaltungsaktes. Oft in Form eines Einschreibens. Weshalb sollte man auch Worte der Wertschätzung an die Exmatrikulanten verlieren, wenn sich die Bürokratie selbst gratulieren kann. Dies hat sich schrittweise verändert. Bis zu den Traditionen anderer Länder ist es aber noch ein steiniger Weg. Nüchternheit will letztlich gepflegt sein.
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Der frühere Spitzenpolitiker Karl-Theodor zu Guttenberg hat sich inzwischen einen gelasseneren, aber nicht minder scharfen Blick auf die Dinge angewöhnt. Er lässt uns auf charmante Art an seinen Alltagserlebnissen und Gedanken teilhaben.
Einladung zum Nachdenken
In die ausgelassene Fröhlichkeit nach der Feierstunde drängte sich zaghaft eine stille Melancholie, bittersüße Schwermut zahlloser Eltern, die spürten, dass sich ihr Zuhause verändern würde. Nicht zwingend zu einem leeren Ort, sondern zu einem, der sich mit Geschichten füllt.
Ein Kind großzuziehen bedeutet, die Hoffnung loszulassen, dass es bleibt, und die Freude an seinem - im doppelten Wortsinne - Fortgang zu finden.
Neben uns unternahm ein angeschwipster Vater mit schottischem Akzent mehrere Versuche, seinem Sohn noch eine Lebensweisheit mitzugeben. Irgendwann gelang es ihm: „Das größte Geschenk, das Eltern ihren Kindern machen können, ist, ihnen beizubringen, ohne sie zu leben.“ Der Sohn fiel ihm um den Hals, die Mutter ging ihm fast an denselben.
Schließlich umarme ich meine Tochter. Innig. Als wollte ich weniger den Moment als die Vergangenheit festhalten. Und doch muss ich sie ziehen lassen. In ihr Leben. Dankbar für jede Sekunde der Gemeinsamkeit.
Loslassen ist kein Verlust, sondern die Weitergabe von Vertrauen. So proud of you, my love, Anna.
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