In diesem Kapitel stellen wir uns die Frage, wie Stoffe aufgebaut sind und wie wir uns beispielsweise vorstellen können, was beim Verdampfen von Wasser passiert. Dazu werden wir ein erstes Modell kennenlernen.
Gehen wir von folgendem Gedanken-Experiment aus: Du nimmst einen Tropfen Wasser auf deinen linken Zeigefinger. Diesen Tropfen berührst du anschliessend mit deinem rechten Zeigefinger. Der Tropfen ist nun etwas kleiner geworden. Nun trocknest du deinen linken Zeigefinger und berührst mit diesem anschliessend wieder den Tropfen auf deinem rechten Zeigefinger. Der Tropfen wird dadurch immer kleiner. Wie lange kann dieses Experiment weiter fortgeführt werden? Mit solchen Gedankenspielen haben sich bereits im 5. Jahrhundert v. Chr. die griechischen Philosophen Demokrit und Leukipp befasst. Demokrit hat vermutet, dass alle Stoffe aus kleinsten Teilchen bestehen. Folglich lässt sich das Wassertropfen-Experiment im Prinzip so lange fortsetzen, bis nur noch ein Teilchen Wasser da ist.
Demokrit (Quelle: Wikipedia).
Das Problem ist nun aber, dass dieses einzelne Wasserteilchen äusserst klein ist. So klein, dass es bis heute noch nicht gelungen ist, ein solches Teilchen genau zu sehen. Das bedeutet, dass wir uns die Gestalt ein solches Teilchens nur vorstellen können. Eine solche Vorstellung der realen Welt nennen wir Modell. Demokrit stellte sich diese Teilchen als unterschiedlich geformt, aber unveränderlich vor. Vereinfachend nehmen wir an, dass diese Teilchen kugelförmig sind. Das Teilchenmodell macht dabei folgende Aussagen:
Mit dem Teilchenmodell lassen sich eine ganze Anzahl von Phänomenen überzeugend gut erklären, zum Beispiel:
Aus Erfahrung wissen wir, dass Stoffe ihre Zustandsform ändern können. Ein bekanntes Beispiel aus dem Alltag sind die drei Zustandsformen von Wasser: Eis, Wasser im engeren Sinn, Wasserdampf. Die drei Zustandsformen sind also 'fest', 'flüssig' und 'gasförmig'.
Aufgabe 1:
Das folgende Video zeigt, was beim Erhitzen eines Feststoffs (z. B. Eis) bis zum Gas und anschliessendes Abkühlen des entstandenen Dampfs (z. B. Wasserdampf) zurück zum Feststoff (im Bsp. Eis) passiert.
Tabelle: Beschreibung der drei Aggregatzustände mit dem Teilchenmodell
Feststoff | Flüssigkeit | Gas | |
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Anziehungskraft zwischen Teilchen: |
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Abstand zwischen Teilchen: |
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Ordnungsgrad der Teilchen: |
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Freiheitsgrad der Teilchenbewegung: |
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Verformbarkeit des Stoffes: |
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Bemerkung zum Begriff "Wasserdampf"
"Wasserdampf" in der Alltagssprache: Damit sind feinstverteilte Tröpfchen kondensierten Wassers in der Luft (= Nebel) gemeint. (Quelle: Wikipedia, modifiziert).
"Wasserdampf" in der Fachsprache, d. h. im engeren Sinn: Gasförmige Form von Wasser, welche farblos und damit unsichtbar ist. (Quelle: Wikipedia).
Spezialfall "Sublimation und Resublimation"
Rauhreif an Bäumen in einem Forst: Aus Luft mit hoher Luftfeuchtigkeit, d. h. mit hohem Anteil an Wasserdampf, kann bei Abkühlung direkt festes Wasser (Eis) entstehen, ohne dass flüssiges Wasser in Erscheinung tritt; es liegt also eine Resublimation vor: Wasser (g) → Wasser (s). (Quelle: Wikipedia, modifiziert).
Eisblumen, eine besondere Form von Rauhreif an einem Fenster: Auch hier entsteht das Eis aus Resublimation von Wasserdampf. Umgekehrt kann Sublimation von festem Wasser zu Wasserdampf auftreten, wenn eine feine Eisfläche im Garten (gefrorene Pfütze) – über einen Zeitraum von mehreren Tagen mit Temperaturen unter 0 °C – langsam wieder verschwindet, ohne dass je flüssiges Wasser zu sehen ist. (Quelle: Wikipedia).
Bei der Aufgabe 2 wirst du dich mit der Sublimation und Resublimation von Iod beschäftigen – einem Stoff, der bei Zimmertemperatur fest und im Unterschied zu Wasser farbig ist. Kontrolliere zuerst deine Lösung zur Aufgabe 1 und bearbeite im Anschluss die Aufgaben 2–5.
(Dieses Kapitel sollte erst nach dem Lösen der Aufgaben 1–5 bearbeitet werden.)
Zwei Gase vermischen sich auch dann, wenn das spezifisch schwerere (also das dichtere) Gas unten (Bsp.: Brom), das spezifisch leichtere Gas oben ist (Bsp.: Luft – vgl. Abbildung rechts). Diese selbsttätige Ausbreitung geht solange vor sich, bis sich alle Gasteilchen im zur Verfügung stehenden Raum gleichmässig verteilt haben. Eine analoge Ausbreitung ist auch bei Stoffen zu beobachten, die in Flüssigkeiten gelöst sind (vgl. Aufgabe 4: Kaliumpermanganat in Wasser). Dieser hier beschriebene Vorgang heisst Diffusion:
Selbsttätige Ausbreitung von Teilchen im zur Verfügung stehenden Raum, was zu gleichmässiger Verteilung der Teilchen im entsprechenden Volumen führt.
Die Diffusion beruht auf der Eigenbewegung (Wärmebewegung) von Teilchen. Diese Eigenbewegung ist regellos und ungeordnet: Ein einzelnes Teilchen bewegt sich dabei geradlinig und ändert seine Richtung nur beim Zusammenstoss mit einem anderen Teilchen (vgl. Abbildung rechts). Die Diffusion von Teilchen ist in der Biologie von enormer Bedeutung. In Zellen hinein werden gewisse Substanzen durch Diffusion transportiert, was die Zelle keine Energie kostet.
Vermischung zweier Gase (rot: z. B. Brom; blau: z. B. Luft) durch Diffusion im Teilchenmodell. Nach vollendeter Diffusion liegt überall die gleiche Bromkonzentration vor. (Quelle: Wikipedia, modifiziert).
Leider können wir die Diffusion im Alltag selten wahrnehmen. In den folgenden zwei Beispielen tritt zwar Diffusion auf, praktisch ist sie jedoch in den spezifischen Fällen nicht relevant:
Luftzug und Rühren verteilen in der Praxis die Teilchen viel schneller als die Diffusion. Die Diffusion ist nur über kleine Strecken wirkungsvoll und von Bedeutung, eben zum Beispiel in Zellen.
Brownsche Bewegung
Die Eigenbewegung der Teilchen kann indirekt zum Beispiel sichtbar gemacht werden, wenn man Tabakrauch unter dem Mikroskop beobachtet: Die im Rauch befindlichen, grossen (und damit sichtbaren) Russpartikel befinden sich in permanenter, zitternder Bewegung, da sie von den Stössen der nicht sichtbaren (viel kleineren) Gasteilchen andauernd Richtungsänderungen erfahren. Die schnelle Wärmebewegung von Flüssigkeits- oder Gasteilchen bewirkt also durch häufige Stösse die wesentlich langsamere, unter dem Mikroskop beobachtbare Brownsche Bewegung grösserer sichtbarer Partikel oder Tröpfchen. Mit diesem Modell konnte auch die im Jahre 1827 vom schottischen Botaniker Robert Brown gemachte Beobachtung erklärt werden, der feststellte, dass in einem Wassertropfen verteilte Bruchstücke von Pollenkörnern unter dem Mikroskop sich ruckartig hin und her bewegten.
Modell für die Brownsche Bewegung (Video, ohne Ton): Ein unter dem Mikroskop sichtbares Partikel (gelb: z. B. Russpartikel im Tabakrauch) bewegt sich wirr hin und her (= Brownsche Bewegung), ausgelöst durch Stösse unsichtbarer Teilchen (schwarz: im Bsp. Luftteilchen). Quelle: National Taiwan Normal University (YouTube).
Bsp.: Ein Feststoff (z. B. Zucker) wird in einem Lösungsmittel (z. B. Wasser) gelöst.
Das Lösen von Zucker in Wasser im Teilchenmodell
Infolge ihrer Eigenbewegung treffen Wasserteilchen nicht nur auf ihresgleichen, sondern auch auf Zuckerteilchen. Die Wasserteilchen und die Zuckerteilchen ziehen sich an. Wasserteilchen lagern sich an die Zuckerteilchen an. Besonders an den Ecken und Kanten werden dabei die Zuckerteilchen aus dem Verband – d. h. aus dem Gitter – herausgeschlagen. Wasserteilchen lagern sich vollständig um jedes Zuckerteilchen an (vgl. rot eingekringelt in der obigen Abbildung). Der Stoff wird gelöst.
In einer bestimmten Menge Lösungsmittel kann man nicht beliebig viel Stoff lösen. Wenn bei einer gegebenen Temperatur ein Maximum an Stoff gelöst ist, so bezeichnet man die Lösung als gesättigte Lösung.
Die meisten Stoffe lösen sich bei Temperaturerhöhung besser, da die Teilchenbewegung (Geschwindigkeit) bei Erwärmung zunimmt: Zucker löst sich zum Beispiel in kalter Milch viel schlechter als in heisser Milch.
Kristalle, welche durch ihre charakteristische Formen (Ordnung!) gekennzeichnet sind, entstehen:
In allen Fällen werden zwischen den Teilchen starke Anziehungskräfte wirksam. Die Anziehungskräfte bewirken, dass die Teilchen räumlich regelmässig angeordnet werden. Es entstehen Kristallgitter. Im Falle von Kochsalz (Natriumchlorid) sind das immer würfelförmige Kristalle (vgl. neben stehende Abbildung).
Die Kristallisation aus Lösungen können wir als Umkehrvorgang des Lösens eines Stoffes in einem Lösungsmittel verstehen.
Kochsalzkristalle, makroskopische Ebene (Quelle: Wikipedia).
Wegen ihrer äusserst geringen Grösse kann man die kleinsten Teilchen eines Stoffs mit optischen Mitteln (Lupe, Lichtmikroskop) nicht erkennen. Wir können diese Teilchen nicht wirklichkeitsgetreu abbilden. Eigenschaften und Reaktionen eines Stoffs sind jedoch auf dessen spezifischen Aufbau (aus Teilchen) zurückzuführen. Zur Erklärung von Eigenschaften und Reaktionen braucht man also trotzdem ein Bild dieser unsichtbaren Teilchenwelt. Aus diesem Grund wurden Vorstellungen (Modelle) über den Aufbau von Stoffen entwickelt. Die Annahme kleinster Teilchen kugelförmiger Gestalt ist eine solche Modellvorstellung von Materie. Man spricht deshalb auch vom Kugelteilchenmodell. Neben dem Teilchenmodell ist das Atommodell (vgl. später) ein weiteres bekanntes Modell.
Ein Modell dient zur Erklärung von Beobachtungen. Ein Modell ist nicht richtig oder falsch. Es ist brauchbar oder unbrauchbar, um einen Vorgang, eine Eigenschaft erklären zu können. In der Folge können je nach Eigenschaft, welche man erklären will, mehrere Modelle zum Einsatz kommen. Ein Modell gibt höchstens einen Teil der Wirklichkeit annähernd wieder.
Sachverhalt
(z. B.: Anordnung der Teilchen in einem Kristall)
An einem guten Modell können sogar Eigenschaften vorausgesagt werden, die man noch gar nicht beobachten respektive nachweisen konnte. Findet man diese Eigenschaften tatsächlich, so ist das ein Beweis dafür, dass das Modell brauchbar ist.
Modell
(Modellvorstellung: Gittermodell mit Kugeln)
Bearbeite nun die restlichen Aufgaben ab Aufgabe 6.
Es liegen keine Dateien vor.
Im Rahmen des CPs sollten sicher die Aufgaben 1–5 bearbeitet werden können.
Die restlichen Aufgaben 6–9 sind als Hausaufgaben zu bearbeiten.
(Diese Aufgabe solltest du bereits bearbeitet haben. Hier geht's zur Lösung.)
Gib die drei Aggregatzustände mit dem Teilchenmodell wieder und bezeichne jeweils die Übergänge zwischen den Aggregatzuständen mit den entsprechenden Begriffen.
Gib die Vorgänge beim Erhitzen und Abkühlen von Iod, die in folgendem Video gezeigt werden, mit dem Teilchenmodell wieder.
Quelle: YouTube (Video, 1:18 min).
Versuch: Bromgas am Boden eines Zylinders
Beschreibe die Beobachtungen, die in folgendem Video zu machen sind, in Worten und mit dem Teilchenmodell (Skizze).
Quelle: YouTube (Video, 32 sec).
Das orange Bromgas breitet sich von alleine in Richtung des zweiten Zylinders aus. Nach ca. 1 Stunde – also am Ende des Experiments – hat sich das Gas regelmässig verteilt, da in beiden Zylindern das Gas gleich intensiv orange erscheint. Im Vergleich zu Beginn des Experiments ist das Gas jedoch leicht heller, da die gleiche Anzahl Bromteilchen nun das doppelte Volumen einnimmt, womit sich die Konzentration von Brom halbiert hat.
Versuch: Kaliumpermanganat (ein violettes Salz) am Boden eines Zylinders mit Wasser.
Beschreibe die Beobachtungen, die in folgendem Video zu machen sind, in Worten und mit einer Skizze.
Quelle: YouTube (Video, 1:35 min).
Das violette Salz breitet sich im Zylinder von unten nach oben aus. Nach 5 Wochen ist die Wassersäule überall gleich intensiv violett gefärbt (gleiche Konzentration des violetten Salzes). Die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Stoffen ist in Flüssigkeiten deutlich langsamer als in Gasen, da sich die Teilchen in Flüssigkeiten sehr viel weniger schnell bewegen als in Gasen.
(Bearbeite nun die Aufgabe 5.)
Eigenbewegung von Teilchen und deren Temperaturabhängigkeit
Mache dir mithilfe der folgenden Animation klar, wie man sich die Eigenbewegung der Teilchen vorstellt und wie diese von der Temperatur abhängt.
Die Teilchen bewegen sich geradlinig fort, bis sie auf ein anderes prallen und die Richtung ändern. Insgesamt ist die Bewegung der Teilchen ungerichtet. Je höher die Temperatur, desto schneller bewegen sich die Teilchen.
(Gehe nun zurück zur Theorie.)
(Die folgenden Aufgaben kannst du erst bearbeiten, nachdem du die restliche Theorie studiert hast.)
Diffusion eines gelben Farbstoffs
In welchem der zwei in folgendem Video dargestellten Gläser befindet sich warmes bzw. kaltes Wasser. Begründe deine Antwort.
Im Glas links breitet sich der gelbe Farbstoff schneller aus, d. h., er diffundiert schneller. Die Farbstoffteilchen dort scheinen also häufiger von Wasserteilchen angestossen zu werden, was auf höhere Geschwindigkeit der Wasserteilchen und damit auf höhere Temperatur des Wassers in diesem Glas schliessen lässt.
Weshalb erwärmt sich eine Teetasse durch den heissen Tee darin? Erkläre mit dem Teilchenmodell.
Wie wir wissen, haben Teilchen eine Eigenbewegung. Und je höher die Temperatur, desto grösser die Geschwindigkeit der Teilchen. Was passiert also mit den Teilchen der Tasse, wenn Wasserteilchen auf sie treffen?
Die Antwort erfährst du im folgenden Video:
Quelle: YouTube (Video, 49 sec).
Die Wasserteilchen im heissen Tee bewegen sich mit hoher Geschwindigkeit und stossen dauernd auf die nur langsam an Ort schwingenden Porzellanteilchen der Teetasse. Die Porzellanteilchen beginnen dadurch stärker zu schwingen (die Tasse wird wärmer), während die Wasserteilchen langsamer werden (der Tee kühlt leicht ab).
Brownsche Bewegung bei Milch
Beschreibe und erkläre die Beobachtung, die man bei einer Milchprobe unter dem Mikroskop machen kann (vgl. folgendes Video), mit dem Teilchenmodell.
Hinweis: Milch besteht im Wesentlichen aus Wasser, welches gelöste Stoffe, aber auch feinst verteilte Fetttröpfchen (Öltröpfchen) enthält. Die Fetttröpfchen sind unter dem Mikroskop sichtbar.
Quelle: Wikipedia.
Unter dem Mikroskop ist eine Zitterbewegung der Fetttröpfchen zu erkennen (= Brownsche Bewegung). Diese (grossen) Fetttröpfchen im Wasser befinden sich in permanenter, zitternder, jedoch langsamer Bewegung, da sie von den Stössen der nicht sichtbaren (viel kleineren) Wasserteilchen andauernd Richtungsänderungen erfahren. Verantwortlich für diese Stösse ist die schnelle Eigenbewegung (Wärmebewegung) der Wasserteilchen:
Brownsche Bewegung bei Milch: Ein Fetttröpfchen erfährt pro Sekunde ca. 1021 (1 Trilliarde!) Stösse von Wasserteilchen und bringt dieses in eine ungerichtete Bewegung. In der Abbildung sind der Übersichtlichkeit halber nur wenige Wasserteilchen gezeichnet.
Beschleunigung des Lösevorgangs von Zucker in Wasser
Wie kannst du den Lösevorgang von Zucker in Wasser beschleunigen? Begründe deine Antworten mit dem Teilchenmodell.
Das Pulverisieren von Kristallzucker führt zu einer Oberflächenvergrösserung und damit zu mehr Wechselwirkungsoberfläche für Wasserteilchen.